Kapitel 31: Planänderungen
Aus der Sicht von Eric Slingby:
Alan und ich saßen gerade ganz gemütlich am Tisch, als plötzlich ein schwarzer Vogel und ein felliges Ding von außen gegen das Fenster knallten. Ich seufzte genervt. "Alan, sagte ich nicht vor exakt fünf Minuten, dass das Fenster offen bleiben soll?!" Alan lachte verlegen. "Hehe, entschuldige..." Kopfschüttelnd öffnete ich das Fenster und holte den Vogel rein. "Das andere Viech muss wohl runtergefallen sein," meinte ich, während ich Sebastian auf dem Sofa ablegte. Ruckartig stand Alan auf. "Oh, nein! Das muss Darius gewesen sein, ich geh ihn holen!" Eilig schlüpfte er in seine Schuhe und rannte zur Tür hinaus.
Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, was wohl Darius für eine Tiergestalt annahm, und war überrascht, als Alan mit einem echt niedlichen Fuchs zurückkam, den er neben Sebastian auf dem Sofa ablegte. Mein neuer Hund kam ganz aufgeregt ins Wohnzimmer und bellte fröhlich. "Diese ganzen Tiere... da verliert man echt irgendwann den Überblick." lachte Alan. "Dieser Hund hätte doch schon gereicht." "Ich habe ihn Cerberus genannt." antwortete ich. "Hübsch." lächelte Alan. "Der Name eines Höllenhundes passt doch perfekt zum Haustier eines Shinigami."
Kurze Zeit später hatten die beiden Teufel wieder ihre menschliche Gestalt angenommen. "Schon wieder eine Beule..." stöhnte Sebastian und rieb sich den Kopf. Ich musste mir ein Lachen unterdrücken. "Darius, wie bist du als Fuchs überhaupt an das Fenster rangekommen? Schließlich sind wir hier im obersten Stockwerk eines Hochhauses!" wunderte sich Alan. "Ich kann gut auf Bäumen klettern. Aber ich hätte nicht gedacht, dass dieses blöde Fenster schon wieder zu ist, das sieht man nicht so gut von außen..." "Sorry!" grinste Alan. Ich wusste ja, dass er das nicht absichtlich machte, aber manchmal bekommt man echt diesen Eindruck. Ich lächelte. Alan ist immer so vergesslich.
"Sebastian, Alan will uns etwas Interessantes zeigen, deshalb hat er auf euch gewartet." Sebastian und Darius richteten sich gespannt auf. Alan räusperte sich. "Also, ich führe euch jetzt etwas vor. Passt gut auf." Er setzte sich gerade hin und konzentrierte sich. "Hey, Claude, altes Sackgesicht! Du magst Spinnen? Ich habe vor, heute Abend zu staubsaugen, also verabschiede dich vom haarigen Penner unterm Fernseher! Ach ja, an meiner Gardine befindet sich ein echtes Prachtexemplar. Zu schade, dass ich es beseitigen muss!" Zuerst passierte nichts, doch dann verzog Alan plötzlich das Gesicht und kippte keuchend auf den Boden, wo er sich mit einer ungesunden Gesichtsfarbe herumwälzte. "Alan!" schrie ich. Ich wollte ihm helfen, aber da ging es ihm plötzlich wieder gut. "Alles okay. Das tut nur weh, solange Claudes Willensstärke hält." Wir schauten ihn alle ganz ungläubig an. "Versteht ihr? Er bekommt alles mit, was in der Umgebung passiert. Wenn ich rede, hört er es! Und er antwortet mir auch immer in Gedanken. Gerade eben hat er gesagt, dass er mich, wenn er wieder da ist, eigenhändig in den Staubsauger stopft. Manchmal redet Claude mit mir, und manchmal bewegt er meinen Körper einfach so, um mich zu ärgern. Ich wollte vorhin ein Buch lesen, aber er hat es immer wieder zugeklappt. Glaubt mir, dieser Kampf hat fast zehn Minuten gedauert!" lachte er. "Das muss ja ziemlich interessant ausgesehen haben..." kicherte ich.
