Opa
Nach einer halben Stunde Autofahrt standen wir auch schon vor dem Restaurant, in das mein Opa uns eingeladen hatte. „Was, wenn sie mich nicht mögen? Oder die Tatsache, dass ich ein Mann bin?" Ich sah dabei zu, wie Harry nervös an seinem Lenkrad kratzte. „Sie werden dich lieben. Man kann gar nicht anders, als dich zu lieben. Du solltest dich nur vor Großtante Hilde in Acht nehmen, sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Und ihre Ansichten sind meistens nicht so nett." Harry nickte und drehte sich zu mir um.
In seinen Augen sah man die pure Unsicherheit. „Das wird schon, mein Engel." Ich legte meine Lippen liebevoll auf seine, bevor ich mich umdrehte und aus dem Auto ausstieg. Violetta folgte mir sogleich, während Harry noch etwas zögerte. „Krieg ich auch einen Kuss, Lou?" Sie legte ihren Zeigefinger auf ihre Wange. „Ähm ja, klar, Prinzessin." Ich beugte mich vor und drückte ihr schnell ein Bussi auf die Backe. Dann nahm sie meine Hand und lief mit mir ein Stück vom Auto weg. Harry folgte uns auch endlich. Er nahm Violettas andere Hand.
Zu dritt steuerten wir den Eingang an. Davor hatten sich schon einige Leute grüppchenweise versammelt um zu plaudern. Ich sah meine Mutter mit Dan, Ernest und Doris und winkte ihr zu. Harry schien sie auch bemerkt zu haben, denn er steuerte nun auch diese Richtung an. Als wir bei ihnen ankamen, ließ ich Violettas Hand los, um meine Mutter zu umarmen. „Hallo Mama." Dann begrüßte ich noch die anderen drei, bevor ich mich wieder neben Violetta stellte.
„Also Leute, ihr habt die beiden wahrscheinlich schon mal gesehen, aber jetzt dann ganz offiziell: Das ist Harry, mein Freund. Und das ist Violetta, seine unglaublich süße Tochter." Die Kleine grinste und winkte in die Runde. Harry schüttelte derweil die Hand meiner Mutter, die ihn anstrahlte, als würden Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. „Und das sind Doris und Ernest und mein Stiefvater Dan."
„Hi", begrüßte Violetta die Zwillinge und umarmte sie direkt. Die drei quasselten gleich drauf los und schienen sich echt gut zu verstehen. Harry tauschte ein paar Begrüßungsworte mit meinem Stiefvater, der sich freute, ihn endlich einmal kennenzulernen.
„Wo sind eigentlich Oma und Opa?" Jay deutete mit ihrem Kopf in Richtung Eingangstür. „Wir dachten, wir warten auf euch, damit ihr nicht direkt Hilde in die Arme lauft." Jetzt wo sie sie ansprach, vernahm ich auch das nervtötende Gelächter ganz aus der Nähe. Ich griff nach Harrys Hand. „Danke, das ist lieb. Und wo sind meine anderen Mädels?" Meine Mutter verdrehte ihre Augen. „Lottie fährt, aber sie sind offensichtlich mal wieder spät dran."
Gemeinsam gingen wir in das Restaurant hinein. Mein Opa hatte den ganzen Nebenraum für seine Geburtstagsfeier gemietet. Es gab eine lange Tafel in E-Form. Noch saß niemand, alle standen herum und redeten miteinander. Als meine Großeltern mich erblickten, kamen sie sofort auf uns zu. „Louis, schön, dass du da bist." Mein Opa nahm mich fest in den Arm, so gut es mit dem Geschenk eben ging, dass ich noch auf einem Arm trug. „Hey Peter, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag." Ich reichte ihm den Weinkorb, worauf er nur lachte und ihn auf den Geschenketisch stellte. „Danke, Louis. Schön, dass du da bist." Ich grinste ihn an und ging einen einen Schritt zurück, um ihm mein Anhängsel vorstellen zu können.
