XXXVII. Herzensbrecher
»Black bird's song is over now.«
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Schutt und Asche. Wenn es das war, was sie wollte...
James Buchanan Barnes rannte, die Arme voller C4-Sprengsätze, durch die verlassenen Gänge des Bunkers. Alle Soldaten waren im Hangar versammelt, um den Avengers in einer schieren Übermacht gegenüber zu treten, sodass Bucky bisher niemand im Weg stand, sein Vorhaben auszuführen.
Zunächst hatte er keinen Schimmer gehabt, wie er das solide Untergrundgebäude in einen Haufen Trümmer legen sollte, bis er wieder vor der Tür stand, durch die sich das Batallion hatte sprengen wollen.
Das C4 war noch intakt, trotz Alisyas Amoklauf vor ein paar Augenblicken und Bucky ergriff die Gelegenheit ohne einen zweiten Gedanken an andere Optionen zu verschwenden.
Der nächste Schritt war vergleichsweise einfach: er musste die Sprengsätze an den tragenden Wänden anbringen, aktivieren und mit dem Zünder und den Anderen entkommen.
Jetzt musste der Winter Soldier nur noch diese verdammten Tragwände finden.
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»Lasst nicht zu dass sie den Hangar nach draußen öffnen!«, rief Steve und fing seinen Schild mit einer Hand wieder, nachdem er drei heranstürmende Soldaten erfolgreich am Kopf getroffen hatte. »Wenn sie das schaffen, entkommen sie!«
Ein Stück von ihm entfernt, im mittleren Teil der Halle, kämpfte sich Alisya Bogrovicz erbarmungslos ihren Weg zu Medvedev frei, der gerade versuchte in dem ganzen Chaos irgendwie das Kontrollpult des Hangars zu erreichen. Sie achtete nicht auf Steves Anweisungen, blendete die Stimmen der Avengers, die durch den Kanal des Headset dröhnten, vollkommen aus. Sie tat das, wozu sie ausgebildet wurde, was sie am besten konnte und -so grausam es schien- wozu sie geschaffen wurde.
Wie eine Maschine, präzise darauf programmiert zu töten, wütete sie durch die Welle an menschlichen Hindernissen und hinterließ dabei nichts anderes als Tod und Grausamkeit - all das entweder mit einer Mine so kalt wie Eis oder einem wahnsinnigen Grinsen auf den blutigen Lippen. Beides ließ jeden einzelnen bitter bereuen, ihren Weg gekreuzt zu haben.
Es schien ihr so leicht zu fallen. Wie andere zum Kühlschrank gingen und gezielt etwas herausnahmen, griff Alisya nach ihrem nächsten Opfer, schliff ihn zu sich und brach ihm in purer mordlust das Genick, nur um all das in grotesker Variation zu wiederholen.
Natasha war sich nicht ganz sicher, ob, hätte sie gerade nicht alle Hände voll zu tun, sie ihrer besten Freundin in grauenhafter Faszination zugesehen hätte, oder -was wohl das Beste gewesen wäre- um ihr Leben gerannt wäre.
Doch plötzlich ließ die Ukrainerin von ihrem letzten Opfer ab. »Nein!«
Und da sah Tasha, was die Schwarzhaarige so in Rage gebracht hatte: vom lauten Dröhnen einer Sirene begleitet stand er da, ein düsterer Ausdruck auf seinem Gesicht und seine Hand an dem Schlüssel für das Hangartor. Medvedev sah zu seinem Hubschrauber, dann zurück zu Alisya. Er verschwendete keine Zeit und lief auf seinen Ausweg zu.
Alisya hingegen, sah hin- und hergerissen von Sevastien zu der Übermacht an Feinden, die über die Avengers -ihre Freunde- herfielen. Zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben, wusste Bogrovicz nicht, was in genau diesem Moment wichtiger war: Ihre Rache und Blutrausch, oder die, die ihr halfen; ihre... Freunde.
Wäre es nicht für Steve gewesen, stünde sie wahrscheinlich immer noch wie schockgefroren an ein und derselben Stelle, doch sobald er ihr die Worte »Geh schon! Wir kriegen das hin!« entgegen brüllte, kam Bewegung in ihren Körper und sie rannte auf den Hubschrauber zu.
»Können wir das?«, kam Clints Gegenfrage postwendend durch Steves Headset.
