Kickschuhe
Mittags fuhr Harry mich noch kurz nach Hause, sodass ich mein Fußballzeug zusammensuchen konnte, ebenso wie Dinge die ich morgen brauchen würde, bevor wir dann zum Sportplatz fuhren. Für einen Zuschauer war Harry früh dran, weshalb auch weit und breit niemand anderes zu sehen war, als er sich auf einer der Bänke am Spielfeldrand niederließ. Ich drückte ihm noch einen Abschiedskuss auf die Lippen, bevor ich mit geschulterter Sporttasche in die Mannschaftsumkleide marschierte.
„Hey Tomlinson. Na wie geht's? Fühlst du dich fit genug, um zu spielen?" Paddy begrüßte mich mit einem Handschlag, bevor er seine Kickschuhe zuschnürte. „Ja. Ich hab heute extra gut gefrühstückt. Harry hat mich praktisch gemästet." Paddy nickte beruhigt und ich suchte mir eine freie Stelle in der Umkleide, um mich ebenfalls umzuziehen.
„Hey Louis. Wie geht's?" Martin, der neben mir stand schlüpfte gerade in sein Trikot. „Ganz gut soweit und dir?" Er setzte sich auf die Bank und begann damit, seine Stutzen überzustreifen und seine Kickschuhe anzuziehen. „Auch, danke. Ich bin nur etwas aufgeregt, mein Freund schaut heute zum ersten Mal zu." Ich lachte kurz auf. „Meiner ist heute auch da." Martin musterte mich neugierig. „Der Lockenkopf mit dem kleinen Mädchen?" Ich nickte. „Ja, der Lockenkopf ist meiner. Aber Violetta ist heute nicht dabei." - „Ist das seine Nichte?" Grinsend schüttelte ich den Kopf. „Nein, seine Tochter." Martin stieß überrascht die Luft aus. „Und sie weiß, dass du sein Freund bist? Also dass ihr in einer Beziehung seid?" Ich nickte skeptisch, da Martin einen merkwürdigen Tonfall hatte. „Ja, warum?" - „Wie lange seid ihr schon zusammen?" - „Seit einer Woche." Ich kräuselte meine Stirn und betrachtete Martin misstrauisch. „Aber ihr habt euch doch schon damals geküsst." Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nie richtig. Worauf willst du hinaus?" - „Ich will nur sagen, dass das ja schon ziemlich schnell mit euch geht. Und es ist krass dass er dich schon deiner Tochter vorgestellt hat. Ich meine, du bist Lehrer, verbeamtet, verdienst gut. Vielleicht will er ja nur an dein Geld..." Ich hatte Martin eigentlich immer als netten Zeitgenossen empfunden, aber dass er es wagte, meinem Freund so etwas zu unterstellen, machte mich rasend.
Wütend baute ich mich vor ihm auf. „Wie kannst du es wagen, meinem Freund so etwas zu unterstellen?" - „Ich meine ja nur. Du scheinst ziemlich schnell fremden Menschen zu vertrauen und das, obwohl Eleonor und Tom dich beide hintergangen haben. Man sollte ja eigentlich meinen, du hättest mittlerweile den Glauben in die Menschheit verloren." Empört sah ich ihn an. „Woher weißt du das?" Ich hatte allen nur erzählt, dass Eleonor und ich uns getrennt hatten. „Von Tom." Ich riss meine Augen auf. „Von Tom? Ihr habt noch Kontakt?" Martin nickte ernst. „Natürlich." Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Schnell machte ich bei meinen Kickschuhen einen Knoten in die Schnürsenkel und verließ die Umkleide ohne Martin noch eines Blickes zu würdigen.
Ich stürmte aufs Feld, wo sich schon der Großteil meiner Mannschaft versammelt hatte. Ein paar hüpften durch die Gegend, um sich etwas aufzuwärmen. Ich blickte zu Harry, der uns schon neugierig beobachtete. Ich hob kurz meine Hand, schenkte ihm ein Lächeln und tat es dann den anderen gleich.
Hatte Martin Recht und ich vertraute ihm zu schnell? Aber Harry würde mich doch niemals verletzen, oder? Vielleicht war ich wirklich viel zu naiv für diese Welt...
Paddy begann das Aufwärmtraining. So ganz bei der Sache war ich aber nicht, da Martins Worte mich noch immer etwas durcheinander brachten. Da fiel mir ein, dass ich es war, der plötzlich bei Harry reingeplatzt war und Violetta das 'du' angeboten hatte. Harry schien kein Problem damit zu haben, doch es ging alles von mir aus. Was, wenn er insgeheim gar nicht wollte, dass Violetta in mir etwas anderes als ihren Lehrer sah?
„Louis, Konzentration!", rief Paddy über das Feld. Schnell fokussierte ich mich wieder auf den Staffellauf, den wir zum Aufwärmen veranstalteten.
