Kapitel 26
Ich glaubte nicht in meinem Leben jemals so lang gesprochen zu haben, dass mir die Stimme den Dienst versagte. Bis heute zumindest.
Auch hatte ich noch nie so offen von meinen wahren Gefühlen gesprochen. Nicht eine einzige Sekunde hatte Jael seine Aufmerksamkeit von mir losgelassen.
Seine blauen Augen lagen ununterbrochen auf mir, was mich zwiegespalten fühlen ließ. Auf der einen Seite gefiel mir sein Maß an Achtsamkeit.
Andererseits kam mir diese Beachtung befremdlich vor, da mir noch nie so viel davon jemals in meinem Leben zuteil wurde. Besonders die seine fühlte sich gleich dreifach so intensiv an, woran auch immer das liegen mochte.
Wahrscheinlich hatte ich auch noch nie so viele Tränen wie in diesem Moment vergossen, wobei verschüttet die Realität besser getroffen hätte.
Tränen hatte ich jedenfalls noch genug, trotz meiner Heulkrämpfe in den Tagen davor.
Ebenfalls gentlemanlike wischte Jael ab und zu über meine klitzschnassen Wangen, wobei sein Stofftaschentuch am Ende vollkommen feucht war.
Ich redete über meine Kindheit, über meine beste Mutter auf der ganzen Welt und meine Gefühle.
All die Dinge, die ich oftmals einfach runtergeschluckt hatte, fanden nun ihren Weg nach draußen.
Deswegen waren unter die Erzählung auch die eine oder andere Schimptirade eingebaut, die Jael sich wie alles andere geduldig anhörte.
Am Ende meiner Schilderung fühlte ich eine seltsam befreiende Leere in meiner Brust. Das Gewicht von schierer Trauer auf meinem Brustkorb schien verschwunden zu sein.
Um genau zu sein spürte ich absolut nichts mehr. Keinen Schmerz, keine Erleichterung oder sonstiges.
Einfach ein allumfassendes Nichts.
"Verstehe, Lucy, so ist das also", meinte Jael mitfühlend. Es war mir ein wenig unangenehm mit wie viel Mitleid er mich bedachte, doch ich versuchte das so gut es ging zu verdrängen.
"Es tut mir leid, was du erleben musstest, aber gleichzeitig macht es mich auch so unglaublich wütend wie ungerecht diese Welt ist", nun klang er etwas gereizt, auch wenn er damit gleichzeitig meinen Gedanken ausbuchstabierte.
"Ich bin außerdem enttäuscht, dass niemand etwas dagegen macht. Jemand muss Fairness schaffen in der Welt!"
Tja, das war bloß so leicht dahergesagt. Theorie war was für Unentschlossene, Praxis was für Visionäre.
Allerdings spiegelte auch dieser Satz, was ich so oft in den letzten Tagen gedacht hatte.
Mutters Tod war nur ein weiterer Grund für eine bessere Welt einzustehen. Damit hatte sie mich noch entschlossenen gemacht.
Diese Personen konnte wir sein, Jael und ich. Immerhin war er ein Prinz, das musste man irgendwie nutzen können. Und ich hatte die Härte dieser Welt schon am eigenen Leib erfahren müssen.
Damit bildeten wie zusammen das ideale Team. Er besaß Macht, ich die Erfahrungen.
"Jael, was wäre wenn wir diese Menschen sind? Wenn wie die Welt zu einem besseren Ort machen? Überleg doch nur, was wir alles schaffen können. Zusammen!"
Gegen Ende hin nahm meine Stimme einen vor Begeisterung heiteren Ton an, denn plötzlich fühlte ich eine unerklärliche Entschlossenheit für dieses Vorhaben.
Trotz Mutters Ableben spürte ich nun auf einmal seit Tagen das erste Mal die Lust darauf etwas zu machen.
Diese Aufgabe kam wie gerufen. Der Entschluss dazu wurde durch dir letzten Ereignisse nur noch befeuert, sodass es jetzt praktisch unmöglich wäre, mich davon abzuhalten.
All diese Missstände bei denen die am wenigsten Verantwortlichen ausgebeutet wurden konnte so nicht weiter existieren.
Jaels Blick verhakte sich in meinem, in unser beider Augen leuchtet Kampgeist.
"Du hast Recht, Flämmchen. Wir müssen etwas tun."
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