28 - Côte d'Ivoire
Der elegante Agusta 109 steht mit laufender Maschine und drehendem Rotor auf dem Dach. Marco, Umbigwe, drei Mitglieder des Komitees und Noëlle klettern in den Fahrgastraum, schnallen sich auf den Ledersesseln an, je drei auf einer Seite. Noëlle will sich sofort neben Marco setzen, doch Umbigwe kommt ihr zuvor, mit einem entschuldigenden Schulterzucken. Sie quittiert es ihm mit einem vernichtenden Blick.
Der Pilot kontrolliert kurz, ob sie alle angeschnallt sind, dann schließt er die Tür, bezieht seinen Pilotensessel und startet. "Wohin fliegen wir, Miss Amara?"
Noëlle gibt Marco ein Zeichen. "Nach Niablé", gibt er dem Piloten das Ziel bekannt. Dieser nickt nur kurz und zieht die Maschine nach rechts weg, Richtung Nordosten der Stadt. Unter ihnen werden die Häuser kleiner.
Noëlle wirft Marco einen fragenden, vielsagenden Blick zu. Er schüttelt kaum sichtbar den Kopf, schaut leicht peinlich berührt aus dem Fenster. Sein Telefon klingelt, er nimmt den Anruf entgegen.
"Was wissen wir bisher?", fragt Roland Sterki vom Komitee.
"Man hat das Handy von Java gefunden. Die Polizei in Niablé erwartet uns", erklärt Umbigwe. "Die Frauen waren nicht mehr dort, ebenso die Entführer. Eventuell erfahren wir nicht viel Neues, aber es ist einen Versuch wert."
Als er den Anruf beendet, erzählt Marco, Kathrin habe angerufen und sich nach ihren Freundinnen erkundigen wollen.
Der Hubschrauber überfliegt Waldgebiete, offene Steppen und staubige Straßen; aus dieser Höhe sieht es aus wie ein bunter Teppich, gewoben aus verschiedenen Grüntönen und rotbraunen Linien. Die Fluggäste können kaum Lebewesen ausmachen, vereinzelt huschen Tiere weg, als sie den Motor des Fluggerätes hören.
In einem weiten Bogen zieht der Hubschrauber auf die Grenzstadt Niablé zu. Unter ihnen, unbemerkt, bewegen sich zwei Gestalten wankend auf der staubigen Straße. Es scheint, als ob sie sich wie die Tiere vor dem Hubschrauber duckten, eine von ihnen scheint verletzt zu sein; leichte Beute für geübte Jäger. Im Hubschrauber nimmt jedoch niemand davon Notiz; die Passagiere haben andere Sorgen und der Pilot konzentriert sich auf seinen Flug.
***
Die Polizeistation in Niablé ist im Gemeindezentrum, der Mairie, integriert. Das einstöckige Gebäude in Form eines großen L ist frisch renoviert worden, zwei Reihen von Säulen umgeben es. In einer westlichen Stadt hätte man es für schmucklos gehalten, in Niablé ist die Mairie als wichtigstes Gebäude auch gleichzeitig eines der schönsten Bauwerke. Die Freunde sitzen in einem offenen, großen Raum, auf einer Art Bühne, ihnen gegenüber haben zwei uniformierte Polizisten platzgenommen.
"Sie haben das Telefon unserer Freundin gefunden?", fragt Umbigwe nervös.
"Nicht so schnell, junger Mann. Können Sie sich bitte ausweisen?"
Roland Sterki übernimmt die Führung. "Wir sind offizielle Gesandte der Schweiz. Wir reisen im Auftrag unserer Regierung. Hier sind die Ermächtigungen und unsere Ausweise." Er schiebt einen kleinen Stapel Papiere und zwei Ausweise über den Tisch.
Der Polizist kontrolliert die Papiere, überprüft die Stempel, sieht sich die Ausweise an; dann schiebt er die Dokumente zu seinem Partner, der wiederum alles genau ansieht. Beide sagen lange nichts.
"Sie überprüfen die Kakaoproduktion? Darf ich Sie fragen, weshalb Sie das tun?"
"Wir haben Grund zur Annahme, dass einige Produzenten geltendes Recht missachten." Sterki gibt sich verschlossen.
Der Polizist überprüft nochmals die Papiere; dann blickt er die Freunde streng an. "Das ist ein gut kontrolliertes und weit entwickeltes Land. Wir überprüfen die Einhaltung der Gesetze regelmäßig. Was bringt Sie zu eines solchen Vermutung?"
"Eine der entführten Frauen ist Journalistin. Sie hat Beweismaterial über den Handel mit Kindern gesammelt."
"In Ihrem Auftrag?"
"Nein, auf eigene Initiative. Aber Sie hat uns das Material zukommen lassen."
"Und warum sind Sie damit nicht zur Polizei gegangen? Das ist Sache der Polizei."
"Das wissen wir und das wollten wir auch. Aber dann wurden die Frauen entführt, was in unseren Augen wichtiger erscheint; zumindest für den Moment."
"Wer sind diese Leute hier alle?", fragt plötzlich der zweite Polizist.
"Das sind die Freunde der entführten Frauen."
"Sie auch?", der Polizist zeigt auf Noëlle, blickt jedoch Sterki an.
"Nein. Sie hat uns ihren Hubschrauber geliehen, damit wir schnellstmöglich herkommen konnten."
"Die Frau hat einen eigenen Hubschrauber? Haben Sie dafür eine Bewilligung?"
Noëlle muss sich ausweisen. Als die Männer ihren Namen lesen, hellt sich ihre Mine auf; offensichtlich ist die Schriftstellerin erkannt worden. Einer der Männer steht auf, geht zu einem Schrank, entnimmt daraus ein Buch und kehrt zum Tisch zurück. "Bitte, Madame, wenn es nicht zu viele Umstände macht. Es ist das Buch meiner Frau, sie heißt Senta." Er strahlt und streckt Noëlle ihr Buch hin, zusammen mit einem Kugelschreiber.
Fassungslos schauen die Freunde der Szene zu. Umbigwe kann bereits nicht mehr ruhig sitzen; alle starren Noëlle an, die zu lächeln beginnt.
"Sehr gerne werde ich etwas Nettes in das Buch schreiben. Nachdem wir die Sache mit dem Telefon geklärt haben." Sie lächelt den Polizisten an.
Dieser greift sofort zu Javas Gerät. "Ist dies das Telefon Ihrer Freundin?" Er streckt das Gerät Umbigwe hin.
Er und Marco nicken beide heftig. Mit nervösen Fingern nimmt Umbigwe es entgegen und will es einschalten, was ihm jedoch nicht viel bringt. "Wo haben Sie das Telefon gefunden?"
"In einer verlassenen Hütte nahe der Grenze. Es gab viele Spuren von schweren Autos. Eines davon könnte ein Lastwagen gewesen sein; dann noch einige Jeeps."
"Nein, kein Lastwagen - ein Bus", murmelt Marco.
"Wie bitte?"
"Die Frauen haben davon gesprochen, man habe die Knaben in einem Bus transportiert. Das große Fahrzeug wird ein Bus gewesen sein, so etwas wie ein Schulbus. - Und es war niemand mehr da?"
"Nein. Die Spuren zeigen aber, dass die Menschen sehr schnell abgezogen sind. Bei einem kleinen Schuppen ist zudem eine Wand eingefallen. Eventuell ist ein Fahrzeug dagegen geknallt, als die Männer wenden und fliehen wollten. Wir untersuchen das noch."
"Wissen Sie, wo die Fahrzeuge hingefahren sind?"
"Nicht mit Sicherheit. Die Spuren deuten darauf hin, dass sie wieder nach Ghana zurückfuhren. Wir haben die ghanaischen Kollegen gebeten, sich darum zu kümmern."
"Sehr gut", bemerkt Sterki. "Wie wollen wir nun weiter vorgehen?"
"Wenn Sie hier unterschreiben, dann dürfen Sie das Gerät mitnehmen", erklärt einer der Polizisten.
Umbigwe reicht das nicht. "Kann jemand mit uns zur Fundstelle fahren?"
"Sicher, ich kann Ihnen eine Streife mitgeben, kein Problem. Haben Sie ein Fahrzeug?"
