Besuch
Am nächsten Morgen wurde ich von sanften Küssen auf Gesicht und Schultern geweckt. Noch mit geschlossenen Augen lächelte ich und ertastete meinen Freund. Ich legte ihm die Hände an die Wangen und strich sanft mit meinen Daumen darüber, die Augen noch immer geschlossen. Harry stoppte sein Tun, woraufhin ich etwas enttäuscht eine Schnute zog, weil ich seine Berührungen vermisste.
„Guten Morgen, Schatz", sagte Harry dann mit seiner tiefen Morgenstimme. Ich befeuchtete meine Lippen und schluckte. Konnte ich bitte jeden Morgen so geweckt werden?
„Guten Morgen, Hazza." Ich blinzelte ein paar Mal und öffnete dann langsam meine Augen. Sofort wurde ich von strahlend grünen Augen gefesselt. Ich strich mit meinem Daumen wieder über seine Wange, drückte mich etwas hoch und gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. Mein Freund lächelte und strahlte noch mehr. „Wollen wir frühstücken?" Noch immer lächelnd nickte ich, obwohl ich überhaupt keinen Hunger hatte. Ich wollte einfach nur bei ihm sein.
Harry krabbelte aus dem Bett und hielt mir eine Hand hin. Ich kniff noch einmal meine Augen zusammen, dann erhob ich mich stöhnend. Nach einem kurzen Abstecher ins Bad folgte ich meinem Freund hinunter ins Esszimmer. Überrascht betrachtete ich den gedeckten Tisch. Es stand ein Korb mit duftenden Brezeln und Brötchen auf dem Tisch, es gab Rührei, Früchte, Aufstrich, alles was das Herz begehrte.
„Wow, Harry. Wann hast du das alles gemacht? Wie lange habe ich bitte geschlafen?" Er kicherte leicht und zog mir einen Stuhl zurück, auf dem ich mich dann niederließ. „Das ist unglaublich. Du bist unglaublich."
Harry setzte sich mir gegenüber. Über den Tisch hinweg griff ich nach seiner Hand. „Danke, Hazza." Er lächelte mich liebevoll an, was die Schmetterlinge in meinem Bauch aufweckte und meine Mundwinkel nach oben zucken ließ. Ich hatte verdammtes Glück, Harry zu haben! Er war so viel mehr wert als jeder Lottogewinn.
Wir frühstückten in Ruhe, nur das leise Trällern des Radios war im Hintergrund zu hören. Immer wieder bemerkte ich Harrys besorgten Blick auf mir, aber der war gar nicht nötig. Ich frühstückte so viel wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Es war, als müsste ich die Kalorien für die ganzen letzten drei Monate nachträglich zu mir nehmen.
Und diese warmen Brötchen waren ja auch unwiderstehlich! Es hatte schon seine Vorteile, wenn man einen Bäcker zum Freund hatte.
Nach dem Frühstück half ich Harry dabei, den Tisch abzuräumen. Versuchte es jedenfalls. Denn als ich mit den zwei Tellern und den Kaffeetassen darauf in der einen und dem Brotkorb in der anderen Hand zurück in die Küche lief, stolperte ich über meine eigenen Füße, fing mich aber schnell wieder. Die Tassen aber, die lose auf den Tellern gestanden hatten, flogen in hohem Bogen durch die Küche. Ich konnte nur noch mit offenem Mund zusehen, wie sie auf Harrys Zehen landeten.
Harry gab ein paar Schmerzenslaute von sich, bevor er seinen verletzten Fuß mit beiden Händen umschloss und auf einem Bein zurück ins Esszimmer hüpfte. Schnell stellte ich Teller und Brotkorb auf der Ablage ab und folgte ihm.
„Fuck, Harry, es tut mir so leid." Harry ließ sich auf einem Stuhl nieder und betrachtete seine blutenden Zehen. „Scheiße, verdammt", stammelte ich und holte eine Rolle Küchenpapier, von der ich gleich ein Stück abriss und grob das Blut von seinem verletzten Fuß abwischte. „Wo habt ihr Verbandszeug?" Harry rieb sich mit einer Hand übers Gesicht. „Im Schlafzimmer. In meinem Nachtschränkchen." Schnell rannte ich zur Tür hinaus und sprintete die Treppen nach oben.
