VII
«Wir entschuldigen uns nochmals für die Störung», lächelte ich mit erröteten Wangen und boxte meinem Partner beiläufig in die Rippen, denn er lachte mich leise aus. «Kein Problem. Schönen Tag noch.» Sie schlug mir die Tür vor meiner Nase zu und ich schloss meine Augen, als ich leise ausatmete. «Deal. Aber glaub mir, es ist diese Stonewall», äffte Kian mich nach und ich hob meine Hand warnend an. «Schnauze.» Als ich meine Augen wieder öffnete und mich zu ihm umdrehte, brach er in Gelächter aus. Der will mich doch verarschen. «Das ist nicht witzig, okay?!»
Ohne auf den Aschblonden zu warten, verließ ich den Vorgarten von Mrs Stonewall. Auf dem Weg zur Straße stolperte ich beinahe über eine Katze, die sich aber nicht von mir beirren ließ. Ich denke, ihr wäre es scheißegal gewesen, hätte ich mir ihretwegen mein Genick gebrochen. Typisch Katzen. Solange es ihnen selbst blendend geht, ist der Rest der Welt egal. Auch Kian musste dem feinen Tiger ausweichen, als er mich einholte. «Also, eigentlich ist es schon ganz lustig. Schließlich warst du so sehr davon überzeugt.» Darauf gab ich keine Antwort, denn ich wusste, was das jetzt für mich bedeutete. Dieses Restaurant war zu teuer für mich. Ach scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße! Ich konnte meine Kreditkarte schon schreien und weinen hören. Genauso sehr wie mein zukünftiges Auto, das sich nun weiter von mir entfernte. Aber na ja Deal ist Deal und ich hatte mich selbst darauf eingelassen.
Jetzt musste ich mit den Konsequenzen leben und noch dazu war es Kian, der mit mir essen gehen würde. An sich war das doch alles andere als schlimm. Hübsches Restaurant, hübscher Typ und eine hässliche Rechnung. Fuck «Also willst du dich noch fürs Essen umziehen, oder nicht?» Seine Schulter streifte meine, als er sich vor mich stellte und mich vom Weitergehen abhielt. Mein Blick war bis zu dem Zeitpunkt auf den, dank des Regens dunkelgefärbten Boden gerichtet gewesen. Als ich dann aber nur die weißen Turnschuhe von Kian erblicken konnte, legte ich meinen Kopf leicht in den Nacken, um ihm in seine Augen sehen zu können. «Warum sollte ich mich für den Tod meines Bankkontos aufbrezeln, Elsa?»
«When you go down, do it with class.» Dieser Spruch entlockte mir, auch wenn ich es verhindern wollte, ein Lächeln und ich schüttelte meinen Kopf, da ich nicht glauben konnte, dass er mir das wirklich antat. «Wenn der Herr sich das so wünscht. Ich muss aber noch kurz zurück ins Büro.» Dagegen hatte er nichts einzuwenden, denn wir machten uns zusammen auf den Weg.
«Oh wow. Wenigstens hältst du mir die Türe auf, wie höflich», murmelte ich, als wir bei der Polizeistation angekommen waren und meine Notizen holten. Diese hatte ich, als wir zu Stonewall gegangen waren, hier vergessen. Haze sollte hiervon lieber nichts erfahren. Das war nämlich sehr unzuverlässig, aber ich war so auf meinen Sieg versessen gewesen. Also war es teilweise auch Kians Schuld. Er meint doch immer, dass er nie etwas vergisst. «Ist doch selbstverständlich, wenn du mir gleich dein Portemonnaie aufhältst.» Er konnte es einfach nicht lassen und irgendwie fand ich diese Seite an ihm sehr amüsant. Es brachte etwas Lockeres mit sich und das konnte ich momentan wirklich brauchen.
«Wir könnten gleich noch melden, dass wir eine mögliche Katzendiebin gefunden haben. Dann bekommen wir vielleicht Pluspunkte dafür und man wird vergessen, dass du die falsche Person als Entführerin beschuldigt hast.» Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, hatte er recht. Aber, ob Stonewall wirklich diese Katzendiebin war. Da war ich mir nicht so sicher, aber widersprechen tat ich ihm nicht. Dieser Idiot schien sowieso immer recht zu haben. Keine Ahnung, woher er sein Hirn herhatte, aber ich würde dort gerne auch eins bestellen. «Ich hole die Notizen und du gehst das Mrs Haze mitteilen, okay?»
Ich erwartete eine kurze Antwort, aber alles, was ich zu spüren bekam – ja, spüren und nicht hören – war Kians Hand auf meinem Rücken, als er sich hinter mir vorbeiquetschte, um das Büro unserer Vorgesetzten zu erreichen. Ich hielt in meinen Bewegungen inne und erschauderte unter der Berührung seiner Finger. Natürlich trennte uns meine Bluse, aber trotzdem konnte ich die Wärme seiner Hand genau spüren. Wie sich seine Finger wohl direkt auf meiner Haut anfühlen würden? Nicht in meiner Hand, dieses Gefühl kannte ich schon. Vielleicht genau dort unten an meinem Rücken? Ja, dort würde es mich sehr interessieren.
Ich langte nach meinen Notizen und legte sie in meine Mappe, damit ich sie zu meinem verweinten Portemonnaie in meine Tasche legen konnte. Ich bemerkte gar nicht, wie ich immer wieder auf meine Unterlippe biss, als ich zusah, wie Kian mit Mrs Haze sprach und dann wieder zu mir kam. «Sie schauen sich Stonewall genauer an. Kann es losgehen?» Stumm, weil ich Angst hatte, dass meine Stimme mich blamieren würde, nickte ich dem Eisblauäugigen zu und ließ mich wieder von ihm berühren, als er mich leicht in Richtung Türe schob. Keiner von uns sprach ein Wort, und hätten wir es doch getan, würden sich die Worte in der komischen Spannung zwischen uns verfangen und alles nur noch unangenehmer machen. Wahrscheinlich nicht für ihn, aber definitiv für mich.
