»2« Der verletzte Mann
K A T R I N A
„Tara?", frage ich, als es schellt.
„Ja, ich bin es", ertönt ihre Stimme, woraufhin ich die Tür öffne.
„Ich habe Burger mitgebracht", sie wirbelt mit der Tüte vor meiner Nase herum und dabei springen sogar die braunen Locken mit. Ich strahle sie an und juble erfreut, ehe ich mir lachend die Tüte schnappe.
„Du bist die Beste", seufze ich und nehme sie zur Begrüßung in den Arm.
„Ich weiß", grinst sie frech, ehe sie ins Wohnzimmer läuft, aus dem man noch immer Sheldon's Stimme hören kann, da der Fernseher läuft.
„Der alte Mann und das Meer. Hemingway hat es dir wohl angetan, was?", liest sie vor und legt dann mein Buch wieder auf die Couch, sobald sie dieses erblickt.
„Geht so.", grinse ich und zuck bloß die Schultern. Ich finde, dass er einfach klasse ist. Es gibt viele Autoren die gut schreiben, doch Hemingway ist einer meiner Favoriten. Ich liebe die sehnsuchtsvollen, als auch die melancholisch anmutenden Erzählpassagen, die den Leser in die Tiefe seiner Seele führt. Sein Stil ist paradox - er ist paradox. Er wollte leben und töten, lieben und kämpfen - und alles am besten exzessiv. Doch genauso wurde es perfekt.
„Hast du schon gehört? Es gibt wieder zwei Tote. Und die Los Santos Mafia wurde von den Serpientes ausgelöscht. Die Serpiente sind nun noch viel größer, als sie es eh schon gewesen sind", erzählt Tara. Besorgt funkeln ihre Augen auf, sie beißt sich nervös auf die Unterlippe und atmet einmal tief durch, während ich schneller versuche meinen Bissen runter zu schlucken, um etwas zu entgegnen.
„Sie sind so furchtbar. Irgendwann werden sie uns noch kontrollieren wollen, da bin ich mir sicher. Ich verstehe nicht, was ihr Ziel ist. Wieso zeigen sie sich so offensichtlich? Die Mafia handelt normalerweise diskret, ihre Drohungen bleiben implizit. Doch bei der Serpiente scheint es anders zu sein. Es ist, als würden sie sich zeigen wollen, doch weswegen? Um die FBI und die CIA zu provozieren?", frage ich leise, sobald mein Mund endlich leer ist. Ich hasse es, dass wir in ständiger Angst leben müssen. Inzwischen traue ich mich kaum noch hinaus. Auch heute musste ich eher nach Hause, weil ich das Gefühl nicht losbekam, mich würde jemand verfolgen. Einen Moment lang blieb ich stehen und ließ den Blick irritiert schweifen, blinzelte von der Panik erfasst pausenlos, aber auch als ich mich minutenlang umsah, begrüßte mich nichts als die blanke Finsternis. Mich verfolgte niemand. Es war nur Einbildung.
„Ich habe wirklich Angst, dass Kian da irgendwie hineingerät."
„Tara, beruhige dich. Das wird nicht passieren", versuche ich ihre Angst zu schmälern, auch wenn sie jeden Grund dafür hat. Sie unterdrückt ihre Tränen, dass sieht man ihr an. Für einen Moment fällt die ruhige, besonnene Maske und ihre Augenringe scheinen herauszustechen, ihr Gesicht wirkt fahl vor Sorge. Ihr sechzehn Jahre alter Bruder, Kian, begann jetzt schon die Polizei bei sich einzuladen. Ihr Leben ist nun mal nicht einfach. Viel zu früh verlor sie ihren Vater, welcher an Krebs verstarb. Ihre Mutter schlug sich durch die Schulden, die er hinterlassen hat und somit hatten Tara und ihr Bruder kein einfaches Leben. Während ich ganz gemütlich zur Schule konnte und alles was mich stresste, die Hausaufgaben waren, musste sie nach der Schule arbeiten gehen und kam da vor Mitternacht nicht raus. Es tut mir weh sie so zu sehen. So kaputt.
„Du hast ja recht. Kian wird nicht so dumm sein und sich mit der Mafia anlegen", lacht sie, doch es erreicht nicht ihre Augen. Ich nicke. Na, hoffentlich hat er diese Drogen nicht von der Mafia sondern von irgendeinem Gauner auf der Straße...
Doch nun Schluss mit dem Thema, sonst fängt sie noch wirklich an zu weinen und verzweifelt.
„Okay, lass uns jetzt einen Film schau-", wechsle ich das Thema, doch gerade als ich meinen Satz beenden will, unterbricht mich das Läuten der Tür.
Und das nicht nur einmal.
„Was ist denn jetzt los?", frage ich frei im Raum.
„Wer kann das sein?", höre ich Tara ebenso fragen. Ein Schulterzucken meinerseits, ehe ich das Wohnzimmer verlasse, zur Haustür laufe und sie öffne. Es ist vielleicht Mrs. Marley, unsere Nachbarin, die manchmal ihren Schlüssel verliert und deshalb ihren Ersatz bei uns abgegeben hat. Sicher will sie diesen nun haben.
Doch es ist nicht die alte, liebe Mrs. Marley, sondern jemand ganz anderes.
„Bitte!" Keuchend stolpert ein blutiger Mann in mein Haus. Ich ziehe scharf die Luft ein und auch Tara hält sich mühevoll zurück, nicht sofort los zu schreien. Was zum Teufel?
