10. Nesthäkchen
Die Haustür knallte zu, eine Schultasche wurde auf den Boden geworfen, die Tür der Toilette flog ins Schloss und wurde verriegelt. Nach zehn Minuten kam Leonie in die Küche, setzte sich an den Tisch und begann zu essen. Lustlos stocherte sie mit der Gabel in dem Essen herum.
„Was ist los, Leonie? Warum bist du wütend? Gab es Ärger in der Schule", fragte ich sie.
„Herr Grützner ist ein Arsch. Lukas hat mir mein Brot aus der Hand geschlagen und es ist auf den Boden gefallen. Ich habe ihm eins auf die Nase gegeben und er hat geblutet. Jetzt muss ich eine Strafarbeit von zwei Seiten über das Verhalten zu Mitschülern schreiben und Lukas bekam keine Strafarbeit auf. Ich mache das nicht", erzählte Leonie.
Leonie ist unser Nesthäkchen. Sie ist vor 8 Jahren geboren worden. Geplant war sie nicht. Ich dachte, dass ich schon in der Menopause bin, da ich mehrere Monate unregelmäßig genauer gesagt über einen längeren Zeitraum meine Tage nicht bekommen hatte. Im Urlaub muss es passiert sein, denn danach bekam ich von meinem Frauenarzt die Nachricht schwanger zu sein. Mit 40 Jahren noch einmal Mutter zu werden, war nicht geplant, aber wir lieben unser Nesthäkchen Leonie sehr. Sie bekommt unsere ganze Liebe, auch wenn ihre beiden großen Schwestern 19 und 17 Jahre alt schimpfen. Leonie bekommt alles, was die beiden nicht bekamen.
„Soll ich mit Herrn Grützner reden", fragte ich unser Nesthäkchen.
Leonie weigerte sich, die Strafarbeit zu schreiben und ich rief ihren Klassenlehrer an. Herr Grützner erklärte mir, was passiert war und nahm Lukas in Schutz. Er bestand auf die Strafarbeit. Eine Stunde habe ich mit ihm geredet und erreicht, dass Leonie die Arbeit nicht schreiben musste.
„Mama, du bist die Beste", rief Leonie und gab mir einen dicken Kuss auf die Wange.
Leonie erreicht alles, was sie will. Manchmal muss sie ein paar Tränen laufen lassen und sie bekommt, was sie will. Mein Mann und ich wissen beide, dass es nicht richtig ist und wir ihr zu viel durchgehen lassen. Sie ist eben unsere kleine Prinzessin.
Bei unseren Freunden- und Verwandten gibt es mehrere verspätete Nachkömmlinge und überall ist es das Gleiche. Die Kleinen oder Größeren bekommen alles mit einem Fingerschnippen.
Protestieren die Geschwister, Freunde und Verwandte, heißt es: "Lasst sie! Es sind die Kleinen."
Am Schluss taucht immer wieder die Frage auf:
„Warum hatte ich nicht das Glück als Nesthäkchen auf die Welt kommen zu dürfen?"
392 Worte
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