♔ Fünf Pferde
Ich fand die ganze Nacht nicht mehr in den Schlaf. Wach lag ich in dem großen Himmelbett. Die Worte von Nathaniel wiederholten sich in meinem Kopf. Immer und immer wieder. Und ich konnte sie nicht abstellen, egal wie sehr ich das auch versuchte.
Sie bedeuteten mir nichts mehr. Vor einigen Jahren gab es nichts, was ich lieber gehört hätte als das. Doch er war nicht der Mensch, für den ich ihn gehalten hatte und ich durfte nichts an mich heranlassen, was aus seinem Mund kam.
Aber egal wie sehr ich mir wünschte, sie würden an mir abprallen und aus dem Fenster fliegen, sie waren präsent. Die ganze verdammte Nacht lang.
Als ich am nächsten Morgen in den Spiegel schaute, wollte ich am liebsten im Boden versinken.
Dunkle Ringe zeichneten sich unter meinen Augen ab, meine Haut war blass, mein Haar stumpf.
Was eine Nacht schlechter Schlaf mit einem machen konnte, faszinierte mich jedes Mal aufs neue. Aber auch nach dem Waschen und dem Versuch, die Augenringe mit kaltem Wasser wegzubekommen, sah ich immer noch genauso schlimm aus, wie ich mich auch fühlte.
Zuerst stand ein Frühstück mit der Königin und den anderen Mädchen auf dem Tagesplan. Dabei würde sie dann die große Aktivität verkünden, die ich auf Grund des Königs nun ja schon längst wusste.
In einem hellblauen, knielangen Kleid mit gestickten Gänseblümchen und hochgesteckten Haaren traute ich mich schlussendlich doch, mein Zimmer zu verlassen.
Auch unsere Begleitungen würden bei dem Frühstück dabei sein. Die Freude meine Mutter zu sehen hielt sich jedoch in Grenzen. Sie würde mir sofort ansehen, dass etwas nicht stimmte.
Als ich den Saal betrat, saßen einige der anderen schon an ihren Plätzen. Ich war aber nicht die letzte, was mich ein wenig berühigte. Ich schaute in viele müde Gesichter, nur die Königin strahlte die gleiche Eleganz wie immer aus. Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen.
»Guten Morgen.", begrüßte ich sie und knickste leicht. Sie lächelte mir ebenfalls zu.
»Guten Morgen. Ich hoffe Sie hatten eine angenehme Nacht.", sagte sie. Ihre Stimme klang dabei so, als würde sie mehr wissen als ich freiwillig zugeben würde.
»Mutter«, sagte ich leise und ließ mich neben ihr auf den Stuhl sinken, ohne dabei meine Haltung zu verlieren.
»Du siehst furchtbar aus«, knurrte sie leise. Ich goss mir ein wenig schwarzen Tee in die kleine Porzellantasse.
»Auch schön dich zu sehen. Hattest du Spaß?«, fragte ich sie, um das Gespräch möglichst in eine andere Richtung zu lenken. Ich nahm die Tasse in meine rechte Hand, spreizte dabei den kleinen Finger ab und nahm einen kleinen Schluck.
»Augenscheinlich nicht so viel wie du. Welcher Angestellte hatte das Glück in deinem Schlafgemach zu landen?« Beinahe hätte ich meinen Tee über den ganzen Tisch gespuckt, konnte mich jedoch zusammenreißen. Ein leichtes Husten ließ sich jedoch nicht zurückhalten.
»Mutter!«, sagte ich wütend. Wo hatten alle Menschen in den letzten Stunden ihren Anstand verloren? Der Prinz, der König, meine Mutter.
»Was? Liege ich falsch?« Ihre Augen funkelten mich böse an, auch Enttäuschung spiegelte sich in ihnen wieder. Dabei hatte ich weitestgehend alles richtig gemacht.
»Du liegst sehr daneben. Ich habe nur nicht gut geschlafen. Meine Gedanken haben mich wach gehalten. Kein anderer Mann«, wies ich sie in ihre Schranken, doch sie schien mir noch immer nicht zu glauben.
