Sandra
Eine leichte Böe streift Sandra übers Gesicht. Kleine Schneeflocken tanzen hinab vom Himmel und lassen ihr Herz höher schlagen. Zwei Tage darf sie mit ihren Liebsten an diesen idyllischen Ort verbringen. Die Stille ist eine Wohltat für die Ohren. Weg von dem Stadtlärm. Ab und zu erblickt sie ein paar Vögel in den Bäumen und selbst ein Eichhörnchen machte sie von der Terrasse aus. Die Hütte ist sicherlich ebenfalls gemütlich und doch möchte sie die Natur auf sich einwirken lassen. Die Sonne strahlt hell am Himmel und ihr Licht lässt all die Kristalle glitzern und funkeln. Ein tiefer Atemzug und Sandra vergisst all ihre Sorgen. Alles ist perfekt, bis ein störendes Summen die Stille unterbricht. Ein Geräusch, das sie gut kennt und ihr das Lächeln nimmt. Tatsächlich erblickt sie die Drohne von Mandy. Ein Flugobjekt, das Aufnahmen von der Umgebung macht. Fassungslos dreht sie sich um. Auf der Suche nach Hendrik, den sie nicht lange suchen muss. Ihr Freund kam angeschlichen und lächelt verlegen, als sie ihn bemerkt.
„Ich war nicht schnell genug", ärgert er sich leise.
„Warum macht Mandy Aufnahmen von der Hütte?"
Sandra wählt gezielt einen vorwurfsvollen Ton und dann entdeckt sie auch noch die Kamera in seiner Hand. Genervt legt sie den Kopf schief und dreht sich weg. Die Antwort kann er sich sparen, denn er hörte ihr mal wieder nicht zu. Dieses Wochenende sollte ihnen allein gehören. Sein Equipment hätte er besser zu Hause gelassen. Ständig ist er unterwegs. Von einem Spot zum nächsten und sie verbringt die Nächte einsam und allein.
Aber was hat sie erwartet?
Wie konnte sie so dumm sein und glauben, dass er und Mandy keine Story daraus machen?
Ihre Fans brauchen Futter! Seine Beiträge gehen viral! Er lebt für die Kamera und vergisst, was wirklich wichtig ist!
Erkennt er denn nicht, wie unglücklich sie ist, weil sie zu wenig Zeit füreinander haben?
Sandra wünscht sich, sie wäre gelassener und weniger verbittert wie Mandys Ehefrau. Denn die freut sich für Mandy und hat ihr eigenes Abenteuer am Start. Eine große Tour durch Frankreich. Sie ist genauso gelassen wie Mandy selbst und ebenfalls eine coole Socke. Nur Sandra ist die große Spaßbremse im Boot.
„Alles okay?" Hendrik klingt aufrichtig besorgt. „Wenn es dich stört, dann spreche ich mit Mandy darüber?"
Sandra arbeitet kurz an einem Fakelächeln, denn sie will nicht, dass die Stimmung jetzt am Anfang kippt. Schwungvoll dreht sie sich um und überspielt geübt ihre wahren Gefühle. Sie lächelt Hendrik ins Gesicht und schüttelt den Kopf.
„Nein. Alles gut." Dennoch startet sie einen Versuch, ihm die Augen zu öffnen. „Aber die Kamera ist doch nicht rund um die Uhr an oder?"
Die Finger jucken. Sandra muss den Gedanken schnell verwerfen, nach dem doofen Ding zu greifen und über die Terrasse zu werfen. In der Hoffnung, die Kamera rollt tief hinab und lässt sich nicht mehr auffinden.
„Nein, keine Sorge. Wollen wir uns die Hütte ansehen?"
Ein Blick hinauf zu der lärmenden Drohne und die Entscheidung ist schnell getroffen. Mit einem Nicken macht sich Sandra auf zum Eingang.
„Wow, Schatz." Hendrik bremst sie und führt sie zur Seite. In die Ecke versteckt sich unter einem Abdeckung ein Whirlpool, der bereits auf die 37 Grad vorgeheizt ist und einladend blubbert. Warmer Dampf steigt auf und Sandra sieht sich schon dort drinnen sitzen. Sie kann es kaum erwarten, in ihren Bikini zu schlüpfen.
„Deine Begleitung", erwähnt Hendrik nachdenklich, „hast du etwas von ihr gehört?"
„Nein, aber er trifft sicherlich gleich ein."
Hendrik runzelt überrascht die Stirn. „Er?"
Das Lächeln auf ihren Lippen schwindet. Sie hat zu schnell und unüberlegt gesprochen.
„Ja, hast du mit einer Freundin gerechnet?"
„Schatz, jetzt bin ich aber neugierig. Hast du einen Arbeitskollegen eingeladen?"
Allein der Gedanke an den fehlenden Gast verbessert ihre Laune. „Besser, Hendrik. Aber ich verrate nichts, vertraue mir."
