»40« Versprechungen
K A T R I N A
Leroy ist nicht gekommen.
Wir hatten bereits acht Uhr und ich habe mich hergerichtet, wie er gewünscht hat, doch er ist nicht da. Einige Sekunden lang starre ich mein Spiegelbild an und muss sodann seufzen. Das war also der Witz, auf den ich gewartet habe, als er noch vor mir gestanden hat. Wahrscheinlich lacht er sich nun ins Fäustchen, weil er es doch noch geschafft hat, mich bloßzustellen.
Ich presse die Lippen zu einer geraden Linie zusammen und schüttle den Kopf, ehe ich die dünne Weste, die ich zu der schwarzen engen Hose und der dunkelgrünen Spitzenbluse angezogen habe, wieder ausziehe, doch genau in dem Moment öffnet sich die Zimmertür und Leroy kommt herein.
Seine Hände voll getrocknetem Blut.
Wie erstarrt öffne ich die Lippen, um etwas zu sagen, doch ich bekomme keinen Ton heraus.
„Ich bin gleich fertig, dann können wir los." Mit diesen wenigen Worten geht er an mir vorbei und verschwindet ins Bad, während ich nur weiterhin auf den Punkt starren kann, auf den er gerade gestanden hat. Wow. Ich bin mir sicher, dass nur wenige Frauen behaupten können, dass ihre Männer nach einigen Morden noch mit ihnen romantisch Essen gehen.
Seufzend schüttle ich den Kopf und setze mich auf das gemachte Bett. Wo er wohl gewesen ist? Hat er die Person, die er scheinbar blutig geschlagen hat, umgebracht? Und wenn ja, wie zum Teufel soll ich dann mit so jemanden nun ganz entspannt Essen gehen? Ihm in Augen sehen und wissen, dass das die Augen sind, in die eine lebendige Seele zuletzt noch blickte. Zittrig atme ich aus und spüre nach lange Zeit wieder das Gefühl von Angst. Irgendetwas in mir behauptet, dass er mir nicht auf solch eine furchtbare Weise weh tun würde und doch ist da noch die Unsicherheit, die dem nicht traut.
Denn in Wahrheit weiß ich, wozu Leroy Kingston in der Lage ist.
„So, wir können."
Leise schreie ich auf und zucke heftig zusammen, als seine Stimme plötzlich meine Gedanken barsch unterbricht. Wie automatisch habe ich den Kopf zu ihm gedreht und weite die Augen, während er bloß mokant die Augenbrauen hebt.
„Stimmt etwas nicht, Chica?", fragt er dünkelhaft und krempelt manierlich die Ärmel seines schwarzen Kaschmirpullovers runter. Ich versuche meinen Atem zu regulieren, schließe den Mund und schüttle langsam den Kopf.
„Es geht mir gut", behaupte ich, wende den Blick ab und stehe langsam auf. Meine Beine zittern und ich hasse Leroy dafür, dass er mit blutigen Händen hier rein kam. Wieso kann er seine Arbeit nicht vor mir verstecken? Das Wissen, was er tut, macht mich schier verrückt!
„Dann können wir ja jetzt gehen."
Ich blinzle, presse die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und nicke, ehe ich ihm aus der Tür folge.
Wir laufen an der Küche vorbei, wo William, Olga, Alex, Diego, Franca und Kelly bereits am Esstisch sitzen.
„Habt einen schönen Abend", ruft uns Alex hinterher und wirft den Kopf zurück, um uns anzulächeln, was ich so gut wie nur möglich erwidere. Wir werden etwas langsamer.
„Gracias", erwidert Leroy und hebt die Hand, da springt mir Kelly ins Auge, die verwirrt die Augenbrauen zusammenzieht.
„Wohin geht ihr denn?", fragt sie und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Sie essen heute draußen", erklärt Olga ihr und kommt Leroy zuvor. Kelly's Blick wird eisig.
„Aber ich habe heute für uns gekocht!" Kelly presst die Lippen zusammen, als sie merkt, dass sie ein wenig laut wurde und dabei verdammt wütend geklungen hat. Verwundert sehen wir sie alle an. Als ihr das auffällt, erbleicht sie und lächelt plötzlich. „Naja, halb so wild, ihr braucht auch mal einen Abend für euch. Dann viel Spaß", fügt sie ihren Worten hastig hinzu, woraufhin uns alle wieder anlächeln. Kelly sieht mir lange in die Augen, in denen eine Botschaft zu liegen scheint.
„Ich hasse dich", sagen ihre Augen, doch ihre Lippen sind zu einem freundlichen Lächeln verzogen.
Sie ist so falsch.
„Danke", entgegnet Leroy monoton und nickt, bevor er auch schon wieder weitergeht. Ich lächle sie alle nochmal an, ehe ich ihm folge.
