
✘ Kindesangst ✘
Hinter Jeff schoben sich Steine zur Seite und das Wasser hörte auf aus dem Gemäuer zu fließen. Langsam wandte er sich um. Sanfte Lichtstrahlen berührten die Kletterpflanzen an den Wänden. Aus den Knospen des Gewächses sprossen Blütenblätter, die dem Raum eine gewisse Atmosphäre vermittelten. Seiner Freundin hätte es hier gefallen. Sie liebte Blumen und alte Gemäuer dieser Art.
Vorsichtig ging er gebückt aus dem Raum und sah sich den langen Gang an. Es war irrelevant in welche Richtung er ging, er sah auf beiden Seiten kein Ende. Die Steine schloss sich wieder zu einer Mauer und es sah aus, als wäre dort nie ein Durchgang gewesen.
Erst als Jeff einige Meter gegangen war, fiel ihm auf, dass an den Wänden sich Türen gegenüberstanden. Nach und nach traten Ärzte aus den Räumen und bestraften Jeff mit bösen Blicken. Allesamt trugen sie einen Kittel und eine Brille. Sie sahen dadurch gleich aus und dem Psychologen von Steve ziemlich ähnlich. Verwirrt blieb Jeff bei diesem Anblick stehen und wandte sich reflexartig um, denn er fühlte sich keineswegs angesprochen durch die düsteren Blicke. Was hatte er ihnen angetan, dass sie sauer auf ihn waren? Waren sie sauer wegen Steve? Jeff schüttelte sich diese Gedanken aus dem Kopf, woraufhin er wagte einen Schritt weiter zu gehen. Nacheinander erloschen die Lichter der Räume, die Ärzte zerfielen zu Staub.
Wie ein Wind zog die Asche von dannen während die Türen sich schlossen und verblassten.
Unter ihm knirschte der Boden. Unter ihm knirschte der Boden wie zerbrochenes Glas. Sein Blick fiel auf seine Füße und das Meer voller Glassplitter breitete sich über den gesamten Flur aus. Wie eine Welle brausten die Splitter den Gang entlang, bis nichts mehr vom Boden zu sehen war. Im Glas tauchte ein schreiendes Gesicht auf. Sein Gesicht.
Pure Blässe malte sich auf Jeffs Gesicht, während er versuchte weiter zu gehen, doch jeder einzelne Glassplitter durchdrang seine Haut und hinterließen brennende, rote Spuren. Er musste weiterlaufen, um nicht immer tiefer im Scherbenmeer zu versinken. Ein Klicken verursachte eine Reaktion der Wände, die sich sofort aufeinander zubewegten. Schweißperlen überdeckten Jeffs Stirn, während er schneller den Flur entlanglief. Dieser wurde immer enger und Jeff versank immer tiefer. Die Scherben kratzten an seinen Händen, seinem Bauch und zogen ihn weiter in die Tiefe des Flusses, bis sich mit einem Mal der Raum um 180° drehte.
Mit dem Rücken voran fiel er der Decke entgegen und sah dem Tod ins Gesicht. Die vielen Glassplitter waren nur wenige Millimeter von seinen Augen entfernt. Gnadenlos funkelten sie still und unbehaglich im Lichtschimmer. Jeff schloss seine Augen, wobei er sich ständig in den Arm kniff.
Wach verdammt nochmal auf! Wach auf!
Jeffs Körper prallte auf den Holzboden auf, wobei er seine Augen vor Schreck aufriss. Die Glassplitter flogen viel zu schnell auf ihn zu. Er wollte soeben seine Hand schützend über sein Gesicht legen, da schloss sich über Jeff ein Deckel und es wurde dunkel. Über ihn prasselten die Scherben wie bei starken Regen gegen das Holz.
„Na, Jeff? Wie ist's so im Sarg? Erzähl doch mal", sagte eines der Kinder lachend.
„Fühlt sich's gut an?", spottete das nächste.
„Wie lange er es wohl noch aushalten wird?", lachte ein anderes.
Erst jetzt begriff er, was sich abspielte. Das war ein Geschehnis aus seiner Kindheit. Der Grund, warum er vor engen und dunklen Räumen Angst hatte und der Grund warum er sich seine Haare weiß gefärbt hatte.
„Lasst mich raus!", schrie Jeff instinktiv, wobei er wie wild gegen den Sarg hämmerte.
„Rotschöpfe soll's gar nicht geben!", rief eines der Kinder.
Das Lachen übertönte fast den Satz, den das andere Kind sagte. „Hexen wurden damals verbrannt, das weißt du doch, oder Jeff?"
„Jeff ist eine Hexe!", spotteten sie plötzlich alle im Chor. „Verbrennen! Verbrennen!"
Die Kinder begannen auf den Sargdeckel zu trommeln unter den Jeff nur schwer atmen konnte. Seine Arme fühlten sich schwach und taub an.
Eine einzige Schweißperle rann ihm an der Schläfe hinab, wobei er laut und deutlich sein Blut in den Ohren pochen hörte. Das Gelächter der Kinder war viel zu laut, um Jeffs verzweifelten Schreie hören zu können.
Im Sarg breitete sich ein weißer Rauch aus. Er versuchte ein letztes Mal mit gegen den Sarg zu treten, jedoch konnte sich Jeff kein Stück bewegen. Ein letzter Schrei erstickte in der Wolke, so wie seine Lunge, die ihm höllisch brannte. Dumpfes Gelächter drang noch durch sein Trommelfell, während die Gegend für ihn verblasste. Es wurde schwarz.
In seinen nochgeöffneten Augen erkannte man, wie viel Angst er erleiden musste, doch sieschienen genauso leblos zu sein, wie sein restlicher Körper, der sich nun im raucherfülltenSarg entspannte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro