♔ Sieben Mädchen
Ich ritt neben Nathaniel und der Wache, Meladin lief brav neben uns her.
Sie tat beinahe so, als hätte sie gerade nicht die vielleicht nächste Prinzessin von Dour von ihrem Rücken befördert. Obwohl ich glaube, dass ihre Chancen gerade auf beinahe Null gesunken waren. Sie konnte zwar nichts dafür, gern gesehen war es trotzdem nicht.
Ich fragte mich, wie meine Chancen wohl standen.
Dann fragte ich mich, wieso mich das überhaupt interessierte.
Beinahe konnte ich Nathaniels Lippen auf meinen spüren. Seine Nähe kribbelte immer noch durch meinen Körper. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob ich das überhaupt gewollt hatte. Oder ob ich jemals etwas in meinem Leben so sehr gewollt hatte.
Sofia stand neben dem König. Ihr Haar war zerzaust, ihre Kleider dreckig.
In ihren Augen glänzten Tränen.
»Ah, ihr Pferd ist wieder da!«, sagte er erleichtert, aber auch ein wenig gereizt. Sofia schaute auf, ihr Blick traf meinen. Neben den Tränen erkannte ich noch etwas anderes. Wut? Eifersucht?
»Bringen Sie Mrs. Loette zurück zum Schloss«, wies der König einen seiner Wachen an.
Sofia schreckte hoch.
»Was? Nein! Ich kann weiter reiten!«, protestierte sie, schaute verzweifelt zwischen ihrem Pferd und dem König hin und her. Dann glitt ihr Blick zu Nathaniel. Und er sah irgendwie vertrauter aus, als es mir lieb wäre.
»Nathaniel bitte«, richtete sie nun ihre Stimme an ihn. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Er erwiderte ihren Blick. Spannung hing in der Luft.
»Prinz von Dour, für Sie Mrs. Loette. Bringt Sie zum Schloss«, befahl er dann den Wachen ebenso wie sein Vater kurz zuvor. Was hatte sie sich von ihm erhofft? Gab es da etwas, was ich vielleicht wissen sollte?
Ich versuchte diese Gedanken abzuschütteln. Ich wollte doch sowieso nicht Prinzessin werden, nicht die Ehefrau von Nathaniel. Es ist mir egal. Es sollte mir egal sein.
Sofia brach in Tränen aus. Wenn es noch eine Chance gegeben hätte, dann war sie jetzt über Board geworfen.
Regel Nummer Sieben: Keine Gefühle in der Öffentlichkeit. Ein königliches Lächeln, mehr nicht. Keine Freude, keine Wut - und vor allem, keine Tränen!, hallte die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf wieder. Zu oft hatte ich die zehn Regeln gehört. Und die Sieben war besonders wichtig.
Der restliche Ausritt verlief problemlos. Niemand fiel vom Pferd, niemand ritt in die falsche Richtung oder benahm sich daneben. Der König hatte aber auch noch kein Wort darüber verloren, dass ich das Pferd zurückgeholt hatte. Und langsam breitete sich in mir die Sorge aus, dieses Schloss verlassen zu müssen ohne Nathaniel geküsst zu haben.
Dabei war das doch eigentlich genau das, was ich wollte. Nach Hause, so schnell wie möglich.
Als wir wieder im Stall angekommen waren, überreichten wir die Pferde den Dienstmädchen.
»Danke für deinen großartigen Einsatz Rih. Es wäre mir eine Ehre irgendwann wieder auf deinem Rücken zu sitzen.", sagte ich und strich ihm sanft über den Kopf. Seine kalte Nase berührte meine Hand und ich redete mir ein, dass er unseren Ausritt ebenso toll fand wie ich.
»Sie haben eine Stunde um sich fertig zu machen und zum Abendbrot zu erscheinen.«
Die laute Stimme des Königs durchschnitt die friedliche Luft des Stalls. Augenblicklich wirkten alle Mädchen gleichzeitig wieder sehr nervös.
Eine Stunde war gerade genug um sich frisch zu machen und in angemessener Kleidung zum Abendbrot zu erscheinen.
