Mandy
Von heißem Dampf umhüllt verlässt Mandy das Badezimmer. Die Zeit geriet in Vergessenheit unter der Luxusdusche. Der Wasserstrahl massierte ihre steifen Muskeln und spülte Dreck wie auch Sorgen fort. Ein Raum weiter begrüßt sie der intensive Duft von frisch gebrühten Kaffee. Als habe Sandra mit ihr gerechnet, winkt sie Mandy zur Essecke, wo bereits eingedeckt wurde. Hendriks Sonnenschein lächelt wahrlich wie ein Engel. Aber neben ihrem hellen Schein flammt ein Teufel. Jae mag sich im Hintergrund halten, dennoch zeigt seine Körpersprache, wie unerwünscht Mandy ist. Mit grimmigen Blick und verschränkten Armen beobachtet er, wie sie der Einladung folgt und sich am Tisch hinpflanzt. Der Duft von Brötchen vermischt ich mit dem Aroma des Kaffees und lässt Mandys Magen knurren. Sandra lächelt herzallerliebst und setzt sich glücklich neben sie hin.
„Du wirkt entspannter", freut sich Sandra.
Und doch zittern Mandy's Hände noch immer, als sie nach der großen Tasse greift. Diese drückt sie sich an die Brust und genießt die Wärme, die von dem Kaffee ausgeht.
„Du bist so lieb, Sandra. Das habe ich alles nicht verdient."
„Erzähl keinen Unfug, Mandy. Nimm dir Zeit und stärke dich."
Das sieht Jae sicherlich anders, aber das ist Mandy gerade egal. Daher genießt sie das Frühstück ausgiebig, als sei dies ihre Henkersmahlzeit. Sandra hält sich mit Gesprächen wahrlich zurück. Statt Mandy zu stören, bewirtet sie ihre Freundin sogar. Das ruft schlechtes Gewissen hervor. Eigentlich verdient der Sonnenschein die Wahrheit, aber Jae scheint ihr Wanken zu riechen und setzt sich provokativ gegenüber. Sein Blick ist warnend und bedrohlich wie eine messerscharfe Klinge. Er begnügt sich mit einer Tasse Tee und nippt immer nur flüchtig, sicherlich nur für den Schein.
„Du musst vorsichtig sein, Mandy. Draußen lungern Wölfe", gibt Sandra nun preis, nachdem sie einen Bissen von ihrem Brötchen nimmt.
An ihrem Mundwinkel entdeckt Mandy etwas Quark und Marmelade. Unauffällig zeigt sie an die Stelle, woraufhin Sandra dankbar nach einer Serviette greift und die Spuren schnell fortwischt.
„Wölfe ja? Hast du welche gesehen?", erkundigt sich Mandy in aller Ruhe.
Die stolzen Tiere sind vom Aussterben bedroht und Wolfssichtungen sind äußerst selten. Die Chancen sind wahrlich gering und sicherlich hat Sandra diese Warnung irgendwo aufgeschnappt und zerbricht völlig umsonst den Kopf. Die Stille darauf lässt Mandy jedoch aufblicken. Sandras Gesichtsausdruck sorgt für ordentliche Überraschung. Nie hatte Mandy einen Wolf gesehen und ausgerechnet der größte Angsthase an diesem Tisch wurde diese Ehre zu teil. Wie gemein!
Sandra schluckt. Ihre Furcht ist wahrlich zuckersüß. „Sie waren direkt vor dem Haus."
Die Wildkamera!
Mandy fällt glatt das Brötchen aus der Hand. Auch wenn Hendrik nicht begeistert von der Idee war, hat Mandy aus Gewohnheit Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Die Kamera hat den gesamten Abend aufgenommen. Hoffentlich hat Jae dies nicht bemerkt.
Sandra legt den Kopf schief und lächelt entschuldigend.
„Bist du draußen keinem begegnet? Dabei waren es so viele."
Mandy runzelt die Stirn und ärgert sich über die Umstände. Ein Wolf ist schon ein cooles Geschöpf. Sandra spricht jedoch von einem Rudel, das klingt nach Ärger. Schließlich jagen die Geschöpfe in der Gruppe. Zu kalt war es für eine Übernachtung im Freien, sonst hätte Mandy bereits vorher Eindrücke über das Gebiet erhalten können, bevor die bequeme Hotelbuchung mal eine nette Abwechslung wurde. Dann wüsste sie, wie aktiv das Leben im Wald wäre. Ob genug Futter für Wölfe vorhanden wäre. Und doch befindet sie sich in einem gemieteten Baumhaus. Entweder hat es die Tiere durch den Hunger hierher verschlagen oder es war Zufall, dass es die Gruppe hierher verschlagen hat.
