Thirtheen
Was denkt er sich nur dabei? Will er mich damit etwa eifersüchtig machen?
Aber natürlich, wieso sollte er sonst diese Zoey küssen?
Ich kenne die Antwort, vielen Dank innere Stimme. Ich verdrehe die Augen und nage an meiner Unterlippe.
Wieso versetzt mich dieser Anblick noch immer in eine solche Wut? Weil ... spar' es dir lieber, denke ich und bringe meine innere Stimme dazu, endlich das Feld zu räumen.
Ich seufze und streiche mir das braune Haar aus dem Gesicht, schaue aus dem Fenster und weiss nicht genau wonach ich Ausschau halte. Oder nach wem. Was ist das bloss zwischen uns? Ich wollte ihn küssen, habe es ihm praktisch unter die Nase gerieben und er, was hat er gemacht? Er hat mich zuerst ermutigt, als wollte er es genauso sehr wie ich und dann hat er mich abblitzen lassen. Einfach so.
Noch immer komme ich mir schäbig vor, weil ich mich ihm auf dem Präsentierteller serviert habe und damit alles was ich an Würde und Stolz noch übrig hatte, einfach so aus dem Fenster geschmissen. Als würde Dean Davis mich, Emily Hale, küssen wollen. Das ist einfach absurd. Ja genau das ist es. Und doch war da etwas zwischen uns, eine Verbindung die tiefer geht, als alle Beleidigungen und Beschimpfungen die wir uns an den Kopf geknallt haben.
Aber was ist das?
Diese Frage beschäftigt mich seit heute Morgen. Denn dort habe ich ihn mit Zoey im Flur der Schule gesehen, knutschend und keuchend. Was vor allem aus ihrer Kehle gekrochen ist, auch wenn ich mich nicht daran erinnern möchte, so kreist dieses Bild ständig vor meinen Augen. Ich kann es nicht abschütteln, es ist beinahe so, als hätte es mir jemand auf meine Netzhaut gebrannt. Ich weiss noch, dass Zoeys Augen geschlossen waren, wohingegen Deans goldene Seen weit aufgerissen waren.
Doch es lag kein Ausdruck von Erstaunen darin, sondern eher, als würde er all das gewollt haben. Und damit meine ich mehr, dass ich den Kuss mitbekomme, dass ich sehe, dass er andere Mädchen lieber küsst als mich. Doch irgendwie habe ich es ihm trotzdem nicht zu hundert Prozent abgekauft. Zuerst war ich geschockt und dann fühlte ich diesen eisigen Stich der Eifersucht tief in meinem Herzen.
Am liebsten hätte ich Zoeys Haare gepackt und sie damit von Deans Lippen weggerissen. Stattdessen bin ich langsamer geworden, hab zugesehen und mich jede Sekunde lang gefragt, wieso er mir das alles antun muss. Und als er mir mit seinen Augen vermittelt hat, dass er genau das wollte, ging ich weiter. Voller Wut und Sehnsucht nach ihm. Und diese Gefühle begleiteten mich den ganzen Tag, sie wechselten sich immer wieder ab.
Doch meistens überwog die Wut, denn auch wenn er das Gefühl hat mich von sich zu stossen wäre die beste Lösung für wen auch immer, so hätte er dieses eine Mal nicht zurückschlagen müssen. Doch Dean verletzt gerne die Menschen die ihn mögen- tue ich das denn überhaupt?- weil er von denen verletzt wurde, die ihn lieben- oder es zumindest sollten. Damit meine ich vor allem seine Mutter, ich weiss noch genau wie ich zugesehen habe, als sie ihm eine Ohrfeige verpasst hat.
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese nicht die Erste und auch nicht die Letzte gewesen ist. Wenn ich daran denke, dass er immer wieder Schläge erdulden musste, diese Erniedrigung spüren musste, dann wird mir ganz schlecht. Niemand darf jemand anderen schlagen, nicht, wenn er sich nichts zu Schulden kommen lassen hat.
