Darling
Perrie und ich hatten verstanden, was er uns sagen wollte. Dennoch wünschte ich, ich hätte nie etwas so grausames zu Ohren bekommen.
Zayn saß da, die Beine wieder angezogen und mit einer Hand umklammert, während die andere noch immer Halt bei Perrie suchte.
Er sah uns beide eingeschüchtert an. „Wollt ihr denn nicht endlich wegrennen?"
Schnell schüttelte ich den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Perrie es mir gleichtat.
„Warum sollten wir das tun? Wir haben dir doch gesagt, dass wir für dich da sind, egal was du uns erzählst."
Perrie drehte ihren Kopf zu mir und sah mich fragend an. „Was machen wir denn jetzt?" Ehrlich gesagt, war ich genauso überfordert, wie sie auch.
„Gar... Gar nichts. Wir machen gar nichts."
Schockiert starrten wir beide Zayn an.
Er hatte uns gerade gestanden, dass er von seinem Stiefvater vergewaltigt wurde, als er fast noch ein Kind war und er wollte jetzt gar nichts tun?
„Wir müssen ihn anzeigen", brachte ich hervor. Ein Monster wie er sollte nicht frei auf diesem Planeten umherlaufen dürfen. Er gehörte hinter Gittern.
„Nein." Zayn schüttelte seinen Kopf. So schnell, dass es fast schon als ein Zittern durchgehen könnte und so lange, als könnte er all seine Erinnerungen dadurch abwerfen.
„Doch, Zayn", stimmte Perrie mir zu.
„Nein, ich kann nicht."
„Warum kannst du nicht?"
„Weil es dann Aussage gegen Aussage stehen würde und mein Vater auf jeden Fall zu Richard hält. Und ich habe keine Beweise."
„Scheiße."
„Aber die müssen dir doch Recht geben. Jeder Psychologe der Welt würde bestätigen, dass das nicht frei erfunden ist."
„Aber selbst wenn, das allein reicht eben nicht aus."
„Wir müssen ihn doch aber anzeigen?", versuchte Perrie es erneut.
Ich war ganz Perries Meinung. Diesem furchtbaren Menschen musste der Prozess gemacht werden!
„Leute...Ich habe es euch erzählt... Es war das erste Mal, dass ich es irgendwem erzählt habe..." Er seufzte und fuhr sich durch die Haare.
„Aber ich kann das nicht noch einmal. Ich will es endlich hinter mir lassen."
„Was willst du dann jetzt tun?" Perrie wirkt noch immer sehr bestürzt.
„Abhauen."
„Aber das ist deine Vernissage? Du kannst doch nicht einfach verschwinden?"
Zayn vergrub sein Gesicht in einer Hand. „Ich kann nicht hierbleiben, während er hier ist. Und die Vernissage ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Alles was ich wollte war, dass Perrie stolz auf mich ist."
Perrie neben mir gab ein erfreutes Quiken von sich und errötete. „Ich bin stolz auf dich, Zayn. So sehr! Diese Ausstellung ist der Wahnsinn. Ich bin ehrlich beeindruckt von deinem Talent."
Zayn blickte auf und sah zu Perrie. Auch auf seinen Wangen konnte man einen leichten Rotschimmer erkennen.
Um den intimen Moment der beiden nicht zu stören, blickte ich nach unten und krazte verlegen an meiner Schuhsohle herum.
„Hauen wir ab." Zayns Stimme klang im Gegensatz zu der letzten halben Stunde wieder kräftig und bestimmt. „Ich muss von hier weg. Muss von diesem Monster weg."
Ich blickte wieder auf, sah dass Perrie nickte und imitierte diese Geste. „Wusstest du eigentlich, dass dein Vater kommen würde?"
Zayn schüttelte mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf. „Nein, wusste ich nicht. Ich schätze meine Mutter hat ihn benachrichtigt, weil sie mir eine Freude machen wollte. Oder er hat es online gelesen. Kann sein, dass er so verfolgt, was ich mache. Wir haben kaum mehr Kontakt."
