♔ Vierundzwanzig schwarze Ritter
Ich lehnte mich gegen die Wand, hatte mir für einen Moment eine ruhigere Ecke gesucht.
Die Tanzfläche war voller glücklicher Menschen. Paare, die sich küssten und durch die Gegend schleuderten. Mein Herz sollte überkochen bei dem Glück in diesem Raum, doch ich fühlte – eigentlich nichts.
Das Kleid, welches Nathaniel rausgesucht hatte, war ein Traum. Es fiel seidig auf den Boden, schlug kleine Wellen hinter mir. Es glitzerte und funkelte, so wie ich einst gefunkelt hatte.
Diesen Funken hatte ich jedoch vor langer Zeit verloren, und bisher auch noch nicht wiedergefunden.
„Alles gut bei dir?" Olysia trat vor mich, schaute mich mit ihren großen Augen besorgt an.
So gleich war mein geübtes Lächeln auf meinen Lippen.
Manchmal, in seltenen Momenten, war ich meiner Mutter sogar dankbar dafür. Es half Gefühle zu verbergen, die man gerade noch nicht offenbaren wollte.
„Alles gut.", bestätigte ich und nickte.
„Ich brauchte nur eine kurze Verschnaufpause. Und auf jeden Fall noch ein Glas Wein."
Sie reichte mir ihre Hand und ich raffte mich wieder auf, strich mein Kleid glatt und griff dann ebenso nach ihrer Hand. Ich hatte mir vorgenommen einen schönen Abend zu haben. Auch mit Nathaniel, der mir alles verschwieg was wichtig für mich war.
Wir müssen reden, dass ich nicht lache. Wir reden, und reden, aber nur um den heißen Brei. Solange er nicht bereit war, sich mir zu öffnen, würde sich an der jetzigen Situation nichts ändern. Er lief weg, doch ich hörte auf, hinterherzulaufen.
„Der Wein meines Vaters schmeckt vorzüglich, oder?", fragte Olysia glücklich, als sie sich zwei Gläser von einem Tablet schnappte.
„Der beste Wein, den ich jemals getrunken habe. Ehrlich.", erwiderte ich und führte mein Glas im selben Moment zu meinen Lippen. Es war wirklich nicht gelogen. Normalerweise war ich kein großer Fan von rotem Wein, aber dieser hier übertraf alles, was ich bisher getrunken hatte. Vollmundig, aber doch süß, eine leichte Nuss-Note. Er war fantastisch. Und er sorgte dafür, dass sich in meinem Kopf federweiche Wolken bildeten, die mich zumindest für einen Moment vom Nachdenken ablenkten.
Wir standen an der Seite, Olysias Fuß wippte im Takt mit, während sie Neugierig auf die tanzenden Menschen schaute. Sie faszinierte mich, schien, egal was um sie herum passierte, immer das Gute zu sehen und nicht aufzugeben.
Ein junger Mann trat von der anderen Seite auf uns zu. Seine Haare waren hellbraun, sein Lachen schelmisch. Selbstbewusst steuerte er auf uns zu. Olyisas Fuß hörte auf zu tippen.
„Mist.", zischte sie und schaute mich panisch an. Augenblicklich war ich in Alarmbereitschaft. Wir verstanden uns zwar erst seit heute Mittag gut miteinander, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ich ihr helfen würde, wenn sie in Schwierigkeiten geriet.
„Das ist mein, nun ja. Irgendwie Ex-Verlobter."
Ich verschluckte mich an meinem Rotwein und prustete los. Der Wein kratzte in meinem Hals und es viel mir für einen Moment schwer zu atmen. Empört boxte sie mir leicht gegen die Schulter.
„Das ist nicht lustig!" Der Mann ließ das schöne Mädchen neben mir für keinen Moment aus den Augen. Ich konnte ihr ansehen, dass es sie verunsicherte.
„Du warst schon einmal verlobt?", fragte ich zwischen mehreren schweren Atemzügen. Kurz hatte ich Angst gehabt, der Rotwein würde mir aus der Nase schießen. Das war eine sehr ungewöhnliche Nachricht für eine junge Frau. Verlobungen wurden in der Regel nicht mehr gelöst, egal was vorgefallen war.
„Ja. Aber dazu später mehr. Bitte hilf mir."
„Rette mich oder schubs mich in seine Richtung? Ich bin mir noch nicht ganz sicher in welche Richtung das gehen soll?"
„Retten. Schnell. Retten, Eadlyn!!" Der Mann war beinahe bei uns angekommen. In Windeseile drückte ich Olysia mein Glas in die Hand, bevor ich ebenso auf den Mann zusteuerte.
