Initium
"Es war einmal vor langer, langer Zeit eine wunderschöne Prinzessin. Sie lebte gemeinsam mit ihrem Vater, dem König, in einem prunkvollen Schloss. Doch der König war grausam zu seiner Tochter. Er sperrte sie im Schloss ein und verbot ihr jemals nach draußen zu gehen. Als die Prinzessin wissen wollte wieso der König so voller Hass war, wurde ihr Vater noch böser und ließ sie nicht einmal mehr aus ihrem Zimmer. Die schöne Prinzessin hatte niemals Freunde und war sehr einsam. Sie wünschte sich nichts mehr als das Gras zu spüren und die Sonne zu sehen. Sie hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, da kam eines Tages ein junger Mann an ihrem Fenster vorbei. Er gestand der Prinzessin dass er sie gesehen und sich in sie verliebt hatte. Der Mann war stark und talentiert und er schaffte es, seine Geliebte aus dem Schloss zu retten. Als der böse König sah, wie groß die Liebe zwischen seiner Tochter und dem jungen Mann war, taute auch sein Herz wieder auf und er erlaubte den beiden letztendlich frei zu sein. Sie heirateten und lebten voller Glück und Freude bis ans Ende ihrer Tage. Ende der Geschichte."
Die kunstvoll bedruckten Seiten des Buches entlockten den Kinderaugen ein helles Strahlen, welches auch nach dem Ende der Geschichte nicht verblasste. Eine Frau strich ihrer jüngsten Tochter behutsam eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, woraufhin diese voll mit kindlichem Leichtsinn lächelte und ihre Augen schloss. Mit dem cyanfarbenem Buch unter dem Arm erhob die Mutter sich und bewegte sich möglichst leise aus dem Raum. Ein letztes Mal fuhr sie herum um den Anblick der vier friedlich schlafenden Kleinen zu genießen, die in diesem Moment noch voller Unschuld und ganz ohne Sorge waren. Dieser kurze, perfekte Augenblick so voller Liebe und Ruhe. Hätte Mary Jane gewusst, dass es der Letzte sein würde, wäre sie vielleicht etwas länger geblieben um die Lieblingsgeschichte ihrer Tochter noch einmal vorzulesen. Noch einmal das Glänzen in den kindlichen Augen zu sehen, wie sie sich in der Vorstellung einer utopischen Fantasiewelt verloren. Doch dazu kam es nicht. Und so verließ sie die Schlafstätte ihrer Sprösslinge. Sie würde nie wieder einen Fuß in diese setzen.
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"Die Kehle war durchschnitten, ihr Gesicht stark verstümmelt und ihr Brustkorb sowie ihr Unterleib aufgeschnitten, zudem waren einige innere Organe entfernt worden. Der Zustand der Leiche erinnert stark an den der im November 1888 verstorbenen Mary Jane Kelly, die dem bis heute unbekannten Serienmörder, der sich selbst als "Jack the Ripper" bezeichnet, zum Opfer fiel. Der zuständige Ermittler, Assistant Commissioner Augustus Dove, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass es sich bei dieser Serie von Morden um einen oder mehrere Nachahmungstäter handeln könnte. Er rät der Bevölkerung von ganz Londons zur äußersten Vorsicht insbesondere Nachts........... dieser verdammte Bastard!!!" Ein nun offensichtlich stark gereizter Mann schlug die Zeitung vor sich auf dem Tisch auf und schnaubte. Sein zuvor noch konzentriert wirkendes Gesicht schien jetzt von einem tiefen Schatten durchzogen zu sein, seine dunklen Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen.
