Wirtschaftsstudent
„Warum trägt er dann noch seinen Ehering?" Zayns Stimme glich einem Eiszapfen, der jederzeit dazu in der Lage war, mein Herz zu durchbohren.
„Weil er noch nicht bereit dazu ist, ihn abzunehmen. Deshalb läuft da auch noch nichts zwischen uns. Sowieso wusste ich bis ich Harry kennengelernt habe ja noch nicht einmal, dass ich etwas für Männer übrig habe. Hör zu, Zayn. Du hast Niall und mich am Samstag richtig verletzt. Aber du warst mir ein Leben lang ein guter Freund und ich würde das ungern an dieser Stelle beenden. Wie ist das bei dir? Hat unsere Freundschaft noch eine Zukunft?"
Zayn schloss die Augen. Mehrere Minuten saß er einfach nur da und wippte leicht vor und zurück. Er sah dabei aus wie ein kleines Kind. Verletzlich. Und verletzt.
„Kannst du Harry bitte nicht mehr mitbringen? Zumindest nicht in nächster Zeit?"
Ich nickte. „Und du bleibst du, okay? Ich will nicht plötzlich mit dir über Männerhintern reden müssen." Ich war mir sicher, dass dieser Satz eigentlich als Witz gedacht war, so wie er ihn am Anfang betonte. War aber das letzte Wort gesprochen, so riss er seine Augen auf und biss in seine Hand. Er wirkte verstört.
„Ich bin noch immer derselbe Louis. Ehrlich." Zayn hatte mittlerweile sein Gesicht in beiden Händen vergraben. „Ziehst du dann wieder hier ein?" - „Wenn ich darf?"
Er sah mir zum ersten Mal an diesem Abend in die Augen. Sein Blick wirkte gequält. Dann nickte er. „Ja, du darfst."
„Dann komme ich morgen wieder vorbei. Heute übernachte ich nochmal daheim. Meine Mutter erwartet mich." Er nickte und blieb sitzen, während ich meine Tasche schnappte und zur Tür hinausging.
Eines war mir nach diesem Gespräch bewusst. Zayn war kein Arschloch. Er war nicht grundlos homophob.
Es war kurz nach zehn als ich das Gebäude verließ. Ich beschloss Harry anzurufen, ganz einfach, weil ich seine Stimme hören wollte. Er ging auch sofort ran.
„Lou? Hey, was gibt's?" - „Hey Harry. Ich hoffe, du hast Samstag noch nichts vor." Ich klickte einen Kieselsteine vor mir her. „Nein, bis jetzt noch nicht. Planst du gerade unser nicht-Date?" Ich biss mir auf die Unterlippe. „Leider nicht. Aber sie haben mich in die Mannschaft aufgenommen und Samstag habe ich mein erstes Spiel. Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht zuschauen möchtest? Du kannst ja auch Violetta mitbringen."
„Ich kann es kaum erwarten, dich spielen zu sehen. Um wie viel Uhr soll ich wo sein?" - „Das Spiel ist um fünfzehn Uhr bei uns auf dem Sportplatz. Ich freue mich schon." - „Und ich mich erst." Ich stellte meine Tasche kurz ab und kreiste meine Schultern, bevor ich sie wieder über die andere Schulter warf.
„Harry, mir ist vorhin etwas klargeworden." - „Was?" Er klang leicht panisch. „Bitte sag nicht, dass du das mit uns beenden möchtest." Ich nahm mein Telefon vom Ohr und starrte es verwirrt an. „Wieso sollte ich das beenden wollen? Du weiß gar nicht, wie sehr ich mich schon auf den Anfang davon freue." - „Was ist dir dann klargeworden?" - „Naja, als wir nach dem Training geduscht haben und ich meine Teamkollegen so angesehen hab..." - „Warte! Ihr duscht nach dem Training zusammen? Nackt?" - „Natürlich nackt. Wie duschst du denn bitte?" - „Oh Gott, kannst du das Fußballspielen bitte wieder aufhören? Gegen einen Fußballer komme ich doch niemals an..."