„Hier waren Wölfe und ich war nicht Vorort? Hast du sie gefilmt, Sandra? Wie viele waren es und wie groß waren die Tiere?"
Mandy brennen noch viel mehr Fragen auf der Zunge. Zu gern wäre sie vor Ort gewesen. Beschämt schlägt Sandra die Augen nieder, woraufhin Jae übernimmt.
„Spielt es eine Rolle? Du verschwindest doch eh gleich! Anders als du und Hendrik nehmen wir die Gefahr wahr und haben mal keine Kamera in der Hand. Sandra war krank vor Sorge. Die Begegnung ging nicht spurlos an ihr vorbei, also sprich nicht darüber."
Genervt von seiner schroffen Art, kontert Mandy zickig: „Hab ich nach deiner Meinung gefragt? Außerdem hat Sandra doch den Stein ins Rollen gebracht."
„Aus reiner Fürsorge, um dich zu warnen und nicht um diese Begegnung zu vertiefen!"
„Jae!" Sandra ruft ihn streng und schüttelt den Kopf. „Danke, aber Mandy hat Recht, ich habe es unbedacht angesprochen. Es war mein Fehler."
Doch Jae belächelt ihre Denkweise und schüttelt seinen Kopf. „Wie lange kennt dich Mandy? Ich denke gut genug, um zu wissen, wie sehr du große Tiere fürchtest. Du bist voller Fürsorge, das dein Umfeld besser schätzen sollte und mehr Rücksicht nehmen könnte."
Sandra wirkt gerührt von seinen Worten. Seine unverschämter Charme zieht bei ihr, woraufhin Mandy bewusst dazwischenfunkt und einen Würgelaut macht. Damit platzt die Seifenblase und Sandra fühlt sich ertappt. Jae ist kein Dummkopf und erkennt ebenfalls, was Mandy anstellt. Er schnauft erbost und sein Kiefer spannt sich an.
„Sei vorsichtig, Sandra. Dein ach so toller Kindheitsfreund scheint noch immer Interesse an dir zu haben und jede Gelegenheit nutzen, um dir schöne Augen zu machen."
Welch eine Prüfung, das fiese Grinsen zu unterdrücken. Jaes Halsschlagader schwillt an und er wird still, als müsste er eine giftige Pampe runterwürgen, während Sandra nervös den Blick abwendet und sich auf ihren Tee konzentriert. Aber die Krönung fehlt, daher beugt sich Mandy hervor und sucht den Augenkontakt. Sandras Interesse ist geweckt. Ungeduldig wartet sie auf die nächsten Worte.
„Vergiss nicht, wer damals kalte Füße bekam, als es ernst wurde."
Die Bitterkeit, die Sandra schmeckt und quält, mag nicht verdient sein. Mandy wünscht sich, es ginge anders. Aber Jaes Plan fruchtet und obwohl Hendrik es nicht verdient hat, fühlt sich Mandy aufgefordert, mitzuwirken und das Blatt zu wenden. Die Stille sieht Mandy als Segen nach dieser fürchterlichen Nacht und Jae angestaute Wut, die er krampfhaft unterdrückt, versüßt ihr den Kaffee. Für gewöhnlich lässt Mandy ihre Tasse immer am Ende stehen, weil sie ein kleiner Chaot ist und weiß, dass Sandra eh alles wegräumt, aber Jae hat Recht, etwas Rücksicht kann nicht schaden, daher landet die Tasse in der Spüle.
„Also danke für den Kaffee und tritt Hendrik in den Hintern, wenn er hier auftauchen sollte. Ich bringe den Thermobecher schon mal in den Wagen, bevor ich den noch vergesse."
Eine Ausrede für die Wildkamera, die aber geschluckt wird. Nur leider erhebt sich Jae, als wolle er sie begleiten, zum Glück spricht Sandra auf ihn, sodass er sich wieder auf die Bank pflanzt.
„Ach so, Sandra? Darf ich mir deine Winterjacke ausleihen? Mein Zeug ist total durch. Ich müsste erst etwas kramen."
„Klar, nimm ruhig."