Erst schaute er mich verwirrt an, dann mit begehren. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Solche Männer konnte ich nicht ausstehen, und trotzdem kam es mir gerade sehr zu Gute.
„Hallo, schöner Mann.", sagte ich leise und stellte mich vor ihn, hoffte ich konnte Olysia genug Zeit verschaffen um in der Menge zu verschwinden. Er grinste mich an, bevor er meine Hand nahm und einen Kuss auf ihr platzierte.
„Was verschafft mir die Ehre?", fragte er. Seine Stimme war heller, als ich es erwartet hatte und das brachte mich für einen kleinen Moment aus dem Konzept.
„Ein – ähm – Tanz!", sagte ich mit Begeisterung. Dabei wollte ich überhaupt nicht tanzen. Ich war froh, von der Tanzfläche entkommen zu sein. Mein Blick glitt an ihm vorbei und ich erkannte, dass Nathaniel sich immer noch mit dem Tanzen amüsierte.
„Ein Tanz? Es wäre mir eine Ehre." Er behielt meine Hand in seiner, und auch wenn ich das Bedürfnis hatte sie ihm zu entreißen, ließ ich sie an Ort und Stelle.
Ein kurzer Blick über die Schulter versicherte mir, dass Olysia sich in Sicherheit gebracht hatte. Dann befand ich mich auch schon wieder am Rand der Tanzfläche.
Rhythmisch begannen wir uns zu der Musik zu bewegen. Sein Blick glitt über mein Gesicht, zu meinem Dekolleté, meine Hüfte. Ich fühlte mich gänzlich unwohl und wusste nicht, wie ich das überspielen konnte.
„Und wie heißt Ihr, wenn mir die Frage gestattet ist?"
„Gräfin Eadlyn Rosemary von Dounbrig.", nannte ich ihm meinen vollen Titel, damit er vielleicht von selbst auf die Idee kam, dass ich wegen dem Prinzen hier war.
Nathaniel.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, fing sich jedoch schnell wieder.
„Eine Gräfin, wie schön. Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen, Lyn."
Er grub seine Finger zu tief in meine Hüfte. Sie sollten nur sanft aufliegen, nicht in mein Fleisch krallen wie seine nächste Beute. Doch wahrscheinlich war ich genau das für ihn, seine nächste Beute.
„Eadlyn.", korrigierte ich ihn. Denn niemand außer Nathaniel durfte mich so nennen.
„Wieso denn so förmlich? Wir lernen uns doch gerade kennen. Ich heiße übrigens Benjamin."
Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass es mich nicht interessierte. Aber ich wollte keine Aufmerksamkeit erregen, keine Blicke auf uns spüren.
Als die Musik langsam verklang, hatte ich die Hoffnung, es über mich gebracht zu haben, doch er ließ nicht von mir ab. Seine Hand verweilte stark und bestimmend an meiner Hüfte.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, ich wurde panisch.
„Ich würde jetzt gerne gehen. Ich danke Ihnen für den Tanz.", sagte ich so höflich wie möglich und nickte ihm kurz zu. Doch er lächelte mich einfach nur weiter an.
„Ich bin aber noch nicht fertig mit Tanzen.", erwiderte er. Ich versuchte mich aus seiner Berührung zu winden, doch er klammerte sich fest an mich.
„Tanzen Sie doch mit einer anderen Frau. Es sind genügend hier." Mein Ton wurde intensiver, auch wenn sich großen Unbehagen in mir breit machte.
„Mein Interesse gilt jedoch nur Ihnen."
Er wusste was er tat, verstärkte seinen Griff noch mehr.
„Lassen Sie mich los.", zischte ich, funkelte ihn an. Zumindest hoffte ich, dass es wie ein böses Funkeln aussah. Doch mein Herz raste und meine Handflächen wurden langsam schwitzig. Ich wollte, dass er seine ekelhaften Hände von mir nahm. Doch er war viel stärker als ich.
„Nein.", sagte er mit Nachdruck.
„Haben Sie die Dame nicht gehört? Sie bat darum, dass Sie Ihre Finger von ihr nehmen."
Er erstarrte, als er die Stimme hinter sich wahrnahm. Mein Blick fiel auf Nathaniel und ich dankte dem Himmel, dass er immer ein Auge auf mich hatte. Denn anders hätte ich nicht gewusst, wie dieser Abend heute für mich geendet wäre.
„Loslassen.", sagte Nat zwischen zusammengebissenen Zähnen, als seine Hände immer noch auf mir weilten. Im gleichen Augenblick war ich frei. Benjamin fuhr herum, sein ganzer Körper angespannt. Ich trat einen Schritt zurück.
„Ent – Es tut mir leid, mein Prinz. Ich wusste nicht -."
