VIII
× 30 Days ×
Nervös strich ich mir meine Bluse glatt und blieb dann stehen. Der Vorgarten sah schon mal ganz normal aus. Die Blumen waren gepflegt und die Büsche geschnitten. Bis jetzt war dieser Ort noch okay. Warum ich auf ihren Garten achtete? Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil ich mir beinahe in die Hose machte und es kaum wagte einen weiteren Schritt zu gehen. Natürlich war ich mir im Klaren, dass der Garten einer Person mir nicht verraten würde, ob diese ein Kind entführt hatte oder nicht.
Erst, als ich Kian nah bei mir spürte, entspannte ich mich etwas und sah zu ihm auf. Auch er musterte den Garten, aber wahrscheinlich eher, weil er sich ein Gesamtbild ihres Hauses machen wollte. Alles schien an seinem Platz zu sein. Sauber und gepflegt. Warum würde so eine Frau ein Kind mit sich nehmen? Aber erneut: Kann man das anhand des Hauses werten? Eher nicht.
«Was ist der Plan?», kam es von mir und die eisblauen Augen meines Partners trafen auf meine. «Wir könnten so tun als wären wir Pfadfind-» Ich stoppte ihn gleich. Das meinte er doch nicht ernst, oder? Mein Blick verriet, was ich dachte, und er begann zu grinsen. «Warum lässt du mich immer alles planen? Du bist Teil des Teams. Schlag du was vor.» Touché. Ich ließ ihn immer entscheiden, aber nur, weil ich nicht daran schuld sein wollte, wenn etwas schiefgehen würde.
Wenn er es darauf ankommen lassen will, dass wir scheitern könnten, dann bitte. «Wir müssen herausfinden, ob sie Amelie hat. Das heißt, es wäre am besten, wenn wir irgendeine Story mit einem Kind bringen. So könnten wir vielleicht eine Reaktion ihrerseits hervorlocken und so wissen, wie sie zu vermissten Kindern steht.» Beeindruckt sah er mich an und ein roter Schimmer wanderte auf meine Wangen. «Okay, von jetzt an entscheidest du unsere Pläne. Darauf wäre ich nie gekommen.»
Kian nahm mir meine Notizen, die ich unter meinen Arm geklemmt hatte, weg und verstaute sie ihn seinem Rucksack, in dem auch sein Laptop war. «Ich wäre ohne Scheiß einfach hingegangen und hätte irgendeine Scheiße gelabert.» Ich war mir nicht sicher, ob er das ernst meinte, denn er schien doch so gerissen und schlau. Aber anscheinend meinte er es ernst. Jedenfalls hoffte es mein Ego. «Ich habe mit dem Gedanken gespielt, verletzt zu spielen und dich irgendwie da reinzuschmuggeln, damit du allein die Hütte untersuchen kannst.» Das wäre auch keine schlechte Idee, aber definitiv eine riskantere. Was würde passieren, wenn sie mich dabei erwischt? Da war mein Plan schon sicherer. Wenn das auch das erste Mal der Fall ist.
Wir wagten uns näher ans Haus heran. Bis jetzt standen wir etwas abseits, denn sonst wäre es sehr verdächtig gewesen, hätten wir vor ihrem Haus miteinander diskutiert. «Also Folgendes», atmete ich aus, als ich mich nochmals zu Kian umdrehte. Dieser hatte seinen Blick auf Hüfthöhe gerichtet und schien sich ertappt zu fühlen. Wo hatte er denn hingesehen? «Wir waren spazieren und seit heute Morgen geht es mir immer wieder sehr schlecht. Ich muss mich die ganze Zeit übergeben und werde es gleich nochmals tun müssen. Wir fragen, ob ich mich kurz bei ihr erholen kann, weil ihr Haus am nächsten ist. Du beobachtest ihr Verhalten. Wir erwähnen, dass ich vielleicht schwanger bin, und dann achtest du darauf, wie sie reagiert. Du kannst ja auch noch irgendwie einbauen, dass von einem Verwandten das Kind verschwunden ist. Schau genau, wie sie reagiert und sich verhält.» Ich hoffte, Kian konnte mir folgen, denn er war die ganze Zeit regungslos geblieben.
Seine Augen klebten beinahe an meinen, als ich in meinen Worten stoppte und realisierte, was ich hier gerade vorschlug. Wir würden ein Paar spielen. Mir wurde ganz heiß, als ich daran dachte, aber ich musste professionell bleiben. Hier ging es um Amelie und nicht um meine Wenigkeit, die so dreist war und daran dachte, wie es wohl sein würde, wäre das, was wir gleich vorspielen, echt. Das Essen gestern mit Kian war wirklich genial. Wir haben viel gelacht und gegessen. Er hat eine sehr eigenartige Wirkung auf mich. Ich habe das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Ich kann es nicht beschreiben. Es ist, als würde ich langsam in eine Trance verfallen und ehrlich gesagt, hoffe ich, dass ich nicht mehr aus ihr fallen würde. Das kommt alles so plötzlich. Ich kann es nicht kontrollieren.
Natürlich erinnere ich mich noch daran, was ich an unserem ersten Tag gesagt und festgestellt habe. Wir waren Arbeitskollegen und auch, wenn mir ganz warm wird und ich ein Kribbeln spüre, während ich mit ihm arbeiten durfte, sollte das meine Karriere nicht beeinflussen. «Und wenn sie sich auffällig benimmt, geben wir unsere Recherchen an Haze weiter. So, wie sie es von uns verlangt hat. Sie und ihr Team können dann das Haus untersuchen und Hoffmann festnehmen.» Er hatte es auf den Punkt gebracht und weil ich nicht wusste, wie ich mich nach meinem vorherigen Gedankenzug verhalten soll, hielt ich ihm meine Faust hin. Zuerst beäugte er sie misstrauisch, begann dann aber zu lächeln und schlug mit einem verspielten Blick ein.
Okay, das wird schon funktionieren. Ich muss nur krank spielen, das konnte nicht so schwer sein. Schließlich hatte ich das zu 80% während meiner Schulzeit getan. Wir näherten uns Hoffmanns Haustür und nur wenige Schritte vor ihr nahm Kian meine Hand in seine.
Es musste glaubwürdig rüberkommen, weshalb er mich näher an sich heranzog und ich nutzte die Gelegenheit mich an ihn zu lehnen. Ein sanfter Geruch von Kokosnuss stieg mir in die Nase. Nicht sehr schwach, aber auch nicht zu stark. Der erste Typ, der nicht nach Minze mit Zigarettenrauch roch. Respekt. Das machte mir mein Schauspiel viel einfacher. Kian klingelte und es holperte hinter der Tür. Man hörte eine andere Türe zuknallen und ich wusste, dass sie uns durch ihr Guckloch beäugte. Wer würde das nicht tun, wenn jemand Fremdes an der Tür steht?
Aber genau, weil ich wusste, sie würde uns zuerst unter die Lupe nehmen, lehnte ich mich stärker an meinen Teampartner und seufzte laut auf. Er ging darauf ein, fast schon, als würde er sich wirklich Sorgen um mich machen, aber schnell erinnerte er sich daran, dass das nicht echt war. «Was kann ich für Sie tun?» Die Tür ging einen winzigen Spalt auf. «Ich-» Ich seufzte laut aus und sah hoch in Kians Gesicht, der seine Stirn in Falten gelegt hatte. Er sah wirklich so aus, als würde er sich gewaltige Sorgen um mich machen. «Mir ist richtig übel und wir haben gerade einen Spaziergang gemacht. Ihr Haus war am nächsten.» Ihre, mit einer Brille bedeckten, Augen musterten mich intensiv. So als würde sie mir nicht trauen.
Ich wollte ihr entgegensehen, aber Kians Hand legte sich um meine Wange und er zwang mich dazu wieder in seine Augen zusehen. Das war wahrscheinlich besser, denn vielleicht hätte ich mich mit einem Blick in ihre Augen verraten. Die Dame sah unheimlich aus. Vielleicht hatten wir sie gerade geweckt «Weißt du denn, warum dir übel ist?»
Langsam ließ sie die Tür zu ihrem Haus aufgehen und mir entfloh ein unwohles Stöhnen. Rasch hielt ich mir meine Hand auf meinen Mund. So zu tun, als würde ich gleich kotzen müssen, lag mir anscheinend im Blut, denn Hoffmann kam einen Schritt auf mich zu und legte ihre Hände auf meine Schultern, als mein Schauspiel immer besser wurde. Ich ließ mich gegen Kian fallen und hoffte, dass er mich auch halten würde.
Schauspiel hin oder her. Ich würde es nicht auf dem Boden fortführen wollen. Seine Arme hielten mich fester als zuvor und als könnte sich mein Bauch keinen besseren Moment aussuchen, begann er sanft zu kribbeln. «Darf ich Ihre Toilette benutzen, bitte?» Hoffmann nickte und ließ mich an ihr vorbeigehen. «Den Gang runter und die letzte Tür links.» Ich gab ihr keine Antwort, deutete aber mit einer schlappen Handbewegung, dass ich verstanden hatte.
Mit kleinen Schritten brachte ich mich ins Badezimmer und schloss die Türe hinter mir zu. Ich musterte mich im Spiegel und erschrak. Ich war ganz außer Atem. Kein Wunder, dass die Alte uns das abgekauft hat. Es hat funktioniert Wir haben es in das Haus geschafft. Jetzt lag es an Kian, herauszufinden, ob sie die Entführerin war oder nicht. Und ich war mir sicher, dass er mich nicht enttäuschen wird.
Vielleicht oder vielleicht auch nicht ist das nächste Kapitel in Kians Sicht... Aber nur vielleicht...
😏
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