♔ Siebenundzwanzig Verantwortungen - Nathaniel
Mein Treffen mit Tuala machte mich nervöser, als es sollte. Nicht aus dem Grund, dass sie mich interessieren würde, denn keine Frau außer Eadlyn weckte mein echtes Interesse, sondern aus dem Grund, dass die Chancen hoch waren das sie meine Frau werden würde.
Ich schluckte schwer, als sich die Türen öffneten. Meine Verantwortung gegenüber meinem Land war mir bewusst, sehr gut sogar. Um diese Verantwortung zu gewinnen, hatte ich viel verloren. Trotzdem funkte mein Herz in letzter Zeit öfter dazwischen, als es mir lieb war.
Mein Blick glitt zu der Frau mit dem schneeweißen Haar und der blass schimmernden Haut. Wahrscheinlich hatte sie in ihrem Leben nie viel Sonne gesehen, und jetzt würde sie eine ganze Weile lang nichts anderes mehr sehen.
Zwei Wachen begleiteten sie. Als Tuala den Raum betrat, stand ich augenblicklich von meinem Stuhl auf. Wir verbeugten uns voreinander, und diese Situation hatte etwas Komisches an sich. Sie war eine Prinzessin, ich war ein Prinz. Unsere Hochzeit würde zwei Königreiche zusammenführen die sich bekriegten seit ich denken konnte.
„Prinzessin Tuala.", sagte ich leise, griff nach ihrer Hand und hauchte ein Kuss auf diese. Ich kannte die Manieren, die Strategien eine Frau für sich zu gewinnen und ich wusste, wie man mit einer Prinzessin umging, auch wenn man sich bis auf das Blut hassen müsste.
„Prinz Nathaniel, wie schön Sie endlich kennenzulernen."
„Die Freude ist ganz meinerseits. Setz dich doch, Tuala.", sagte ich.
Förmlichkeit sagte mir nicht zu, auch wenn sie angebracht gewesen wäre. Mir war ein lockerer Rahmen schon immer lieber gewesen, um die Menschen mir gegenüber kennenzulernen. Ich zog ihren Stuhl nach hinten und sie setzte sich dankend.
Ich nahm auf der gegenüberliegenden Seite Platz. Wir waren zu Kuchen und Tee verabredet, da meine Mutter wollte, dass Sie beim Abendessen die anderen Frauen besser kennenlernen, und sich mit ihnen anfreunden konnte.
Ich brachte es nicht übers Herz ihr zu sagen, dass die Frauen keine Freundschaften miteinander schlossen. Außer Eadlyn und Olysia, die beiden schienen sich ein wenig angenähert zu haben.
Als ich an Lyn dachte, musste ich ebenso daran denken, mit wem sie ihre Zeit gerade verbrachte, während ich in diesem Raum gefangen war. Ich wollte ihr hinterherlaufen, sie von Collin fernhalten. Doch es war nicht mehr lange bis zu meiner Verabredung und ich konnte es mir nicht erlauben, die Prinzessin auf mich warten zu lassen.
„Nathaniel?", fragte sie und legte ihren Kopf schief. Ich hatte mich wohl zu sehr in meine Gedanken verfangen.
„Entschuldige, was hast du gesagt?", sagte ich und räusperte mich.
Das würde ein holpriger Start werden.
„Ich habe gefragt, ob du mir mehr über dein Land erzählen kannst. Mein Vater hat das Thema bis vor einigen Tagen strengsten gemieden, wenn nicht sogar verboten. Kaum jemand zu Hause redet über euch und eure Krone.", sagte sie, während sie sich einen Zuckerwürfel in ihre Tasse legte.
„Das ist deine erste Frage?", fragte ich überrascht. Sie griff nach dem Milchkännchen und goss einen Schluck in die braune Flüssigkeit.
„Das ist meine erste Frage, spricht etwas dagegen?" Ihre Stimme war hell und weich. Ihr Aussehen war gepflegt, wie es sich für eine Prinzessin gehörte. Die weißen Haare reichten ihr nur knapp über die Schulter, doch es stand ihr, sie sah wunderschön aus. Mein Blick glitt zu ihren Augen, und fand neugieriges Grau in ihnen.
Wollte diese Frau hier sein, oder hatte ihr Vater sie genauso aus der Kalten erwischt, wie mein Vater mich? Hatte sie jemanden zu Hause, den sie liebte und heiraten wollte, genauso wie ich? Vielleicht teilten wir ein und dasselbe Schicksal, und so beunruhigend wie der Gedanke sein sollte, beruhigte er mich doch.
„Es ist sonnig.", sagte ich ironisch, und entlockte ihr tatsächlich ein Lachen.
Ihre Hand griff nach einer silbernen Kette, ich erkannte eine Schneeflocke, die um ihren Hals hing.
„Das ist mir tatsächlich schon aufgefallen. Und ob du es glaubst oder nicht, ich habe sogar schon meinen ersten Sonnenbrand.", sagte sie und zeigte auf ihre Nase.
Erst jetzt fiel mir die rote Stelle auf dieser auf.
„Wie lange bist du hier, seit gestern Abend?"
Sie nickte und lachte jetzt noch mehr.
„Dann sollten wir dir einen guten Sonnenschutz besorgen."
Ihr Lächeln verharrte noch einen Moment auf ihren Lippen, bevor es verblasste.
Sorge nahm den Platz in ihrem Gesicht ein.
„Was ist los?", fragte ich sanft.
Wir schwiegen, und ich wartete. Wartete, bis sie bereit war mir zu erzählen, was erzählt werden musste. Sie trank einen Schluck aus der weißen Tasse.
