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Kapitel 2 - Vertrauen

»Sie schicken dich in eine Falle.«

Ich verharre regungslos in der gebeugten Position und lasse mich anschließend langsam wieder auf die Bank sinken. Nichts in Devens Gesicht deutet auf eine Lüge hin. Ich weiß genau, auf welche Kleinigkeiten – minimale Muskelregungen um die Augen- und Mundpartie herum – ich achten muss, um ihn zu entlarven. Stattdessen erkenne ich wahre Sorge in seiner Mimik.

»Wie meinst du das?«, frage ich.

Er schaut sich um. »Können wir woanders reden?«

Ich presse die Lippen aufeinander und wäge das Risiko ab. Seine Warnung klingt zu ehrlich, um sie nicht ernstzunehmen. Deven ist ein Meister der Manipulation und ein perfekter Lügner, das weiß ich genau. Ich habe es oft genug erlebt, auch wenn ich nur die Beobachterin in der Situation war. Mir gegenüber hat er sich noch nie unehrlich verhalten. Es gibt keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen.

Ich senke den Blick und tippe mit dem Zeigefinger auf dem Tisch. »Auf welchem Zimmer bist du?«

»Ich übernachte in einem anderen Hotel.«

Ich schaue auf und ziehe die Augenbrauen zusammen. »Hast du nicht gesagt, dass du auf Einladung von Mr. Mayview hier bist?« Da der Kunde ein eigenes Hotel direkt gegenüber seines Firmensitzes besitzt, ist der Besuch hier direkt mit der Buchung eines Zimmers verbunden. Wieso sollte Deven dieses Angebot ausschlagen – und damit den potentiellen Neukunden beleidigen –, wenn einem das Zimmer sogar kostenlos gestellt wird?

»Das habe ich gesagt, das ist richtig«, antwortet er und lächelt. »Auf eine Einladung hin, die ich allerdings abgelehnt habe.«

Ich verenge die Augen. »Warum solltest du einem der einflussreichsten Großunternehmer an der Ostküste absagen?«, frage ich langsam. Seine Aussage ergibt keinen Sinn, schließlich ist Deven ebenso zielstrebig und erfolgsorientiert wie ich. Nicht umsonst waren wir jahrelang so harte Konkurrenten – selbst innerhalb desselben Unternehmens.

»Weil ich einen anderen Job habe, drüben in San Francisco.«

Überrascht klappe ich den Mund auf. »Seit wann?«

»Seit etwa vier Monaten. Ich habe eine Weile gebraucht, um die nötigen Kontakte zu knüpfen. Und ich habe bereits jetzt die besten Chancen, Namenspartner in der Kanzlei zu werden. Ich gebe dem ganzen noch ein Jahr.« Zufrieden grinsend lehnt er sich nach hinten und fährt mit seinen schlanken Fingern den Stiel vom Weinglas auf und ab.

»Wow.« Ich nicke anerkennend und lehne mich ebenfalls zurück. »Kein Wunder, dass ich hier nichts mehr von dir gehört habe, wenn du einfach mal quer über den Kontinent reist.« Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, seinen Namen in einschlägigen Suchmaschinen einzugeben, weil ich dachte, dass ich mit der Lektüre der lokalen Zeitungen und Zeitschriften alle wichtigen Informationen über ihn mitbekommen würde.

»Natürlich ist New York eine pulsierende Stadt mit unbegrenzten Möglichkeiten, aber mich lockte das Abenteuer«, erklärt er seinen ungewöhnlichen Schritt. Er kennt mich, die Frage nach seinen Beweggründen lag mir bereits auf der Zunge.

Ich beuge mich vor und mustere ihn interessiert. »Und warum bist du dann heute hier?«

Seine Mundwinkel wandern wieder nach unten. Das stolze Glitzern in seinen Augen ist mit einem Mal verschwunden. »Ich habe von Fred gehört, dass du diese Chance mit dem Kunden bekommen hast«, sagt er.

Fred. Ausgerechnet der IT-Heini, der letzte Woche entlassen wurde, weil er offenbar eine ganze Menge Mist gebaut hat.

»Ich wusste nicht, dass du noch so regen Kontakt zu Leuten aus unserer Kanzlei hast«, erwidere ich.

