Hecke
Um halb neun kamen wir am Pub an. Auf dem Weg vom Auto bis zur Kneipe verspürte ich plötzlich den unbändigen Drang eine zu rauchen. Ich hatte aber gar keine Zigaretten dabei. Hatte ich nicht mehr, seit ich offiziell mit Harry zusammen war. Genervt fuhr ich mir durch die Haare. „Was ist los, Schatz?" Ich knabberte an meiner Unterlippe. Eigentlich hatte ich gerade keine Lust darauf, einen Vortrag darüber anzuhören, wie schlecht das Rauchen doch war. Aber Harry hatte nie so etwas gesagt. Er hatte mich erst einmal beim Rauchen erwischt und da war sein enttäuschter Blick schon Strafe genug für mich.
„Ich hatte grade das Bedürfnis, eine zu rauchen." Harry sah mich überrascht an. Niall und Liam bemerkten wohl, dass wir noch darüber reden wollten und gingen schon einmal ohne uns in den Pub hinein. „Ich wusste gar nicht, dass du noch rauchst." Ich zuckte mit den Schultern. „An dem Wochenende, an dem wir zusammengekommen sind, habe ich alle Zigaretten, die ich noch hatte, weggeschmissen. Ich weiß, dass du das nicht magst." Harry kräuselte seine Stirn und sah mich skeptisch an. „Du hast nur wegen mir aufgehört zu rauchen?" Ich zuckte wieder mit den Schultern. „Rauchen ist ja schon scheiße. Und eigentlich dachte ich, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt wäre, damit aufzuhören." - „Also machst du es nicht nur meinetwegen?" - „Ist das schlimm?" Harry schüttelte den Kopf. „Nein, Schatz. Ich fände es schlimm, wenn du es nur wegen mir tun würdest. Du hast Recht, ich finde rauchen nicht gut, aber ich mag dich nun mal so wie du bist. Und wenn du rauchst, dann muss ich das einfach akzeptieren." Er sah trotzdem nicht sonderlich glücklich aus.
„Bitte hilf mir einfach, es durchzuziehen. Ich will nicht mehr rauchen. Für mich. Für dich. Für Violetta." Jetzt breitete sich ein Lächeln in seinem Gesicht aus. „Für Violetta?" Ich nickte. „Vor allem für sie." Harry umfasste mein Gesicht und legte liebevoll seine Lippen auf meine. „Ich hab' dich echt gern, Louis." Ich lächelte ihn glücklich an. „Ich dich auch, Harry."
Dann küsste ich ihn erneut. „Wir sollten langsam mal reingehen, schließlich haben wir sie ja schon lange genug warten lassen." Harry grinste mich an. „Wir können ja auch für einen Quickie zurück ins Auto?", lachte er dann. Ich stieg in sein Lachen ein, schüttelte aber den Kopf. „Warten wir lieber, bis wir wieder daheim sind."
Ich griff nach seiner Hand und verschränkte glücklich unsere Hände. Grinsend zog ich Harry hinter mir her, während ich die Kneipe betrat. Im Schankraum blieb ich stehen, um nach unseren Freunden Ausschau zu halten. Gerade sah ich nach links, zu dem Tisch an dem wir normalerweise saßen, als ich von rechts jemanden meinen Namen rufen hörte. Schnell wandte ich mich der Geräuschursache zu, bereute es jedoch sofort.
Martin, der mir gerade zuwinkte, saß an einem Vierertisch mit seinem Freund und einem weiteren Pärchen, das aber mit dem Rücken zu uns saß. Ich presste meine Lippen zu einem falschen Grinsen zusammen und ging auf sie zu. Noch immer hielt ich Harrys Hand fest umklammert, denn seit dem letzten Zusammentreffen mit Martin war ich nicht mehr sonderlich gut auf ihn zu sprechen.
„Hey Martin, hallo Leon", begrüßte ich das Paar auf dem Weg zu ihrem Tisch. Auch Harry begrüßte sie höflich. Als ich am Tisch ankam, sah ich auch endlich, wer das andere Paar war.
Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Schnell drückte ich Harrys Hand noch fester, nach Halt suchend. Ich spürte seinen fragenden Blick auf mir, während ich den beiden Personen ins Gesicht sah, die ich am Meisten hasste.
