Kapitel 14: Der Ausflug
Aus der Sicht von Alan Humphries:
Etwas Glitschiges, das auf mein Gesicht tropfte, riss mich aus dem Schlaf. Erst dachte ich, ich hätte es mir nur eingebildet, doch da war es wieder. Langsam tropfte etwas warmes, zähflüssiges auf meine Wange. Vorsichtig öffnete ich die Augen und zuckte zusammen. Direkt über mir befand sich der riesige Kopf der Drachenschwanzkatze, die mich anglotzte. Im Mund hielt Lady einen gefalteten, durchgeweichten Zettel, von dem unaufhörlich Speichel auf mich herabtropfte. Angeekelt setzte ich mich auf und zog mit spitzen Fingern den Zettel hervor.
"Aufgewacht, Schnarchnase! Oder willst du den Bus verpassen? Wir warten unten auf dich. Und stell Lady und Cerberus was zum Essen hin. Lady fängt immer an auf Leute zu sabbern, wenn sie kein Frühstück bekommt. Hopp, beeil dich!"
Stimmt ja, heute findet unser Ausflug statt. Ich schielte auf meinen Wecker. Um halb 8 fährt der Bus ab, und es war... 3 vor. Schei... nein, keine Zeit, sich aufzuregen! Hektisch sprang ich auf und begann, alles mögliche in den Koffer zu schmeißen, den ich unter meinem Bett hervorgezogen hatte. Die Nacht hatte ich aus unerklärlichen Gründen in meinen Klamotten verbracht, und wie es aussah, würde ich nun auch den Tag in ihnen verbringen. Ich hüpfte rasch ins Badezimmer und überlegte währenddessen, was Riesenkatzen denn gerne frühstücken würden. Schließlich riss ich einfach den Kühlschrank auf und warf Lady ein paar Packungen Käsebällchen hin. "Nimm, was du willst, aber lass Cerberuns was übrig. Es ist genug da, du kannst auch zur Not bei Eric einbrechen und seine Küche plündern!" keuchte ich. Ich schloss den Koffer, wobei ich beinahe den Griff abgerissen hätte, nahm meine Schuhe einfach in die Hand und knallte die Wohnungstür hinter mir zu.
Beinahe wäre ich mit den Socken im feuchten Gras ausgerutscht, bis ich endlich durch die Bustür schlüpfte. "...5...4...3.. Ah! Da ist er endlich." Der Busfahrer grinste mich an. Er trug ein buntes Blümchenshirt mit der Aufschrift Yolo, Flipflops, eine gelbe Yolo-Jeans, und eine Kappe, auf der Yolo stand. "Bisschen knapp, hm? Na, egal. Yolo, Mann!" Lachend stieg er aus, um meinen Koffer in den Gepäckraum zu schmeißen. Der Typ ist gruselig. Ich quetschte mich durch den Gang und ließ mich schnaufend neben Eric auf den Sitz fallen, der gegenüber von Sebastian in einem 4-er Sitz saß. "Mann, warum brauchst du denn so lange?" grummelte Eric. "Sorry... ich bin vor vier Minuten aufgewacht. Ich muss mich noch anziehen." Grinsend hielt ich meine Schuhe hoch. Eric verdrehte die Augen, musste aber lächeln. "Hast du den Busfahrer gesehen? Das ist unser verrückter Reisebegleiter mit dem Yolo-Syndrom." kicherte er. Ich lachte. "Der ist wirklich etwas seltsam. Bin ich eigentlich der Letzte? Geht es jetzt los?" "Noch nicht, wir müssen noch Ronald, William und Grell abholen, dann sind wir vollständig." Bei dem Namen "Grell" bemerkte ich, wie Sebastian das Gesicht verzog.
"Alaaaan!" rief eine Stimme. Mr. Corner rannte zu uns nach hinten und belegte sofort den freien Platz, gegenüber von mir. "Du meine Güte, bist du groß geworden! Mir kommt es so vor, als hätten wir uns ewig nicht gesehen!" Dabei war es doch erst gestern Abend. "Mr. Corner! Sie kommen auch mit?" fragte ich erstaunt. Er umarmte mich überschwänglich, während er mir einen geschätzt 10cm fetten Stapel Eisgutscheine ins Hemd stopfte. "Natürlich, es ist schließlich ein Betriebsausflug unserer Abteilung! Und wie könnte ich das überstehen, euch beide zwei ganze Tage lang nicht zu sehen? Ich habe eine Vertretung für mich organisiert. William hat mich angefleht und irgendwas mit 'Flucht vor dem rothaarigen Monster' gesagt, aber ich denke, er ist doch noch zu jung dafür. Ich habe einen der Türsteher befördert." grinste er. Ich nickte. Aus dem Augenwinkel sah ich einen Fuchsschwanz aus Erics halbgeöffnetem Rucksack heraushängen. Ich musste grinsen, der Arme musste also doch mitkommen.
Mr. Corner starrte mich die ganze Zeit über verträumt an, und immer, wenn er sich unbeobachtet fühlte, stopfte er abwechselnd Süßigkeiten in unsere Taschen. Einmal sah ich sogar einen 500€ Schein aufblitzen. Wir schienen immer noch seine Lieblingsschüler zu sein. Eric warf mir ein schiefes Lächeln zu.