"Nein, wir müssten wieder mit zurückfahren dürfen."
"Dann können nur zwei Personen mitfahren. - Madame, wenn Sie nun so freundlich wären?"
Marco und Umbigwe fahren mit der Streife mit, Roland, Tim und Lara warten in der Mairie, zusammen mit Noëlle, die grinsend eine Widmung in das Buch schreibt.
***
Bono sitzt bei Cyril Goude im Büro. Er hat seinem direkten Auftraggeber und Vorgesetzten soeben von der Flucht der zwei Frauen berichtet. Goude mustert seinen Söldner müde und wütend zugleich.
"Das wird den Politiker nicht amüsieren. Wir werden uns ein neues Wirkungsgebiet suchen müssen, denke ich. Wie konntest du bloß so unvorsichtig sein? Haben sie dir den Kopf verdreht, die verdammten Weiber?"
"Nein, Chef. Meine Männer sind eingeschlafen."
"Hast du sie erschossen?"
"Nein. Es war eine anstrengende Woche für uns alle. Ich werde sie nicht mehr mitnehmen, sie sind entlassen, ohne Lohn, ohne Ruhm. Als Söldner wird sie niemand mehr anheuern wollen."
"Du hättest sie erschießen sollen. Aber gut, deine Entscheidung. Ich werde Djue mitteilen, dass wir aus dem Geschäft aussteigen. Wir können nach Burundi fahren, dort soll sich ein Bürgerkrieg aufbauen; wir könnten eventuell dort eine neue Anstellung finden. Sag deinen Männern, sie sollen sich bereit machen. Mit dem Kakao sind wir fertig."
Bono nickt nur. "Bürgerkrieg klingt gut. Endlich wieder vernünftige Gegner; keine quengelnden Kinder mehr, die man nicht mal erschießen darf. - Hast du noch was vom Schweizer gehört?"
"Nein. Es scheint, als hätte der bei sich zuhause genug zu tun. Hat er sich nochmal bei dir gemeldet?"
"Nein, auch nicht. Ich vermisse ihn nicht; er war nur auf seinen Profit fixiert."
"Sind wir doch alle, mein Lieber, du auch. Wir sollten von hier verschwinden, solange wir es noch können. Die Bullen werden nach euch suchen. Und falls man euch auf dem Video erkennen kann, dann werden sie sehr schnell handeln. Ich erwarte deine Mannschaft heute Nachmittag am Hafen. Wir werden mit einem Boot fahren."
Damit ist das Gespräch beendet. Bono steht auf, nickt seinem Boss kurz zu und verlässt das Büro. Draußen steigt er in seinen Jeep, einer der Söldner wartet bereits. Sie fahren los. Etwas weiter hinten schert eine schwarze Limousine mit verdunkelten Scheiben aus. Der elegante Wagen älterer Bauart folgt dem Jeep unauffällig, in großem Abstand. Die beiden Männer im Jeep nehmen davon keine Notiz, sie fahren in Richtung Unterkunft davon.
***
Nach ihrem langen Schlaf fühlt sich Selina wieder fit genug, um aufzustehen. Sie greift nach dem dunklen Badetuch, das neben ihrem Bett bereitliegt, dann wankt sie noch etwas unsicher durch den Vorhang in den anderen Raum. Die alte Frau und Java sitzen am Tisch, aus dem Topf auf dem Herd riecht es verführerisch nach Süßkartoffeln und Gewürzen.
"Na wen haben wir denn hier? Hallo Selina, ich bin Tanisha. Deine Freundin Java hat mir schon von dir erzählt. Du scheinst eine mutige Frau zu sein."
Java lacht. "Vor allem ist sie eine stinkende Frau - geht dich hinter dem Haus waschen, wir plaudern danach. Schön, dass es dir besser geht!"
Selina lächelt dankbar und verlässt den Raum.
"Sie sieht viel besser aus, danke, Tanisha. Wie können wir von hier weg? Wir sollten zu einem Telefon."
"Unser Student hat ein Telefon", sagt die Alte und Java blickt sie interessiert an.
"Ein Student?", fragt sie irritiert.