Pünktlich um fünfzehn Uhr begann dann das Spiel. Es war das letzte Spiel der Saison und wir brauchten mindestens drei Tore, um auf den zweiten Tabellenplatz zu kommen. Die Jungs hatten trotz Unterbesetzung hervorragende Arbeit geleistet. Das Spiel wurde angepfiffen und ich gab mein Bestes, den Ball von unserem Tor fernzuhalten. Die andere Mannschaft war stark, doch wir waren stärker. Immer wieder schielte ich zu Harry, der mich anfeuerte. Trotz des fahlen Beigeschmacks, den meine Gedanken von vorhin hinterlassen hatten, zauberte mir sein Anblick immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht. Das Adrenalin rauschte in meinen Adern, während ich so viele Bälle wie nie abwehrte.
Trotzdem saßen wir alle auf heißen Kohlen. Die Zeit schien endlos und jede neue Minute brachte neue Torchancen. Mittlerweile stand es zwei zu zwei und es gab noch zwei Minuten Spielzeit. Wir bräuchten dringend noch ein Tor, um direkt aufzusteigen. Die gegnerische Mannschaft mobilisierte noch einmal alle Kräfte und stürmte geradewegs auf unser Tor zu. Ein blonder Spieler dribbelte fast schon lehrbuchmäßig an unserem Mittelfeld vorbei, während auch der Rest der Mannschaft in unsere Platzhälfte stürmte. Der blonde Spieler kam immer weiter auf mich zu. Ich zögerte nicht mehr lange blockte ihn ab, schnellte mit meinem Fuß vor, um ihm den Ball abzunehmen. Dann täuschte ich an. Links, rechts, hin und her. Dann rannte ich los. Meine Mannschaftskollegen blockten die Spieler der gegnerischen Mannschaft ab, sodass ich nun genügend Platz hatte, den Ball mit voller Wucht von mir wegzukicken. Ich lief noch ein paar Schritte während ich die Flugbahn des Balls beobachtete. Er flog hoch, definitiv zu hoch.
Ich hielt die Luft an, als er dem gegnerischen Tor immer näher kam. Er zielte nicht direkt aufs Tor sondern eher in die rechte Ecke, in der Sven stand. Dieser sprintete los, sobald der Ball in erreichbare Nähe kam, drückte sich vom Boden ab kam dem Ball entgegen, schleuderte ihn in einem perfekten Kopfball in eine andere Richtung...
„Tor! Tooor!" Paddy rannte aufs Feld, während der Schiri das Spiel abpfiff. „Wir steigen auf!" Wir rannten wie gestört aufeinander zu, jubelten und machten Pogo mitten auf dem Spielfeld. Dann versammelten sich alle in einem Kreis, die Arme über den Schultern, und hüpften aufgeregt herum. Wir hatten es tatsächlich geschafft! Wir würden aufsteigen!
„Gute Arbeit, Louis. Richtig gute Vorlage. Dir ist zu verdanken, dass wir direkt aufsteigen." Sven klopfte meine Schulter, woraufhin ich schnell den Kopf schüttelte. „Nein, ich habe kaum was dazu beigetragen. Ich habe in der ganzen Saison nur eineinhalb Spiele gespielt, das ist ganz allein euer Verdienst. Ohne deinen Kopfball wäre der Schuss verloren gewesen." - „Trotzdem, Spitzenleistungeg, Kumpel. Ich bin froh, dass du wieder dabei bist."
Ich lächelte glücklich. „Bleibst du noch zum Feiern?" Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, mein Freund ist da." - „Dann kann er ja mitfeiern. Du hattest acht Jahre lang keine Chance mehr, mit uns einen Sieg zu betrinken." - „Na gut, ich frag ihn mal. Aber wäre es für die anderen nicht komisch, wenn er dabei ist?" Sven schüttelte den Kopf. „Nein, Mann. Meine Freundin kommt nachher auch noch." Ich zögerte. „Wissen eigentlich alle in der Mannschaft, dass ich... Naja..." - „Dass du jetzt einen Freund hast? Ja, hat sich so rumgesprochen, nachdem du ihn beim letzten Spiel abgeschlabbert hast." Er lachte kurz auf. „Und... Ähm... Also.. Gab es irgendwelche dummen Kommentare? Weil ich hatte in letzter Zeit definitiv genügend Drama. Ich brauche nicht noch mehr." Sven lächelte und schüttelte den Kopf. „Nope, die meisten waren zwar ziemlich überrascht, aber niemand hat irgendwie dumm reagiert. Und wenn, Kumpel, dann bin ich für dich da und box dich da durch." - „Danke Sven, wirklich." Er klopfte mir noch einmal auf die Schulter, dann folgte er dem Rest der Mannschaft in die Umkleide. Ich hingegen machte kehrt und rannte zu Harry, der schon erwartungsvoll am Spielfeldrand stand.
„Na, Hübscher, ganz allein hier?" Harry lachte sein raues tiefes Lachen, was augenblicklich alle Härchen an meinem Körper aufstellen ließ. „Nein, tut mir leid. Ich bin mit meinem wundervollen Freund hier, der gleich anstatt mit mir, mit all seinen Mannschaftskollegen nackt duschen wird." - „Eifersüchtig?", fragte ich mit einem Zwinkern. „Ja, verdammt." Ich kicherte und legte meine Arme um seinen Hals. „Haha, du musst dich nur bis heute Abend gedulden, dann kannst du mich wieder nackt sehen." Ich zog meine Lippen zwischen meine Zähne und knabberte dann leicht an meiner Unterlippe.
