
》Kapitel 1《
05. Juli 2025
"Liebe Zoe, lieber Luca, lieber Fynn, liebe Linda und sogar liebe Belle,
es tut mir leid, dass ich es auf diese Art und Weise tue, aber ich muss mich verabschieden. Ja richtig, ich werde gehen beziehungsweise bin schon gegangen, wenn ihr das hier lest. Ich bringe es einfach nicht übers Herz, das was ich noch zu sagen habe mündlich zu überbringen, denn ihr wisst, ich bin kein Mann der Worte (oder einfach gar kein Mann, wie A jetzt sagen würde).
Wo wir schon dabei sind, ich habe euch allen Spitznamen gegeben: Zoe oder auch Z, Luca oder L, Fynn beziehungsweise F, Linda oder wie ich immer gesagt habe Little L und auch du Belle hattest Spitznamen von mir, wie A oder eben Anna (ich weiß, dass du den hasst, jaja).
Ich bitte euch hiermit sie zu behalten, als "Erinnerung" oder "Überbleibsel" von mir, damit alle wissen, dass ihr mich mal kanntet und wer weiß, vielleicht werde ich ja mal berühmt und ihr könnt stolz darauf sein meine Namen zu tragen.
Okay, genug Wünsche mitgeteilt. Kommen wir zum Abschied. Ich kann euch nicht sagen, warum und wohin ich gehe, aber es geht darum, dass ich gehe und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir uns nie wiedersehen. Falls das wirklich so ist, möchte ich euch noch sagen, dass ich euch alle "lieb" hab oder wie ihr Mädchen das auch immer sagt. (Ja Belle, dieser Satz gilt übrigens nicht für dich! :) )
Sollten wir uns wiedersehen, wird das einen Grund haben und dann hoffe ich, dass ihr mir verzeihen könnt und es vielleicht wieder so wird wie früher.
Bis dann, oder so.
Nick
PS: Zoe, pass auf, dass Belle nicht zu viel ihrer Schokoriegel isst, sonst wird sie noch fetter und überrollt mich noch bei unserem Wiedersehen."
Eine Träne kullerte über meine Wange und tropfte auf mein Top. Viel zu viele folgten. Es waren fast vier Jahre vergangen seit Nick gegangen war und uns nichts weiter von ihm blieb als dieser Brief. So eine lange Zeit und trotzdem konnte ich diesen letzten Text von ihm noch immer auswendig. Okay, fast. Einige Worte hatte ich sicher aus Versehen geändert.
"Entschuldigung Miss, ähm, ich weiß ja nicht, aber brauchen Sie vielleicht ein Taschentuch?" Überrascht blickte ich meinen Sitzpartner an, ein stattlicher ungefähr Mittdreißiger, der mir gerade ein Taschentuch hinhielt. Ich blinzelte ein paar Mal, nahm dann dankend sein Taschentuch an und trocknete mir die Wangen ab. Mein Make Up brauchte ich nicht zu erneuern, mein Flug heute Morgen ging so früh, dass ich noch gar keine Motivation gehabt hatte mich zu schminken. Ich fragte mich, wie ich es geschafft hatte, mir so verschlafen meine Haare zu kämmen und zum Flughafen zu fahren.
In Gedanken versunken fiel ich kurz darauf wieder in einen leichten Schlaf, der allerdings nur so lange anhielt bis wir in Rom einen Zwischenstopp einlegten und landeten. Der restliche Flug war, soweit ich das beurteilen kann, ziemlich ereignislos und ich hatte mich irgendwo auf der Strecke zwischen Rom und den Malediven noch etwas geschminkt. Ich wollte ja nicht komplett verschlafen dem Brautpaar begegnen, obwohl Zoe mich sicherlich schon in einem schlimmeren Zustand gesehen hatte.
Ich bemerkte erst jetzt die Aufregung und die großen Erwartungen, die ich an den übermorgigen Tag legte. Die Hochzeit von Zoe und Luca, Lindas großem Bruder, die alle in unserer alten WG gelebt hatten, war das erste Zusammentreffen von uns fünfen, von Nick abgesehen, seit kurz nach Nicks Verschwinden. Als Nick die WG und uns alle verließ, sah Luca, Nicks damaliger bester Freund, kaum noch Sinn weiterhin in der WG zu leben und ihm schloss sich schnell Fynn, ein weiterer guter Freund von uns allen an. Auch Linda verließ uns schnell, nicht gerade zum Leidwesen von Zoe und mir und so waren von den ehemaligen sechs nur noch Zoe und ich übriggeblieben. Als ich dann mein Studium in einer anderen Stadt begann, hatten wir untereinander schon fast alle den Kontakt verloren. Zoe und Luca, das Brautpaar und Zoe und ich bildeten fast die einzigen Ausnahmen. Es war nicht so, als hätten wir nicht die Möglichkeiten zu regelmäßigem Kontakt gehabt, aber ohne Nick war alles anders und jeder von uns musste sein plötzliches Verschwinden anders verarbeiten. Doch selbst nachdem wir das getan hatten, oder eben auch nicht, war der Kontakt fast nicht vorhanden. Zoe und ich hatten in diesem Fall Glück. Ich kannte sie so lange wie Nick, schon aus dem Kindergarten und unsere Freundschaft hatte bis dahin so viele Höhen und Tiefen überlebt, dass auch das uns nicht vollständig trennen konnte. Auch wenn ich es vermisste, sie jeden Tag um mich zu haben und alles mit ihr teilen zu können, war dies durch unsere beruflichen Situationen nun einfach nicht mehr möglich.