Es war absolut nachvollziehbar, dass er sich von seinem Vater distanziert hatte, wo dieser noch immer mit seinem Peiniger verheiratet war.
„Also weißt du auch nicht, wie lange er bleibt, oder?" Zayn schüttelte den Kopf.
„Soll ich mal hochgehen und die Lage checken? Ich könnte ein paar Worte mit deinem Vater wechseln und rausfinden, wie lange sie bleiben."
Perrie lächelte mich an und Zayn nickte. „Gut, habt ihr eure Handys dabei? Lasst niemanden rein, ich rufe an, wenn ich zurückkomme."
Nachdem ich von beiden Zustimmung erhalten hatte, stand ich mit knackenden Knochen auf und ging zur Tür. Ich presste mein Ohr dagegen, um herauszufinden, ob sich jemand davor aufhielt. Als ich nichts hörte, schloss ich die Tür auf. Perrie war direkt hinter mir, sie würde wohl wieder abschließen. Dann schlüpfte ich durch die Tür hinaus in die Eingangshalle. Es war niemand zu sehen, also sprintete ich die breite Treppe wieder nach oben zu dem Saal, in dem sich Zayns Ausstellung befand.
Als ich den Raum betrat sah ich, wie zwei Männer am anderen Ende ein Bild betrachteten. Sie standen mit dem Rücken zu mir gekehrt, trotzdem wusste ich sofort wer das war. Die Schmalzlocke würde sogar ein Blinder erkennen.
Noch immer unbemerkt von den beiden Männern zückte ich mein Handy und schrieb eine SMS.
Richard und Yaser sind in der Ausstellung. Ich lenke sie ab, dann könnt ihr flüchten.
Dann tippte ich mich noch durch ein paar Apps, steckte mein Telefon zurück in meine Hosentasche und zog die Tür hinter mir zu. Der Knall, der zuschlagenden Türe echote durch den ganzen Raum, sodass die beiden Zielpersonen ihre Köpfe nach mir umdrehten. Schnellen Schrittes ging ich auf sie zu, da ich sie so weit wie möglich vom Ausgang entfernt haben wollte. Jeder einzelne Schritt hallte durch den weitläufigen Raum und verlieh dem ganzen eine Dramatik, die James Bond würdig gewesen wäre.
„Louis? Bist du das?", fragte Yaser als ich näher trat. Schmalzlocke sagte nichts, sondern musterte mich nur neugierig. Ich nickte und grinste Yaser verschmitzt an. Er sah noch genau gleich aus wie damals, doch ein paar Kleinigkeiten waren anders. Die kleinen Fältchen um seine Augen herum waren neu, genau wie die grauen Strähnen in seiner sonst so dunklen Haarpracht. Außerdem wirkte seine Haltung ganz anders als ich es in Erinnerung hatte. Er wirkte viel gelassener.
„Hallo Yaser.. Lange nicht gesehen." Yaser war immer freundlich zu mir gewesen, dennoch konnte ich nicht verhindern, dass meine Stimme kalt wie Eis war.
„Wow, wie lange ist das jetzt her? Sechzehn Jahre?" Er wirkte ehrlich erfreut darüber, mich zu sehen. Ich nickte. „Bleibst du eine Weile im Lande?" - „Allerdings. Mein Mann und ich bleiben die nächsten drei Wochen hier. Apropos, darf ich euch bekannt machen? Louis, das ist mein Mann Richard. Darling, das ist Louis, ein Sandkastenfreund von Zayn."
Dann sah Yaser mich interessiert an. „Ich freue mich sehr, dass ihr beiden noch befreundet seid", verkündete er mit warmer, herzlicher Stimme. Ich spannte meinen Körper an. Das war einfach nur grotesk, wie er hier besorgt und liebevoll mir gegenüber stand, wo er doch die Tatsache ignoriert hatte, dass sein Sohn ein ganzes Jahr lang in seinem eigenen Bett missbraucht wurde. Mir schnürte sich die Kehle zusammen.