Tatsächlich ist er damit besänftigt. Er fokussiert sich eher auf die Hütte und öffnet ihr die Pforten in ihren Unterschlupf. Einladend winkt er sie hinein in die wohltuende Wärme. Die Wangen brennen leicht und auch die Hände tauen langsam unter den Handschuhen auf. Es ist die Inneneinrichtung, die ihr den Atem verschlägt, denn Fotos können manipuliert werden, aber die hellen Räumlichkeiten mit den großen Glasfenstern und dem schlicht modernen Design sind besser als die Fotos.
Hendrik hilft ihr aus dem Mantel. In Momenten wie diesen erinnert er Sandra daran, warum sie sich für ihn entschied. Wie aufmerksam er sein kann. Es fühlt sich an, als gehöre der Urlaub nur ihnen. Das täuschende Gefühl lässt ihr Herz höher schlagen und verleitet sie dazu, ihm um den Hals zu fallen. Ein Kuss auf die Wange und sie drückt ihren Kopf an seinen. Seine starken Arme legen sich um ihre Taille. Er nimmt einen kräftigen Zug von ihrem Parfüm nach Vanille und Pfingstrose, das er so liebt. Gemeinsam gleitet ihr Blick durch ihre Unterkunft. Direkt am Eingang befinden sie sich in einer modernen Küche mit Essbereich. Eine Eckbank befindet sich direkt an der Fensterfront. Auf dem Tisch findet sich passend zur Adventszeit ein großer Kranz, der zum Glück nicht allzu kitschig gestaltet wurde. Die Weihnachtskugeln passen zu dem weißgoldenen Design der Einrichtung. Die Hochglanzmöbel befinden sich in einem makellosen Zustand. Die kleine Küchenzeile versteckt sich am Treppengeländer.
Sandras Neugier gilt einem Loch, worin ein Netz gespannt ist und freie Sicht auf die nächste Etage gibt.
„Ist das eine Hängematte?"
„Jo!" Hendrik strahlt über beide Ohren, als könne er es kaum erwarten, sich dort oben breitzumachen. „Wie geil ist das denn?"
Sandras Augen beginnen zu strahlen, als sie aus dem Augenwinkel heraus eine kleine Sauna ausmacht.
„Schatz! Schau mal!" Freudig führt sie ihn an der Hand nach links. Vorbei an dem Badezimmer, das gleich gründlich auf Sauberkeit inspiziert wird. Eins der wichtigsten Kriterien bei Sandra. „Eine Sauna, Schatz!"
Auch Hendrik staunt nicht schlecht. „Wow. Dein Ernst? Wusstest du davon?"
Sandras gute Laune schwindet mit einem Schlag, denn es gibt etwas, das sie ihm nicht verraten hat. Bislang kannte sie nur das Ziel und was sie ungefähr erwartet, aber das war schon alles. All das hier ist ein Friedensangebot, das von einem anderen Kopf geplant wurde. Von jemanden, dem sie schon immer blind vertraut hat und ihr Herz fürchterlich schmerzte, als sich ihre Wege über einen längeren Zeitraum trennten.
„Nein. Ich wusste nichts über die Sauna", gesteht sie leise.
Aber Hendrik registriert ihr schlechtes Gewissen nicht und beschäftigt sich vielmehr mit der Bedienung und den Möglichkeiten des Schwitzkastens. Sandras Herz wird nun ganz schwer, denn obwohl die Freude groß war, wieder von einem alten Freund zu hören, hat sie vielleicht voreilig auf das Friedensangebot zurückgegriffen. Dabei weiß sie gar nicht, wie sie ihrem alten Freund nach der letzten Auseinandersetzung unter die Augen treten soll.
Eine Ablenkung muss schnell her! Daher tritt sie in daskleine, aber feine Badezimmer mit einer ebenen Dusche, die durch eine schickeGlasfront abgetrennt ist. Unter ihrer strengen Inspektion besteht dieRäumlichkeit mit Bravour. Schließlich geht es hinauf in den lichtdurchflutetenSchlafbereich. Das Doppelbett befindet sich nah der Hängematte und hat einentollen Ausblick durch die gläserne Front. Für Privatsphäre ist wenig Freiraum.Es gibt keinen Sichtschutz, aber das ist okay, dann sie ist nicht hier, um dieZeit mit Hendrik im Bett zu verbringen. Auch wenn der kuschelige Schlafbereichverlockend nach ihr ruft. Die zwei Einzelbetten sind direkt neben an und sinddurch eine dünne Wand getrennt. Es gibt keine Tür, sondern nur einen Durchgang.Das ist zwar ungewöhnlich, aber für Sandra auf keinen Fall störend. Das Zimmermit den Einzelbetten hat sogar Zugang auf den kleinen Balkon. Die Hütte an sichist klein, aber geräumig. Aus wenig Platz wurde das Bestmögliche herausgeholtund ihnen fehlt an nichts. Komfort gibt es reichlich. Die Matratzen und auchdie Sitzpolster sind angenehm weich. Hier haben sie sicherlich eine tolle Zeit. Sofern ihr Plan aufgeht und Hendrik bereit ist, zu vergeben und zu vergessen. Hoffentlich ...
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