An seinem Nachtschränkchen angekommen, zog ich sofort die oberste Schublade auf. Als ich den Inhalt erkannte stockte ich und knabberte an meiner Unterlippe. Vorsichtig griff ich nach den Gegenständen. Harry hatte wirklich ein spaßiges Wochenende für uns geplant gehabt...
Ich legte die noch verschlossene Kondompackung und Gleitgeltube wieder zurück in die Schublade und versuchte mein Glück bei der Schublade darunter. Tatsächlich fand ich hier, was ich suchte. Schnell schnappte ich alles, was ich benötigte und rannte wieder nach unten. Als ich gerade auf der Treppe war klingelte es an der Haustür.
„Schatz, kannst du bitte aufmachen? Das ist bestimmt Niall, der wollte noch eine DVD zurückbringen." Ich sah an mir herunter, noch immer waren Boxershorts alles, was ich am Körper trug. Trotzdem ging ich zur Haustür und riss diese in Erwartung meines Kollegen komplett auf.
Als ich sah, dass es nicht Niall war, wollte ich die Tür am liebsten wieder zuschmeißen. „Guten Tag. Wer sind denn Sie?" Das gleiche könnte ich die Dame auch fragen. Sie war ungefähr Mitte fünfzig, genau wie der Mann, der neben ihr stand. Ihre Haare waren dünn und braun, was aber offensichtlich gefärbt war. Sie sah mich abschätzig an, während der Mann an ihrer Seite einfach nur überrascht aus der Wäsche schaute. „Ich bin Louis und Sie sind?", fragte ich mit gestrafften Schultern in demselben spöttischen Tonfall wie sie. Die Dame musterte meinen Aufzug, bevor sie ihre Augen wieder an mein Gesicht heftet und mir scharf antwortete. „Wir sind Violettas Großeltern." Damit drückte sie sich an mir vorbei und ging in den Flur. „Harry?" Nach seiner Antwort stürmte sie in das Esszimmer, ich hinter ihr her. Das Geräusch der zufallenden Haustüre sagte mir, dass auch der Mann und nun folgte.
„Hallo Gerlinde", hörte ich Harrys genervte Stimme, bevor ich selber ins Esszimmer platzte und mich neben Harry stellte.
„Harry, was macht dieser Mann halbnackt in diesem Haus? Das ist kein Umgang für Violetta!" Harry sah die Frau, die sich nun vor ihm aufgebaut hatte, schockiert an. Dann sah er zu mir und streichelte einmal liebevoll über meinen Unterarm. Ich kniete mich neben ihn auf den Boden und begann seine Wunden abzutupfen. Es hatte mittlerweile aufgehört zu bluten. Harry legte seine Hand an meine Schulter und wandte sich wieder der wütenden Frau zu.
„Wie kannst du es wagen, Louis zu unterstellen, er wäre kein guter Umgang für Vio?" - „Das Mädchen heißt Violetta! Sie ist doch keine Flasche Wasser! Wo ist sie eigentlich?" - „Ich nenne meine Tochter, wie ich es will, da hast du mir gar nichts zu sagen! Und sie ist gerade bei Arianna." - „Bei diesen Italienern? Ich habe dir doch schon tausend Mal gesagt, dass das kein guter Umgang für unser Mädchen ist. Ich bestehe darauf, dass du augenblicklich diesen Mann aus dem Haus wirfst und deine Tochter herbringst. Das kann so nicht weitergehen." - „Du... was?" Er lachte höhnisch auf und strich sich mit einer Hand übers Gesicht.
Ich hatte gerade ein Pflaster um Harrys großen Zeh geklebt, als diese Frau mir feindliche Blicke zuwarf. Aus großen Augen sah ich meinen Freund fragend an, der sofort seine Hand an meinen Hals legte und mir mit dem Daumen beruhigend über die Wange strich.
„Du hast gar kein Recht, auf irgendetwas zu bestehen. Ich möchte, dass ihr augenblicklich mein Haus verlasst und meinen Freund in Ruhe lasst. Wer ein guter Umgang für meine Tochter ist, entscheide immer noch ich." Harrys Stimme war eiskalt, so hatte ich ihn noch nie erlebt. Er stand auf und deutete entschieden zur Tür. Ich stellte mich versetzt hinter ihn. „Ihr kennt den Weg. Schönen Tag noch."