Er sah aus, als würde er sich jeden Moment einnässen. Belustigend für einen Mann, der gerade noch so große Töne gespuckt hatte. Großkotzig gegenüber einer Frau, winzig klein gegenüber dem nächsten König.
„Ihre Ausreden interessiere mich nicht. Miss von Dounbrig sieht verängstigt aus. Und das wird Konsequenzen haben."
Mein Blick fiel auf Nathaniels Hände. Sie waren zu Fäusten geballt, seine Knöchel traten schon weiß hervor.
„Ich habe nicht gewusst, dass Sie wegen Ihnen im Schloss ist, Prinz Nathaniel.", versuchte Benjamin sich zu verteidigen.
„Auch wenn Sie nicht wegen mir hier wäre, fasst meine eine Frau nicht gegen ihren Willen an." Nathaniel machte einen bedrohlichen Schritt auf den Mann zu, der um 30 Zentimeter zu schrumpfen schien. Seine Dominanz erfüllte den ganzen Raum. Jeder sah gespannt zu ihm, und ich wusste, sie alle würden sich ihm ohne Widerrede unterwerfen, wenn der Tag gekommen war. Er griff nach Benjamnis Kragen. Dieser zitterte am ganzen Körper.
„Belästigen Sie noch eine Frau in meinem Königreich und sie verlieren ihren Kopf. Sie haben Schutz in meinem Land gesucht. Und diese, sowie alle anderen Frauen stehen ebenso unter meinem Schutz. Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Verstehen wir uns?" Seine Stimme war dunkel und rau.
Benjamin nickte mehrmals schnell hintereinander.
„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Ich möchte wissen, ob Sie mich verstanden haben.", wiederholte Nathaniel.
„Ja, mein Prinz. Klar und deutlich.", bibberte er. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Er würde ihn im Auge behalten, dass wusste ich. Er würde seine Drohung wahr machen, wenn er das müsste.
„Dann verschwinden Sie jetzt aus diesem Schloss." Er ließ ihn los und Benjamin stolperte ein paar Schritte nach hinten, bevor er sich umdrehte und flüchten wollte.
„Ach, Mister Louver?", hielt Nathaniel ihn noch einmal auf. Er drehte sich langsam wieder zum Prinzen um.
„Ja, mein Prinz?"
„Entschuldigen Sie sich bei der Dame.", verlangte er. Seine Augen weiteten sich. Wahrscheinlich hatte noch nie eine Frau in diesem Leben eine Entschuldigung von diesem Bastard gehört. Wieso beim Himmel war Olysia überhaupt mit ihm verlobt gewesen?
Er schaute mich mit offenem Mund an, doch eine Entschuldigung hörte ich nicht aus diesem.
„Ich würde meinen Ball gerne weiterführen. Wenn Sie diesen Kopf also noch ein wenig auf ihren Schultern tragen wollen, erwarte ich eine Entschuldigung. Jetzt."
„Entschuldigen Sie, Miss Eadlyn von Dounbrig." Er verbeugte sich leicht vor mir, bevor er sich ängstlich aus dem Staub machte. Nathaniel schaute besorgt zu mir.
„Alles gut?" Er kam mit großen Schritten auf mich zu und legte seine Hände auf meine Wange. Dann wandte er mein Gesicht nach rechts, nach links, oben und unten, bevor seine Augen meine fanden.
„Er hat mich nicht geschlagen, Nat. Mein Gesicht zu begutachten ist nicht von Nöten."
„Ich wollte mir auch nur genauer ansehen, wie wunderschön du heute aussiehst."
Seine Hände sanken wieder an seine Seite.
„Königlicher Witzbold." Ein schelmisches Lachen huschte über sein Gesicht, bevor er wieder ernst wurde.
„Also, ist alles gut bei dir?", fragte er erneut. Ich konnte Benjamins Hände noch auf meiner Hüfte spüren. Es fühlte sich dreckig an, unbehaglich.
„Ja, alles gut. Danke, dass du mir geholfen hast.", sagte ich aufrichtig.
„Ich werde dir immer zur Hilfe eilen. Wenn nicht unbedingt in weißer Rüstung. Eher in schwarzer."
„Tanzen wir noch einen Tanz? Ich spüre seine Hände immer noch auf meiner Hüfte."
Kurz verdunkelten sich seine Augen, bevor er seine Hand auf die Stelle lag, die mein Unbehagen auslöste. Das schlechte Gefühl verschwand augenblicklich, als er mich berührte. Es wurde ersetzt durch ein Kribbeln, durch Sehnsucht und Verwirrtheit.
„Darum brauchst du mich niemals zweimal zu bitten, Lyn."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro