XL
× 1 Day ×
«Sir, ist es nicht sinnvoller, den Killer zu verhören und herauszufinden, warum er das getan hat? Schließlich erfahren Sie so auch, ob der Tod Ihrer Tochter gewollt war. Vielleicht hilft Ihnen das, Frieden zu finden.» Ich hoffte so sehr darauf, McCloud umstimmen zu können.
Haze hatte ich bereits halbwegs auf meiner Seite. Jedoch beharrte sie darauf, Aya ebenfalls zu verhören. Sie hing an der Vermutung fest, dass meine Teampartnerin ebenfalls an den Morden beteiligt war.
Gestern, als ich es beiden verraten hatte, musste ich darum kämpfen, dass McCloud nicht gleich meinen Nachbarn aufsuchte und erschoss. Er war schon halb aus dem Büro gewesen, als auch Haze Einspruch erhob. Dank ihr würde Ryou einen Tag länger leben. Oder vielleicht auch Wochen, wenn nicht sogar Monate. Träumen durfte man immer.
Und um ganz ehrlich zu sein, wollte ich ihm selbst nochmals gegenüber stehen. Ich wollte ihm Fragen stellen und herausfinden, was in seinem Kopf vorging oder immer noch vorgeht. Ich wollte es einfach verstehen.
Aya hatte mir gerade geschrieben, dass sie in den nächsten Stunden nach Hause ginge. Sie wollte schon heute Nachmittag, aber der Arzt bot ihr an, einige weitere Tests bezüglich der Schwangerschaft zu machen und sie hatte ihm geschildert, dass sie eine Abtreibung in Erwägung zog.
Dementsprechend hatte sich ihre Entlassung etwas nach hinten geschoben. «Wäre es Ihre Tochter, würden Sie mich verstehen können, Mister Hellding.» Ich nickte, aber das gab ihm doch nicht das Recht, einen Menschen ohne Zustimmung vom Staat, zu töten.
Das würde ihn doch auch zu einem Mörder machen. «Aber, wenn Sie ihn jetzt töten, hintergehen Sie den Staat und dessen Vorgaben. Es darf nur geschossen werden, wenn ein Beamter sich bedroht fühlt oder sich in einer lebensgefährlichen Lage befindet.»
Der Mann vor mir sah kurz zu Haze und diese nickte ihm zu. Dieses Nicken muss ihn wohl umgestimmt haben, denn seufzend senkte er seinen Blick und er rieb sich seine Stirn.
«Ich verstehe. Sie haben recht. Ich bitte um Entschuldigung.» Erleichterung machte sich in mir breit und ließ meine Fingerspitzen kribbeln. Zum Glück. Sanft lächelnd atmete ich laut aus.
«Dann nehmen wir ihn morgen fest und beginnen mit dem Verhör. Dasselbe bei Evans. Sie befindet sich noch immer im Krankenhaus, nicht?» Ich nickte und schwang mir meinen Mantel über meine Schultern.
«Heute Abend, also in knappen zwei Stunden, kann sie nach Hause. Ich komme gleich wieder, ich hol nur kurz meine Tasche aus meinem Büro», meinte ich und verließ Hazes Office.
An Ayas Tisch vorbeilaufend konnte ich nicht anders. Ich hinterfragte die Aussage meiner Freundin. Was, wenn sie wirklich seine Komplizin war? Hazes Beobachtungen und Aussagen schienen mir logisch.
Aber Ayas Augen, sie konnten nicht lügen. Aya würde nie lügen, sie war ein viel zu herzensguter Mensch. Warum sonst wollte sie Ryou retten? Sie möchte verstehen, warum er zum Mörder wurde.
Oder Haze und McCloud haben recht und sie spielt mir das alles nur vor, um ihren Partner in Crime vor dem Tod zu retten. Schließlich ist er der Vater ihres Kindes, und vielleicht war das mit dem Abtreiben eine Lüge, die sie mir aufgetischt hatte.
Meine Tasche lag angenehm auf meiner Schulter und mir entfloh ein lauter Seufzer, als ich zurück zu Hazes Büro schlenderte. Ich wollte mich verabschieden, aber ich stoppte wenige Meter vor der Tür, die mich von ihnen trennte.
Ich konnte ihre Stimmen laut und klar hören. Jedoch schien es mir so, als hätten sie meine eher schweren Schritte nicht wahrgenommen, denn ich war mir sicher, dass das, was sie besprachen, nicht für meine Ohren gedacht war.
«Ich weiß nicht. Helldings Worte ergeben Sinn. Es wäre definitiv klüger, den Killer lebend zu fassen.» Ich schloss meine Augen, um ihre Stimmen noch besser zu hören. Ohne das Vermögen zu sehen, nimmt man die Geräusche der Umgebung genauer war.
«Hör zu. Es kann nichts passieren. Dieser Fall wird von mir vertuscht. Ich schreibe einen falschen Rapport und sage, dass der Killer aus Angst vor der Strafe gewalttätig geworden ist und eine Gefahr für Beamte wurde, weshalb man ihn erschießen musste. Evans wird festgenommen und befragt. Sie kann uns alles sagen, was wir hören wollen. Sie weiß mehr als genug.»
Sie hintergingen mich. Was sollte ich tun? Ich durfte die beiden nicht wissen lassen, dass ich sie gehört hatte. «Wir umzingeln sein Haus und geben das Feuer frei. Doch zuerst gehen wir sicher, dass er zu Hause ist, anschließend überwältigen wir ihn. Wir lassen ihn in eine Falle tappen. So wie er es bei meiner Tochter getan hat.» Ich schluckte.
Das durfte keineswegs passieren. Das ist weder moralisch in Ordnung noch zugelassen. «Wann?» Ich wagte es, näher an die Tür zu rücken und ich wusste, dass ich hier Ayas Hilfe brauchte. Oder sollte ich es einfach zulassen?
Schließlich stand es mir nicht zu, meine Vorgesetzten in ihre Schranken zu weisen. Sie durften machen, was sie wollten und um ehrlich zu sein, war der Tod nichts Schlimmes. Aya selbst hatte mir gesagt, dass Ryou nur noch auf den Tod wartete. Ich hielt ihn so doch nur von seinem Wunsch fern.
«Heute Abend. Also in den nächsten zwei Stunden. Informiere alle darüber.» Ich hörte Haze seufzen und merkte, dass McCloud die Tür aufmachen wollte. Schnell, viel zu schnell für meine Verhältnisse, verließ ich die Polizeistation.
Ahnungslos, was ich mit diesen Informationen tun sollte, stand ich am Ausgang und meine Augen blieben an einem Auto, das vor mir geparkt hatte, hängen. Ich musste zu Aya. Und zwar dringend.
...
Sie ging nicht ans Handy. Was zum Teufel sollte ich tun? Warum ging sie nicht an ihr Handy? Oder stopp. Wahrscheinlich war sie mit dem Arzt beschäftigt. Ja, das musste es sein.
Auf direktem Weg zum Krankenhaus versuchte ich mir zu erklären, warum McCloud und Haze mir und vor allem Ryou das antaten. Erstens haben sie mir ins Gesicht gelogen und zweitens missachteten sie unzählige Gesetze.
Nicht zu vergessen macht sie das nicht besser als Ryou selbst. Sie planten, jemanden zu töten, als wären sie selbst skrupellose Mörder. Na ja. Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen, aber hier war das definitiv das Richtige.
Die Polizei ist dafür verantwortlich, dass die Rate der Gewalt laufend sinkt. Da sollte man nicht noch brutaler handeln. Aber ich war mir im Klaren, dass ich dies Haze und vor allem McCloud nicht mehr verdeutlichen konnte.
Und so falsch, wie es mir auch scheinen mag, müssen wir Ryou retten. Wir werden eine Lösung finden. Irgendeine. Bitte. Einfach eine, die alle glücklich macht. Alle und vor allem Ryou. Denn er will das alles doch gar nicht mehr. So hat es Aya gesagt.
Sie wird wahrscheinlich diejenige sein, die unter der endgültigen Lösung am meisten leiden wird. Aber ich weiß, dass sie es überleben wird. Ich werde für sie da sein und ihr helfen. Auch wenn sie sich aus irgendeinem Grund dazu entscheidet, das Baby zu behalten. Dann erst recht.
Ich schob die Tür zum Krankenhaus langsam auf und ich war mir sicher, dass Aya wusste, was zu tun ist. Wer, wenn nicht sie?
Ich wusste, auf welcher Etage sie sich befand und nahm die Treppen, denn vor den Aufzügen wartete eine ganze Gruppe, um nach oben zu fahren. Mein Herz raste. Jedoch wusste ich nicht, ob es an den Treppen oder an der ganzen Situation lag. Wahrscheinlich Letzteres.
Ich schaute kurz auf mein Display und sah, dass es schon sehr spät war. Ich wusste nicht, wann McCloud plante, Ryous Haus zu stürmen. Also blieb mir so gut wie keine Zeit. Es war kurz nach sieben. Draußen dämmerte es bereits wieder.
Als ich vor Ayas Zimmer anhielt, fiel mir die Kinnlade runter und mein Herz begann noch schneller zu schlagen. Die Tür war offen und ihr Bett leer. «Sir? Suchen Sie Miss Evans?» Ich wandte mich zu der rauen Stimme und erblickte einen etwas älteren Arzt.
Nickend ließ ich mein Handy in meiner Jackentasche versinken. «Sie meinte, sie sei noch länger hier, um eine mögliche Abtreibung zu besprechen.» Der Mann vor mir runzelte seine Stirn.
«Sie hat nicht erwähnt, dass sie über eine Abtreibung nachdenkt. Sie ist erst vor Kurzem gegangen und schien es ziemlich eilig gehabt zu haben.» Mir wurde bewusst, wo sie war und mein Herz sank mir in meine Hose. Nein.
Tja... Ich schweige einfach mal.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro