Kapitel 1
Gelangweilt saß ich in meinem Büro, während draußen vor dem Fenster die Schneeflocken zu sehen waren, die langsam herabrieselten und stetig den Boden, die Dächer und die Autos mit einer dünnen Puderzuckerschicht bedeckten. Winter, pah!
Ich war schon immer eher der Sommertyp gewesen. Kurze Hosen, T-Shirts, ein Cocktail auf der Terrasse einer angesagten Cocktailbar, die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut, die sofort Besitz von meinem Körper ergriffen. Ach, war das eine schöne Zeit gewesen. Doch jedes Jahr aufs Neue wurden die Kurzen Hosen durch Strumpfhosen, die T-Shirts durch dicke Wollpulover, die Cocktails durch Tee und die wärmenden Sonnenstrahlen durch Schnee ersetzt und jedes Jahr aufs Neue, wurde ich davon überrascht.
„Maria, alles klar bei dir?" fragte mich mein Kollege David, der mir jeden Tag gegenübersaß, an seinem Rechner, und irgendwelche Werbekonzepte für irgendwelche Firmen entwarf. Ja ich arbeitete in einer Werbeagentur und obwohl das Geld mehr als nur stimmte, die Kollegen ganz nett waren und ich immer pünktlich um vier meinen Dienst quittieren konnte, war ich irgendwie nicht glücklich.
Dies konnte wohl auch daran liegen, dass mich mein Verlobter, mit dem ich über sechs Jahre meines Lebens verbracht hatte, sitzen gelassen hatte, weil er vor fünf Monaten festgestellt hatte, dass seine alte Jugendfreundin Kathy wohl doch nicht nur eine Freundin, sondern an allererster Stelle seine große Liebe war. Alles schön und gut, nur leider hatte er mit dieser Eröffnung bis drei Wochen vor unserer Hochzeit gewartet und mir dann im selben Atemzug erzählt, dass sie bald eine Familie haben würden, da Kathy (zu dem Zeitpunkt) bereits im vierten Monat schwanger war. Warum ich also nicht glücklich war? Nun ja, das war leicht zu erklären. Simon war von Anfang an nicht der Traumtyp gewesen, mit dem ich um jeden Preis mein Leben hätte teilen wollen. Klar ich wollte ihn heiraten, doch dies wohl eher aus Bequemlickeit heraus. Nein, unglücklich war ich deshalb, weil ich heute in der Früh in der Zeitung die Anzeige gesehen hatte, dass Simon Jr. oder auch Tim genannt, das Licht der Welt erblickt hatte. Ich gönnte ihnen das Glück, auf jeden Fall, nur mein Problem bestand darin, dass ich selber dieses Glück haben wollte. Doch weit und breit war niemand zu sehen, mit dem ich dieses Glück hätte erreichen können. Ein Baby. Ja, das war es was ich mir wünschte. Und jetzt musste ich wieder ganz von vorne beginnen, einen Mann kennenlernen, das erste Date, der erste Kuss, die ersten gemeinsamen Monate in welchen man in seltsam schleichenden Bewegungen umeinander herum tanzte, um sich ja nicht auf die Füße zu treten, dann (trotz dieses seltsamen Tanzes) der erste Streit, Versöhnung, Heiratspläne nach ettlichen Jahren und dann irgendwann die Hochzeit. Ich war auch nicht mehr die jüngste! Mit meinen 25 Jahren galt ich zwar durchaus nicht als alt, doch wusste ich um meinen Charakter, der wohl wirklich nicht der leichteste war. Wie also, sollte ich einen Mann kennenlernen, der diese ganzen anfänglichen Stadien heil überstand und mich dann sicher in den Hafen der Ehe geleitete?
„Maria?" ertönte Davids warme Stimme und riss mich aus meinem Gedankenstrom heraus. Hatte ich gerade wirklich darüber nachgedacht, wie ich mir einen Mann angeln konnte, der mit letztendlich ein Baby schenkte?
„Was ist los mit dir?" fragte David mich besorgt und sah über seinen Computerbildschirm hinweg zu mir hinüber.
„Alles klar, was soll denn sein?" fragte ich ein klein wenig schnippisch und konzentrierte mich dann auf meinen Desktop.