Ich hustete ein paar Mal gegen meine Faust, bevor ich antwortete. „Wir wohnen mittlerweile zusammen." Jetzt sah Yaser überrascht aus. „Tatsächlich? Zayn hat da mal etwas von einem Mädchen in deinem Leben erzählt, aber dass ihr beide jetzt... Ich wusste gar nicht, dass ihr zwei schwul seid." Was? „Ähm, Zayn und ich sind kein Paar." Ich verzog mein Gesicht bei dem Gedanken an Zayn als meinen Freund. „Oh, Verzeihung. Das klang eben so." Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, wir haben nur zusammen eine WG. Er ist definitiv nicht schwul." Verwundert hob er seine Augenbraue. „Aber du?" - „Wie?" - „Du hast gesagt, dass Zayn nicht schwul sei. Du aber schon?" - „Ähm, nein, nicht schwul. Aber mit einem Mann zusammen." Wieso war ich denn jetzt plötzlich das Gesprächsthema?
Ich sah zu Richard und zog meine Stirn in Falten. Wie vorhin schon verschaffte mir sein Auftreten auch jetzt den Eindruck, dass er ein arrogantes Arschloch war. Mit Zayns Erzählungen noch brühwarm im Hinterkopf konnte ich gerade nichts als blanken Hass für meinen Gegenüber empfinden. „Kennen Sie Zayn persönlich, Richard?" Ich lächelte gekünstelt. Vielleicht konnte ich diese Situation hier ja sogar noch zu Zayns Gunsten wenden.
Wallstreetheini verzog seine Mundwinkel zu einem unscheinbaren aber dreckigen Grinsen, was mich augenblicklich rasend machte. Was fiel ihm ein, sich an diesen Erinnerungen zu ergötzen. Dieses Schwein!
Ich presste meine Zähne aufeinander und atmete schwer, um meine Wut in den Griff zu bekommen. „Allerdings. Er hat mal ein Jahr bei Yaser und mir gewohnt." Seine Hände hatte er lässig in den Taschen seines teuer aussehenden Anzuges vergraben. „Oh, dann kennen Sie ihn ja tatsächlich ziemlich gut." - „Das stimmt. Ich glaube Richard hat meinen Sohn in dem Jahr häufiger gesehen als ich."
Ich musterte Yaser, der einen amüsierten Blick zu Tage trug. „Dann können Sie gut mit Kindern, Richard?" Das angedeutete Lächeln in Richards Gesicht intensiviert sich und wurde zu einem Grinsen, das keinen Zweifel daran ließ, an was er gerade dachte.
Ich wünschte, ich hätte eine Kettensäge hier, damit ich diesem Monster die Eier abschneiden könnte!
„Ich denke schon. Wir hatten ein sehr inniges Verhältnis." - „Ja, Zayn hat sogar bei ihm im Bett geschlafen, wenn ich nachts arbeiten musste."
Ich schloss für ein paar Sekunden meine Augen, um mich zu sammeln. „Und wie kann es sein, dass Zayn Nacht für Nacht darum gebettet hat, dass du zu Hause bleibst, wenn die beiden sich doch so gut verstanden haben?"
Zayns Vater schien sichtlich irritiert über meine Aussage. Ein großes Fragezeichen erschien auf seinem Gesicht. Unsicher blickte er zu seinem Mann. „Er hatte Heimweh, nicht wahr, Darling?" Yaser wirkte verunsichert und blickte zu Richard, als würde er ihm gleich die Erklärung für alles liefern. Doch dieser nickte nur und sah mich von oben herab an.
„Es hatte also keine anderen Gründe, Richard? Zayn wollte also jeden Abend bei dir im Bett schlafen?", fragte ich herausfordernd.
„Natürlich." Er reckte sein Kinn und schien sich in keinster Weise angegriffen zu fühlen. Ich jedoch klapperte innerlich all die Flüche und Schimpfwörter ab, die ich ihm jetzt gerne an den Kopf werfen würde.
„Dann wollte er also, dass du dich an ihm reibst? Du ihm näher kommst, als ein Erwachsener einem Kind nahe kommen sollte?" Ich starrte Richard in Grund und Boden, doch ich bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Yaser seine Augen aufriss.
„Was hat das zu bedeuten?", fragte er etwas verstört.