Innerlich seufzend steige ich ins Auto ein, ehe Leroy schweigend den Motor startet und losfährt. Vielleicht war es doch blöd, dass wir ausgerechnet heute Essen gehen, wo ich doch wusste, dass Kelly kochen möchte, doch Leroy hatte es bereits heute Morgen angesprochen und Kelly erklärte sich Stunden später bereit dazu, das Abendessen zu übernehmen, da waren Olga, Franca, Kelly und ich mit den Kindern im Garten, weil die Sonne so schön schien. Während sie spielten, hatten wir uns alle unterhalten und Olga mal nebenbei erwähnt, dass sie heute so viel zu tun hat, sie wüsste nicht einmal, ob sie pünktlich das Abendessen kochen kann und da bot Kelly sodann ihre Hilfe an, was ich auch sehr nett von ihr finde, nur kann ich nichts dafür, dass es nun an einen Tag fällt, wo Leroy und ich woanders essen wollten.
Und irgendwie frage ich mich nun, was ich mir eigentlich dabei gedacht habe. Wieso gehe ich mit ihm essen? Wieso habe ich behauptet, dass ich wie seine Frau behandelt werden möchte? Und warum nur hat er das akzeptiert? Jetzt bekomme ich den Anblick seiner blutigen Hände kaum noch aus dem Kopf, egal, wie oft ich den Kopf schüttle und an etwas anderes zu denken versuche.
Es wäre so viel leichter, wenn er mir nicht zeigen würde, was er so treibt, wenn er unterwegs ist.
Und wenn ich ihn nie mehr beobachten würde...
Das werde ich nicht mehr absichtlich tun, denn am Anfang haben mich die Bilder von den ermordeten Menschen in den Stahlfässer gejagt. Nur mit Mühe habe ich die Bilder all der Toten verdrängen können.
Ich beiße die Zähne zusammen und verdränge diese Gedanken so gut es geht, ehe ich wieder im Hier und Jetzt ankomme, nur um festzustellen, dass wir bereits da sind, Leroy sogar geparkt hat und mich erwartungsvoll anstarrt. Ich keuche leise, als mir klar wird, dass er an mein Gesichtsausdruck so einiges hat lesen können.
„Du warst aber tief in Gedanken", raunt er und legt den Kopf leicht schräg, ehe er den Blick abschätzend über mein Gesicht schweifen lässt. Ich schlucke und zucke leicht die Schultern.
„Ich bin ein Tagträumer."
„Interessant", entgegnet er und steigt sodann aus. Ich seufze und tue es ihm gleich, ehe mein Blick auf einen Mann fällt, der gerade auf mich uns zukommt. Leroy gibt ihm die Schlüsse, damit der Mann das Auto irgendwo anders parkt. Dann kommt er auf mich zu und bietet mir seinen Arm an, dass ich kommentarlos annehme, auch wenn ich mich innerlich weigere.
Reiß dich zusammen und mache nicht alles wieder kaputt, was du bis jetzt erreicht hast!
„Wie ist der Name?", fragt der Mann am Schalter.
„Kingston", antwortet Leroy, woraufhin er nickt und einen Kellner ruft, der uns bis an unserem Tisch begleitet. Ich staune, als ich die wunderschönen Aquarien sehe, welche an den Wänden eingebaut sind. Das lässt den Raum in ein sanftes, blaues Licht eintauchen.
„Wow", hauche ich von dieser Schönheit umgehauen, als wir uns hinsetzen. Leroy sieht mich an, doch mein Blick klebt an den Fischen, die sorgenlos im Wasser schwimmen und dabei so wunderschön aussehen, dass ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen kann.
„Gefällt es dir?", höre ich ihn fragen, woraufhin ich sofort nicke.
„Es ist wunderschön."
Leise wird Harfe gespielt, sodass man sich auf anhieb wohl fühlt und besonders ich spüre, wie ich mich entspanne, wo ich doch vorhin so angespannt war.
„Weißt du schon, was du essen willst?", frage ich ihn verwundert, als er ich zu ihm sehe und mir auffällt, dass er sich erwartungsvoll zurückgelehnt hat, ohne auch nur nach der Karte zu greifen. Er nickt bloß, also greife ich ebenso nach der Karte und versuche mich ein wenig bei der Wahl zu beeilen.
Am Ende entscheide ich mich für Reis und Kartoffelpüree.
„Warst du schon einmal hier?", frage ich Leroy, dieser jedoch schüttelt den Kopf.
„Ja, doch ich mag das dunkle Licht nicht so sehr, aber ich dachte mir schon, dass es dir gefallen würde."
Oh ja, da hat er richtig geraten.
Dann ist es still. Ich bestaune weiterhin das Restaurant und was Leroy macht, das weiß ich nicht, da ich es so gut es geht vermeide, zu ihm zu sehen.
„Woran hast du vorhin so angestrengt nachgedacht?"
Ich blinzle perplex und erschaudere, als er mir so direkt ausgerechnet solch eine Frage stellt. Schluckend sehe ich ihn wieder an und zucke leicht die Schultern.