"Er war in Frankreich, hat dort Landwirtschaft studiert, um uns hier zu helfen. Er ist der Sohn meiner Nachbarin - wir nennen ihn nur noch Student, weil er so gescheit redet. Wir sind alle stolz auf ihn. Er hat ein Telefon und sogar einen Computer. Ich gehe ihn holen, wenn du möchtest."
"Ja, bitte, das würde uns sehr helfen. Ich zeige Selina unterdessen das Kleid; vielen Dank."
Tanisha verlässt ihr Haus. Selina steht unter der Dusche, genießt das fließende Wasser, welches über ihren Körper perlt, dankbar, hier sein zu können, dankbar für ihre Freundin und die freundliche alte Frau. Java lehnt an der Ecke und schaut ihr zu. "Schön, nicht wahr?"
"Es ist unbeschreiblich! Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. - Möchtest du mir Gesellschaft leisten?"
Java lächelt. "Du meinst das ernst, hab' ich recht? - Lieber nicht, ich denke, Kathrin hätte keine Freude daran."
Selin lacht. "Das stimmt. Ich vermisse sie."
"Das geht ihr bestimmt auch so", erwidert Java, "Ich lege dir dein Kleid bereit. Tanisha ist eine zuvorkommende Frau. Sie sagt, wir dürfen die Kleider behalten. Sie näht sich wieder neue."
"Wo ist sie hin?"
"Ihr Nachbar hat ein Telefon. Sie ist ihn holen gegangen."
"Alle Menschen sind so nett hier, das ist unglaublich." Selina stellt das Wasser ab und trocknet sich mit dem Tuch, das sie anschließend um ihren Körper wickelt.
"Nicht alle. Wir haben böse Männer angetroffen, vergiss das nicht."
"Ich habe die Menschen in den Dörfern und auf den Plantagen gemeint; nicht die Söldner und auch nicht die Männer, welche die Soldaten bezahlen."
"Selina, schau mich an: Sollen wir weitermachen? Lohnt es sich? Ich meine - ist es die Gefahr wert?"
Selina zieht das Kleid an. Nun sehen sie beide aus wie afrikanische Marktfrauen; die Kleider stehen ihnen gut und wäre Selina nicht hellhäutig, man hätte ihr die Einheimische abgenommen. "Ich weiß es nicht. Für mich irgendwie schon; die Kinder können sich nicht selbst wehren; ihre Mütter haben ebenfalls nichts in der Hand."
"Meinst du, es wird sich irgendetwas ändern, wenn wir wieder weg sind? Können wir eine langfristige Lösung erreichen?"
"Das wird sich zeigen; längerfristig wird sich wohl nicht viel ändern, befürchte ich, aber wenn wir die Gesellschaft etwas sensibilisieren können, dann haben wir bereits etwas erreicht."
Tanisha kommt zurück, an ihrer Seite einen jungen, attraktiven Mann führend. "Meine Damen, das ist Simba, mein Nachbar. Simba, das sind Selina und Java, zwei Frauen, die deine Hilfe benötigen. Sei nett zu ihnen, wenn du mein Nachbar bleiben willst, hörst du?"
Selina und Java lachen. "Simba, wie der Löwe aus dem Zeichentrickfilm?"
"Ja, leider. Enchanté, mesdames. Der Name existierte lange vor Disney, aber seither wird er nur noch selten benutzt - um solchen Bemerkungen aus dem Weg zu gehen."
Peinlich berührt begrüßen sie den netten und klugen Mann, der höchstens Mitte zwanzig ist. "Entschuldige, wir haben es nicht böse gemeint.
Nun lacht er herzhaft. "Kein Ding. Tanisha nennt mich Simba, um mich damit aufzuziehen. Der Sohn, der wegging und danach wiederkam - so begründet sie es. Mein richtiger Name ist viel zu lang und ich habe mich daran gewöhnt. Wie kann ich euch helfen?"
"Tanisha sagt", Java wirft ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, "du hättest ein Telefon. Stimmt das?"
"Das ist richtig - und einen Computer auch, wenn ihr wollt. Es gibt sogar Internet hier; nicht das, was ihr gewohnt seid, aber es funktioniert."
