Kapitel 18: Auch Füchse können leiden
Aus der Sicht von Eric Slingby:
Während Alan sich mit Sebastian und einigen anderen Hotelgästen auf der Party amüsierte, machte ich mich auf den Weg, um nach Darius zu sehen. Der Aufzug hatte sich gerade verschlossen, als ich dort ankam. Also wartete ich geduldig ab, bis sich die Tür wieder öffnete. Gerade wollte ich eintreten, da bemerkte ich den dunklen Schatten vor mir. In einer Ecke lehnte gemütlich ein silberhaariger, alter Mann, der genüsslich an seinen Keksen kaute. "Undertaker? Was hast du hier zu suchen?" Ich hatte noch genug von unserer letzten Begegnung bei John zuhause. Der Undertaker schielte mich unter seinem Hut hervor an. "Ah, Eric Slingby, hehe. Ist es heutzutage denn aus der Mode, einen alten Mann freundlich zu begrüßen?" krächzte er belustigt. Ich gab keine Antwort, stattdessen drückte ich den Knopf der oberen Etage und stellte ich mich möglichst weit weg von ihm. "Du bist heute nicht sehr gesprächig, was? Hmm..." sabberte der Undertaker. "Warum bist du hier? Ich dachte, du wärst in Rente bei den Menschen." wollte ich wissen. Seine giftgrün schimmernden Augen blitzten für einen kurzen Moment hinter den langen Haaren hervor, während er grinsend den Zipfel seines Hutes zwischen den Fingern zwirbelte. "Ja, ich bin in Rente. Das heißt jedoch nicht, dass ich nicht hierher zurückkommen kann, hihi." Er hielt mir seine Urne entgegen, doch ich lehnte dankend ab.
"Nun. Ich bin hier, weil auch mal ein alter Sack wie ich einen Tapetenwechsel braucht. Deshalb musste ich mich leider für einige Tage von meinen treuen Kunden verabschieden, thihihihi... Tjaa. Wie es der Zufall will, ist das hier mein Stammhotel, hehe. Eine gute Gelegenheit, meine Freizeit damit zu verbringen, mich mit euch zu amüsieren." Ein Sabberfaden verließ seinen Mundwinkel, den er geräuschvoll wieder einsog. Es schien, als ob er uns aus irgendeinem Grund im Auge behalten wollte. Ich fühlte mich unwohl. "Und weil dir so langweilig ist, gammelst du hier im Aufzug rum." schloss ich. Der Undertaker grinste breit. "Langweilig? Wo denkst du hin?! Das hier ist die beste Unterhaltung, die ich in diesem Hotel finden konnte!" grunzte er. "Ich habe zu wenig Geld, um mir ein Zimmer zu leisten. Deswegen wohne ich immer hier im Aufzug, hihi, so lerne ich viele neue Leute kennen, weil alle hier vorbeikommen. Interessant, sag ich dir!"
"Und warum habe ich dich vorher nicht bemerkt?" hakte ich nach. "Meistens hänge ich an dem Gestänge da oben an der Decke, ich lebe sozusagen über euren Köpfen. So habe ich alles im Blick und keiner bemerkt mich!" lachte er laut. Der Typ ist gruselig. "Okay... merk ich mir." murmelte ich. Bling! Die Türen des Aufzuges öffneten sich. Ab jetzt habe ich wohl immer Albträume von alten Säcken, die über mir an der Decke hingen und auf mich runtersabberten. Auf einmal fühlte ich mich beobachtet.
Eilig lief ich in Richtung Paradiesgarten, wo Darius bestimmt schon wartet. Wir schienen die einzigen Personen hier oben zu sein, mit Außnahme von John und Claude, die im Whirlpool saßen und irgendeinen Streit zu haben schienen. Ich ging an ihnen vorbei, durch die goldene Tür in den Garten, wo es viel tropischer als überall sonst zu sein schien. Suchend streifte ich zwischen den riesigen Pflanzen umher, von denen manche aussahen, als wären sie nicht von dieser Welt. "Darius?" rief ich. Ich trat auf eine kleine Lichtung, in deren Mitte eine schnörkelige Gartenbank stand, gegenüber von einem kleinen Brunnen mit Bach und einer Buddhastatue. Überall standen kleine Lichter und Klangschalen auf Steinen verteilt. Insgesamt war es ein Ort, der wie für Darius geschaffen zu sein schien.
Ich fand Darius in Menschengestalt auf der Bank sitzend und glücklich lächelnd. "Eric, mein Sohn. Komm her und setze dich zu mir." Diese Anrede verwirrte mich etwas, aber ich vermutete, dass es wahrscheinlich etwas mit dieser Religion zu tun haben musste. "Du bist kein Fuchs mehr," stellte ich fest und trat zu ihm, wobei ich darauf achtete, nicht über die vielen Wurzeln zu stolpern. "Nein. Die Pflanzen haben mich geheilt. Einige von ihnen haben bestimmte Fähigkeiten." Erstaunlich, wie gut sich Darius auskannte. Das erinnerte mich an damals, als ich mit meinem Vater in dem Wald hinter unserem Haus gespielt hatte und er mir die verschiedenen Heilpflanzen gezeigt hatte. "Baum der Erinnerung," unterbrach Darius meine Gedanken. "Was?" Verwirrt blickte ich auf. "Der Baum, an dem du dich da abstützt. Er hat die Fähigkeit, längst vergessene Erinnerungen hervorzurufen, ähnlich wie Lady." erklärte er. "Oh." Deshalb kamen plötzlich diese unbekannten Bilder in mir hoch. Ich ließ den Baum los und seufzte. "Eigentlich gibt es nichts mehr, woran ich mich an meinen Vater erinnere. Es ist alles weg, sogar sein Name. Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist seine reine, klare Aura. Er war etwas ganz Besonderes. Zu schade, dass er tot ist." murmelte ich traurig.
Darius Blick trübte sich, er sah zu Boden. Ich versuchte, ihn aufzumuntern. "Deine Aura ist auch sehr klar." lächelte ich. "Genauso wie die von meinem Vater." Er nickte, aber meine Aussage schien seine Trauer nur zu verstärken. Ich wusste nicht, warum, aber ich sollte ihn vielleicht nicht jetzt darauf ansprechen. Darius holte tief Luft und raffte sich auf. "Komm, lass uns zurückgehen. Die anderen warten bestimmt auf uns."
Auf dem Rückweg kamen wir wieder am Pool vorbei, wo John und Claude in einer Wasserschlacht verwickelt waren. Ich musste lachen, als ich die beiden sah, aber Darius wandte sich von Johns Anblick ab und blickte stur geradeaus in Richtung Ausgang. Sein Gesicht hatte sich in eine traurige, verkrampfte Maske verwandelt, was mir ein wenig Sorgen bereitete. Vielleicht sollte ich Sebastian später darauf ansprechen.
Auf unserem Weg nach unten im Aufzug kullerten plötzlich ein paar kleine Kekskrümel an Darius Klamotten herab, gefolgt von einem dünnen Sabberfaden, der von oben kam. Ich lachte leise, er schien es nicht zu bemerken. "Was ist?" wollte er verwirrt wissen. "Nichts." grinste ich.
Kaum hatten wir den Aufzug verlassen, tarnte er sich wieder in seiner Fuchsgestalt.
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