„Maria, ich kenne dich jetzt seit nunmehr drei Jahren. Drei Jahre in denen wir in ein und dem selben Büro sitzen und in welchen du mir tagtäglich von deinen Problemen erzählst. Ich weiß mittlerweile wie du aussiehst, wenn dir mal wieder irgendwas keine Ruhe lässt!" sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich in seinem Bürostuhl zurücklehnte, der dabei gefährlich krächzte.
„Es ist nichts, ehrlich!" sagte ich so unschuldig wie nur möglich. Gespielt teilnahmslos zuckte ich zusätzlich mit den Schultern und ließ die Maus über den Bildschirm fahren, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben.
„Geht es schon wieder um Simon?" fragte mich David, der offenbar nicht locker lassen wollte.
„Nein es geht nicht um Simon und jetzt lass mich endlich meine Arbeit machen! Das gleiche solltest du übrigens auch tun!" Mann, so nett wie David auch sein konnte, so nervig konnte er werden, wenn er sich in den Kopf setzte eine Information zu erhalten.
„Würde ich ja gerne, aber die dunklen Gewitterwolken über deinem Kopf lenken mich ständig ab!" sagte er lächelnd und zog so meinen Blick wieder auf ihn.
Ach David. Auch ich musste lächeln und betrachtete meinen Kollegen, der doch mittlerweile mehr ein Freund war, amüsiert. Mit seinen 1, 90m, seinen breiten Schultern, braunen kurzen Haaren und warmen braunen Augen schaffte er es regelmäßig den Frauen in seiner Umgebung den Kopf zu verdrehen. Dass er doch eigentlich etwas Festes und ernstes suchte, wusste keine seiner Affären. Seltsamerweise dachten diese nämlich immer automatisch, ein kurzes Abenteuer, eine Nacht, wäre genau das was David suchte und so meldete sich keine von ihnen ein zweites Mal.
„Du bist echt ein Spaßvogel!" sagte ich lächelnd.
„Wie wäre es? Wir machen eine verfrühte Mittagspause und gehen einen Kaffee trinken. Dort kannst du mir dann dein Herz ausschütten. Ich brenne schon direkt drauf zu erfahren was Simon diesesmal wieder gebracht hat!" sagte David und stand auf um sich seinen Schal umzulegen und anschließend die Jacke überzuziehen.
„Es ist erst 11 Uhr David! Wir können doch nicht einfach Pause machen!" sagte ich empört und beobachtete meinen Kollegen dabei, wie er sich entschlossen die Handschuhe überzog.
„So Leid es mir tut dies zu sagen Maria, aber wir sind leider ziemlich entbehrlich in dieser Firma. Keinem Menschen wird auffallen, dass wir überhaupt weg sind!" sagte er schulterzuckend und kam dann um den Schreibtisch herum auf mich zu.
„Jetzt komm schon! Wir haben nicht ewig Zeit! Im Starbucks um die Ecke gibt es bis zwölf das Angebot ein Kaffee und einen Muffin gratis dazu!" er zog mich an meinem Arm nach oben und holte dann meine Jacke um mir prompt hinein zu helfen.
Jedes Mal war es das gleiche. Bei Davids Überredungskünsten und seinem Charme konnte ich niemals wiederstehen und so geschah es desöfteren, dass wir um zehn Uhr Vormittags eine kleine Vormittagspause machten, nicht dass dann die Richtige ausfallen würde, aber wir nahmen uns einfach die Zeit. Vielleicht lag es daran, dass ich noch nicht befördert worden war und immer noch in diesem kleinen muffigen Büroraum saß.
„In Ordnung, aber in einer halben Stunde gehen wir wieder, ok?" fragte ich ihn entschlossen.
„Klar, was immer du willst Prinzessin!" antwortete er mit einer wegwerfenden Handbewegung die mir irgendwie sagte, dass er in keinster Weise die Absicht hegte, das auch umzusetzen.
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„Simons Baby ist also auf der Welt..." sagte David und lehnte sich dabei auf seinem Stuhl zurück. Tatsächlich saßen wir seit ungefähr vierzig Minuten im Starbucks und genossen mittlerweile unseren zweiten Kaffe (ich auch meinen zweiten Muffin!)
„Ja und irgendwie freue ich mich ja für ihn, aber andererseits denke ich auch, dass ich das hätte sein können!" sagte ich jammernd, während ich ein Stückchen meines Muffins abbrach und mir dann in den Mund schob.
„Maria, du bist erst 25! Es wird sich schon noch ein Vater für deine Kinder finden!" sagte David kopfschüttelnd.