Und wieso weiss ich, dass Dean diese Ohrfeige nicht verdient hat?
Ganz einfach, er sah sie nicht kommen. Der Schock, der in seinen Augen lag, war absolut echt. Er hat nicht gewusst, dass sie ihm das antut, nicht dieses Mal. Es kam wie aus dem Nichts, unvorhersehbar für uns beide. Meine Wut wächst wieder und dieses Mal richtet sie sich nicht gegen Dean, sondern gegen seine Mutter.
Wie kann man sein eigenes Kind, sein eigenes Fleisch und Blut schlagen? Wie?
Ich verstehe das nicht. Und am liebsten würde ich ihr das auch ins Gesicht sagen und ihr selbst zwei Backpfeifen- links und recht- verpassen, damit sie erkennt wie demütigend und schmerzhaft das alles ist. Und Dean hat niemanden mit dem er darüber sprechen kann. Ich weiss noch nicht einmal, ob er das überhaupt schon einmal jemanden anvertraut hat. Wohl kaum. Aber vielleicht sollte ich ihn deswegen ansprechen.
Nein, das wäre nicht klug. Dann wüsste er, dass ich es mit eigenen Augen gesehen hätte. Immerhin könnte er es dann nicht mehr abstreiten, was er unweigerlich tun würde. Was ich verstehe, ich würde es wahrscheinlich genauso machen, wenn mich jemand darauf ansprechen würde. Nein, er muss sich mir anvertrauen. Aber wie soll ich das nur anstellen?
Diese Frage beschäftigt mich auch noch, als ich ein paar Stunden später vom Babysitten- ich passe gelegentlich auf die Zwillinge einer Nachbarin auf- am Basketballplatz vorbeikomme. Die Strassenlaternen erhellen die Gegend und ausser mir- und Dean- scheint niemand mehr auf den Beinen zu sein. Nicht hier draussen auf jeden Fall.
Eine Weile bleibe ich ausser Sichtweite stehen und schaue ihm dabei zu, wie er einen Korb nach dem Anderen versenkt. Er ist wahnsinnig gut darin, seine Bewegungen sind geschmeidig und gleichen einem Raubtier. Einem Panther vielleicht, oder aber auch einem Wolf. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich und das verstärkt sich noch, als der Ball ihm entgleitet und in meine Richtung rollt. Ich will mich noch verstecken, doch es ist zu spät.
„Emily?", seine Stimme klingt viel mehr wie ein Keuchen. Es bringt etwas in mir zum Klingen und mein Herz macht einen Rückwärtssalto. Was mich etwas aus der Bahn wirft.
„Hey", sage ich leise und schaue in seine Augen, die in diesem Licht wie zwei Bernsteine in der Sonne schimmern. Einfach nur wunderschön und so vertraut. So wahnsinnig vertraut.
„Was machst du hier?", fragt er mich und drückt den Ball gegen seine Bauchmuskeln. Er trägt wie immer kein Shirt, was angesichts der Kälte die gerade herrscht, etwas seltsam aussieht. Aber es stört mich nicht, im Gegenteil. Es war aufregend dem Spiel seiner Muskeln zuzusehen, während er noch gespielt hat. Und auch jetzt entgeht mir kein Zucken, kein Heben und Senken seiner Brust.
„Ich komme vom Babysitten", sage ich und höre mich atemlos an. Und das bin ich auch.
„Du solltest nach Hause gehen, Em, es ist schon spät." Seine Mundwinkel heben sich kurz und deuten ein Lächeln an, was mir die Sprache verschlägt. Dennoch entgeht mir der leise Spott in seiner Stimme nicht, was mich auf dem Boden der Tatsachen hält. Ich räuspere mich und verschränke die Arme vor der Brust, die er kurz mustert, ehe er seinen Ball hin und her wirft.
„Ich kann gut auf mich alleine aufpassen", sage ich und rolle leicht mit den Augen. Was Dean einen seltsamen Laut ausstossen lässt, er erinnert mich an ein Seufzen, das tief aus seinem Innersten kommt. Ein warmer Ton, dessen Vibrationen sich in mein Herz schleichen und es auf einmal doppelt so schnell schlagen lässt.
„Dennoch solltest du ..."
„Das mit Zoey", setzen wir zur gleichen Zeit an und verstummen beide, schauen uns tief in die Augen und pressen die Lippen aufeinander. Sekunden vergehen und keiner scheint sich vom Anblick des Anderen lösen zu können. Schliesslich räuspert sich Dean und durchbricht als Erster das Schweigen.
„Das hatte nichts zu bedeuten", seine Stimme klingt leiser, beinahe so, als hatte er das nicht sagen wollen. Doch das hat er und es lässt mich innerlich vor Freude hüpfen, wieso auch immer.
„Und wenn auch, es hat mich nicht gestört. Na ja, vielleicht hätte es nicht gleich Zoey sein müssen, aber du kannst küssen wen immer du willst", sage ich und könnte mir die Zunge abbeissen. Ausser mich, setze ich in Gedanken hinzu und überlege wirklich nach Hause zu gehen. Doch irgendetwas hindert mich daran.
„Du hast recht, das könnte ich. Aber ich will es nicht." Ich merke, dass er es nicht sagen will, aber nicht anders kann. Und diese Tatsache lässt mich hoffen, nicht darauf, dass wir zusammenkommen, sondern, dass er sich mir vielleicht öffnet. Denn ich möchte schrecklich gerne mehr über ihn erfahren.
„Wieso tust du es dann?", wispere ich und gehe einen Schritt auf ihn zu, lasse die Arme fallen und schaue zu ihm auf. Deans dichte Wimpern umrahmen seine Augen und lassen sie noch mehr funkeln. Fast wie die Sterne über uns.
„Um nicht ständig an dich zu denken, denn das tue ich. Jeden verdammten Tag." So ehrlich war er noch nie zu mir und eine leise Stimme warnt mich davor ihnen Glauben zu schenken. Denn er hat mich einfach zu oft an der Nase herumgeführt. Doch ich will ihm glauben, hoffe darauf, dass er mich nicht wieder für dumm verkauft.
„Ist denn das so schlimm?", frage ich und strecke eine Hand nach ihm aus, berühre seine Wange. Spüre die Wärme seiner Haut und die leichten Stoppeln unter meinen Fingerspitzen. Eine Woge der Sehnsucht erfasst mich, lässt mein Blut erhitzen, das wie flüssiger Sirup durch meine Adern fliesst.
Er schliesst flatternd die Augen und geniesst die leichte Berührung, ehe er sie wieder öffnet und er sich vor mir verschliesst. Doch das lasse ich nicht zu, nicht mehr jedenfalls. Doch bevor ich dazu komme, dass er mir offen und ehrlich antwortet, betreten einige Leute den Platz.
„Wen haben wir denn da?" Dean schreckt von mir zurück und dreht sich hastig um. Ich kenne die Typen die sich vor ihm aufbauen, sie gehören zu seinen neuen Freunden. Doch sie sehen nicht wie Freunde aus, eher, als würden sie ihm wahnsinnig gerne an die Gurgel gehen. Und plötzlich verspüre ich den unbändigen Drang ihn zu beschützen.
„Und wer seid ihr?", höre ich mich auf einmal sagen. Dean dreht sich zu mir um und sieht mich mit einem eisigen Blick an. Ich weiss ganz genau, was sein Blick mir sagen soll, dass ich mich zurückhalten soll. Doch das ist mir egal, ich habe bei denen kein gutes Gefühl und ich will Dean ungern alleine lassen. Also stelle ich mich leicht vor ihn und funkle die anderen an, auch wenn mein Herz ganz schön schnell schlägt und sich mein Magen zusammenzieht.
„Sieh mal einer an, da hat aber jemand Mut entwickelt", spottet der grösste von ihnen und mustert mich abschätzig. Auch wenn ich ganz schön nervös bin, gebe ich nicht nach. Nicht hier, nicht heute.