»Weißt du eigentlich, warum Fred gegangen ist?«

»Nein«, antworte ich gelassen und greife nach der Weinflasche, die im Kühler steht.

»Er hat mitbekommen, dass die Geschäftsführung ein paar krumme Dinger dreht. Nachdem er sie damit konfrontiert hat und sie ihm quasi nur den Vogel gezeigt haben, hat er seine Kündigung eingereicht.«

Ich schlucke unmerklich und fülle mein Glas auf. »Das hat er dir erzählt?«

»Er hat mir die Beweise dafür gezeigt. Mailkorrespondenz, Chats, aufgezeichnete Sprachnachrichten.«

»Aha.« Ich gebe mir Mühe, unbeteiligt zu klingen. Doch mein Herz schlägt wie wild.

»Scarlet«, sagt Deven eindringlich und beugt sich vor. »Dieses Gespräch mit Mr. Mayview ist eine Falle. Es ist im Grunde bereits eine abgemachte Sache, dass du diesen Deal machen wirst, weil es einen Plan gibt, dieses Hotelimperium zu übernehmen.«

Ich schnaube lachend auf. »Du meinst, die Kanzlei will Hotels übernehmen?«

Doch Deven schüttelt den Kopf. »Nein, aber Eastcoast Inn.«

»Eastcoast Inn?«, wiederhole ich überrascht. Sie sind nach Mayview Hotels der zweitgrößte Betreiber von Hotelanlagen in den USA. »Unsere Kanzlei hat keinerlei Beziehungen zu denen.«

Deven presst die Lippen aufeinander und tippt mit dem Zeigefinger auf dem Tisch. Er schaut sich unauffällig um, so als würde er sich vergewissern, dass auch sonst ja niemand zuhört. »Es ist nicht so einfach erklärt«, entgegnet er leise. »Die Kurzfassung: Es ist eine Fusion in Planung und dafür muss Mayviews Stellung geschwächt werden. Eure Kanzlei soll dabei verlieren.«

Meine Schultern sacken nach unten. »Ich verstehe nicht ...«, stammle ich.

»Sie wollen diese Fusion ermöglichen, um im Anschluss Eastcoast Inn als neuen Mandanten zu bekommen. Dazu gibt es interne Absprachen. Aber vorher müssen für den angeblich vergeigten Fall Köpfe rollen. Und eine dieser Personen ...«

»... werde ich sein«, vervollständige ich seinen Satz und spüre, wie sich etwas Schweres in meinen Eingeweiden breitmacht.

Deven nickt mit entschuldigender Miene und ich atme tief aus.

Eilig senke ich meinen Blick, weil ich fürchte, dass man mir die Betroffenheit, die seine Aussage mit sich bringt, an den Augen ablesen kann. Ich möchte keine Schwäche zeigen. »Und ich soll dir das einfach glauben, ja?«, frage ich mit fester Stimme. Natürlich ist diese Frage unsinnig. Er hat keinerlei Grund, mich anzulügen – jetzt sogar noch weniger als vorher.

»Ich kann dir die Unterlagen zeigen, wenn du möchtest. Ich habe sie auf dem Hotelzimmer. Ich kann sie dir bringen.«

Doch ich presse die Lippen aufeinander und schüttle den Kopf. Bitter breitet sich die Erkenntnis aus, dass all die Jahre, in denen ich mir sprichwörtlich den Arsch für diese Kanzlei aufgerissen habe, mir auf diese Weise gedankt werden. Der einzige Fehler, den ich in Bezug auf meinen Job gemacht habe, ist, eine Beziehung mit einem Kollegen einzugehen. Wer hätte ahnen können, dass dieser Mistkerl sich nur an mich herangewanzt hat, um Firmen-Interna an einen Konkurrenten weiterzugeben? Als dies herauskam, war ich als »Schwachstelle« in der Kanzlei gebrandmarkt und musste einiges über mich ergehen lassen, um meine Unschuld zu beweisen. Und ich fürchte, dass ich weiterhin lange auf eine vollständige Rehabilitierung warten darf.