Da ich von diesem Thema ablenken wollte, fragte ich stattdessen David, wie es mit seiner aktuellen Flamme lief. Ich hatte nämlich vorhin vergessen zu erwähnen, dass David im Moment in einer Beziehung mit Letitia steckte (Ja, der Name sagte so ungefähr alles!) die ihm das Leben nicht unbedingt leicht machte. Seit zwei Monaten bereits quälte sich David mit dieser Frau herum. Letitia war ungefähr in meinem Alter, während David bereits 28 war und wohl andere Vorstellungen von einer Beziehung hatte als sie.
„Ach frag gar nicht erst. Die Alte hat vorgestern vorgeschlagen, dass wir uns doch über Weihnachten frei nehmen und nach Pag fahren sollten!" sagte er entnervt.
„Pag?" fragte ich, während ich mir gleich wieder ein Stückchen dieses fantastischen Schoko-Käsekuchen Muffins in den Mund schob.
„Pag ist anscheinen DIE Partyinsel in Kroatien. Mit ihren Worten ausgedrückt ‚Liebling, wir hätten zwei Wochen alles was man sich wünschen kann. Hunderte Clubs, in denen man bis in den Morgengrauen feiern kann, Cocktailbars wohin das Auge reicht und vor allem fantastische Restaurants!' Ich sags dir, ich wusste gar nicht was ich dazu sagen sollte!"
Ich konnte mir leider ein Lachen nicht verkneifen.
„David, warum in Herrgottsnamen schießt du die Frau nicht ab? Du könntest so viel bessere haben!!" sagte ich zu meinem Freund und trank dann einen Schluck von meinem Schoko-Cappuccino.
„Ich weiß doch auch nicht...aber hast du dir die Frau mal angesehen? Sie ist der Hammer!" sagte David und schien gleichzeitig in eine Art Traumwelt abzudriften.
Ich sah an mir hinab. Mit meinen knapp 1, 60m wog ich 60 kg und war somit bei weitem nicht die schlankste. Außerdem entdeckte ich einen Fettfleck auf meiner Bluse, die noch dazu falsch zugeknöpft war. Ok, das Argument von David war wirklich gut.
„Aber das kann doch nicht alles sein!" sagte ich, während ich mir eine Serviette schnappte und versuchte, den Fettfleck zu verkleinern. Es tat sich nichts!!
„Ja aber sie ist einfach das Beste, was mir in der letzten Zeit begegnet ist!" sagte David, der mich mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah.
„Was tust du da?" fragte er mich irritiert.
„Ich hab da nen Fleck auf meiner Bluse und später hab ich noch ein Meeting mit Madame Krud und dem Chef, wegen der Kampagne für ihren Laden!" sagte ich und rubbelte immer stärker. Es half dennoch nichts. Stattdessen öffnete ich den obersten Knopf meiner Bluse dann den nächsten, damit sie zumindest richtig zugeknöpft war.
„Maria, du bist wirklich die seltsamste Frau die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe!" sagte David und trank einen Schluck Kaffe, während sein Blick auf meinen Ausschnitt gerichtet war, der kurz darauf hinter dem Stoff der Bluse verschwand.
„Korrigiere, ich bin die einzige Frau die du länger kennst als ein paar Monate und deren Seltsamkeiten du somit mitbekommst! Glaub mir, jeder Mensch hat irgendwas an sich, womit der andere nicht klarkommt. Man muss nur lange genug mit ihm zusammen sein und schon tun sich die Abgründe des Menschlichen Daseins auf!" sagte ich und richtete, nachdem ich auch den letzten Knopf meiner Bluse geschlossen hatte, meinen Blick wieder auf David, dessen Augen immer noch auf meinen mittlerweile wieder verschlossenen Ausschnitt lagen.
„Du bist wirklich die Optimistin in Person!" sagte David und stand dann auf um zur Kasse zu gehen und zu zahlen.
Als er zurück kam, meinte er nur „Komm wir müssen los! Heute Abend ist die Weihnachtsfeier und du hast auch noch ein Meeting. Wir müssen dir definitiv noch was Anständiges zum Anziehen kaufen!" und schon steckte ich in meinem warmen Mantel und wurde von David die Straße entlang gezogen, auf der er mich in diverse Läden schleppte. David, ein wirklich perfekter Mann! Nur leider interessierte ich mich nicht weiter für ihn.
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