Ich kicherte. „Würdest du mich bitte ausreden lassen?" - „Ja, okay, sorry, Lou." - „Naja, auf jeden Fall ist mir klargeworden, dass niemand eine solche Wirkung auf mich hat, wie du. Ich glaube, Daisy hat recht und ich bin harrysexuell." Ich hörte erleichtertes Schnauben am anderen Ende der Leitung.
„Das gefällt mir. Dann darfst du auch wieder mit den anderen duschen gehen. Auch wenn mir die Vorstellung nicht gefällt, dass sie dich nackt sehen dürfen." - „Tja, dann musst du halt auch ins Team kommen." - „Vergiss es, ich habe auch so schon genug um die Ohren. Sowieso könnte ich dich ja gar nicht von der Seitenlinie aus bewundern, wenn ich selber mitspielen würde. Ich wette, du siehst unglaublich heiß aus im Fußballtrikot und diesen Shorts." - „Harry", zischte ich peinlich berührt, der lachte aber nur.
„Sag mal, Lou, hast du eigentlich nochmal mit Zayn geredet?" - „Ja, ich war gerade bei ihm, warum?" - „Perrie kam heute Mittag komplett verheult zur Arbeit, weil Zayn mit ihr Schluss gemacht hat. Er hat ihr wohl nur gesagt, dass er keine Beziehung will. Ich habe den ganzen Nachmittag gebraucht, um sie zu trösten. Violetta hat sich dann nach der Schule noch um sie gekümmert, weil ja irgendwer den Laden schmeißen musste. Ihr lag wohl echt etwas an Zayn. "
„Hm, bei dem Gespräch eben hat er sich auch seltsam verhalten. Vielleicht kann er sich mir ja irgendwann anvertrauen."
Ich stand mittlerweile vor der Tür meines Elternhauses.
„Holst du morgen wieder deinen Kaffee bei mir?" - „Natürlich Harry. Dabei fällt mir ein, deine Pralinen habe ich schon alle aufgegessen. Kann ich da noch ne Tüte haben? Du weißt ja, die sind mein Betthupferl." - „Natürlich, Lou. Ich stell dir gleich morgen früh eine zusammen. Hast du irgendwelche Lieblinge, oder darf ich kunterbunt mischen?" - „Mischung klingt toll. Ich liebe alles, was du mit deinen Händen zauberst." - „Soso. Alles?" Jetzt merkte ich erst, was ich da von mir gegeben hatte. „Ich meine deine Pralinen, du Idiot." - „Doch nur, weil du noch nicht weißt, was meine Hände sonst noch alles zaubern können." Ich schluckte und versuchte den Gedanken daran zu verdrängen.
„Harry hör auf damit. Nachher hab ich noch... ein Problem und ich bin mir sicher, dass meine Eltern noch wach sind. Das wäre dann doch eine eher unschöne Begegnung."
„Du kannst ja auch zu mir kommen?" Ich biss auf meine Lippen. Kurz war ich tatsächlich gewillt, das Auto meiner Mutter zu schnappen und zu ihm zu fahren.
„Harry..." - „War nur ein Vorschlag. Geh ins Bett, Lou. Wir sehen uns morgen früh."
„Bis morgen, Harry. Ich freue mich schon."
„Ich mich auch, Lou. Bis morgen."
Ich legte auf und betrat das Haus. Es war schon halb elf, dennoch saßen meine Mutter, Dan, Fizzy und Lottie noch auf dem Sofa und sahen noch einen Film an.
„Hey Leute. Wie geht's?" Ich schmiss meine Sporttasche in die Ecke und quetschte mich zwischen Fizzy und Lottie aufs Sofa.
„Deine Mutter hat mir erzählt, dass wir Sonntag Besuch erwarten?", kam es von Dan. Zögernd nickte ich. Lottie kuschelte sich von rechts an meine Seite. „Ja, sie hat Harry eingeladen. Mama, hast du ihm gesagt, dass er Violetta auch mitbringen kann? Du wirst sie lieben", wandte ich mich dann meiner Mutter zu.
„Ja, natürlich, Schatz. Ich hoffe, es ist okay für dich, dass ich sie eingeladen habe." Das kommt früh. „Ja, passt schon. Harry freut sich schon." - „Ich kann es kaum erwarten, Vio wiederzusehen. Ich habe die kleine richtig in mein Herz geschlossen", freute sich Fizzy.
Sie hatte recht, die Kleine war echt liebenswert. „Leute, ich geh ins Bett. Ich brauche meinen Schlaf. Gute Nacht." Ich drückte alle noch kurz, dann ging ich nach oben und schmiss meine dreckigen Sportsachen in den Wäschekorb. Die Schuhe stellte ich auf den Balkon zum Auslüften.
Ich machte mich bettfertig, packte meine Tasche für morgen und legte mich ins Bett. Gerade, als ich das Licht ausschalten wollte, öffnete sich meine Zimmertür und Fizzy kam hereingeschlichen.
„Hey Fizzy, was gibt's?" - „Kann ich mich noch eine Weile zu dir legen und naja.. Einfach reden?"
Wortlos hob ich meine Bettdecke an und sie krabbelt darunter. Wie in alten Zeiten. „Wie geht's dir so mit allem, Lou?" Sie kuschelte sich an meine Seite und ich legte einen Arm um ihre Taille. „Naja, ist grade ziemlich viel los. Bis letztes Jahr, dachte ich noch, dass ich mit Eleonor zusammen alt und grau werden würde, aber ich glaube, ich bin so langsam über sie hinweg."
„Und wie geht's mit Harry?" - „Harry macht mich glücklich. Dabei ist da eigentlich gar nichts zwischen uns." - „Das stimmt nicht. Ihr zwei seid verrückt nacheinander." Sie blieb kurz still.
„Wie hast du ihn eigentlich kennengelernt?" Ich malte mit meinem Finger kleine Kreise auf ihre Seite. „Das war ziemlich unangenehm. Wenn ich es dir erzähle, dann darfst du es keinem weitersagen, okay?" - „Ich kann schweigen wie ein Grab." - „Ich war am Humboldt, weil ich mich vorstellen sollte. Und als ich nachmittags wieder gehen wollte, habe ich mich verlaufen. So im Nachhinein bin ich echt froh, dass ich mich verlaufen habe. Ich habe Schreie aus einem Klassenzimmer gehört und bin dann hinein, um nachzusehen, was los ist. Da lag Violetta am Boden und ein Achtklässler hat auf sie eingeschlagen."
Ich hielt kurz inne, weil die Erinnerung daran noch immer schmerzte.
„Ich habe sie dann direkt ins Krankenzimmer gebracht und eine Kollegin hat sie dann versorgt. Harry hat sie dann dort abgeholt. Er hat mich vom ersten Moment an komplett umgehauen, dabei war ich mir sicher, dass ich durch und durch hetero bin."
„Ich freue mich, dass du ihn kennengelernt hast, großer Bruder. Obwohl es echt traurig ist, wie ihr euch kennengelernt habt... Hat Zayn dich eigentlich deshalb aus eurer Wohnung geschmissen? Nicht, weil du Niall verteidigt hast, sondern weil du selber schwul bist?" Bei dem Wort 'schwul' malte sie Gänsefüschen mit ihren Fingern in die Luft.
„Harry hat meine Hand gehalten, da ist er ausgerastet. Und Niall war halt einfach dabei. Ist leider auch mit in die Schusslinie geraten. Ich verstehe Zayn nicht. Er ist mir plötzlich so fremd, dabei kenne ich ihn schon mein ganzes Leben. In unserer Jugend waren wir praktisch beste Freunde." - „Naja, bis auf ein Jahr." - „Was meinst du?" - „Mama hat erzählt, dass Zayn nach der Trennung seiner Eltern mit seinem Vater nach Amerika gezogen ist. Er ist aber nach einem Jahr schon wieder zurückgekommen."
Daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht. Zayn hatte die achte Klasse in Amerika absolviert. „Er hat auch nie großartig über seine Zeit dort geredet. Wahrscheinlich hatte er zu viel Heimweh, um es zu genießen."
Ich verbrachte eine ganze Weile damit, Kreise und Quadrate mit meinem Finger auf Fizzys Seite zu zeichnen. „Was ist eigentlich in deinem Leben grade los?"
Sie dachte lange nach. „Studium läuft überraschend gut. Ich muss nur noch eine Hausarbeit in Strafrecht schreiben. Die ist am Ende der Semesterferien fällig."
Wir bleiben beide stumm. „Ich habe jemanden kennengelernt. Wir treffen uns jetzt schon seit ein paar Wochen. Er heißt Jannis und ist Wiwi-Student. Er ist sogar Tutor. Ich bin in sein Tutorium geplatzt, weil ich den Raum verwechselt habe." Ich musste bei der Vorstellung lachen. Fizzy war immer etwas verplant, genau wie ich.
„Jedenfalls stehe ich in diesem Raum voller Leute mit meinen Gesetzestexten unter dem Arm und mir fiel nichts Besseres ein, als nach vorne zu laufen, meine Nummer auf seinen Arm zu kitzeln und ihm zu sagen, dass er mich anrufen solle." Ich konnte mein Lachen nicht mehr halten. Es bahnte sich ein Bild in meinen Kopf, wie Fizzy vor versammelter Mannschaft um ein Date bat. Urkomisch.
„Das Überraschendste war ja, dass er mich zwei Stunden später tatsächlich angerufen und mich auf einen Kaffee eingeladen hat."
„Und wie ist er so?" - „Jannis ist toll. Für einen Wirtschaftsstudenten ungewöhnlich bodenständig und er trägt auch keinen Pullunder." Immer diese Klischees. „Ich habe ihn wirklich gerne. Vorhin habe ich Mama von ihm erzählt. Ich habe ihn nämlich auch Sonntag zum Essen eingeladen, dann kann ich euch vorstellen. Ich hoffe, das ist okay für dich." - „Warum sollte es nicht okay sein? Ich freue mich riesig für dich!" - „Ich will dir und Harry nicht die Show stehlen." Ich musste kurz auflachen. „Ich bin mir sicher, dass nichts und niemand Harry die Show stehlen kann." - „Das sagst du nur, weil du in ihn verliebt bist."
„Das stimmt wohl." - „Ich bin gespannt, wie du Jannis findest." Sie seufzte zufrieden. „Wir hatten heute ein Date. Und er hat mich gefragt, ob ich seine Freundin sein will." Sie klang richtig begeistert. Ich mochte diesen Jannis schon jetzt, wenn er es schaffte, sie so glücklich zu machen.
„Ich freue mich schon darauf, ihn kennenzulernen. Ist er auch im dritten Semester, so wie du?" - „Nein, er ist im siebten und macht gerade seinen Bachelor. Ich darf gar nicht daran denken, wie viele Jahre mir noch bevorstehen, bis zu meinem Staatsexamen. Meinst du, ich werde einmal eine gute Anwältin?" - „Du wirst die Beste. Niemand kann mich so in Grund und Boden argumentieren wie du." - „Danke."
Sie legte ihren Kopf zufrieden auf meiner Brust ab. Ich streichelte glücklich durch die Haare meiner Schwester. „Ich liebe dich, meine Kleine." - „Ich liebe dich auch, Lou."
Damit schliefen wir beide aneinander gekuschelt ein.
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Das dritte Update für heute als Belohnung für 100 Sternchen.
Vielen lieben Dank dafür <3
Ich freue mich über jeden Vote und jeden Kommentar:)
Zayn war also 'a Year Abroad'. Was er in dieser Zeit wohl erlebt hat?
Und Louis liebt seine Schwester. Ist er nicht süß?
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