Stolz machte ich meinen Opa mit meinen Freund bekannt, der ihm augenblicklich die Hand reichte. Mein Opa sah ziemlich erfreut aus. Dann stellte ich ihm noch Violetta vor. Die kleine Maus begrüßte ihn freundlich und gratulierte ihm. Ich sah meinem Opa an, wie sie ihn mit ihrem Lächeln um den Finger wickelte, so wie sie es bei mir auch schon getan hatte. „Also Louis, ich muss schon sagen, du hast dich wirklich verbessert. Endlich Mal keine Zimtziege. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass diese Anwältin nicht mehr mitkommt." Mit großen Augen sah ich ihn an. „Du konntest Eleonor nicht leiden?" Mein Opa schüttelte amüsiert den Kopf. „Nein, du warst ganz anders, wenn sie dabei war. Das hat mir nie gefallen. Aber jetzt strahlst du, wie schon seit Jahren nicht mehr."
Etwas überrascht sah ich meinen Opa an und lehnte mich an meinen Freund, der sogleich seinen Arm um mich legte und mit seiner Hand auf meiner Hüfte liegen blieb. „Also ist es okay für dich?" Harry begann mit seinem Daumen Muster auf mein Hemd zu zeichnen, er wusste wohl, was mich beschäftigte. „Aber natürlich, warum auch nicht. Die Zeiten ändern sich, Junge. Und solange du glücklich bist, bin ich es auch." - „Ich mag deinen Opa", flüsterte mir Harry ins Ohr, bevor er mir einen Kuss auf die Wange drückte.
Da kam auch schon meine Oma auf uns zu. „Louis. Ich freue mich, dass du da bist." Damit drückte sie mir einen Kuss auf die Wange. „So und jetzt musst du mir deine hübsche Begleitung vorstellen", sagte sie mit einem Seitenblick auf Harry. „Und natürlich diese bezaubernde junge Dame." - „Ja gerne. Maria, das ist Harry, mein Freund und seine Tochter Violetta." Dann wandte ich mich den beiden zu. „Und das ist Maria, meine Oma."
Harry löste sich von mir, sehr zu meinem Bedauern, um meine Oma begrüßen zu können. „Was hat Jay da gestern rumgestottert, als sie mich angerufen hat. Die dachte wirklich, ich würde dich nicht mehr mögen, nur weil du jetzt einen Mann an deiner Seite hast. Aber ich hab ihr gesagt, dass das gar kein Thema ist. Der Sohn von dem Günther ist jetzt auch schwul. Das ist ja heutzutage ganz normal." Auch wenn ich keine Ahnung hatte, wer Günther war und ich mich nicht nicht als schwul definieren würde, war ich einfach nur froh, dass meine Großeltern da kein Drama draus machten.
Harry und Violetta begrüßten meine Großmutter, die mehr als verzückt war. Ich war wirklich erleichtert, dass sie das so locker sahen. Dann setzten wir uns an den Tisch, an dem auch schon der Rest meiner Familie saß. Lottie, Daisy und Phoebe hatten es mittlerweile auch noch rechtzeitig zum Essen geschafft. „Lottie", begann ich, als ich mich neben Harry niederließ. „Das ist Harry, mein Freund." Sowohl Harry als auch Lottie begannen zu lachen. Verwirrt sah ich die beiden an.
„Ich kenne ihn schon." Lottie und Harry, die nebeneinander saßen, sahen beide so aus, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. „Und woher?" Bevor Lottie antworten konnte legte Harry mir eine Hand auf den Oberschenkel und fuhr beruhigend darüber. „Also an der Beerdigung habe ich ihn ja zum ersten Mal gesehen. Und ich wusste von den anderen, dass er eine Bäckerei hatte. Also bin ich da hin, wusste ja jetzt wie er aussieht und habe mich nett mit ihm unterhalten." Harry lachte los und legte sich schnell eine Hand auf den Mund. „Okay, vielleicht war ich weniger nett. Aber ich wollte wissen, ob es ihm ernst ist mit dir. Also habe ich ihn ausgequetscht."
Harry sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen und gekräuselter Stirn an. „Du hast dich bei deinem ersten Besuch als neue Mitarbeiterin des WKD ausgegeben und wolltest meine Backstube besichtigen?" Lottie lachte nur auf und wank ab. „Ja, aber nur, weil ich mit dir ins Gespräch kommen wollte. Und das hat ja geklappt." Harry hob seine Hand von meinem Schenkel und suchte stattdessen meine Hand, um unsere Finger zu verschränken. „Sie ist schlimmer als das FBI. Sie hat mich richtig komisches Zeug gefragt." - „Achwas. Ich wollte nur ganz normales Zeug von dir wissen." Harry sahs sie empört an. „Du hast mich nach meiner Schuhgröße gefragt und du wolltest wissen, ob ich meine Brust enthaare. Was ist daran bitte normal?"