"Beruhige dich, Edward. Er ist es nicht wert." Die fast mütterliche Stimme einer Frau, welche sich nun dem erzürnten Mann näherte und ihm ihre Hand auf die Schulter legte. Dies schien ihn etwas zu beruhigen. Ein weiterer - dem Ersten gegenübersitzender - Mann mit beinahe leuchtend hellblauen Augen meldete sich kopfschüttelnd zu Wort. "Schön wär's, Angel. Dieser Typ steckt seine Nase etwas zu tief für meinen Geschmack in unsere Angelegenheiten. Das Letzte was wir brauchen können ist ein nerviger Polizist, der nach Dingen gräbt, die ihn nichts angehen." Die angespannte Stimmung wurde durch das fröhliche Summen einer Dame, die ganz in elegantem Rot gekleidet war, unterbrochen. Sie tänzelte zu den anderen Dreien und lehnte sich an einen der Stühle: "Oh, Brüderchen... ihr ärgert euch doch etwa nicht wieder über diesen Commissioner, oder? All die Aufregung tut euch nicht gut." Mit sorgenvoller Mimik streckte sie ihre behandschuhte Hand nach dem Gesicht des Blauäugigen - einem Mann namens Base - aus und streichelte ihm sanft über die Wange. "Assistant Commissioner, Schwesterherz. Und natürlich tun wir das. Wenn das so weiter geht wird er uns nicht nur zunehmend gefährlich sondern zerstört auch noch unsere hochwürdevolle Arbeit." Edward beendete seinen Satz mit einer theatralischen Handgeste. Das Summen verstummte schlagartig und eine drückende Ruhe breitete sich im Zimmer aus. Einige Sekunden lang wagten die Vier nicht länger einander anzusehen. Dann durchbrach Angelina, die Zweitälteste der Geschwister und eine stattliche Frau mit rabenschwarzem Haar, die Stille. Sie griff nach der nun zerfledderten Zeitung: "Reißt euch zusammen. Wir sind die verfluchten Reds. Wir sind eine Familie. Und wir werden auch diesen Mann aufhalten. So wie wir es immer getan haben, wenn sich uns Jemand in den Weg stellt."Damit warf sie sie in die lodernden Flammen des Kamins und sah zu wie das Papier zu brennen begann, sich quälend langsam zusammenzog und sich schlussendlich zu Asche wandelte. Ihr Blick wandte sich wieder den anderen Dreien zu und ein sanftes Lächeln umspielte nun ihre Lippen. "Und jetzt raus mit euch, meine Patienten erwarten mich".
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"Nach Ihnen, Miss Red", flötete Base als er die Tür des gut besuchten Pubs für seine jüngere Schwester aufhielt und grinsend seine Hand nach ihrer ausstreckte. "Wie gütig von Ihnen, Mister Red." Die braunhaarige Schönheit ergriff die seine und lächelte voll Vorfreude beim Anblick der Szene vor ihr. Das Geschwisterpaar bahnte sich seinen Weg durch die trinkfreudigen Menschen Whitechapels. In der hinteren Mitte des Etablissements befand sich ein großer, runder Tisch umgeben von Menschen mit neugierigen Augen. Mit einem wissenden Blick und einem leichten Nicken verabschiedeten sich Kelly und Base Red wortlos, hier trennten sich ihre Wege. Während der Ältere erneut in der Menge verschwand um an der Bar seine eigenen, perfiden Ziele zu verfolgen, näherte sich die Jüngere besagtem Tisch. Ihr Blut geriet in Wallung beim Anblick der Männer, die fokussiert auf die Karten in ihren Händen starrten. Sie alle blickten verwundert hoch als die junge Frau sich mit einem grüßenden "Gentlemen...", neben ihnen niederließ und herausfordernd in die Runde lächelte. Diese Verwunderung wurde zu Schock und Faszination als sie eine stolze Summe Geld in die Mitte des Tisches schob. Kurz war es als würde sie die Stimme ihrer Schwester im Ohr hören wie sie sie mahnte vorischtiger zu sein, da sich diese "Spielereien" sonst schnell zu einer Sucht entwickeln könnten - doch Kelly verdrehte bloß die Augen. Was war schon dabei? Die Reds waren schon lange keine guten Menschen mehr...wenn sie das überhaupt je gewesen waren. Eine Spielsucht zu entwickeln wäre bei weitem nicht das Schlimmste, dass ihr je passiert war. Sie hob den Blick um ihren Rivalen in die Augen zu sehen und genoss was sie darin erkennen konnte. Wie jedes Mal war da ein Hauch von Zweifel, der ganz klar vom männlichen Übermut besiegt wurde. Wie jedes Mal wurde sie unterschätzt. Nach und nach begannen die Herren ebenfalls mehrere Geldscheine zu den ihren zu legen. Nur ein Einziger schien zu zögern. Auch diese Art von Mann war ihr bestens bekannt. Sie hatten meist weniger finanziellen Wohlstand als andere Spieler, konnten aber nur schwer widerstehen. Und sie brauchten nur die richtige Motivation um doch nachzugeben. Kellys Lippen formten sich zu einem verführerischen Lächeln und sie lehnte ihren Oberkörper etwas weiter nach vorne, wodurch der Ausschnitt ihres blutroten Kleides ein Stück weiter herab rutschte. Das allein schien auszureichen, der unsichere Mann zog eine Schmuckschatulle aus seiner Tasche und platzierte sie inmitten des Geldes. Nun lagen alle Augen auf ihm. Er senkte den Blick, räusperte sich und sagte dann mit zittriger Stimme: "Ein Geschenk für meine Frau. Ohrringe aus Gold und Rubinen...wahre Unikate, Einzelanfertigung.", und fügte dann überzeugt hinzu: "aber ich werde die nächste Runde bestimmt gewinnen."
Er wusste, dass dies nicht der Fall sein würde, als Kelly mit einem schelmischen Grinsen ihre Karten als Letzte auf dem Tisch offenlegte und das Licht aus den Augen der Männer weichen sah. Ein Phänomen welches sie, wie auch ihre Geschwister, für ihr Leben gerne erblickten. Wenn auch meist in einem ganz anderem Zusammenhang...
Sie seufzte. Wem machte sie eigentlich etwas vor? Sie war schon längst eine Süchtige.
Das Einführungskapitel ist hiermit zu Ende.
Um mögliche Verwirrung aufzuklären: Es handelt sich bei diesem Buch um ein "Rewrite". Tatsächlich wurden Teile dieser Geschichte schon einmal hier auf Wattpad veröffentlicht, jedoch war ich weder mit dem Schreibstil noch der Grundstruktur der 1. Version zufrieden, weswegen ich mich dazu entschieden habe alles komplett zu überarbeiten und Teile der Story abzuändern beziehungsweise komplett zu löschen, da sie teilweise sehr sinnbefreit waren.
Folgendes wurde zwar bereits in der Beschreibung erwähnt, jedoch will ich es noch etwas genauer ausführen:
Dieses Buch basiert auf einem schon lange vergangenem Old- London- RPG, welches vor einigen Jahren durch zwei Wattpad- User, deren Accounts mittlerweile mitsamt all ihrer Werke gelöscht wurden, erschaffen wurde. Es handelte sich dabei um ein sehr großes & aktives RPG, dass sowohl für mich selbst als auch einige andere Teilnehmer mehrere Jahre lang einen relevanten Teil unserer Leben ausmachte und wie eine Art "2. Welt" diente, in der man dem Alltag entkommen konnte. Durch dieses RPG entstanden sogar Freundschaften und Beziehungen - es ist also nur gerecht für mich nun dieses Buch all Jenen zu widmen, die Teil dieser 2. Welt waren.
Der Sinn dieses Werks- abgesehen vom Ausleben meiner Kreativität- soll zum Einen die Möglichkeit sein, vergessene Erinnerungen noch einmal aufblühen zu lassen und zum Anderen: mich für eben diese zu bedanken.
Ich hoffe dass die folgende Geschichte sowohl neuen als auch alten Lesern gefällt und freue mich über jegliches Feedback.
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