"Unglaublich," murmelte mein Butler. "Dann kannst du dich also mit ihm verständigen. Warte, ich probier mal was." Sebastian räusperte sich. "Claude, ich habe draußen ausversehen eine Spinne zerlatscht. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, es war ja eh nur eine kleine süße Babyspinne." Wie aus Reflex zuckte Alans Hand hervor, um sich einen Apfel zu schnappen, der auf dem Tisch lag. Sein Arm bewegte sich wie von selbst und wollte ihn in Sebastian ins Gesicht schmeißen, aber Alan hielt sich selbst mit der anderen Hand zurück. "Tut mir leid, das bin ich nicht!" keuchte er angestrengt. Schließlich schaffte er es, den Apfel fallen zu lassen und war plötzlich wieder normal.
Sebastian nickte nachdenklich. "Das ist ja interessant..." murmelte er. "Ja. Ich soll dir ausrichten, dass er dich eigentlich mag und dass du dir das mit seinem Plan nochmal überlegen sollst, was auch immer er damit meint." grinste Alan. "Das ist echt cool!" Sebastian und Darius warfen sich einen besorgten Blick zu. "Und echt gefährlich." meinte Darius.
Da fiel mir auf einmal etwas ein. "Darius, wo ist Lady? Du hast sie doch mitgenommen." Er zuckte mit den Achseln. "Ich weiß nicht, wo sie im Moment ist." "Wie - du weißt es nicht?" rief Alan geschockt. "Naja, jede Katze ist Tagsüber oder Nachts doch immer gerne alleine draußen unterwegs. Sie ist gerade spazieren." Ich keuchte entsetzt. "Sag mal, spinnst du?! Wir sind hier nicht in Hades! Was ist, wenn sie von einem Menschen gesehen wird??" rief ich und stellte mir vor, wie in der morgigen Zeitungsausgabe etwas über eine riesige Drachenkatze berichtet wird. "Immer mit der Ruhe," kicherte Darius. "Drachenschwanzkatzen sind ziemlich wertvoll. Wenn Lady nicht das Talent hätte, sich blitzschnell verstecken, tarnen oder abhauen zu können, hätte ich sie doch niemals in Hades frei rumlaufen lassen. Es hätte schließlich sein können, dass irgendein Teufel sie entführt und sie illegal versteigert wird, oder sonst was. Außerdem kommt sie immer wieder zu mir zurück." erklärte er rasch.
Dass sie schnell abhauen kann, haben wir ja schon erlebt. Sie nimmt ständig Abkürzungen durch Wände oder Fenster, die danach als Schutthaufen enden. Aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie jemand so ein riesiges Viech klauen kann. "Willst du damit sagen, dass es in Ordnung ist, wenn Lady alleine in der Menschenwelt herumspaziert?" fragte ich misstrauisch nach. Der Teufel nickte stolz. "Lady kann bestens auf sich selbst aufpassen." Na, dann ist ja alles in Ordnung.
Einen kurzen Moment lang schwiegen wir alle, während Cerberus auf dem Teppich lag und einen blauen Plüschball herumrollte, den Alan ihm neulich geschenkt hatte. Schließlich brach Sebastian das Schweigen. "Mr. Lawrence hat letzten Freitag erwähnt, dass wir demnächst einen Betriebsausflug machen, an einem Donnerstag, oder so. Es wird noch abgestimmt, ob wir ins Schwimmbad oder in einen Freizeitpark gehen." Alan und ich grinsten uns an, als wir uns daran erinnerten, wie wir diese Nachricht vor einigen Jahren erhielten. Endlich ist es so weit! "Ach, sind die ganzen Jahre schon vorbei? Mr. Cole hatte uns das doch auch erst angesagt!" Platzte Alan aufgeregt hervor.
"Und das Beste kommt noch." Sebastian verzog das Gesicht. Die nächsten Worte, die er aussprach, schienen ihm überhaupt nicht recht zu sein. "Es wird nicht hier in der Menschenwelt sein. Wir werden einen Ausflug in die Welt der Shinigamis machen." Ich stutzte. Schon seit Ewigkeiten bin ich nicht mehr Zuhause gewesen. Nicht hier, ich meine mein richtiges Zuhause...
Sofort bekam Alan riesige, leuchtende Augen. "Da ist alles tausendmal besser als hier!" schwärmte er. "Ich will ins 'Shiniwater-Bad' gehen, oder in den 'Funny Death Park'!" Ich war auch überglücklich. Doch Sebastian war wohl nicht besonders erfreut darüber, das sah man ihm an. "An diesem Tag bin ich dann wohl krank..." "Nichts da! Du kommst natürlich auch mit. Du hast mich schon mit nach Hades geschleppt, jetzt bist du an der Reihe!" grinste ich bestimmt. Alan schwärmte noch immer von den Wasserrutschen und umarmte mich vor Freude, sodass ich kaum noch Luft bekam. "Unser erster Betriebsausflug! Ich muss Fotos machen!" schrie er begeistert. Sebastian war noch immer nicht überzeugt. "Das fühlt sich falsch an, ich bin ja nicht mal ein Shinigami, das sollte ich wirklich nicht tun."
Darius versuchte, ihn aufzumuntern. "Kopf hoch, Sebby! Du bist zwar keiner von denen, aber du hast viele Freunde unter ihnen, die dich gerne dabei hätten! Nur das Schwimmbad wäre etwas unpraktisch, du müsstest auf deine Kontaktlinsen aufpassen." Sebastian nickte resigniert. "Das ist es. In diesem Fall hätte ich noch eine Taucherbrille, egal, wie bescheuert ich damit aussehen werde. Ich stimme für den Freizeitpark." "Funny Death!" Jubelte Alan. Sebby lachte. Nur Darius saß ganz normal da und lächelte glücklich. "Was ist los?" wollte ich wissen. "Du kommst doch auch mit, oder?" Darius schüttelte den Kopf. "Nein. Ich bin zwar auch kein Shinigami, aber wenn ich mich wie Sebastian verstellen würde, würde mir das niemand abnehmen. Schließlich gehöre ich nicht zum Berieb."
"Aber Ronald hat auch geglaubt, dass du ein Shinigami bist!" warf Alan ein. "Das war Zufall. Wenn er nach mir fragt, sagt ihm, ich sei krank, oder so. Ich bleibe hier bei Lady und Erics Hund." sagte Darius. "Er heißt Cerberus," erinnerte ich ihn. "Netter Name. Aber warum darf er hierbleiben und ich nicht?" jammerte Sebastian. Ich seufzte. "Du hast es doch gehört. Jetzt musst du dich eben damit abfinden, mit uns Spaß zu haben!" Daraufhin grummelte er nur mürrisch vor sich hin.
Wir waren jetzt alle soweit glücklich, doch Alan wurde etwas nervös. "Könntet ihr Claude bis dahin bitte aus mir herausholen?" bat er. Jetzt war Sebastian wieder ganz ernst. "Was das betrifft, ich muss noch etwas mit dir besprechen, Eric. Es hat etwas mit der Schrift der Verschmelzung zu tun. Darius, willst du uns helfen oder nicht? Das sollte ich mal wissen." Darius war unentschlossen. Nachdenklich fummelte er an einem der Sofakissen herum. "Ich halte mich da besser raus..." entgegnete er. Sebastian nickte entschlossen. "Gut. Komm, Eric."
Wir ließen Alan, Darius und Cerberus im Wohnzimmer zurück. Neugierig folgte ich meinem Butler in mein Zimmer, wo er die Tür hinter uns schloss. "Dann hast du das zweite Stück?" fragte ich hoffnungsvoll. Er nickte und ließ sich auf meinem Bett nieder. "Ja. Allerdings gibt es ein paar Schwierigkeiten. Hast du die Hälfte aus Hades?" Ich eilte zu meinem Schreibtisch, wo ich aus der mittleren Schublade das alte Stück Papier hervorholte und Sebastian reichte. Vorsichtig legte er es zwischen uns auf das Bett. "Was für Schwierigkeiten?" wollte ich misstrauisch wissen. Er hatte die andere Hälfte aus der Bibliothek doch nicht etwa verloren? Er hatte es... aber dann hat er es ausversehen in der Toilette heuntergespült?
Sebastian sah mein entsetztes Gesicht und schmunzelte. "Keine Angst. Ich habe es noch nicht verloren, es gibt ein anderes Problem. Schau dir den Fetzen mal an." forderte er mich auf. Ich beugte mich über das vergilbte Blatt Papier und entzifferte langsam die Buchstaben. "Das ist die alte Sprache der Shinigami. So schwierig ist das nicht." meinte ich. "Ich habe mir auch schon gedacht, dass du das lesen kannst. Was erwartest du auf der anderen Hälfte?" Ich zuckte mit den Achseln. "Eine Anleitung vielleicht? Jetzt zeig mal!"