Er reicht Java das Telefon. Sie strahlt zuerst ihn, dann Selina an und beginnt zu tippen.
***
Der Jeep hat angehalten. Die Männer in der Limousine beobachten das weitere Geschehen. Die zwei Männer aus dem Jeep verschwinden in einem Haus. Das schmucke Vorstadthaus hat einen großen Garten, der von einer hecke umrundet wird. Es ist ein Haus, welches einem Diplomaten oder einem reicheren Bürger gehören könnte; unauffällig und doch solide gebaut, aus Stein; nicht so wie die meisten anderen Häuser hier aus vorfabrizierten Holzelementen. Das einstöckige Gebäude ist gut beleuchtet, was Tiere und Eindringlinge gleichermaßen davon abhält, ihm zu nahe zu kommen. Kurz danach kommen die Jeepfahrer wieder, holen einen Minibus aus der Garage. Mehrere Männer helfen ihnen die Fahrzeuge zu beladen. Der Beifahrer in der Limousine greift zum Telefon.
"Chef? Es sieht aus, als wollten sie türmen. Sie beladen die Fahrzeuge. Es sieht so aus, als packten sie für längere Zeit." Es bleibt ruhig. Am anderen Ende wird offenbar etwas erklärt. "Geht in Ordnung. Das wird nicht geräuschlos abgehen. Sie haben Waffen." Wieder hört der Mann zu. "Ja, wir haben die richtigen Kleider angezogen. Es wird aussehen wie gewünscht." Er legt das Telefon weg.
Die Türen der Limousine öffnen sich; fünf bewaffnete und dunkel gekleidete Männer steigen aus, schleichen geduckt in Richtung des Hauses, wo die Fahrzeuge stehen. Die Szene erinnert an einen Actionfilm. Schatten huschen von allen Seiten heran, blitzschnell tauchen sie auf, Klingen blitzen, Männer schreien. Aus dem Haus stürmen bewaffnete Soldaten auf die Angreifer, Schüsse peitschen, Männer fallen.
Der Angriff ist präzise, das Chaos dauert nur einige Minuten, dann herrscht wieder gespenstische Ruhe. Von den Männern aus der Limousine ist keiner verletzt, die anderen sind alle tot. Bono liegt mit verdrehten Augen neben dem Jeep, seine Männer unweit davon, die meisten unnatürlich verdreht. Die Angreifer nehmen ihre Waffen und steigen in die Limousine, ohne sich um ihre Opfer zu kümmern, der Fahrer braust davon. Niemand hat die Tat beobachtet, allfällige Zeugen sind schnell in ihren Häusern verschwunden. Eine eigenartige Stille legt sich über die Szene; erst Minuten später sind aus der Ferne erste Sirenen hörbar, welche sich nähern. Für die Söldnertruppe werden sie zu spät eintreffen.
Nur unweit davon entfernt findet die Polizei die Leiche eines namhaften Wirtschaftsbosses, mit aufgeschlitzter Kehle in seinem Büro. Der diensthabende Polizist ruft seinen Vorgesetzten an, beschreibt die Szene und nimmt die Befehle entgegen. Dann wendet er sich an die restlichen Polizisten.
"Es hat etwas außerhalb der Stadt noch einen Angriff gegeben. Offenbar handelt es sich um einen Bandenkrieg. Goude, das ist der nette Mann hier, ist in Wirtschaftsspionage und Schmuggel verwickelt. So wie es aussieht, hat ihn ein Konkurrent oder ein betrogener Kunde ausschalten lassen. Wir wissen noch nicht wer, aber seine Kumpane waren, wie es scheint, Söldner. Wir sollen Fotos machen, die Spuren sichern und die Leiche in die Gerichtsmedizin bringen lassen."
***
Die Polizisten treffen mit Umbigwe und Marco am Fundort des Telefons ein. Drei Hütten stehen in einem U mitten im Wald, zwei kleinere und eine leicht größere. Die Freunde werden zuerst in die größere Hütte geführt; vier Räume mit einem zentralen Gang. Der erste Raum auf der rechten Seite ist eine kleine Küche mit einem veralteten Gasherd, einem wackligen Tisch und vier Stühlen. Auf dem Tisch stehen zwei Tassen, auf dem Herd eine Kanne mit kaltem Kaffee.