»Warum erzählst du mir das alles?«, frage ich leise. Ich traue mich nicht, aufzublicken, denn ich weiß, dass ich dann mit Devens mitleidvollen Blick konfrontiert werde.

»Weil ich nicht mit ansehen kann, wie du geopfert werden sollst.« Deven beugt sich über den Tisch und greift nach meiner Hand. »Ich habe jahrelang mit angesehen, wie du hart um jede Position gekämpft hast. Du hast niemals aufgegeben, selbst wenn die Situation noch so ausweglos war. Diese Willensstärke und Ausdauer sind Eigenschaften, die ich an dir so bewundere, Scarlet.«

Ich seufze lautlos. Selbst Deven sieht das Herzblut, das ich in diese Arbeit stecke. Schade, dass es nicht meine Chefs erkennen können, von dessen Beurteilung meine weitere Zukunft abhängt.

»Und was denkst du, was ich nun tun soll?«, frage ich und starre auf unsere Hände. Sein Daumen streichelt beruhigend über meine Fingerknöchel. »Den Deal platzen lassen und mit leeren Händen zurückkommen? Dann stehe ich erst recht auf deren Abschussliste. Das kann ich mir nicht leisten, denn du weißt, welche Macht sie haben. Wenn sie wollen, können sie mir mit nur wenigen Anrufen jegliche Karrierechancen in New York zunichtemachen. Du weißt, dass in unserer Welt Erfolg der entscheidende Faktor ist.«

»Deswegen bin ich hier«, sagt er und ich schaue fragend auf. »Unsere Kanzlei in San Francisco sucht zurzeit nach weiteren Anwälten und ich habe dich vorgeschlagen.«

Ich blinzle ihn perplex an.

»Sie wären bereit, dich abzuwerben, schließlich sind deine Abschlüsse alle herausragend. Und deine Unnachgiebigkeit habe ich am eigenen Leib erfahren dürfen.« Er grinst verschmitzt und auch meine Mundwinkel bewegen sich wie von selbst nach oben.

»Du schmierst mir Honig ums Maul«, sage ich.

»Es ist nur die Wahrheit und das weißt du.«

»Ich würde in New York alles aufgeben müssen. Mein gesamtes Leben ...«

Der Blick, den Deven mir schenkt, spricht Bände. Ich werde mein jetziges Leben offensichtlich so oder so hinter mir lassen müssen, wenn das, was er mir soeben eröffnet hat, wahr ist. Und leider habe ich absolut keinen Grund, ihm zu misstrauen.

Ich entziehe mich seinem warmen Griff, auch wenn es sich gut angefühlt hat, wie er mir über die Hände gestrichen hat. Zu gut.

»Ich werde eine Nacht darüber schlafen«, sage ich und schaue auf die Serviette, die zerknittert vor mir liegt.

»Natürlich«, erwidert Deven und lehnt sich wieder zurück. Dann schiebt sich eine Visitenkarte in mein Blickfeld. »Ich bin übermorgen in New York, das letzte Mal für eine ganze Weile. Wir können uns dort nochmal treffen, wenn du möchtest.«

Ich nicke und nehme die Karte an mich. Anschließend stehe ich auf und drücke meine kleine Handtasche gegen den Bauch.

»Du kannst dich aber auch so einfach melden«, fügt er etwas leiser hinzu. »Einfach nur zum Reden, weißt du? Ich vermisse unsere Gespräche.«

»Ich auch«, flüstere ich und merke überrascht, wie sich ein Kloß in meiner Kehle bildet. Dabei bin ich überhaupt nicht nah am Wasser gebaut. »Und danke.«

Er nickt und lächelt. Es ist irgendwie ein trauriges Lächeln. Und es passt so gar nicht zu diesem wunderschönen Mann, der derart charismatisch und einnehmend durch die Welt geht.

✱✱✱

Selbstsicher steuere ich die Rezeption an, die nur wenige Schritte entfernt von der Security angesiedelt ist. Der Herr mit schwarzem Anzug und einem deutlich sichtbaren Stecker im Ohr beäugt mich für einen Augenblick misstrauisch, bevor er sich den nächsten ankommenden Menschen hinter mir zuwendet.

»Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?«, erkundigt sich die Empfangsdame am Schalter übertrieben freundlich. Ihr Lächeln ist so breit, dass sie all ihre strahlend weißen Veneers zeigen kann.

»Ich habe einen Termin mit Mr. Mayview um neun Uhr. Mein Name ist Scarlet McClain«, sage ich kurz angebunden und tippe mit dem manikürten Nagel meines Zeigefingers ungeduldig auf dem edel aussehenden Tresen vor mir.

Der Blick der Empfangsdame springt für den Bruchteil einer Sekunde auf meinen Finger und ihr Lächeln schwindet leicht, ehe sie sich offenbar wieder besinnt und die Mundwinkel scheinbar mit Gewalt wieder in die Breite streckt.

»Natürlich, Ms. McClain. Mary-Jane, die Assistentin von Mr. Mayview, wird sie sogleich abholen und nach oben begleiten. Bitte machen Sie es sich in unserem Wartebereich gemütlich. Soll ich Ihnen ein Getränk bringen lassen? Einen Espresso? Einen Saft? Wasser?« Sie klimpert mich erwartungsvoll an.

»Danke, ich brauche nichts dergleichen«, erwidere ich, drehe mich weg und marschiere auf die besagte Sitzgruppe zu. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Rezeptionistin mir in diesem Moment bestimmt gern die Zunge gezeigt hätte. Normalerweise gehe ich sehr zuvorkommend und wohlwollend auf solche Mitarbeiter zu, schließlich machen sie manchmal einen echt undankbaren Job. Doch in diesem Augenblick bin ich viel zu angespannt, um mich an Floskeln zu halten oder mich gar um Small Talk zu bemühen.

Ich habe in der Nacht kaum ein Auge zugetan, denn Devens Worte geisterten unaufhörlich durch meinen Verstand. Ich muss eine Entscheidung treffen und habe nur den heutigen Termin dafür. Zum Morgengrauen hin hat sich ein Entschluss in mir manifestiert, den ich hoffentlich nicht bereuen werde. Doch dafür muss ich nun zum Gespräch mit Mr. Mayview – und davor graut es mich arg.

Mein umnachtetes Gehirn hat kurzzeitig die Theorie aufgestellt, dass Deven sich diese ganze Enthüllung nur ausgedacht hat, um mich genau in diesen Zustand zu bringen: ein seelisches Wrack, unentschlossen und voller Zweifel. Denn als ich Deven das erste Mal in der Lobby des Hotels gesehen habe, war mein erster Gedanke, dass er als Konkurrenz hier wäre. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass unser potentieller Mandant sich weitere Kanzleien anschauen möchte, um die bestmögliche Wahl für sein Unternehmen zu treffen. Wieso sollte Deven sich ein solch lukratives Angebot entgehen lassen? Mr. Mayview hat bereits über diverse Medien verlauten lassen, dass er expandieren möchte, was bei seinen Zahlen und der derzeitigen Wirtschaftslage nicht abwegig erscheint. Nicht umsonst habe ich bereits bei der Erwähnung des Namens die Aufregung meiner Vorgesetzten fast greifen können.

»Ms. McClain«, höre ich eine recht tief klingende Frauenstimme plötzlich sagen, noch ehe ich es mir bei der Sitzecke richtig gemütlich machen konnte. »Willkommen bei Mayview Hotels. Ich bin Mary-Jane, Mr. Mayviews persönliche Assistentin. Hat man Ihnen schon etwas zu trinken angeboten?«

Ich stehe auf und schüttle zur Begrüßung die mir angebotene Hand. »Ja, vielen Dank. Ich brauche nichts.«

Sie nickt und dreht sich zur Seite, sodass sie in Richtung der Fahrstühle weisen kann. »Wenn Sie mir bitte folgen möchten. Die privaten Konferenzräume befinden sich im fünfundzwanzigsten Stock.«

Gemeinsam betreten wir den Lift. Mary-Jane hält eine Chipkarte an den Scanner und betätigt den Knopf für die gewünschte Etage. Die Türen schließen sich und mir fällt auf, dass keine weiteren Gäste mit uns einsteigen wollen, obwohl welche dort stehen und sichtlich warten.

