Fass mich nie wieder an
Als wir in unser Zimmer zurückkamen lagen, ordentlich zusammengelegt, Uniformen auf unsere Betten. "Krass. Unsere erste Rot Kleidung. Bestimmt für die Party. Paar Schnecken aufreißen. Achja, es gibt ja keine." Manuel lachte auf und hielt sich das dunkelrote Oberteil an die Brust. "Und Patrick, denkst du ich seh zum vernaschen gut aus?" Er wackelte mit den Hüften von Links nach rechts und grinste mich an, als würde er wissen, dass ich genau das gedacht hatte. "Ach, halt doch die Klappe", antwortete ich jedoch und wandte mich lachend von ihm ab, um meine eigene Uniform zu begutachten.
(...)
Die Halle war gefüllt, es spielte Musik. Die Leute saßen oder standen am Rand der Tanzfläche, erzählten und rauchten, tranken Alkohol oder auch keinen. "Ich hol mir was von der Bar. Auch was?" Manuel schaute mich mit gehobenen Augenbrauen und diesem schiefen Lächeln an, was er so gerne trug. "Ehm, überrasch mich", antwortete ich nur. Nun grinste er frech und rieb sich die Hände. "Das wird ein Spaß." Schon drehte er sich um und ging Richtung Bar. Ich schüttelte den Kopf und suchte und einen Platz. Ein Tisch war frei. Er stand in der Ecke, gequetscht zwischen anderen Tischen, wo schon Männer dran saßen. "Entschuldigung, Verzeihung, pardon", ich entschuldige mich bei jedem, den ich anrempelte.
Ich saß nicht lange, da kam Manuel mit Gläsern zurück. Ein grünes Getränk war drin. "Bitteschön, der Herr." Er wirkte stolz, so wie er sprach. Er stellte die zwei Gläser unter Poltern auf den Tisch. "Trink." Eins schob er in meine Richtung. Ich holte Luft und setzte das Glas an meine Lippen. "Was ist das?", wollte ich vorher noch wissen. Wieder dieses schiefe Lächeln. "Rate." Ich nippte. "Limette?" Er nickte. "Das ist süß." Ich nippte mehrmals. "Und lecker." Er grinste. "Irgendein Cocktail. Sah cool aus, fand ich." Nun trank auch er. Sein Kehlkopf wanderte hoch und runter bei jedem Schluck, bei jedem Wort das er sprach, bei jedem seiner Lacher.
Plötzlich sprang Manuel auf. "Der Song, der ist gut." Er stellte sich neben den Tisch und fing an zu tanzen. "Ich kenne den gar nicht." Auch ich stand auf. Mein Fuß tippte automatisch im Takt der Musik. "Wie bitte?" Er beugte sich tanzend zu mir rüber. "Ich kenn das Lied nicht!", brüllte ich nun etwas lauter. "Typisch Braun. Komm!" Er packte mich an der Hand und zog mich zur Tanzfläche. Viele tanzten, gingen regelrecht ab.
Wir lachten und tanzten, sprangen wild umher. Als würden wir uns schon ewig kennen. "Wie heißt der Song denn?", brüllte ich zu ihm. Er hörte auf zu tanzen und hielt mich fest. "Ein super Song, oder?" "Sag's mir." Er lachte gehässig. "Das du den nicht kennst. The Psychedelic Furs? Nie von gehört?" Er fing wieder an zu tanzen. "Nie von gehört." Wiederholte ich. "Love my way, heißt der Song." "Er ist wirklich toll!" Tanzen. Wir tanzten weiter, bis der Song sich umschlug und wir zurück zum Tisch gingen und unsere Gläser leerten. Noch eins und noch eins. Vier, fünf. Ich war betrunken. Manuel haute mir der flachen Hand auf den Tisch. "Lass uns gehen." Ich nickte.