Der Captain atmete kurz aus, bevor er sich zurück ins Chaos stürzte. »Ich habe keine Ahnung.«
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»Oh man, ist das kalt hier!« Bruce Banner rieb fröstelnd seine Hände, die in dicken Handschuhen steckten, über seine Oberarme. Trotz seines extra dicken Polar-Wintermantels, Thermostiefeln und der traditionellen russischen Ushanka, dachte Bruce, die weißrussische Kälte kroch geradewegs und ungebremst durch seine Kleidung in seine Knochen.
Er bereute es beinahe, den Anderen nicht in den Bunker gefolgt zu sein, doch die Entscheidung, zurückzubleiben, hatte er selbst getroffen.
In relativ kleinem Raum, unter der Erde in seiner... Kondition eingesperrt zu sein, schien nicht die beste Idee zu sein und somit hatte Banner sich freiwillig zum Wächter des Quinjets erklärt, der mitten im Nirgendwo einer Eiswüste stand, während seine Freunde HYDRA ausrotteten.
Wenn er jetzt so darüber nachdachte, klang er nicht gerade heldenhaft...
Bruce Banner seufzte auf und rieb ein letztes Mal seine Hände aneinander, bevor er zurück in den Jet stapfte, um dessen Triebwerke zu überprüfen.
Doch das Beben der Erde hielt ihn davon ab.
»Was zum Teufel geht hier vor?!«, rief er rhetorisch ins Nichts, als der Boden unter seinen Füßen immer heftiger erzitterte, als würde die Welt inzwei reißen.
Und genau das war es, was geschah.
Mit weit aufgerissenen Augen sah Doctor Banner dabei zu, wie sich keine zwanzig Meter von ihm entfernt der Boden nach links und rechts öffnete, wie ein eisernes Portal in eine andere Welt, geradewegs durch die Erde hindurch.
Sobald er die ersten Schüsse und Schreie hörte, wusste Bruce sofort, was er nun zu tun hatte:
Cool bleiben.
♦
Mit wehenden Schritten lief Sevastien zu seinem Hubschrauber auf der sich langsam empor hebenden Startplattform zu, der von seinen Männern verteidigt wurde, als wäre er ein sakrales Relikt.
Er hatte endgültig genug von all dem. Der stickigen Luft, den kahlen Gängen, der klaustrophobischen Abgeschiedenheit und diesen anstrengenden Gefangenen, die doch tatsächlich glaubten, so etwas wie Helden zu sein. Er konnte wirklich nicht nachvollziehen, was sein Vater an Captain America zu respektieren gefunden hatte. Oder er konnte ihn schlichtweg wegen Amalia nicht ausstehen.
Kaum hatte er einen Fuß ins Innere des Hubschraubers gesetzt, spürte er das berauschende Gefühl, welches ihn immer übermannte, wenn Blazkovicz ihn ihren Hass spüren ließ; ein Nervenkick, so exquisit, er gestand, dass er eventuell süchtig danach war.
Beinahe traurig darüber, dass er dieses Gefühl nie wieder spüren würde, atmete er auf und kletterete ins Innere.
Breschai, ptitsa. Obwohl... sie würde nicht wohl leben - sie würde hier sterben.
Mit einem Ruck jedoch, wurde er zu Boden gerissen, weg von seinem Ausweg und schlitterte ein paar Meter über den kalten metallenen Boden auf die Kante zu. Die Luft wurde kurzzeitig aus seinem Brustkorb gepresst, sodass er nur perplex danach schnappen konnte. Aber Sevastien, wäre nicht er selbst, wenn er nach einem harten Schlag nicht wieder aufstehen würde; mehr als bereit für den Gegenangriff.
Er stand schneller wieder als er und sein Gegenüber gedacht hätten, was ihm ein entspanntes Grinsen auf die Lippen legte. Vor ihm stand Amalia Blazkovicz, in Blut getränkt und mit so viel Kälte in ihren Augen, was ihn damals unglaublich verletzt hätte.
Doch damals war nicht heute. Damals war nicht jetzt.
»Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst, ptitsa«, sinnierte er. »Letztendlich kommst du immer zu mir zurückgekrochen.«
Sie richtete eine Handfeuerwaffe auf ihn, was seinen Verstand kurz aussetzten ließ, überflutet von zerrissenen Erinnerungen, die so viel mit ihm angerichtet hatten. Seine Umgebung lief wie in Zeitlupe, unnatürlich langsam, an ihm vorbei. Ihre Stimme und die Kampfgeräusche klangen gedämpft zu ihm, als wäre Amalia nicht wichtig. Doch das war sie. Damals wie heute.
»Oh keine Sorge, Vas. Das ist das letzte Mal.«
Sie drückte ab, doch er wich aus, seine Reflexe durch das Serum fast schon übermenschlich verbessert. Beinahe in der selben Sekunde stand er vor ihr, griff nach ihrem Arm, der die Pistole hielt und verdrehte ihn in einer fließenden Bewegung. Der Schmerz ließ sie einen kurzen, leisen Schrei loslassen, bevor sie sich mit Geschick aus seinem Griff entriss und ihm ihren Ellbogen gegen den Kehlkopf rammte.
Er stolperte von ihr, doch das Serum, welches in seinem Blut pulsierte, ließ ihn sich in wenigen Sekunden erholen. Er sah auf; gerade noch rechtzeitig, um mit eigenen Augen zu sehen, wie Amalias Arm von allein wieder regenerierte und an den richtigen, natürlichen Platz sprang.
Es schien ihm, zu ihrem Überraschen, egal zu sein. Denn nur einen Augenblick später schnellte er wieder nach vorn. Sie drückte ab, doch im letzten Moment presste er seine Hand vor den Lauf der Waffe.
Jetzt war Sevastien an der Reihe zu Schreien.
Das neun-Millimeter Projektil bohrte sich durch sein Fleisch, bremste erst als es auf Knochen traf und blieb auf der anderen Seite in seinem Handrücken stecken. Sie drückte erneut ab - und nochmal, und nochmal. Er wich aus. Die Hülsen prasselten auf den Boden wie eiserner Regen. Sie schoss so lang, bis das Magazin leer auf den Boden fiel und es nur noch metallisch klickte, als sie erneut abdrücken wollte.
Sie warf die jetzt nutzlose Waffe zur Seite und nahm ihren Blick nicht von Medvedev, der mit seinen Zähnen das blutige Stahlprojektil aus seiner Hand riss und zur Seite spuckte. Es prallte ein paar Mal auf dem Boden ab, bevor es über das Ende der stetig steigenden Plattform rollte und mehrere Meter nach unten fiel. Beide hörten den Aufprall am Boden nicht, sondern umkreisten einander wie rivalisierende Wölfe; die Fänge entblöst und stets auf der Hut, was der nächste Schritt des Anderen in ihrem tödlichen Tanz war.
Er führte.
Sevastien hatte nie viel für einen ruhigen Lebensstil übrig gehabt, aber die brutale Technik von Kyokushin Karate kannte sie noch nicht von ihm. Ein perfekt platzierter Schlag oder Tritt von ihm hätte ausgereicht, um sie zu Boden zu befördern, doch was er ihr an Stärke überlegen war, machte sie mit Schnelligkeit wieder wett.
Sie blockte jeden Angriff so gut sie konnte, sah seine Manöver vorraus und suchte Lücken in seiner Verteidigung. Sie Konzentrierte sich so sehr auf seine Schwachstellen, dass sie seine Stärken aus den Augen verlor.
Gerade blockte sie einen Schlag brutaler Stärke ab, als er ihre Handgelenke packte und zu einer Seite drehte, um sich an ihrer anderen vorbei zu drehen.
Sie stolperte einige Meter von ihm und rang nach Luft. Auch wenn sie ihn mit ihrer Schnelligkeit ermüdete, seine harten Angriffe zu parrieren, war mindestens genauso, wenn nicht noch anstrengender. Ihr Körper schmerzte überall, Sevastien hatte keine Stelle verschont, ein Wunder dass ihre Wirbelsäule sie noch aufrecht hielt und ihre Beine nicht nachgaben.
Er schüttelte seinen Kopf und warf das Messer in seiner Hand hoch, um sein Können arrogant zur Schau zu stellen. »Es gehörte einst dir, mein Herz«, sagte er und sah sie wieder so an wie damals. Panisch fasste sie an die Stelle, wo sie das letzte ihrer Taktikmesser verstaut hatte, doch ihre Hand griff ins Leere.
Sevastien lächelte sie traurig an. »Aber du hast es gebrochen - und mich mit.«
Wäre es nur dein Genick gewesen...
Alisyas Blick sagte genug. Er war schon lang vor ihrem Verrat gebrochen worden - durch seine eigene Hand. Niemand hätte Sevastien Medvedev vor sich selbst retten können, dem heimtückischen Monster, welches in seinem Inneren herrschte. Alisya hatte einen Weg gefunden mit seinen Dämonen zu tanzen, aber nicht das Puzzle aus Scherben wieder unversehrt zusammenzufügen. Die Risse würden bleiben.