Welches Kleid würde ich zu meinem Rauswurf tragen?
♕♘♔♙♖♚
Die Spannung beim Abendessen war greifbar. Beinahe alle Mädchen spielten nervös an ihren Ketten, zupften an ihrem Kleid oder drehten ihre Locken immer wieder zu Recht.
Jedes Mal wenn ich auch nur darüber nachdachte meine Nervosität zum Ausdruck zu bringen, spürte ich den kalten Blick von meiner Mutter auf mir.
Also aß ich mein Abendbrot oder faltete die Hände in meinem Schoß zusammen.
Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie mein Blick zu dem schwarzhaarigen Mann am anderen Ende der Tafel glitt. Er trug ein dunkelgraues Hemd, die Ärmel wie beinahe immer nach oben gerollt. Seine Haare waren frisch gewaschen und noch ein wenig feucht.
Er unterhielt sich mit einem der Mädchen, ich wusste ihren Namen natürlich nicht. Sein Gesicht sah ein wenig angespannt aus, ich konnte kein Lächeln erkennen, nicht einmal einen Anflug davon.
Als würde er spüren, dass ich ihn ansah, glitt sein Blick für eine kurze Sekunde zu mir.
Ich schaute weg.
Meine Mutter unterhielt sich mit einem Baron, der neben ihr am Tisch saß. Es war der Vater von Olysia von Hohenstein. Ich kannte sie, hatte sie schon einige Male auf Veranstaltungen gesehen.
Sie war nett und zugegebenmaßen wunderschön. Feuerrote Haare, leuchtend grüne Augen.
Ihre Familie handelte mit Wein, wenn ich das richtig in Erinnerung hatte.
Nun saß ich also hier. Zehn Mädchen waren noch übrig, zwei davon würden heute gehen.
Mein Blick glitt über den Tisch.
Olysia und Sofia kannte ich, zwei Namen. Fehlten noch sieben.
Das Mädchen mit dem Nathaniel sich unterhielt hatte aschblondes Haar, blaue Augen.
Doch mir würde nicht einfallen, wo ich sie schonmal gesehen haben könnte. Auch ihre Familie kam mir kaum bekannt vor.
Mein Blick glitt weiter zu einem braunhaarigen Mädchen, welches sich angeregt mit der Königin unterhielt. Ich glaube ihre Familie ist mit Pferderennen reich geworden, vielleicht verwechselte ich sie aber auch. Daneben saß ein Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, ihre Mutter war Roxanne Danté. Sie hatte geheiratet, unzählige Männer. Jeder davon besaß Geld und war früher oder später gestorben - merkwürdige Zufälle, die es auf dieser Welt gibt.
Zumindest wusste jeder ganz genau, wer die beiden waren.
Die Stimme der Königin riss mich aus meinen Gedanken.
Ich wollte zu meiner Halskette greifen, doch die Hand meiner Mutter hielt mich auf.
Nervosität machte sich in mir breit, innere Unruhe nahm Besitz von meinem Körper.
Eigentlich wollte ich doch gehen - ich war schon länger hier als ursprüngliche geplant.
Doch meine Gedanken rasten zurück zu dem Moment im Wald, und irgendwie wollte ich es dann doch nicht mehr.
»Ich hoffe, dass Essen hat Ihnen geschmeckt. Kommen wir zum wichtigen Teil dieses Abends. Sie können sich selbst schon einmal gratulieren, wenn Sie bis hierher gekommen sind. Wir geben unseren Sohn nicht leichtfertig in die Hände irgendeiner Frau. Sie alle haben also etwas, dass sie zu einer großartigen Prinzessin machen könnte«, sagte sie und trank einen Schluck von ihrem Rotwein. Auch ich griff nach meinem Glas, mein Blick glitt erneut unkontrolliert zu Nathaniel.
»Nach dem heutigen Tag und nach Rücksprache mit meinem Sohn, müssen wir heute jedoch zwei Mädchen nach Hause schicken. Der Rest darf sich auf eine Woche im Schloss freuen. Sieben Tage, an denen jeder von Ihnen auf ein privates Date mit meinem Sohn gehen wird.«
Die Stimmung im Raum änderte sich, Aufregung nahm den Platz der Unsicherheit ein.