„Hallo Louis." Ich schluckte und versuchte die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. „Hey Lou", grüßte mich jetzt auch der weibliche Teil des Duos. Starr wie eine Statue stand ich mit weit aufgerissenen Augen da und betrachtete die Personen vor mir. Ich presste meine Lippen aufeinander und atmete schwer, während ich spürte, wie sich Schweißperlen auf meiner Stirn bildeten. „Wie geht es dir?", fragte sie.
Ich spürte, wie mein Magen rebellierte und sich das Gefühl von Übelkeit verstärkte. Schnell presste ich meine Faust auf meinen Mund, um gegen das Gefühl anzukämpfen. Dann ließ ich Harrys Hand los und rannte so schnell ich konnte wieder zur Tür hinaus.
Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig zu einer Hecke, bevor ich mich übergeben musste. Kraftlos stützte ich mich mit meinen Händen auf meinen Knien ab, während ich alles was ich heute gegessen hatte vor mir in die Hecke kotzte.
Es dauerte nicht lange, da spürte ich eine warme Hand auf meinem Rücken. Ich brauchte mich gar nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Harry war. Nur er hatte so eine beruhigende Wirkung auf mich.
Ich kauerte noch ein paar Minuten über der Hecke, bis ich mir sicher war, dass nichts mehr kam. Dann drehte ich mich um und sah Harry beschämt an. Schließlich hatte er mir die letzten Minuten dabei zugesehen und zugehört, wie ich mich erbrochen hatte.
Mein Freund ließ sich allerdings nichts anmerken und streichelte mir liebevoll mit beiden Händen über das Gesicht. „Schatz..." Sein Blick wandte sich von liebevoll zu fragend. „Das waren die beiden, oder?"
Ich nickte langsam mit geschlossenen Augen und ließ mich dann auf den Boden sinken. Ich hatte einfach keine Kraft mehr zu stehen. „Ich habe noch eine Flasche Wasser im Auto. Warte hier, ich hole sie dir kurz."
Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Dann stand er auf und ging davon. Ich zog meine Beine an und umklammerte sie mit meinen Armen. Meine Stirn legte ich auf meinen Knien ab und versuchte dann ruhig zu atmen. Einatmen. Ausatmen.
Es vergingen nur wenige Sekunden, da hörte ich, wie sich jemand zu mir setzte.
„Lou..." Ich hob meinen Kopf, straffte meine Schultern und sah sie böse an. „Nenn mich nicht so. Es gibt nur zwei Menschen, die mich so nennen dürfen und zu denen gehörst du definitiv nicht!"
Sie zog ihre Augenbrauen zusammen und sah mich überrascht an. „Was machst du hier, Eleonor? Musst du nicht wieder zu Tom zurück? Er vermisst dich sicher schon." Ich war überrascht, wie bestimmt und kalt meine Stimme doch klang.
„Lou.. Louis..." Sie biss sich auf die Lippe. „Hör zu, mir tut es leid, wie es damals gelaufen ist..." Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich darauf, ruhig zu atmen. So viel Dummheit in nur einem Satz machte mich gerade unglaublich aggressiv.
Es gab nichts, was ihr leidtun sollte. Schließlich war es damals ihre bewusste Entscheidung, mit meinem besten Freund zu schlafen, während sie noch mit mir zusammen war.
Ich öffnete meine Augen wieder. „Was genau tut dir Leid?" Ich musste es von ihr hören. Hören, wie sie aussprach, was mich damals zerstört hatte.
Sie zögerte etwas. Ich löste derweil meinen Blick von ihr und bemerkte, dass Harry ein Stück von uns entfernt wartete. Er hatte eine Wasserflasche in der Hand und sah ziemlich hilflos aus.
Ich schenkte ihm ein gequältes Lächeln, was er erwiderte. Er deutete mit seine Hand auf den Boden, was ich als Zeichen verstand, dass er dort auf mich warten würde. Ich nickte ihm leicht zu und wandte mich dann wieder zu Eleonor. „Es tut mir Leid, dass ich dich betrogen habe. Ich weiß es ist falsch. Und ich habe dich wirklich geliebt, das musst du mir glauben."
Sie hörte sich ziemlich verzweifelt an. Doch ihre Worte waren einfach nur Floskeln, die man in jedem 08/15 Kinofilm zu hören bekam.
„Und du denkst, dass dadurch wieder alles gut ist?" Schnell schüttelte sie den Kopf. Mir fiel auf, dass sie sich äußerlich ziemlich verändert hatte.