Das Frühstück verlief ruhig. Die Königin bedankte sich für den gestrigen Ball und all die netten Gespräche, dabei hatte kaum eines der Mädchen überhaupt das Gespräch mit ihr gesucht.
Dann verkündete sie den Ausritt mit den königlichen Pferden. Einige der Mädchen sahen höchst erfreut aus, andere hingegen sahen eher verängstigt aus. Auch ich war mir nicht sicher, ob ich mich mit diesen pochenden Kopfschmerzen auf dem Pferd halten könnte.
»Heute Abend werden zwei weitere Mädchen verabschiedet. Die übrig geblieben dürfen sich auf eine ganze Woche im Schloss freuen.", verkündete sie am Ende, was für eine sehr wuselige Stimmung sorgte.
Vielleicht sollte ich einfach von meinem Pferd fallen, dann hätte dieses Leid ein Ende.
Ich hatte mein Pferd gerade fertig gesattelt, als der König zum Ausritt rief.
Normalerweise waren die Bediensteten im Stall dafür zuständig, aber ich hatte darum gebeten es selbst satteln zu dürfen. Es erinnerte mich an meinen Vater, den ich schrecklich vermisste. Es fühlte sich ein wenig nach Kind sein und zu Hause an.
Rih war ein wunderschöner, schwarzer Kladruber Hengst. Selbst damals hatte ich die Pferde nie zu Gesicht bekommen, umso mehr beeindruckte mich seine Schönheit jetzt.
Sein Name bedeutete soviel wie Wind, doch ich hoffte, dass er heute etwas langsamer reiten würde als das.
»Dann wollen wir Mal, Rih«, flüsterte ich ihm zu bevor ich mich auf seinen Rücken schwang.
Er setzte sich langsam und elegant in Bewegung.
Draußen wartete der König mit seinem Pferd Odin und Nathaniel mit Adalid.
Er hatte früher oft über ihn geredet und das er noch zu klein dafür war, ihn zu reiten. Den Tag konnte er kaum abwarten, umso stolzer sah er jetzt auf ihm aus.
Sein Blick brannte sich in meine Haut, doch ich versuchte ihn zu ignorieren.
»Ich war auch in dich verliebt, Eadlyn.«
Ich schluckte schwer, verbannte seine Stimme aus meinem Kopf. Es war auch so schon schwer genug sich darauf zu konzentrieren auf diesem Pferd im Damensitz oben zu bleiben.
»Meine Damen. Wir reiten in den Wald, zu einem See an dem sie ihre Pferde tränken können. Danach eine Runde durch die Stadt und über den Platz und wieder zurück zum Schloss. Vorne und hinten reiten die Wachen, bitte bleiben Sie also immer in der Mitte. Halten Sie Ihr Pferd unter Kontrolle und zeigen Sie Eleganz«, wies der König uns an, bevor er sich mit Odin in Bewegung setzte. Er und sein Sohn ritten die einzigen weißen Pferde, der Rest war schwarz.
Ich setzte Rih in Bewegung, der sofort langsam loslief. Keine Probleme, keine Schwierigkeiten. Er schien zu spüren, dass ich nicht in bester Form zu sein schien. Er war sanft und geduldig und ich war dankbar, ausgerechnet ihn abbekommen zu haben.
»Hey.« Die bekannte Stimme neben mir riss mich plötzlich aus meinen Gedanken. Es war das Mädchen, welches ich gestern beim Ball stehengelassen hatte.
»Hallo«, sagte ich höflich, wandte meinen Blick aber augenblicklich wieder nach vorne.
»Ich wollte mich entschuldigen. Für gestern. Das war unhöflich.«
»Schon gut. Aber dankeschön.« Ich versuchte das Gespräch abzuwürgen, aber sie schien keine Lust darauf zu haben, sich abwürgen zu lassen.
»Mein Name ist übrigens Sofia«, sagte sie dann.
»Eadlyn«, erwiderte ich.