Ich schaute Sofia an, konnte ihr Gesicht jedoch nicht deuten.
So sicher war ich mir, dass sie nach Hause gehen würde, doch irgendwie strahlte ihre Haltung etwas anderes aus.
Der Blick der Königin glitt über die Mädchen. Er blieb an einem Mädchen hängen, dass ich ebenfalls nicht kannte. Ihr Körper spannte sich augenblicklich merklich an.
Wenn sie gehen würde - und Sofia, dann war ich auf der sicheren Seite.
Schnell schob ich den Gedanken wieder nach hinten.
Was war nur los mit mir?
»Bevor ich den ersten Namen verkünde, möchte ich Ihnen sagen das Noella das Schloss freiwillig verlassen hat«, hörte ich die Mutter von Nathaniel sagen. Ich hatte keine Ahnung wer sie war. Oder warum sie gegangen war.
Blieben also noch sieben Mädchen am Ende übrig.
Dann kehrte sie zurück zu ihrer eigentlichen Aufgabe.
»Tessa, es tut mir leid«, sagte die Königin dann knapp.
Die ältere Frau neben Tessa sah entzürnt aus. Auf ihre Tochter oder auf die Königin?
Das Mädchen senkte beschämt den Kopf.
Ich war auch der Meinung, sowas konnte man privater gestalten, ohne die Demütigung und die schadenfreude der anderen Mädchen.
»Pack bitte deine Sachen und verlasse morgen früh das Schloss.", sagte sie abschließend, bevor ihr Blick weiter glitt.
Sie blieb an Nathaniel haften.
»Eigentlich hätten wir nach dem heutigen Vorfall ein klares Bild, des Mädchens, welches noch nach Hause geschickt werden würde. Aber nach dem Ausritt und dem Missgeschick, welches sich dort zugetragen hatte, kam mein Sohn vorhin zu mir. Er bat mich, dem Mädchen noch eine Chance zu geben, auch wenn ihr Auftreten heute alles andere als Prinzessinenhaft war.«
Ihr Blick glitt zu mir und mein Herz rutschte mir in die Hose. Ich streckte meinen Kopf, erwiderte ihren Blick freundlich.
»Eadlyn, sie dürfen bleiben. Und danke, dass Sie das Pferd zurückgeholt haben. Das nächste Mal lassen Sie das aber bitte unsere Wachen machen.« Ich nickte schnell.
»Natürlich, eure Hoheit«, erwiderte ich. Alle Blicke lagen auf mir.
Nathaniel wollte, dass ich bleiben durfte.
Ich schaute ihn an, aber er schaute zu Sofia.
»Auch um einen weiteren Gefallen hat er mich gebeten. Und wäre er nicht mein Sohn, hätte ich den zweiten defintiv abgeschlagen. Denn das Verhalten dieses Mädchens war noch schlimmer.« Trotz ihrer Worte lächelte sie leicht.
»Doch auch wenn mein Sohn heiraten soll, möchte ich, dass er dabei glücklich ist. Er hat mich darum gebeten, dass auch Sofia die Woche noch bleiben darf. Und ich habe zugestimmt.«
Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich.
Sofia hingegen lächelte selbstgefällig.
Meine Gedanken rasten. Mir wurde ein wenig übel.
Was war zwischen den beiden, was ich bisher übersehen hatte?
Und wieso wollte er, dass Sofia und ich blieben? Spielte er mit dem Gedanken, sie zu heiraten? Hatten die beiden sich ebenso privat getroffen, sich vielleicht schon geküsst?
Ich schluckte schwer.
Was war hier gerade passiert?
Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie ich mich fühlte.
Den Namen des Mädchens, welches stattdessen gehen musste obwohl sie bleiben mehr verdient hatte als ich oder Sofia, verstand ich nicht.
Ich hörte nur, wie sie in Tränen ausbrach und jemand wild auf sie einredete.
Regel Nummer Sieben, wiederholte ich in meinem Kopf.
Wie in Trance schaute ich zu Nat, doch er schaute zu Sofia.
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