Lottie straffte die Schultern und sah Harry leicht überheblich an. „Alles. Und ich will noch immer wissen, ob du eine haarlose Brust hast. Also für meinen Bruder. Ich muss rausfinden, ob du gut genug für meinen Bruder bist." Das brachte auch mich zum Lachen. Ich krallte mich mit einer Hand an seinem Oberarm fest und legte die andere auf seine Brust. „Es geht dich zwar überhaupt nichts an, aber er hat sie nicht enthaart." Ich lächelte Harry an und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Früher habe ich das immer gemacht. Aber irgendwie fehlt mir dazu die Zeit." Fragend sah er mich an. „Soll ich das wieder machen?" Schnell schüttelte ich den Kopf. „Ich finde dich wahnsinnig attraktiv, genau so wie du bist." Harry grinste und vereinte unsere Lippen. Schnell krallte ich meine Hand in seinen Locken fest, um ihm daran zu hindern, sich zu lösen. Ich strich mit meiner Zunge zärtlich über seine Unterlippe und bat um Einlass, den Harry mir sofort gewährte. Harry liebkoste meine Lippen mit den seinen, der Kuss wurde immer intensiver, immer intimer.
„Igitt. Was soll das?", schallte eine empörte Frauenstimme durch den Raum. Sofort löste ich mich von meinem Freund und entdeckte, wie die Person, die ich hier am wenigsten leiden konnte, sich gegenüber von mir neben Phoebe niederließ. „Hilde", entfuhr es mir genervt. "Also Louis, hat deine Mutter dir keinen Anstand beigebracht? Wie kannst du es wagen mit einem Mann hier aufzutauchen?" Mir fiel die Kinnlade runter. „Was? Meine Mutter hat mir mehr Anstand und Manieren beigebracht, als du jemals haben wirst. Und wehe du sagst noch einmal etwas gegen Harry. Er wurde persönlich eingeladen. Er ist wahrscheinlich mehr willkommen als du." Entschieden griff ich nach der Hand meines Freundes und legte sie mit verschränkten Fingern gut sichtbar auf dem Tisch ab.
Der alten Dame wich die Farbe aus dem Gesicht, während sie ihre Lippen empört zusammenpresste. „Genau. Sowieso dürfen Männer auch Männer lieben. Es ist egal, wen man liebt, solange man glücklich ist", mischte sich jetzt auch Violetta ein. Ich seufzte glücklich und sah Harrys Tochter liebevoll an, bevor ich wieder zu meinem Freund sah. Er sah ziemlich stolz aus. „Eben, Hilde. Also sei nett", mischte sich jetzt auch Lottie ein, die ziemlich genervt aussah. „Was fällt euch ein, so mit mir zu reden? Und wer bist du überhaupt?" Sie sah Violetta grimmig an. „Sie gehört zu mir, Hilde, also pass auf was du sagst", mischte ich mich ein.
Just in diesem Augenblick kam meine Tante an unseren Tisch und zwinkerte mir zu, bevor sie sich an Hilde wandte. „Hilde, bei uns ist noch ein freier Platz, da sitzt auch die Uschi. Mit ihr kannst du dich sicher besser unterhalten, als mit Johannas Kindern." Sie musterte Harry mit einem Grinsen, bevor sie eine Hand auf Hildes Rücken legte und diese schnell ans andere Ende der Tafel schob.
„Susi ist die Beste", kam es von Lottie. „Allerdings", stimmte ich zu und legte meinen Kopf auf Harrys Schulter ab. „Das war also die berüchtigte Großtante Hilde. Ich verstehe, warum wir ihr aus dem Weg gehen mussten." Ich kicherte, während man von Lottie nur ein genervtes Brummen vernahm. Ich setzte mich wieder auf und sah zu Violetta, die glücklich gegenüber von ihrem Vater zwischen Daisy und Phoebe saß.
„Du hast super reagiert, Prinzessin. Es ist immer richtig, sich für seine Überzeugungen einzusetzen. Und ich finde es toll, dass du Harry und mich verteidigt hast." Harry legte erneut seine Hand auf meinen Oberschenkel und streichelte zärtlich auf und ab. Ich lehnte mich derweil über den Tisch, um Violetta etwas zuflüstern zu können.