„Mach die Tür zu. Ich flehe dich an, mach, bitte!", ruft er völlig panisch, setzt sich auf den Boden hin und schaut uns aus weit aufgerissenen Augen an. Tara reagiert sofort und schließt die Tür, ehe sie in die Küche rennt und schnell wieder mit einem Glas Wasser zurückkehrt. Gierig trinkt der Mann - welcher vielleicht Anfang Fünfzig ist - sein Wasser aus, während ich mich nicht rühren kann.
„Ich danke euch. Ich danke euch so sehr", keucht er leise, bricht somit die kurz entstandene Stille, in der er sich beruhigte.
„Ihr glaubt es mir vielleicht nicht, aber ihr habt mir das Leben gerettet."
Blut quoll weiterhin aus seiner Schläfe. Wieder reagiert Tara schneller und rennt ins Badezimmer, um den Verbandskasten zu holen. Ich dagegen stehe einfach weiterhin an der Tür, während mir immer weiter Tränen in die Augen steigen. Der Mann sieht furchtbar aus. Tiefe Narben schmücken sein Gesicht und seine Haare sehen rechts herausgerissen aus. Ich schlucke, als ich den abgehackten Finger sehe.
„Die Mafia?", hauche ich, während Tara den Mann so gut wie es nur geht verarztet. Einen Krankenwagen will er nicht herrufen lassen. Er reagierte wieder panisch darauf, als Tara ihn fragte.
Der Mann sieht mich lange an. Schluckt, öffnet seinen Mund, schließt ihn wieder und schluckt. Dann nickt er kaum merklich.
„Aber das dürft ihr niemanden erzählen, Kinder. Sonst werden sie mich noch töten. Ich habe Familie. Bitte, ich...-", beginnt er doch sofort unterbreche ich ihn.
„Sowas würden wir niemals tun", erwidere ich mit brüchiger Stimme.
Was sind das nur für grausame Menschen, die jemanden so quälen? Wieso tut dieser Mafiaboss das alles? Was hat ihm dieser Mann nur angetan?
„Wieso haben sie das getan?", verhaspele ich mich. Räuspernd fahre ich mir durch die Haare. Ich glaube, ich brauche auch ein Glas Wasser.
„Meine Tochter hatte ein Verhältnis mit einen seiner Männer. Ich habe diese Beziehung nicht geduldet. Mir wurde gezeigt, dass ich kein Mitspracherecht habe", gequält schließt der Mann seine Augen.
„Ich habe meine Tochter nicht vor diesem Gewalttätigen retten können", haucht er und plötzlich entkommt ihm ein Schluchzer.
„Nicht doch, Sir. Vielleicht.. Vielleicht liebt er ihre Tochter wirklich. Nur weil er zur Mafia gehört, heißt es ja nicht, dass er ihr weh tun wird", versucht Tara ihn sofort zu beruhigen. Ich war mal wieder wie in Trance. Bewege mich nicht und sehe mir nur die Tränen des verzweifelten Vaters an.
„Und ihre Tochter? Weiß sie, was ihr Geliebter getan hat?", frage ich.
„Nein. Und das wird sie auch nicht. Es tut mir leid, dass ich euch beiden solch einen Schrecken eingejagt habe, aber das Haus sprang mir sofort ins Auge als ich wieder zur Besinnung kam. Übrigens, mein Name ist Charles. Ich werde jetzt aber gehen. Ich danke euch von Herzen."
Charles stand wackelig auf den Beinen und wieder fragten wir, ob wir nicht doch einen Krankenwagen anrufen sollen, doch er verneinte.
„Meine Frau ist Ärztin. Sie wird sich das in Ruhe anschauen, wenn ich zuhause bin. Ich werde mir jetzt einen Taxi nehmen. Nochmals vielen Dank, Rina und Tara", sagt er, lächelt uns leicht an und verlässt dann das Haus. Seufzend schließe ich die Tür und sehe zu Tara, welche die blutigen Taschentücher wegräumt.
„Na, komm. Ich helfe dir eben", murmle ich und fasse mit an. So geht es schneller. Sobald wir fertig sind, setzen wir uns wieder ins Wohnzimmer. Der Fernseher läuft und doch fühlt es sich gerade fürchterlich still an. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Was man ihm wohl noch angetan hat? Die körperlichen Wunden konnten wir zwar sehen, doch wie ist es bei den innerlichen Wunden? Wie er sich wohl fühle muss von dem - so gesehen - ›Schwiegersohn‹ geschlagen zu werden? Und wie konnte seine Tochter sich ausgerechnet in einen so üblem Mann verlieben? Besitzen die Männer der Mafia überhaupt ein Herz? Mitgefühl? Charles ist ganz schön schwach auf den Beinen, also wie kann man es über das Herz bringen auf so jemanden einzuschlagen?
„Der arme Mann", haucht Tara. Ich nicke bloß und schlucke. Ja, er kann einem wirklich nur leidtun, bei so einer Tochter. Ich könnte dies meinen Eltern niemals antun und andernfalls würde ich lügen, um sie in Sicherheit zu wissen und meinen Freund bitten, niemals zu erwähnen für wen er in Wahrheit arbeitet.
„Ich hoffe, ihm wird es schnell besser gehen und -", ich unterbreche mich selbst als ein lauter Knall ertönt. Synchron reißen wir die Augen auf und stehen hektisch auf um aus dem Fenster zu sehen.
Und was ich sehe, lässt mich laut aufschreien.
Charles liegt auf dem Boden und eine Blutlache hat sich rund um seinen Kopf gebildet.
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Hallo, ihr Lieben!
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
Kaum war Charles da, ist er auch wieder weg 👀
Was glaubt ihr, wird nun geschehen?
ReReader? Bitte nicht spoilern 🙈❤️
Bis bald
SevenTimes-
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