„Nichts besonderes", sage ich gerade, da kommt zu meinem Glück der Kellner und bringt uns das Essen. Leroy schweigt, starrt mir jedoch unentwegt in die Augen, bis der Kellner wieder geht. Dann lehnt er sich näher zu mir heran und neigt den Kopf ein wenig.
„Wieso nur habe ich das Gefühl, dass du lügst? Dass du Angst hast? Dass du es nicht mehr so schön findest hier mit mir zu sein?"
„I-Ich...", krächze ich verunsichert und räuspere mich, ehe ich bloß wieder den Kopf schüttle, doch gerade als ich etwas sagen möchte, kommt er mir wieder zuvor.
„Man kann es dir ziemlich gut ablesen, wenn du lügst und ich glaube, du weißt inzwischen, wie sehr ich Lügen verabscheue. Sei doch einfach ehrlich zu mir, vielleicht können wir das, was dich beschäftigt, regeln", sagt er und hebt erwartungsvoll die Augenbrauen. Ich halte verwirrt inne. Oh, dass er sowas sagt und mich dabei sogar irgendwie freundlich anblinzelt hätte ich nicht gedacht.
„Okay", flüstere ich und nicke langsam, wie um mich selbst zu bestärken. „Na ja, mich hat es ganz schön aus der Bahn geworfen, als du mit blutigen Händen ins Zimmer kamst. Ich weiß, dass ist dein Job und der läuft nicht meist so gut, aber für mich ist das alles noch ziemlich neu. Plötzlich sehe ich Menschen sterben und leiden, weil du sie... umbringst." Zittrig atme ich ein. Leroy blinzelt nicht einmal, während er mir zuhört.
„Ist es okay, wenn ich sage, dass es mir Angst macht?"
„Ja, das ist es", erwidert er und nickt mit einem grübelnden Gesichtsausdruck. Erleichtert atme ich aus. „Nur", beginnt er wieder und leckt sich über die Lippen, ehe er die Augen leicht zusammenkneift. „Was genau macht dir Angst?"
„Wie meinst du das?", hake ich ein wenig irritiert nach. Das habe ich ihm doch gerade gesagt, oder nicht?
„Ich will wissen, was genau dir Angst macht. Ich allgemein? Das Wissen, dass du mich gar nicht mehr hasst und meine Nähe willst, oder doch etwas ganz, ganz anderes? Hast du vielleicht etwas angestellt und möchtest es mir gestehen?"
Wie erstarrt erwidere ich seinen Blick und schüttle sodann hastig den Kopf. Stotternd versuche ich mich zu erklären.
„Nein, ich habe nichts angestellt, ich habe, also eigentlich will ich", bemühe ich mich einen Satz richtig zu formulieren und scheitere daran.
„Du willst also etwas anstellen?" Leroy runzelt die Stirn und legt den Kopf schräg. Gott, diesen Blick mag ich gar nicht an ihm, weil er dann immer so unberechenbar wirkt. Seufzend schließe ich die Augen und atme einmal tief durch.
„Nein, es ist eher Punkt Zwei und irgendwie auch Punkt eins, aber davon mal abgesehen. Wenn ich mal etwas anstellen würde", beginne ich nun langsamer. „Würdest du mich dann töten?"
„Es hängt davon ab, was du getan hast und wie sehr es mir schaden könnte, aber ich weiß nicht so recht... Ich glaube, ich würde bei dir beide Auge zudrücken, wenn du es mir gestehst und ich es nicht von anderen erfahren müsste oder gar selbst."
„Okay", wispere ich. „Ich verspreche dir, dass ich dir immer alles sagen werde, wenn es irgendetwas gäbe, dass dich oder Danny - oder sonst wen - in Gefahr bringen könnte und dafür will ich, dass du mir im Gegensatz versprichst, niemals meine Eltern mit einzubeziehen, egal, was zwischen uns passiert."
Lange sieht Leroy mir in die Augen, wie als würde er in mir nach irgendetwas suchen und für einen Moment frage ich mich wirklich wieder, ob Kelly mit ihm gesprochen hat und ihm die Lüge aufgetischt hat, mit der sie mich bereits bedroht hatte, aber das kann einfach nicht sein, denn dann würde Leroy sicher nicht mit mir essen gehen, sondern mich zur Rede stellen.
„Also gut. Ich verspreche es."
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Hey ihr Lieben!
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
Nicht wundern, aber ich führe einige Kapitel zusammen, also verrutschen die Kommentare so ein wenig. Das heißt, ein Teil dieses Kapitels war vorher in Kapitel 42. Dementsprechend sind dort eigentlich so wirklich die Kommentare, aber ich musste mehr zusammensetzen, weil ich in einem Kapitel vorher nur so 1000 Wörter hatte und das ist ja auch Schwachsinn eigentlich.
Hoffentlich stört es euch nicht allzu sehr.
Habt noch ein schönes Wochenende und bis bald!
SevenTimes-
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