„Mal ganz unter uns, die Hilde ist ne doofe Kuh, ich bin froh, dass du ihr deine Meinung gegeigt hast." Dann gab es noch ein high-five, bevor ich mich zurück an Harry lehnte, der sogleich seinen Arm um meine Schultern legte. Ich genoss seine Berührungen, während er fröhlich mit meiner Familie plauderten. Es war so ein schönes Gefühl, dass ihn alle so schnell und so freundlich aufgenommen hatte. Bis auf Großtante Hilde, aber von der wusste eh niemand, wie genau sie jetzt eigentlich mit uns verwandt war.
Dan, der neben Daisy saß, verwickelte Harry in ein Gespräch. Laut dem, was ich hin und wieder hörte, redeten sie über Harrys Bäckerei, doch spätestens als ich die Worte 'steuerliche Vergünstigungen' vernahm, stoppte ich das Lauschen und plauderte lieber wieder mit Phoebe, Violetta und Daisy. Die Zwillinge waren noch immer ganz verrückt nach Harrys Tochter.
Nach dem Essen sprangen Violetta, Daisy und Phoebe auf und fragten, ob sie etwas nach draußen gehen könnten. Harry vertraute seine Tochter den Zwillingen an, da das Restaurant einen schönen Garten hatte, in dem sie etwas spielen konnten.
Kurz darauf ließ sich Tante Susi auf Phoebes freiem Platz nieder und strahlte Harry an. „Du musst Harry sein, der Freund von dem alle reden. Ich bin Susi, Louis Lieblingstante." Ich musste lachen. „Lieblingstante also?" Schockiert sah sie mich an. „Aber natürlich! Oder soll ich Hilde zurückholen?" Sie zwinkerte mir zu und wandte sich dann wieder an meinen Freund. „Also Harry, wie kann ich sicher sein, dass du gut genug für unseren Louis bist?" Meine Tante verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich bedrohlich nach vorne.
Harry schnappte sich unbeeindruckt meine Hand lehnte sich ebenfalls nach vorne. „Eine Sicherheit für so etwas gibt es nicht, aber ich kann dir versichern, dass ich es ernst mit Louis meine und ich ihm niemals absichtlich wehtun würde. Ich mag ihn wirklich. Und zu meinem Glück scheint es, als würde er mich genauso mögen." Er grinste mich mit seinem fesselnden Grübchenlächeln an, bei dem ich gar nicht anders konnte, als zurückzugrinsen. Er drückte mir schnell einen Kuss auf die Wange, bevor er sich wieder zu meiner Tante umdrehte.
„Zu meiner größten Freude versteht er sich auch noch hervorragend mit meiner Tochter." - „Du hast schon eine Tochter? Ich glaube, ich muss mich erst einmal bei Jay beschweren, sie hat einfach Informationen unterschlagen." Sie richtete den Kragen ihrer Bluse, bevor sie weiterredete. „Erzähl mir von deiner Tochter, Harry." Dieser schien über seine Antwort nachdenken zu müssen, denn er streichelte in Ruhe kleine Kreise auf meinen Handrücken, bevor er antwortete.
„Sie heißt Violetta, ist zehn Jahre alt, bald elf. Sie geht zu Louis in die Klasse." - „Also schläfst du mit ihrem Lehrer, damit sie gute Noten kriegt?", fragte sie nicht ganz ernst gemeint. Harry lachte los. „Klar. Deshalb hab ich mir auch gleich den Klassenlehrer ausgesucht, der kann am Ende noch schön alle Noten ausbessern." Das brachte auch meine Tante zum Lachen. „Also Louis, du solltest wirklich aufpassen, dein Freund ist ein Schlingel." Ich kicherte. „Ich werde Acht geben. Aber auf Violettas Noten habe ich keinen Einfluss. Ihre Klausuren habe ich noch nie selbst bewertet. Ich habe sie immer einem Kollegen gegeben. Ich wollte nicht, dass mir jemand Bevormundung vorwerfen kann. Wobei sie das ja gar nicht nötig hat." Harry sah mich überrascht an. „Wirklich?" Ich nickte ernst. „Du hast mich vom ersten Moment an umgehauen. Und wir waren ja ziemlich schnell auf einem guten Weg, ein Paar zu werden." Harry sah mich mit großen Augen an und küsste mich. „Ich bin froh, dass wir endlich eines sind."
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