»Dieser Fahrstuhl ist nur für Personal freigegeben«, erklärt Mary-Jane auf meinen fragenden Blick hin. »Neben der Firmenzentrale hat Mr. Mayview hier im Haus ein Stockwerk für den privaten Gebrauch. Und er möchte verhindern, dass sich Gäste in sein Apartment verirren.«

Ich nicke verstehend.

Wenige Sekunden später bleibt der Fahrstuhl stehen und mithilfe ihrer Chipkarte öffnet Mary-Jane die Tür. Gemeinsam betreten wir einen elegant eingerichteten Wohnbereich mit ausladenden Designermöbeln und prunkvoller Dekoration. Entlang der Wände finden sich zahlreiche Kunstobjekte, deren Wert mein nicht gerade bescheidenes Gehalt wahrscheinlich um ein Vielfaches übersteigen dürfte. Mr. Mayview ist ein in der Szene angesehener Kunstsammler, der schon so manchem Künstler den Weg in diesen Bereich geebnet hat.

»Ms. McClain«, ertönt von der Seite eine Männerstimme, bevor sich der gedrungene Körper des Hausherren ins Bild schiebt. Mr. Mayview ist Ende fünfzig und hat schokoladenbraune Haare, die an den Schläfen bereits die typischen, grauen Alterszeichen aufweisen. Er trägt einen sehr geschmackvollen Anzug in Anthrazit mit silbrig schimmernden Knöpfen und einem dunkelroten Einstecktuch. Er bewegt sich erstaunlich leichtfüßig über das Parkett, dafür, dass der große Bauch ziemliche Ähnlichkeit mit dem einer schwangeren Person kurz vor Stichtag hat. »Es freut mich, Sie endlich kennenzulernen.« Er tritt mit großen Schritten an mich heran und wir schütteln uns zur Begrüßung die Hand.

»Vielen Dank für die Einladung«, gebe ich höflich von mir und lächle, auch wenn mir gerade nicht danach zumute ist. Unter anderen Umständen wäre dieser Termin sicherlich angenehmer, denn mein Gegenüber ist eine wahre Frohnatur und macht es einem leicht, ihn sofort sympathisch zu finden. Ich habe mich im Vorwege natürlich ausgiebig mit seiner Person beschäftigt und diverse Interviews angeschaut wie auch gelesen. Er ist bei den Reportern sehr beliebt, weil er gern ausführliche Antworten gibt – sehr zu Leidwesen seiner Medienberater und Anwälten, wie ich aus privaten Kreisen erfahren durfte. Der Vorteil ist jedoch, dass er kein Mensch ist, der sich schnell in Skandale verwickeln lässt. Er ist trotz seines Reichtums erstaunlich bodenständig geblieben und hat mehrere Stiftungen gegründet, die sich vor allem dem Kampf gegen Hunger und für mehr Bildung verschrieben haben. Manch einer würde behaupten, es ist wirklich schwer, Mr. Mayview nicht zu mögen.

»Setzen wir uns doch«, sagt er und weist mich mit einer Hand zu den teuren Sitzmöbeln, die die Mitte des riesigen Raumes bilden. »MJ?« Er dreht sich zu seiner Assistentin um. »Würdest du uns bitte eine Kanne Tee und Wasser besorgen?«

»Selbstverständlich«, erwidert sie und dreht sogleich ab.

Ich lasse mich auf das erstaunlich weiche Polster des Sofas nieder, während Mr. Mayview mir gegenüber im Sessel Platz nimmt.

»Ich habe schon viel über Sie gehört, Ms. McClain«, sagt er und lehnt sich mit einem zufriedenen Lächeln nach hinten. »Ihr Chef hat mir persönlich versichert, nur die Beste aus seinem Team zu mir zu schicken. Und ich muss sagen: Ihre Vita spricht da für sich.«

Ich hebe überrascht die Augenbrauen. »Sie haben mit Mr. Lloyd gesprochen?« Meinem derzeitigen Kenntnisstand zufolge gab es nur telefonische und schriftliche Korrespondenz zwischen Mr. Lloyds persönlicher Assistent Gretchen und Mary-Jane.