Sie hatte erwartete, dass er erneut angreifen würde. Doch ihr Kopf schlug gegen den Boden, als sie hart fiel; Sevastien über ihr, sein Gewicht auf ihrer Hüfte hielt sie am Boden. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie wie er ausholte, die Klinge blitzte kurz im Licht auf, bevor sie auf ihren Brustkorb zuraste.
Seine Augen schienen zu brennen, als er sie so sah, ihm ausgeliefert wie die Beute dem Jäger. Er hatte zu lang auf diesen Moment gewartet.
Plötzlich stoppte die Klinge, nur wenige Zentimeter über Alisyas Brust. Das Feuer in seinen grünen Augen schien nur noch mehr aufzulodern, als er all seine Kraft zusammennahm, um das Messer nach unten zu drücken. Er sah in ihre Augen. Sie sah ebenso zurück. Ihre Hände um die Klinge hielt sie ihm stand, das Blut floss, rann über ihre Handflächen, tropfte auf ihren Oberkörper. Sie hätte schreien können, doch sie biss ihre Zähne zusammen und dachte einzig und allein daran, was alles auf dem Spiel stand. Ihre Überdosis an Serum würde die tiefen Schnitte in wenigen Augenblicken geheilt haben, das war ihr letzter Trumpf gegen Sevastien.
Die Erschütterung des Bunkers brachte die gesamte Plattform ins Beben. Sevastien verlor für wenige Sekunden die Konzentration, genug für Alisya, um ihn mit einem Tritt zur Seite zu befördern.
Das Messer schlitterte über den Boden, bis es schließlich gefährlich nah am Rand der Plattform liegen blieb.
Als ein Betonbrocken, halb so groß wie der Hubschrauber, an ihr vorbei nach unten brach, hatte sie keinen Zweifel mehr, dass Bucky seinen Auftrag wie immer mit Präzision ausgeführt hatte. Als ihr Blick jedoch auf das Messer fiel, riskierte sie einen Blick zu Sevastien, der anscheinend genau dasselbe getan hatte.
Sie rappelte sich auf und stolperte auf die Waffe zu, doch keine zwei Meter später prallte sie auf den Boden zurück und wurde an den Beinen zurückgeschliffen. Panisch suchte sie mit ihren Fingern Halt, doch sie fand keinen.
Bevor sie sich wieder auf ihren Rücken drehen konnte, packte er sie und presste sie mit dem Rücken nach unten, während er auf ihrer Hüfte saß und sie so am Boden hielt.
»Das hier ist deine Schuld, Amalia.« sie hatte beide keinen Zweifel, dass dies die letzten Worte waren, die sie von ihm hören würde. Er legte beide Hände um ihren Hals und drückte erbarmungslos zu.
Sie sah ihr Leben nicht vor ihren Augen an sich vorbeiziehen. Sie sah auch nicht Natasha, Steve oder Bucky. Sie sah den Mann vor sich, der ihren Bruder ermordet hatte. Den Mann, der Steve Rogers zu Tode gefoltert hätte, wenn ihm danach gewesen wäre. Den Mann, der Amalia Blazkovicz das angetan hatte, was sie damals noch für unmöglich hielt; sie selbst zerstört.
Sie hatte keine Waffen.
Sie musste ihre Hände benutzen.
In einem letzten Schub von Adrenalin ließ sie Sevastiens Hände um ihren Hals los, zog ihn mit der einen zu sich heran, damit sie es mit der anderen ein für alle Mal beenden konnte.
Er Schrie nicht vor Schmerz auf. Er wirkte eher... Überrascht.
Ihre Fingernägel bohrten sich durch seine Haut, gruben sich ihren blutigen Weg durch seine Brust bis hin zu seinem Herzen.
Sie spürte es in ihrer Hand schlagen. Es schlug schnell. Schneller als sie dachte.
Doch sie stoppte nicht, sie konnte nicht. Sie musste es beenden. Ihren Fehler korrigieren.
Mit all ihrer Willenskraft packte sie das wildschlagende Organ und riss es aus seiner Brust.
»Ich mache es wieder gut«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus.
Sein Körper fiel auf ihren und sie schloss ihre Augen. Sevastien Medvedev war tot. Alisya Bogrovicz lebte. Für den Moment.
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Oh damn, this one gave me trouble...
Aber das mit dem Herz musste einfach sein. Ich hab keine Ahnung wieso.
Der Titel von dem Kapitel ist schon irgendwie sadistisch, wenn ich's jetzt so lese.
PS: Dieses Buch ist noch nicht fertig, ich kämpfe nur mit dem letzten Kapitel...
~May&Bae
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