Sebastian zog aus seiner Jackentasche einen zweiten alten Fetzen hervor und legte ihn wie ein Puzzleteil neben den ersten. "Jetzt les mal." Konzentriert starrte ich auf die alten Schriftzeichen. "Übersetzt heißt das, dass die Seelenspaltung im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Dann steht da noch was von Death Scythe, und, äh... 'zeigtl fuzzz'...ähm.. den Rest kann ich nicht mehr lesen..."
Sebastian seufzte. "Das meinte ich mit Schwierigkeiten. Diese Schrift ist doch schon viel zu alt, das kann keiner mehr lesen." Betrübt starrten wir auf das Papier. "Dafür bräuchten wir einen Shinigami, der diese alte Sprache noch perfekt beherrscht, einen uralten, der wahrscheinlich schon in Rente ist..." plötzlich stockte er, als wäre ihm etwas eingefallen.
"Was ist? Hast du eine Idee?" Sebastian stöhnte. "Na, da gibt es wohl nur einen... Das wollte ich eigentlich vermeiden." Als ich ihn weiterhin fragend anstarrte, sagte er: "Kennst du diesen alten Knacker, der sich 'Undertaker' nennt? Er war ein alter Bekannter meines früheren Herrn. Er hatte seinen Wohnsitz immer hier in London." Ich unterbrach ihn aufgeregt. "Du meinst DEN Undertaker? Klar kenne ich den! Er ist ein legendärer Shinigami, der schon Robin Hood überprüft und Marie Antoinette in die Hölle geschickt hat, er ist ja so berühmt und kommt in absolut jedem meiner Geschichtsbücher vor! Aber er wohnt doch schon lange nicht mehr in London, oder? Ich habe gehört, er hätte sein Bestattungshaus verkauft." rief ich. Das ist unglaublich! Sebastian kennt einen der legendärsten Shinigamis, die es je gab?
"Oh, nein, der wohnt noch immer da, glaub mir. Dieses Gerücht muss er in Umlauf gebracht haben, damit keine Fans wie du, die wissen, wo er wohnt, ihn ständig nerven. Der wohnt ganz sicher noch da, er kann sich doch nicht von London trennen." beharrte Sebastian. Dann setzte er hinzu: "Sag ihm bitte nicht, dass ich dir das erzählt habe." Ich lachte. "Sicher nicht! Dann gehen wir zum Undertaker? Am Besten sofort? Ich war so aufgeregt, wie schon lange nicht mehr. Ich war wirklich ein riesiger Fan vom Undertaker. Ich hatte schon so viele Geschichten über diesen alten Mann gehört, er hatte sogar den großen Krieg der Shinigamis und Teufel überlebt!
"Ja, am besten sofort. Ach ja, Eric, er hat Marie Antoinette nicht in die Hölle geschickt, ich habe ihre Seele in der Bibliothek im Glas gesehen. Das ist sicher nur wieder eine seiner Geschichten." "Oh." ich war etwas enttäuscht. "Stimmt es denn wenigstens, dass er so eine coole Sense hat, so ähnlich, wie deine? Und dass er der Erste war, der mit Zombies experimentiert hat?" fragte ich. Wenn nicht, dann wäre ich vom Undertaker wirklich enttäuscht gewesen. "Ja, das stimmt. Er hatte mich sogar einmal höchstpersönlich mit seiner Sense aufgespießt, aber ich bin nicht gestorben. Mach dir aber keine zu großen Hoffnungen, er ist nur ein mittlerweile uralter Knacker, der Bestatter spielt und nicht ganz richtig im Kopf ist."
Ich stellte mir vor, wie ein alter Mann mit grauen Haaren in einer Leiche herumwühlt. Igitt. "Das ist ja ekelhaft! Aber ich bin so aufgeregt! Bis jetzt habe ich nur Bilder von ihm gesehen. Also, Sebastian, nimm die Papierfetzen, wir gehen!" jubelte ich. "Jawohl." Er stopfte sich die alten Schriften in die Tasche und ich ging aus dem Zimmer, um meine Jacke zu holen.
"Alan, Darius, wir sind mal kurz weg! Ihr zwei kommt doch gut alleine zurecht, oder?" rief ich in Richtung Wohnzimmer, während ich meine Schuhe zuband. "Klar! Darius und ich sind gerade beim Schachspielen, aber diesmal gewinne ich!!" konnte ich Alans glückliche Stimme hören.
Ich lächelte, als ich daran dachte, wie John und ich damals stundenlang vor dem Schachbrett sitzen konnten. Alan ist genauso leicht zu beschäftigen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro