Das war zu viel auf einmal. Und doch so offensichtlich. Warum war niemand auf die Idee gekommen, T70.2 zu googeln? Kíra vergaß Luft zu holen, schnappte stattdessen nach zusammenhängenden Worten, die sie jedoch nicht greifen konnte. Sie wollte nichts mehr hören, ihr Körper fühlte sich fremd an, ihre Gliedmaßen wie gelähmt. Kíras Unterlegenheit amüsierte Eric. »Du bist so niedlich, wenn du überfordert bist. Weißt du, deine ach-so-beste Freundin hat versucht, Fjallaloft zu erpressen. Zwei Millionen Dollar wollte sie und sich dann damit verpissen, damit sie keinen anonymen Tipp an die Polizei gibt, was wir mit den Nutzerdaten eigentlich wirklich treiben. Und leider Gottes ist die isländische Polizei nicht sehr korrupt. Davon hat sie dir wohl nichts erzählt, was? Aber wir wussten alle, was mit Heiðar geschehen musste. Soll ich weitermachen?« Eric schien wie in einem Rausch; er schürzte die Lippen wie ein angriffslustiger Hund. Wieso prahlst du so?, dachte Kíra. War Eric mit seiner Tat einfach selbst überfordert?

»Dich haben wir selbstverständlich nicht eingeweiht, so, wie du sie vergöttert hast«, fuhr er fort. »Dass ausgerechnet du mithörst, war ehrlich gesagt nicht Teil des Plans, aber deine Bemühungen waren letzten Endes sehr unterhaltsam. Schade eigentlich, dass du jetzt Bescheid weißt, aber du musstest ja unbedingt Sherlock spielen, scheiße nochmal. Also, naja, was soll's? Kollateralschaden.«

Mit diesen Worten riss er das Kopfkissen hinter Kíras Rücken weg und drückte es ihr auf das erstarrte Gesicht.

***

Der um ihren Verstand besorgte Pétur ein paar Türen weiter war es nicht, der seine Tochter fand. Es war die Polizei. Kíra bekam ihr Handy zu fassen, das noch unter der Bettdecke lag, und sendete per Notruf-SOS ihren Standort und dumpfe Schreie an die nächste Polizeistation.

Eric konnte durch das Fenster fliehen. Aber Kíra hatte sein Geständnis. Und diesmal konnte sie sprechen. Erst sprudelten Namen aus ihr heraus. Keine Stunde später waren sowohl Brimir als auch Friðrika und Ólafur festgenommen worden. Eric fand man am späten Abend in einem gestohlenen Camping-Van. Zwei Tage nach Heiðars Beerdigung folgte Kíras Aussage auf der Wache, und drei Wochen lang erwähnten Medien in ganz Europa, Nordamerika und Australien den Fjallaloft-Skandal in ihren Morning Shows und Sommerloch-Artikeln.

Als das Urteil bekannt gegeben wurde, fiel Kíra ein Teil der Last von den Schultern – sie war auf Bewährung freigelassen worden. Dennoch verbrachte sie die kommenden Monate nicht in der Außenwelt. Ihr eigener Kopf und die Geister darin hielten sie innerhalb von vier Mauern, erst in ihrem Zimmer und dann in einer psychiatrischen Klinik.