„So, werde ich das?", fragte mein Freund mit einem anzüglichen Grinsen. „Ja, absolut." Harry schloss kurz die Augen und grinste noch mehr. „Kannst du bitte ganz schnell duschen, sodass wir unsere nackten Pläne ganz schnell in die Tat umsetzen können?" Ich schüttelte den Kopf und drückte ihm dann einen Kuss auf die Lippen. „Meine Teamkollegen wollen noch ein wenig zusammensitzen und den Sieg feiern."
Harrys Lächeln sah augenblicklich ziemlich verkrampft aus. „Okay, dann war das jetzt wohl mein Stichwort, nach Hause zu gehen." Er hatte schon seine Hände auf meinen Unterarmen, um diese von ihm zu lösen. „Nein, Harry. So war das nicht gemeint. Sie haben gefragt, ob wir beide uns nicht noch etwas dazu setzen wollen. Die meisten kenne ich schon mein Leben lang. Nur die letzten acht Jahre war der Kontakt mehr als dürftig, weswegen sie mich gefragt haben, ich ich nicht wieder mehr Zeit mit ihnen verbringen will."
Harrys Grinsen erreichte wieder seine Augen. Seine Hände strichen meine Arme entlang, über meine Schultern und meine Seiten, bevor sie an meinen Hüften liegen blieben." Ich würde gerne deine Freunde kennenlernen, Schatz. Also, wenn du mich dabei haben willst." - „Natürlich will ich dich dabei haben, du Idiot. Ich will, dass du Teil meines Lebens bist. Voll und ganz." Ich biss mir auf die Lippen, da ich Angst hatte, zu viel gesagt zu haben. Schließlich waren wir erst eine Woche zusammen. „Das freut mich. Ich würde gerne ein fester Teil deines Lebens sein, genauso wie ich hoffe, dass du ein fester Bestandteil von Violettas und meinem Leben bist."
Ich biss mir nervös auf die Lippe, dachte an das Gespräch mit Martin. „Schatz, was ist los?" Ich grübelte ob ich ihm davon erzählen sollte. Doch wenn ich eines gelernt hatte, dann war es, dass man in einer Beziehung immer offen und ehrlich sein sollte. „Findest du, dass es mit uns zu schnell geht? Oder auch mit Violetta... Warst du überhaupt schon dazu bereit, mich so in ihr Leben zu integrieren?"
Harry kräuselte die Stirn. Sein Blick war vollkommen ernst. Er löste meine Hände aus seinem Nacken und hielt mich an beiden Händen fest. „Seit ich dich kennengelernt habe, denke ich an nichts anderes, als daran, wie es wäre, wenn du für Violetta mehr bist als nur ein Freund von mir, oder ihr Lehrer. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, dass sie schon zu sehr an dir hängt. Und ehrlich gesagt wusste ich ja in den Monaten nachdem deine Schwester starb ja auch nicht wirklich was Sache ist. Aber ich habe gehofft, dass du zu mir zurückkehren würdest. Und genauso sehr hoffe ich jetzt, dass du für immer bleibst. Violetta hat dich echt gern und ich dich ja sowieso. Das mit uns ist etwas Besonderes. Aber wenn du das Gefühl hast, dass es zu schnell geht, dann können wir auch etwas Wind aus den Segeln nehmen... "
Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich finde es perfekt, so wie es ist." - „Was hat dich dann zum Zweifeln verleitet?" Ich sah auf meine Kickschuhe, die voller Dreck waren. „Naja, Martin hat mich vorhin drauf angesprochen, dass es seltsam ist, dass ich deiner Tochter schon nach so kurzer Zeit als dein Freund vorgestellt wurde. Ich meine, das mit uns und das mit Violetta hat sich immer richtig und natürlich angefühlt. Aber als er es gesagt hat, konnte ich nicht widersprechen. Wir vertrauen uns schon ziemlich schnell. Zumindest vertraue ich dir schon voll und ganz. Was vielleicht auch dumm ist, wie man ja gesehen hat." Harry löste seine Hände aus meinen, legte sie an meinen Hals und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Du hast es gerade selber gesagt, es fühlt sich natürlich an mit uns. Und ich vertraue dir auch, das beruht definitiv auf Gegenseitigkeit. Schließlich habe ich dir schon häufiger mein Mädchen anvertraut und sie ist für mich das Wertvollste, das es gibt. Lass dir da bitte von niemandem etwas einreden. Weißt du noch? Unsere Regeln, unser Tempo. Wir haben so viel durchgemacht, wir brauchen keine dummen Menschen, die meinen besser zu wissen, wie man unser Leben lebt." Ich schloss meine Augen und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. „Hast ja Recht. Tut mir leid." Damit lehnte ich mich vor und vereinte unsere Lippen zu einem liebevollen Kuss.
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