»Nein, aber mit Mr. Douglas.«

Ich öffne vor Überraschung den Mund, schließe ihn aber eilig wieder. Der Stein, der sich in meinem Magen festgebissen hat, wird schwerer. Douglas hasst mich. Der würde einen Teufel tun und mich in irgendeiner Form loben oder gar empfehlen. Außer ... wenn es darum geht, mich auf diese Weise in Misskredit zu stürzen und aus der Kanzlei zu kicken. Devens mahnende Worte schweben wie das Damoklesschwert über mir.

»Ich verstehe«, erwidere ich lediglich.

»Ist das so ungewöhnlich?« Mr. Mayview scheint eine gute Menschenkenntnis zu besitzen, denn er merkt sofort, dass etwas nicht stimmt.

»Das ist in der Tat eher ungewöhnlich«, gebe ich zu. »Mr. Douglas und ich haben unsere Differenzen.«

Mein Gegenüber ist sichtlich überrascht. Das wäre ich an seiner Stelle allerdings auch, denn normalerweise ist man bei solchen Gesprächen nicht unbedingt ehrlich, wenn man einen guten Deal an Land ziehen möchte. In solchen Fällen ist es eher üblich, seinen noch so verhassten Chef in den höchsten Tönen zu loben. Doch meine Entscheidung ist gefallen.

»Mr. Mayview, ich möchte ehrlich sein«, fahre ich deswegen sogleich fort und fixiere ihn mit meinem Blick. »Ich bin nicht hier, um eine mögliche zukünftige Geschäftspartnerschaft auszuloten.«

»Das sind Sie nicht?«, fragt er überrascht.

Ich schüttle den Kopf. »Mir sind in den letzten Tagen ein paar unschöne Dinge zu Ohren gekommen, weswegen ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, unsere Kanzlei in Ihren Diensten zu repräsentieren.«

Mr. Mayview beugt sich vor und rutscht auf dem Sessel ein wenig nach vorne. »Welche unschönen Dinge könnten Sie über mich oder mein Unternehmen gehört haben?« Er klingt alarmiert und besorgt. Andere Geschäftsführer würden an der Stelle wahrscheinlich eher in Abwehrhaltung gehen, um jegliche Probleme sofort zu dementieren.

Ich schüttle den Kopf. »Es sind keine unschönen Dinge über Sie oder Ihr Unternehmen, Mr. Mayview«, sage ich und seine Schultern entspannen sich kaum merklich. »Aber die Kanzlei, für die ich noch tätig bin, plant einen Hinterhalt gegen Sie.«

»Einen Hinterhalt?«, wiederholt er und zieht überrascht die buschigen Augenbrauen in die Höhe. Auf seiner Stirn bilden sich tiefe Furchen.

Nur einen Augenblick später erscheint seine Assistentin neben uns und serviert den Tee.

»Danke, MJ«, sagt er und an seiner Stimme hört man deutlich die Verwirrung heraus.

»Ist alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragt sie sogleich besorgt.

Mr. Mayview wackelt uneindeutig mit dem Kopf. Dann weist er mit einer Hand in meine Richtung und sagt: »Fahren Sie doch bitte fort, Ms. McClain.«

Ich schaue kurz zu Mary-Jane hoch, die mich aufmerksam mustert, und zurück zu ihm. Er versteht mein Zögern und fügt sofort hinzu: »MJ darf das alles ebenfalls hören. Ich habe volles Vertrauen in sie.«

Ich lecke mir über die Lippen. »Mit Verlaub ... ich würde trotzdem lieber unter vier Augen mit Ihnen darüber sprechen.«

Er nickt. »Wie Sie wünschen. Natürlich.«

Seine Assistentin zögert für den Bruchteil einer Sekunde, dann dreht sie sich auf dem Absatz um und verlässt den Raum schnellen Schrittes.

»Also, Ms. McClain, von was für einem Hinterhalt sprechen wir?«, fragt er und gießt sich eine Tasse Tee ein. Seine Hände zittern dabei kaum merklich.

Das ist nun also der Zeitpunkt, an dem sich der Verlauf meiner zukünftigen Karriere entscheidet.

Ich fasse meinen ganzen Mut zusammen, hole tief Luft und beginne, zu erzählen.

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