»Oh das weiß ich. Jedes Mädchen hier kennt deinen Namen.«
Verwirrt schaute ich nun doch wieder zu ihr. Ich hatte mir keinen einzigen Namen gemerkt. Natürlich wusste ich jetzt ihren. Doch wieso sollte es mich interessieren?
Ich merke mir gerne den Namen der Prinzessin, wenn es soweit ist. Aber bis dahin sind es nur Mädchen, die das gleiche Ziel haben wie ich. Oder meine Mutter, bessergesagt.
Konkurrenz, mehr nicht. Ich war nicht hier um Freundinnen zu finden.
Erst wollte ich etwas sagen, überlegte es mir dann aber doch anders und schwieg.
Ihre braunen Haare hingen ihr geflochten über die Schulter und auch heute trug sie wieder eine sehr auffällige Farbe. Ich würde es am ehesten als Pflaume einordnen, aber es war definitiv keine schöne Pflaume gewesen.
Dann schaute ich wieder nach vorne. Doch sie ritt immer noch neben mir.
»Bist du gar nicht neugierig?«, fragte sie etwas aufgeregt.
Ich verdrehte leicht die Augen. Mit diesen Kopfschmerzen war mein Geduldsfaden noch kürzer, als er sowieso schon war. Und ich war noch nie ein Mensch mit sonderlich viel Geduld.
»Nein. Bin ich nicht, Sofia«, sagte ich möglichst höflich, war mir aber sicher, dass man trotzdem ein wenig Verachtung heraushören konnte.
»Ich werde es dir trotzdem sagen«, erwiderte sie leise, beinahe etwas schadenfroh.
Wenn dieses Mädchen nicht gleich jemand anderem auf die Nerven ging, konnte ich nicht dafür garantieren, dass sie nicht auf merkwürdige Art und Weise plötzlich von ihrem Pferd fiel.
Es interessierte mich natürlich, warum die anderen Mädchen sich meinen Namen gemerkt hatten. Was machte mich anders als die anderen? Doch würde ich diese Neugier preisgeben? Auf gar keinen Fall.
»Wie nett von dir.« Mittlerweile war ich dann doch etwas frustiert.
»Wir haben gesehen, wie Nat dich ansieht«, flüsterte sie.
Das sie ihn Nat nennte, durchfuhr mein Herz für einen minimalen Moment mit einem kleinen Schmerz. Er war kaum spürbar, doch er war da. Das war mein Spitzname für ihn gewesen.
Ich biss mir auf die Lippe.
»Sein Name ist Nathaniel«, sagte ich dann möglichst gelassen, tat auf jeden Fall so, als würde mich weder das eine, noch das andere sonderlich interessieren.
Denn das sollte es nicht. Ich mochte ihn nicht. Es konnte mir egal sein.
Verdammt, wieso war es das denn nicht?
»Wir denken, er mag dich. Wir wissen nur noch nicht wieso«, führte sie dann noch ebenso leise ihren Satz fort. Hatten sich die anderen Mädchen zu einer Allianz gebildet, die das jetzt herausfinden wollte?
"Ihr bildet euch da nur etwas ein. Vergeudete eure Kraft und eure Zeit nicht mit so einem Unsinn«, fuhr ich sie etwas sauer an. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen, den ich nur all zu dringend verbergen wollte.
Wie konnte mir nicht aufgefallen sein, dass die anderen sich anscheinend alle schon besser kennengelernt hatten?
»Naja. Aktuell bist du die größte Konkurrenz, also denke ich schon, dass es Sinn macht eine Auge auf dich zu haben.«Ihre Augen funkelten merkwürdig und erst jetzt war mir klar, dass die anderen ja gar nicht wissen konnte, dass ich kein echtes Interesse an der Krone oder dem Prinzen hatte.
»Sofia«, setzte ich an. Doch da erschreckte sich ihr Pferd vor etwas, das über den Boden huschte und schmiss sie augenblicklich auf den harten Boden, bevor er das weite suchte.
Das nenne ich schnelles Karma.
Dann gab ich Rih einen leichten Stoß um ihn in Bewegung zu setzen, um das verdammte Pferd von Sofia zurückzuholen.
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