„Was wollt ihr?", frage ich und trotzig und verschränke meine Arme vor der Brust. Wieder gleitet der Blick des Schwarzhaarigen über meinen Körper, ich schlucke und hoffe, dass er mir nicht ansieht, wie sehr er mich aus dem Konzept bringt. Doch dieses Mal schaltet sich Dean ein und schiebt sich vor mich, verdeckt mich beinahe mit seinem nackten Rücken.
„Sie trifft keine Schuld, wirklich", meint er und hebt beschwichtigend die Arme. Wieso sagt er so etwas?
„Das spielt keine Rolle, du weißt, was wir dir gesagt haben. Was ich dir gesagt habe, oder?" Die Stimme des Schwarzhaarigen hallt durch die Nacht, klingt unheilvoll und bedrohlich.
„Lasst sie gehen und wir klären das ganze okay?", schlägt Dean vor und ich frage mich immer noch, was hier gerade abgeht.
Wieso reden die über mich? Kennen die mich etwa? Habe ich ihnen etwas getan?
Ich wüsste nicht was, auch als ich näher darüber nachdenke, fällt mir nichts ein. Immerhin gehen sie nicht auf meine Schule und so wie sie aussehen sind beide schon älter als sechzehn. Na ja vielleicht der mit den schwarzen Haaren, der andere- er hat blondes Haar- sieht jünger aus. Vielleicht in ist er in meinem Alter? Ich weiss es nicht.
„Lass mich mal überlegen ...", erwidert er und tippt sich mit dem Finger ans Kinn. Eine dämliche Geste, aber sie soll wohl zeigen wie überlegen er sich uns gegenüber fühlt.
„Nein, ich denke nicht. Sie wird zusehen, wie wir dir eine Lektion verabreichen, die dich lehren wird, meinen Befehlen zu gehorchen." Was?
Ich zucke zusammen und weiss nicht was ich tun soll. Dean anscheinend schon, denn er dreht blitzschnell den Kopf zu mir und schreit mich an, dass ich verschwinden soll. Dann stürzt er sich auf den Typen mit den schwarzen Haaren. Dean stösst einen Schrei aus und bringt ihn zu Fall, sie landen auf dem Boden und ringen um die Kontrolle. Ich höre wie sie keuchen, sehe, wie ihr Atem weisse Wolken in der kalten Nacht bildet.
Ich schaue ihnen zu, während meine Gedanken von einem zum anderen hüpfen. Deans Blick, seine Worte das ich gehen soll und dann wie er sich auf ihn stürzt. Der andere Junge scheint genauso überrascht wie ich zu sein und bevor er handeln kann, setze ich mich in Bewegung und nehme meine Beine in die Hand. Renne über die Strasse und bleibe erst stehen, als ich mein Zuhause erreicht habe.
In meinem Innern herrscht ein Chaos, denn ich sollte zurück, sollte Dean zur Seite stehen. Immerhin hat er mich beschützt, es ist das erste Mal, dass er so etwas für mich gemacht hat. Deswegen sollte ich zurück, doch im selbem Moment geht die Tür auf und mein Vater steht vor mir. Sein Blick ruht besorgt auf mir.
„Em, da bist du ja. Komm rein, wir haben uns schon Sorgen gemacht", sagt er und kommt auf mich zu, schliesst mich in eine feste Umarmung und bricht meinen Gedankengang wie ein Grashalm ab.
„Wir haben gerade bei Mrs Darling angerufen, weil wir dich nirgends finden konnten", redet er auf mich ein und führt mich in Richtung Tür. Ich will stehen bleiben, mich umdrehen, doch dann ist die Tür zu und mit ihr, meine Chance Dean Davis beizustehen.
Doch irgendetwas sagt mir, dass er das schafft. Denn er ist stärker, als er sich und mir eingestehen will. Das sind wir wohl beide.
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Oha! Was denkt ihr, was passiert mit Dean?
eure Amanda
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