Als wir das Gebäude verließen, dröhnten meine Ohren noch lange nach. "Scheiße bin ich voll", hickste Manuel. "Scheiße ja", lachte ich. "Ich könnte trotzdem noch ewig tanzen. Komm!" Er rannte los. "Warte!" Ich lachte laut auf und folgte ihm. Er sprang und sang laut und schief. Seine Stimme hallte an den Fassaden der maroden Häuser wieder. "Tanz mit mir!" Er packte mich lachend an meinen Händen und wirbelte uns im Kreis. Ich fragte mich in dem Augenblick, was nicht mit ihm stimmte. Ob er grade so glücklich war. Und gleichzeitig wunderte ich mich, wie glücklich ich war. Ich warf meinen Kopf lachend in den Nacken und ließ mich wirbeln, bis er aufhörte. "Ich muss kotzen", schnaufte er und rannte zur Seite, an eine kopfhohe Mauer. Als wäre ich ein Sanitäter von Blau, griff ich sein Haar und hielt es ihm zusammen, während er sich entleerte. "Fuck." Ächzend richtete er sich wieder auf. "Ist nicht schlimm." Ich ließ sein Haar los. Es fühlte sich seidig an. Dennoch war es dick. "Nicht schlimm aber verdammt abartig", berichtige er mich. Er ging ein paar Schritte von seinem Erbrochenem Weg und ließ sich dann an einem Haus heruntersinken. "Setz dich." Manuel klopfte neben sich auf den Boden, welcher aus groben Steinen gepflastert war und kleine Grashalme zwischen den einzelnen Steinen herauswuchsen. "Willst du wirklich hierbleiben?", fragte ich, während ich mich setzte. Unsere Knie berührten sich. "Ich mag die Lampen hier." Er deutete kurz auf eine Laterne. Sie sah aus wie die aus den Büchern, welche Straßen abbildeten aus den 40ger Jahren. "Ja, die sind hübsch." "So wie du." Er drehte grinsend seinen Kopf zu mir. "Du solltest echt weniger saufen", kicherte ich etwas berührt. Ich verstand seine Emotionen in keinster Weise. "Sollte ich das?" Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. "Solltest du." Ich musste lachen. Ein Typ, welchen ich nur wenige Stunden kannte. Der mich schon einige Male unbewusst angegraben hat und mit mir feiern und tanzen war. Wem ich das lange, braune, seidige und gutriechende Haar gehalten hatte. "Weißt du Palle..." "Palle?" Ich unterbrach ihn laut lachend über diesen Spitznamen. "Palle. Find dich damit ab. Was ich sagen wollte", er legte klatschend seine Hand auf mein Knie, welches an seinem gelehnt war. "Wir haben nur uns. Vermutlich werden wir irgendwann elendig im Krieg sterben. Dann werde ich dich halten oder du mich, während einer von uns mit dem Tod kämpft und aus der Schusswunde blutet. Dann werde ich dich bitten mich zu küssen, bevor ich sterbe. Das wäre toll." Er lehnte müde seinen Kopf gegen die Wand, an der wir lehnten. "Wir sollten ins Bett gehen." Ich schob seine Hand von meinem Bein und stand auf. Er aber blieb sitzen. "Steh auf." Ich reichte ihm meine Hand. Doch er sah nur drauf. "Muss ich dich tragen?", fragte ich belustigt. "Ne, ich steh schon auf." Manuel stand torkelnd auf. "Lass uns gehen." Er ging mit gesenktem Kopf los. Ich sah ihm kurz nach, sammelte meine Gedanken. War er so betrunken, dass er so einen Schwachsinn redete? War er schwul und interessierte sich für mich? "Komm jetzt!" Er lief rückwärts, fast schon hüpfend und grinste. War er ein Schizophrenie Patient?
Wir liefen nebeneinander zu dem Gebäude, wo sich unsere Zimmer befanden. "Ich muss glaube nochmal reiern." Manuel blieb angelehnt an einer Wand stehen und hielt sich die Hände auf den Bauch. Schnell hastete ich ihm zur Hilfe. Ich legte meine Hände an seine Schultern. "Doch nicht, nur verarscht", lachte er dann. Schlapp ließ ich meine Arme fallen. "Wichser." Wieder dieses schiefe Lachen. Ich wollte gehen, doch er packte mich und drückte mich gegen die Wand. "Lass mich!" Ich hatte Panik. Er war betrunken. Ich kannte ihn nicht. Vielleicht war er geisteskrank. Wollte er mich vergewaltigen? Mich umbringen? Ich hatte furchtbare Panik und fing an zu zappeln. "Entspann dich. Ich tu dir nichts." Er sprach gelassen. Hielt mich aber dennoch fest. Er war viel stärker als ich. Es wunderte mich. Schließlich war ich der, der auf dem Feld gearbeitet hatte. Und er kam aus Blau. Dort saß man doch nur am Schreibtisch. Warum war er so stark? Zudem hatte er keine sonderlich muskulösen Arme. Viel dünner als meine. "Du bist so unfassbar hübsch, Palle." Er machte mir Angst. "Fass mich nicht an", schnaufte ich mutig. Rot. Das Rot kam aus mir raus. Und es klappte. Manuel wich von mir weg. "Es tut mir leid." "Fass. mich. nie. wieder. an. Verstanden?" Rot. Niedergeschlagen sah er zu Boden und nickte.
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