"Das wird das Zimmer für die Wache gewesen sein, denke ich", vermutet Marco. Umbigwe nickt, die Polizisten schauen sich alles an, heben die Kanne hoch, schieben die Stühle zurecht. Marco hofft, die Spurensuche möge schon vorüber sein, denn diese zwei Männer verwischen bestimmt viele mögliche Indizien.
Die drei anderen Zimmer sind alle gleich eingerichtet: je vier Pritschen nebeneinander, an der Wand gegenüber des Eingangs, keine Stühle, keine Ablagen. Schleifspuren am Boden zeugen davon, dass schwere Taschen oder Kisten verschoben worden sind. Die Luft ist drückend, muffig, der CO2-Gehalt deutlich zu hoch. Die Ecken der Räume sind feucht, schimmlig. Die Polizisten rümpfen die Nase und verlassen das Haus.
Auf der Rückseite, gegen den Wald hin, befindet sich eine Latrine, das ist alles. Die eine von den kleineren Hütten ist voller Decken und Tücher, die wild hingeworfen am Boden liegen. "Und hier haben sie bestimmt die Kinder festgehalten. Schweinehunde", hält Umbigwe fest, "die Kinder wurden wie Tiere gehalten. Es gibt nicht einmal Wasser hier drin."
"Es hat auch keine Fenster, der einzige Eingang ist das Tor da." Marco ist sichtlich betroffen, traurig.
"Lass uns die Hütte ansehen, wo man unsere Freundinnen festgehalten hat."
Bereits als sie das Tor öffnen, grinsen sich die Freunde an. "Du siehst, was ich sehe, oder etwa nicht?", fragt Marco und zeigt auf die Steine.
"Es ist deutlich zu sehen, Bro. Diese Wand wurde von innen geöffnet. Das war keine Kollision, das war Gewalt!"
Marco lacht und ruft die Polizisten herbei. "Unsere Frauen haben sich nicht festhalten lassen wollen. Sie sind ausgebüxt."
"Und damit auf der Flucht", ergänzt Umbigwe, "was bedeutet, wir müssen nach ihren Spuren suchen. Draußen."
Die Polizisten schauen sich die Steine an. "Wie kommen Sie darauf?"
"Das ist doch offensichtlich: Die Steine liegen alle außerhalb des Gebäudes. Wenn das ein Fahrzeug gewesen wäre, würden sie im Raum drin liegen. Diese Wand hier wurde von innen eingedrückt."
"Zwei Frauen? Das kann nicht sein. - Das war ein Jeep."
"Ich bitte Sie! Schauen Sie sich diese Steinchen an. Es sind einfache Backsteine, ohne Zement, ohne Mörtel oder Kleber. Etwas getrockneter Lehm hält das ganze zusammen. Diese Wand kann von zwei wütenden Frauen problemlos eingedrückt werden, glauben Sie mir."
Marco und Umbigwe suchen draußen nach Spuren, können jedoch nichts finden. Ratlos stehen sie an der Straße. "Hier lang kommt man zurück nach Ghana", Umbigwe zeigt nach links. "Da lang ist vorerst nur Wald, dann eine Abzweigung nach Niablé im Norden und nach Süden, du erinnerst dich, wo wir abgebogen sind."
"Dann müssten sie in Niablé sein, wenn sie da lang gegangen sind", erwähnt der Polizist.
"Nein", entgegnet Marco strenger als beabsichtigt. "Ich kenne Java sehr gut. Sie sind sicher nicht nach Ghana zurück, soviel steht fest. Aber ich denke, Java würde nach Süden gehen - nicht in die Stadt. Sie kennt sich im Wald aus, sie würde nach einer kleineren Siedlung suchen; genau dort, wo sie niemand vermuten würde."
In diesem Moment klingelt Umbigwes Telefon. Umständlich klaubt er es aus seiner Tasche, dreht es um und starrt auf den kleinen Bildschirm. "Hallo?"
"Umbigwe? Ich bin es, Java."
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