„Ich, nun ja, weiß nicht wie ich es sagen soll, ohne dabei gemein zu klingen.", fing sie an, und ich wusste in derselben Sekunde, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde.
„Mir geht es genauso.", unterbrach ich ihre Gedanken. Mit großen Augen schaute sie mich an.
„Sein Name ist Crystallor.", sagte sie leise, wich meinem Blick aus. Dabei gab es nichts, wofür sie sich schämen musste.
„Du wolltest ihn heiraten?"
Sie nickte.
„Ihr Name ist Eadlyn."
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich von Sorge in Mitleid, obwohl sie das gleiche Schicksal ereilte wie mich.
„Tut mir leid.", murmelte sie, blinzelte einige Male schnell hintereinander. Doch ich konnte das Glänzen in ihren Augen trotzdem erkennen, sie schimmerten Silber unter ihren Tränen.
„Mir auch."
„Aber ich kann meinen Vater nicht enttäuschen. Und er weiß es auch nicht. Ich weiß nicht, ob es etwas ändern würde. Aber ich will Frieden für mein Land. Frieden für die Soldaten, die täglich ihr Leben lassen. Die Liebe ist ein kleines Opfer für das Leben vieler Unschuldiger."
Etwas überfordert begann ich an meinem Ring zu drehen.
„Das ist die Last, die die Krone mit sich bringt.", ergänzte sie dann noch.
Wenn Tuala wirklich meine Frau werden würde, konnte ich mich glücklich schätzen. Sie war wunderschön, Weise, gut zu ihrem Volk. Ich könnte mir kaum eine bessere Königin wünschen. Vielleicht würde die Liebe folgen, vielleicht auch nicht. Doch ich hatte jetzt schon das Gefühl, das Leben mit ihr würde angenehm werden können. Wenn sie ebenso einen anderen Mann begehrte, wäre es doch möglich -.
Ich verbot mir den Gedanken an eine Affäre mit Eadlyn. So ein Leben hatte sie nicht verdient. Eine Mätresse des Königs zu sein würde ihr nicht gerecht werden. Ich würde sie loslassen müssen, und dieses Mal für immer.
„Mein Vater hat mir leider nicht viel über die Umstände erzählt, weißt du mehr?"
Für einen Moment überlegte sie, ob es etwas gab, was sie mir nicht erzählen durfte.
„Ich denke nicht. Ich weiß von einer schriftlichen Friedensvereinbarung nach unserer Hochzeit. Ich weiß von einem Bündnis zwischen unseren Reichen. Doch ich habe keine Ahnung, was meinen Vater dazu bewegt hat, diesen Schritt zu gehen. Vielleicht bekommt er das Land, um welches sie sich schon so lange bekriegen? Darum ging es ihm die ganze Zeit."
„Aber warum sollte mein Vater nach so vielen Jahren Krieg sagen, hier, nimm das Land und gib mir dafür deine Tochter, obwohl wir schon beinahe eine Frau für mich gefunden hatten?"
Ihr Blick schärfte sich ein wenig bei meinen Worten.
„Ich weiß es leider nicht, Nathaniel. Macht? Unser Kind wäre Herrscher über beide Länder, eine Einheit geschaffen in seinem, und dem Namen meines Vaters? Doch ich habe gelernt, keine Fragen zu stellen. Wenn ich es nicht weiß, soll ich es nicht wissen."
„Und das findest du gut?", fragte ich schärfer, als ich es beabsichtigt hatte. Wenn sie meinen Ton ausfallend fand, ließ sie sich jedoch nichts anmerken. Sie griff nach einem Erdbeertörtchen, und wechselte das Thema.
„Ich habe noch nie frische Erdbeeren gegessen.", sagte sie, biss genüsslich in das rote Gebäck. Kurz schloss sie ihre Augen, um den Geschmack zu genießen.
„Erzähl mir von ihr, von Eadlyn.", sagte sie dann, hielt sich die Hand vor den Mund, falls sich Krümel an ihrer Lippe verhangen hatten.
Mein Herz zog sich ein wenig zusammen, das dumpfe Gefühl in meiner Brust ließ sich kaum beschreiben.
„Ich passe, danke.", erwiderte ich, achtete dieses Mal jedoch mehr auf meinen Ton. Ich wollte über Eadlyn reden, am liebsten in jeder freien Minute und bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Jedoch nicht mehr der zukünftigen Frau meines Landes, meiner Kinder.
„Willst du mir etwas über Crystallor erzählen?", fragte ich im Gegenzug, um nicht unhöflich zu wirken. Doch sie ging diesem Gespräch ebenso aus dem Weg wie ich. Wir beiden wollten diese eine Sache haben, die nur ganz uns gehörte. Diese Sache, zu der man an schlechten Tagen zurückkehren konnte. Ich wusste nicht, ob sie noch Zweifel hatte, und ich würde sie auch nicht danach fragen. Sie musste eine Aufgabe erfüllen, ein Land retten, genauso wie ich. Und egal wie unterschiedlich wir auch sein mochten, diese eine Sache hatten wir gemeinsam. Sie verband uns wie ein unsichtbares Band, dass unmöglich zu trennen war.
Unser Land über alles, selbst über uns.
♔♔♔♔♔♔
In diesem Kapitel möchte ich kurz die Gelegenheit nutzen und euch eine Illustration (wie cool ist das bitte???) zeigen, die eine absolut liebe Seele für mich und meine Geschichte gemacht hat.
Ich liebe sie! Aber ich liebe auch meine beiden Jungs.
Schaut doch mal bei ihr vorbei <3
@Mondlichtregen
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