Sie trug ihre Haare, die ich als lange Locken in Erinnerung hatte, jetzt in einer schicken Kurzhaarfrisur. Außerdem trug sie ein normales T-Shirt und zerrissene Jeans. Als sie noch mit mir zusammen war, hätte sie sich in einem solchen Aufzug nicht vor die Tür getraut.
„Nein, natürlich nicht. Was wir getan haben war scheiße. Es tut mir leid, dass ich dir nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich hätte das mit uns direkt beenden sollen, als ich gemerkt habe, dass ich Gefühle für Tom habe."
Nach der Trennung hatte ich oft darüber nachgedacht, ob es für Eleonor und Tom nur um den Sex ging. Ich hatte mir ausgemalt, dass ich am Boden zerstört wäre, sollte ich herausfinden, dass da Gefühle im Spiel waren.
Umso überraschter war ich, dass ich jetzt nichts spürte. Absolut gar nichts. Das erwartete Ziehen in der Brust blieb aus und auch die Übelkeit fehlte. Letzteres konnte vielleicht auch daran liegen, dass ich mir erst kurz zuvor die Seele aus dem Leib gekotzt hatte.
„Du hast Recht, wir hätten das schon viel früher beenden sollen." Ich dachte an die vielen Momente, in denen ich ihr einen Antrag machen wollte und die Idee gleich darauf wieder verwarf. Mir hätte damals schon klar sein sollen, dass Eleonor für mich nicht der Partner fürs Leben war.
Ein paar Minuten sagte keiner von uns etwas. Ich beobachtete die Leute, die den Pub betraten und auch die, die ihn wieder verließen. Beobachtete, wie sie gerade hinein liefen und andere dafür schwankend herauskamen. Und das schon um diese Uhrzeit. Ich seufzte und sah dann wieder zu Eleonor.
„Wie lange ging das schon mit euch?" Eleonor sah mich skeptisch an. „Willst du das wirklich wissen?" Ich nickte ernst. „Seit... Also das erste Mal ist es passiert, als du letzten Sommer mit deinen Freunden auf dem Festival warst. Es war Nacht und ich habe Geräusche in der Wohnung gehört und da hab ich Tom angerufen, weil ich Angst hatte. Als er dann kam, haben wir zusammen eine Flasche Wein getrunken." Ich starrte sie ungläubig an. Eleonor hatte doch Alkohol verabscheut?
„Irgendwann hat er mir dann Sachen gesagt. Sachen, die mir den Kopf verdreht haben. Irgendwie kam dann eins zum andern und wir sind im Bett gelandet. Ich hatte solche Schuldgefühle danach, das musst du mir glauben." Natürlich konnte ich ihr das nicht glauben. Auch wenn sie betrunken war, es war noch lange keine Ausrede für Untreue. In meinen Augen gab es auch nichts, was Untreue entschuldigen könnte.
„Mehr als einen Monat haben wir uns gar nicht mehr gesehen. Erinnerst du dich? Du hast dich den ganzen September lang alleine mit Tom getroffen. Ich wollte ihn nie wieder sehen, denn mir hat die Beziehung zu dir zu viel bedeutet. Ich habe aber gemerkt, wie sehr ich ihn vermisst habe. Ende September haben wir uns dann wieder getroffen. Ohne dich."
Ich atmete tief durch. Ihre Worte machten mir zu schaffen, auch wenn der Schmerz ausblieb. Mein Hirn verarbeitete die Informationen wie einen mathematischen Beweis. Es verarbeitete das Gehörte als wäre es eine einfache Aneinanderreihung von Buchstaben und Wörtern. Dabei steckte zwischen den Zeilen der ganze Schmerz, den ich noch vor einem halben Jahr gefühlt hatte. Tief verborgen. Nicht mehr sichtbar. Nicht mehr da.
„Wir waren doch die ganze Zeit zusammen? Wie konntet ihr euch da treffen?" Eleonor kräuselte zerknirscht ihre Stirn. „Immer wenn du Fußballtraining hattest."
Ich sagte nichts mehr. Beobachtete weiter die Leute. Versuchte herauszufinden, was dieses Gespräch in mir bewirkte. Doch selbst der Hass auf Eleonor und Tom war mittlerweile gedämpft.
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Louis und Eleonor haben sich also etwas ausgesprochen. Wie findet ihr Eleonor?
Und wie findet ihr Harrys Zurückhaltung?
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