Hell, niedlich und ordentlich parfümiert. Mandy sieht sicherlich komisch in dem pfirsichfarbenen Mantel mit Sternchendruck von Hendriks Herzensdame aus. Dennoch hält das kleine Zelt warm und doch bevorzugt Mandy Allwetterkleidung. Mit klopfendem Herzen öffnet Mandy nicht irgendeine Tür, sondern ein alles entscheidendes Törchen, das ihr Schicksal bestimmt. Draußen macht sie glücklich die Wildkamera aus, die unauffällig in die Ecke in einem großen Blumentopf gelegt wurde. Unauffällig wird diese geschnappt und in die große Manteltasche gleiten gelassen. Ein Blick durch das Fenster zeigt, dass Jae durch ein Gespräch mit Sandra abgelenkt ist. Was auch immer die beiden gerade besprechen mögen, interessiert Mandy nicht wirklich. Dafür hat sie zu viele Eigenprobleme. Die Luft ist klar und angenehm kühl. Am Auto angekommen streicht sie sanft über das Gehäuse. Ihr Wagen gibt ihr Halt und Kraft. Ein treuer Freund und Begleiter durch gute und schlechte Zeiten. Nie ließ der Wagen sie im Stich.
An der Beifahrertür angelehnt gönnt sich Mandy einen großen Schluck Kaffee aus der Thermosflasche und späht rüber zu Elenoras Wagen, der ein Stück weiter auf der Straße steht. Versteckt hinter den Büschen. Das Monster ist geduldig. Sie mag beobachten, aber keine Anstalten machen, um Mandy zu hetzen. Noch immer beschäftigt sich Miss Rich nebenbei mit anderen Dingen. Sie führt sicherlich Telefonate und beantwortet Mails. Ein wahres Multitasking-Talent.
Hastige Schritte vom Haus rufen die Befürchtung hervor, dass Jae doch sein Senf dazugibt. Aber es ist Sandra, die ohne Jacke in die Kälte eilt und fröstelnd mit eine Brotdose durch den Schnee stampft.
„Hey, Mandy. Kann ich dich wirklich nicht überreden, zu bleiben? Können wir nicht über alles reden und eine Lösung finden?"
„Sorry, Sandra. Ich ändere meine Meinung nicht."
Ihr Gegenüber seufzt und nickt traurig. „Okay, aber ich habe eine kleine Stärkung für dich. Ein paar Kekse."
Mandy schließt den Wagen auf und setzt sich ins Auto, von wo sie die Brotdose entgegennimmt und die Kanne verstaut. Sandra tritt zum Glück nah ran und beugt sich hinab, als suche sie die richtigen Worte für den Abschied. Dabei fehlen ja noch die restlichen Sachen aus dem Zimmer, aber für Mandy kommt die Nähe dennoch sehr gelegen. Schließlich versperrt sie die Sicht zu Miss Jam. Daher winkt Mandy ihre Freundin unauffällig näher an sich und zieht die Wildkamera nur ein kleines Stück aus der Tasche.
Es folgt ein leises Flüstern, um keinen Verdacht zu schöpfen: „Jae darf davon nichts erfahren. Er verschweigt dir was, aber siehe selbst. Du musst dir das Filmmaterial allein und in aller Ruhe ansehen. Mehr kann ich nicht tun, Sandra."
Die Verwirrung ist groß. Der Sonnenschein betrachtet sie verwundert. Aber Mandy entgeht nicht, wie Jae ebenfalls das Haus verlässt. Daher reißt Mandy einen Glücksbringer von ihrem Fahrerspiegel ab. Eine süße, schwarze Katze, die eigentlich als Schlüsselanhänger gedacht ist, aber für Mandy passte sie besser in den Wagen. Das verboten süße Plüschding mit den riesigen Mangaaugen ist ein Geschenk von Charu. Katzen sind eigensinnig, so wie ihr Schätzchen. Auch wenn die beiden Liebenden voneinander getrennt sind, ist Charu dennoch bei ihr. Aber diese Katze wird sie nur alles bereuen lassen, daher wandert das niedliche Ding in Sandras Besitz.
„Für den Kaffee. Sei so lieb und pass mir gut darauf auf. Ich will und kann es nicht behalten."
„Bist du sicher?" Sandra betrachtet den Anhänger beunruhigt. „Ist die nicht von Charu?"
Allein den Namen aus ihrem Mund zu hören, bringt alles ins Wanken. Mandy steigt frustriert hinaus und kämpft gegen die aufsteigenden Tränen an.
„Schon, aber ich will sie nicht mehr." Nicht bereit, weiter darauf einzugehen, steuert sie das Haus an. „Ich hole mir jetzt meine Sachen und dann bin ich weg."
Damit ist alles in der Machtstehende gesagt und getan. Nun liegt es an Sandras Intuition, ob die Wahrheit ans Licht kommt. Zweifel sind vorhanden, das ist Mandy nicht entgangen. Sandra ist sicherlich klug genug, um sich allein mit dem Videomaterial zu befassen. So hofft Mandy.
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