Ich ignorierte ihn und sah weiterhin Richard an, der immer noch schien, als würde ihn kein Wässerchen trüben können.
Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Dann wanderte mein Blick doch zu Yaser, der noch immer etwas überfordert schien.
„Yaser, ich hatte dich in meiner Kindheit echt gern, doch jetzt muss ich sagen, dass du ein ignorantes Arschloch bist. Hast du eigentlich nicht gemerkt, wie dein Sohn in der Zeit bei dir gelitten hat? Und das nicht wegen Heimweh!"
Er schüttelte den Kopf. Sein Blick verriet nichts als Sorge und Zuneigung zu seinem Sohn.
„Yaser, frag deinen Mann doch bitte, was nachts in eurem Bett passiert ist, wenn du nicht zu Hause warst." Ich versuchte meine Stimme so emotionslos wie möglich klingen zu lassen.
„Richard?" Schon hieß er also nicht mehr 'Darling'. „Erzähl es mir!" - „Was soll ich dir erzählen, Babe?"
Yaser, der bisher mir zugewandt stand, drehte sich zu seinem Gatten um und drückte ihm den Zeigefinger fordernd auf die Brust.
„Du erzählst mir jetzt auf der Stelle, was Du mit meinem Sohn gemacht hast!" Yaser sah so wütend aus, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er gleich aus den Ohren gedämpft hätte.
„Zayn hat bei mir übernachtet, weil er Heimweh hatte, das habe ich dir doch schon tausend Mal erklärt."
Er sah noch immer unbeeindruckt aus. Der Hass in mir stieg gerade auf ein Level, das mir bisher noch nicht bekannt war, dabei hatte ich mit Hass schon viele Erfahrungen. Schließlich wurde ich von meiner langjährigen Freundin betrogen. Mit meinem besten Freund.
„Dann gibt man jetzt also Blowjobs, um Heimweh zu bekämpfen?" Für den Bruchteil einer Sekunde sah er ertappt aus, bevor er wieder seine arrogante Maske auflegte.
„Das sind schwerwiegende Anschuldigungen, die du da von dir gibst, junger Mann." Ich wusste genau, was er mit dieser Anrede bezwecken wollte. Doch er konnte mich nicht degradieren und einschüchtern.
„Also bestreitest du, dass ein unschuldiger 14-jähriger Junge dir ungewollt Blowjobs geben musste?"
Yaser, dessen Zeigefinger noch immer auf Richards Brust ruhte, war mittlerweile aschfahl. „Richard. Sag mir die Wahrheit. Hast du meinen Sohn zu solchen Handlungen gezwungen?" Yaser ließ die Hand fallen und sah einfach nur verständnislos und unendlich bestürzt aus.
„Was ist denn schon dabei? Dann hat dein Kleiner mir ein paar Blowjobs gegeben, was soll's?"
Yaser vergrub sein Gesicht in beiden Händen, bevor er verzweifelt seinen Blick zu mir wandte. „Hat Zayn dir noch mehr erzählt? Hat er noch mehr getan?", fragte er mit brüchiger Stimme.
Ich nickte vorsichtig. Yaser kniff die Augen zusammen. Ein paar Tränen rollten über seine Wange. Dann, vollkommen aus dem nichts holte er aus und verpasste seinem Ehemann einen Kinnhaken der Extraklasse.
Richard taumelte ein paar Schritte zurück und hielt sich seine blutende Nase. „Bist du jetzt verrückt geworden?", schrie er Yaser an. „Wer ist hier verrückt? Du bist doch hier das kranke Schwein! Los, gib es zu. Ich muss es hören. Hast du meinen Jungen vergewaltigt?"
Richard lachte, als wären bei ihm ein paar Sicherungen durchgebrannt. „Ohja, das habe ich! So oft habe ich diesen Jungen gefickt. Seinen Mund, seinen Hintern. Und wie er jedes Mal dabei geschrien hat..."
Yaser würde rot vor Zorn und ging auf seinen Gegenüber los. Er schlug so lange auf ihn ein, bis Richard blutend am Boden lag.
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