«Weißt du, irgendwie tust du mir gerade richtig leid», kam es von Kian, als wir aus dem Gebäude traten und eine kühle Brise mein Haar nach hinten wehte. Ja, ich tat mir auch leid «Wenigstens empfindest du gewisse Empathie. Das ist doch mal was.» Ich lächelte, aber man konnte erkennen, dass es alles andere als echt war. Vor allem Kian, der sowieso alles zu bemerken, und zu wissen schien. Vielleicht sollte ich Mrs Haze vorschlagen, ihn zum Fall mit dem Mörder hinzuzuziehen. Er wäre eine gute Ergänzung und da ich seine Teampartnerin bin, würde ich so auch an einem coolen Fall mitarbeiten können.
«Wissen unsere Vorgesetzten, dass du diesen Killer schon mal in Person gesehen hast?» Kian stoppte in seiner Bewegung und sah mich etwas amüsiert aber verwirrt an. Fast schon ungläubig. «Das nenne ich mal einen Absturz in die Dunkelheit. Haben wir nicht gerade noch über deine Kreditkarte gelacht?» Ich zuckte unschuldig mit meinen Schultern. Sorry, Bro. Aber ich wollte dringend mal fragen. «Erstens habe ich daran gedacht, weil du ein guter Ermittler bist und ihnen sicherlich bestens dabei helfen könntest. Und zweitens, du hast darüber gelacht, nicht ich. Ich weine schon, seitdem ich diese Wette verloren habe.»
Wir liefen auf dem eher vollen Bürgersteig und ich griff nach Kians Ärmel, als es etwas enger zwischen den Menschen wurde und ich ihn nicht verlieren wollte. «Aber ja, sie wissen davon. Nicht die Details, aber sie wissen, was passiert ist. Ich denke, genau deshalb denken sie auch, dass es besser ist, wenn ich nicht mitarbeite, denn es wären zu viele Emotionen im Spiel. Vor allem für mich. Ich wüsste nicht, was ich tun würde, würde ich diesem Monster gegenüberstehen.» Als ich seinen Ärmel wieder losließ, langte Kian einfach nach meiner Hand und stoppte vor einem Subway.
Er sah auf mich runter und seine Augen strahlten Schmerz aus. Einen Schmerz, der ihn täglich an das Geschehene erinnerte. «Ich will diesen Typen wirklich finden und ihm alles heimzahlen, denn meine Familie ist seinetwegen nicht mehr dieselbe. Sie war das Wichtigste in meinem Leben und jetzt-» Er rieb sich die Stirn und seufzte laut. «Jetzt ist es so, als wäre ich nur noch allein. Meine Mutter ist kaum noch ansprechbar. Genauso ist es mit meinem Vater. Geschwister hatte ich nie. Nur noch ich funktioniere. Einigermaßen, jedenfalls. Ich weiß nicht, wie lange ich noch damit leben kann. Alles hat sich gegen mich gewendet.» Kians Stimme brach gegen Ende und ich war auf einmal voll und ganz dazu bereit mein gesamtes Konto für ihn zu leeren. Alles.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie schlimm das alles sein musste. Ich wollte helfen, ihm diesen Schmerz nehmen, aber konnte ich das überhaupt? Nein, eben nicht. Wir kannten uns kaum. Wir waren Arbeitskollegen. Aber trotzdem. Das hieß nicht, dass ich ihn nicht trösten konnte. Seine stechenden Augen trafen auf meine und ich begann sanft zu lächeln. Er tat es mir gleich und ich hatte das Gefühl etwas Wärme in seinen Blick bringen zu können, vielleicht sogar in seine Brust. «Ich kann nichts an all dem ändern. Aber ich glaube fest daran, dass du - und auch deine Eltern - das überstehen werden. Sie sind noch da. Egal, ob ganz oder nur halb anwesend. Aber sie sind es und sie lieben dich kein bisschen weniger als vor diesem Angriff. Vergiss das nicht. Und sie sind sicherlich verdammt stolz auf dich.» Ich drückte ihm spielerisch meinen Zeigefinger auf seine Brust und begann zu grinsen, denn es machte mich happy, dass ich ihn etwas aufheitern konnte.
«Da bin ich mir nicht sicher.» Er nahm meinen Finger von seiner Brust und nahm meine Hände in seine. «Denn ich gehe schwer davon aus, dass sie es tragisch finden würden, würden sie wissen, dass ich dich wegen einer Wette ausnehme.» Ich kicherte und schüttelte meinen Kopf. «Das müssen sie ja nicht wissen.» Elsa befeuchtete seine Lippen und musterte meine. Ich verstummte, hörte beinahe auf zu atmen.
Dass man jemanden so intensiv ansehen konnte, war mir bis heute nicht bewusst gewesen. Aber Kian konnte es wohl und es ließ mich schwanken. Fast so krass wie nach einer halben Flasche Tequila. «Lass uns einfach in den Subway gehen», schlug er dann vor und ließ mich nicht einmal widersprechen. Ich stolperte in den Laden und hörte meine Kreditkarte Halleluja singen.
Hoffe, ihr seid alle gesund! Und bleibt es auch! Gebt Acht auf euch und eure Mitmenschen.
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