Jetzt hielten wir vor dem Haus, in dem William und Ronald wohnten. Die beiden warteten schon an der Straße auf uns. Ronald hüpfte fröhlich auf der Stelle herum, während William bürokratisch auf seinem Koffer saß und mürrisch irgendwelchen Papierkram durchblätterte. Kaum hatten sich die Türen des Busses geöffnet, platzte Ronald auch schon herein. "Hey, Leutchen! Schaut mal, ich nehme extra ein paar coole Partysachen zum Feiern mit! Das wird alles so super!!" Neugierig spähte ich aus dem Fenster. Der Busfahrer schleppte keuchend unzählige Kisten und Taschen in den Laderaum. Als er bemerkte, dass ich ihm zusah, winkte er. "Yolo, Mann!" Schnell sah ich weg.
Ronald machte es sich auf dem 2er Sitz neben uns bequem. William nahm neben ihm Platz, in den Händen immer noch einige Papiere. Wahrscheinlich hatte er seine ganze Arbeit mitgebracht. Der Letzte, der an dieser Station den Bus betrat, war niemand anderes als John Camberry. Er würdigte uns keines Blickes, als er an uns vorbeischritt, und setzte sich alleine ganz nach hinten. Auf seiner Schulter hockte der kleine Claude-Hamster-Flauscheviechwuschel. Ich stellte mir vor, was passieren würde, wenn sich Claude in meiner Nähe nicht mehr unter Kontrolle halten und in einen Teufel zurückverwandeln würde. Es wäre eine Katastrophe in der Welt der Shinigami.
Der Busfahrer stieg wieder ein und warf John einen belustigten Blick zu. "Einzelgänger? Na, egal, haha! YOLO Mann!!" Schweigend fuhren wir weiter. John tat so, als wäre er schwer in sein Handy vertieft, während Claude gelangweilt an seiner Jacke herumturnte, ohne uns zu beachten. Darius lugte aus der Tasche hervor, um etwas Luft zu schnappen, währenddessen warf er unauffällig neugierige Blicke in Johns Richtung. Mr. Corner konnte den Blick nicht mehr von mir abwenden, ich sah zu Eric. Genauso wie Sebastian, der ihn pausenlos anstarrte. Eric schaute demonstrativ aus dem Fenster. "Na, ihr Langweiler? Ihr seid so träge, dabei ist heute doch ein super yolo Tag! Macht mal ein bisschen Stimmung, ihr yolos!!" rief der Busfahrer und drückte lachend auf die Hupe. Eric musste sich das Lachen verkneifen, aber ich persönlich fand diesen Fahrer noch immer gruselig.
"So, der Letzte... Oh, das Haus ist ja echt yolo!" Erics Grinsen verschwand schlagartig. Der Bus kam vor einem roten Haus zum Stehen, dessen Fenster und Türen mit schwarzen Schleifen verziert war. Im kleinen Vorgarten waren verdorrte Rosen angepflanzt. Sebastian duckte sich tief unter das Fenster, als Grell aus der Haustür heraustrat. Bei seinem Anblick stockte mir der Atem. Er trug ein knallrotes Sommerkleid mit seinen üblich hohen Schuhen. Die roten Haare hatte er seitlich zu einem langen Zopf geflochten. In der einen Hand hielt er ein rosa Gepäcktäschchen, mit der anderen zog er einen Koffer hinter sich her, aus dem eine Kettensäge ragte. Der Koffer war verziert mit etlichen Schnappschüssen von Sebastian und William, deren Gesichter mit Herzchen umrahmt waren.
Grell zog den Koffer über den verwilderten Gartenweg, wobei er mit seinem Beatmungsgerät ein paar Mal an den Pflanzen hängenblieb. Er hatte immer noch ein paar Schrammen, aber es schien ihm schon viel besser zu gehen. "Wow, was für ein Yolo-Outfit!" Lachte der Busfahrer verstört, als er den Koffer in Empfang nahm. "Vorsichtig! Da drinnen sind alle wichtigen Sachen für eine echte Dame!" mahnte Grell, dann raffte er sein Kleid und stieg in den Bus. "Bis auf die Säge." murmelte Eric. William machte sich ganz steif, als Grell auf ihn zutrat, Ronald stülpte ihm daraufhin eine leere Papiertüte über den Kopf. Sebastian vergrub sein Gesicht in ein Taschentuch und wandte sich ab. "Heeey! William! Sebas-chan! Seht mal, mein neues Kleid! Ist es nicht fantastisch?" Strahlend drehte sich der Rothaarige im Kreis, sodass das Kleid leicht abhob und seine Beine entblößte. Sebastian nickte kurz, William zeigte unter der Tüte keine Reaktion. Ronald hielt grinsend die Daumen hoch.
Grell seufzte glücklich. "Dieser Ausflug wird so romantisch... nicht wahr, Bärchen?" zwitscherte er und schloss William in die Arme. Diese Fahrt könnte tatsächlich interessant werden.
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