Wie ein kleines Kind stapfte Harrys Schwiegermutter auf den Boden und machte dann wütend kehrt. Ihr Mann folgte ihr wie ein Schoßhund. Nachdem wir das Knallen der Haustür hörten, drehte Harry sich zu mir um, legte seine Hände an meine Hüfte und zog mich sanft zu sich.
„Schatz, es tut mir so leid. Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dass ihr euch nie kennenlernen würdet. Oder erst viel später. Otto und Gerlinde haben mich nie leiden können. Mia war ja schon seit dem Sandkasten meine beste Freundin, da haben die zwei praktisch alles aus meinem Leben mitgekriegt. Auch, dass mein erster Freund eben männlich war. Ab dem Zeitpunkt haben sie mich verabscheut. Aber noch viel mehr, als zwischen Mia und mir dann mehr lief als nur Freundschaft. Oh und ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich ihre minderjährige Tochter geschwängert habe."
„Deine Schwiegereltern haben dich also die ganze Zeit gehasst?" Ich schlang meine Hände um seinen Hals und drückte mich an ihn. „Nicht die ganze Zeit. Nach Violettas Geburt waren sie fast schon nett zu mir. Und sie waren dann sogar richtig glücklich über die Hochzeit. Ich dachte damals echt, es könnte nur noch bergauf gehen." - „Also habt ihr erst geheiratet, als Violetta schon auf der Welt war?"
Harry nickte und drückte mir einen Kuss auf die Nasenspitze. " - „Ich war gerade achtzehn, Mia sogar erst siebzehn, als Vio auf die Welt kam. Sie war nicht so ganz geplant, aber trotzdem das Beste, was mir je passiert ist. Kurz nach der Geburt habe ich Mia dann gefragt, ob sie meine Frau werden möchte. Sie war ja schon immer meine beste Freundin, ich wusste, dass das mit uns ewig halten würde. Und wir hatten ein gemeinsames Kind. Sie hat 'Ja' gesagt und zwei Jahre später haben wir dann geheiratet. Das war auch der einzige Abend, an dem meine Mutter und Gerlinde an einem Tisch saßen. Die beiden konnten sich noch nie ausstehen. Meine Mutter fand Gerlinde viel zu verklemmt und Gerlinde fand meine Mutter viel zu lasch." Ich musste lachen, als ich mir Anne und Gerlinde an einem Tisch vorstellte.
„Sie haben aufgehört, mich für alles zu kritisieren, vor allem weil sie Violetta vergöttern. Ja und dann bekam Mia Krebs und ich war plötzlich an allem Schuld. Sie haben mir ständig vorgeworfen, ich würde mich nicht richtig um sie kümmern. Ich bin mir sicher, dass sie mir insgeheim auch die Schuld an ihrem Tod geben."
„Das tut mir leid. Wie können sie nur so ein schlechtes Bild von dir haben? Für mich bist du nämlich ein Engel." Harry, der bis jetzt ziemlich schuldbewusst ausgesehen hatte, zog seine Mundwinkel nach oben und lächelte mich liebevoll an. „Ich bin kein Engel." Ich knabberte an meiner Unterlippe. „Stimmt, Engel haben kein Gleitgel und keine Kondome im Nachtschränkchen."
Harry strich sich mit dem Ballen einer Hand über die Augen und lachte leise. „Du hast es also gesehen? Ich habe die ehrlich gesagt schon letzte Woche gekauft, wollte gewappnet sein." Ich befeuchtete meine Lippen mit meiner Zunge. „Schon letzte Woche?" Harry sah aus, als hätte man ihn dabei erwischt, wie er den letzten Lolly gestohlen hatte. „Zu meiner Verteidigung: Du machst mich so an, ich konnte an nichts anderes mehr denken..."
Seine Hände führen von meinem unteren Rücken hinab zu meinem Hintern, wo er sogleich beherzt zupackte. Mir entfuhr ein leises Stöhnen, bevor ich wieder an meiner Unterlippe knabberte. „Das geht mir mit dir nicht anders, Engel." Harry lachte kurz auf und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Was machen wir heute, Schatz?" - „Es könnte sein, dass ich zum Fußballspiel muss, wenn wir nicht genügend Spieler haben. Toni schreibt mir nachher noch. Ansonsten bin ich bei allem dabei, was dir in den Sinn kommt." Harry leckte sich über die Lippen und grinste mich schief an.
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