Die Wolken, die ich aus meinem kleinen Fenster sah, hatten sich während ich in Erinnerungen geschwelgt hatte von Weiß zu einem leuchtenden Rot gewandelt, doch nun waren sie in der Schwärze der Nacht nicht mehr zu erkennen. Ich blickte auf meine Uhr. Zuhause wäre es jetzt gerade einmal 18 Uhr am Abend, doch hier schien schon tiefste Nacht zu herrschen. Ich würde nach Ortszeit circa 23 Uhr auf dem Flughafen Hulhulé, der auf einer Nachbarinsel meines eigentlichen Zieles, der Hauptstadt der Malediven Malé lag, landen. Dort wollte Zoe mich natürlich direkt persönlich in Empfang nehmen und weil Luca sie so sehr liebte, schien er von ihr überredet worden zu sein, sich ebenfalls nochmal auf die Nachbarinsel zu quälen.
Die nächste Zeit verbrachte ich größtenteils nur damit aus dem Fenster zu sehen und in Erinnerungen an Nick zu schwelgen. Ja, wir hatten uns nur gezofft. Ja, wir hatten uns immer nur provoziert und ja, er war nicht der perfekte Traummann, den ich mir vorstellte, und trotzdem hatte er es vor all diesen Jahren geschafft, dass ich mich in ihn verliebte. Ich war gerade einmal 14 Jahre alt, als die ersten romantischen Gefühle von meiner Seite aus entstanden und diese hatten sich immer weiter verstärkt, auch noch als ich mit 18 mit ihm, unserer gemeinsamen besten Freundin Zoe und einigen anderen in die WG zog.
Ich seufzte erleichtert auf, als die Borddurchsage zur Landung kam, weil mich das aus meinen negativen Gedanken riss. Ich hatte es immer für mich behalten, nicht einmal Zoe wusste, wie stark ich mich zu ihm hingezogen gefühlt hatte und vielleicht auch noch fühlte. Gut, man hatte es unseren Gesprächen ja auch nicht gerade angehört.
Ich fing an meine Sache zusammen zu suchen, als das Flugzeug gelandet war und verließ dann mit einem freundlichen Nicken zu meinem Sitznachbarn das Flugzeug.
Der Malé International Airport war entgegen meiner Erwartungen sogar relativ groß, so dass es mir im ersten Moment schwer fiel mich zu orientieren, doch es wäre letztendlich ziemlich schwer gewesen Zoes riesiges Plakat mit der Aufschrift "Willkommen auf den Malediven, Süße!" zu übersehen. So eine Aktion war aber mal wieder typisch für sie.
"Ich bin so froh dich zu sehen!", rief sie schon als ich gerade mal am anderen Ende der Empfangshalle stand und zog somit die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Auch ich war froh sie zu sehen, immerhin war unser letztes Treffen vor zwei Monaten gewesen, weil die Entfernung unserer Wohnorte und unsere beruflichen Verpflichtungen uns immer davon abgehalten hatten einander zu sehen.
"Heyy, du Verrückte!", entgegnete ich sanft und drückte sie fest an mich. "Nana, nicht dass Luca eifersüchtig wird.", flüsterte sie mir ins Ohr und ließ mich los um mich zu betrachten. "Soso, die Dame hat es also nicht für nötig gehalten sich für ihr allerliebstes Paar hübsch zu machen...", setzte sie tadelnd an, doch wurde mit einem liebevollen Kuss von Luca gestoppt.
"So, jetzt bin ich aber mal an der Reihe!", sagte Luca nachdem er sich von Zoe gelöst hatte und strahlte mich an. "Belle, wie lang ist es her? Beinahe ein Jahr, ach wie schnell die Zeit vergeht!" "Du hörst dich an wie ein Rentner, Luca!", rief ich lachend und umarmte ihn freundschaftlich. "Oh Gott, nicht mehr lange dann bin ich ja auch einer!", setzte er gespielt besorgt zurück und ließ mich nach einigen Sekunden los.
"Schatz, Belle, unsere Fähre nach Malé fährt in einigen Minuten, also zack zack! Ich will nicht wegen euch die Nacht auf dem Flughafen verbringen müssen!", unterbrach sie uns und schnappte sich meinen Koffer um ihn in Richtung Ausgang zu zerren. Luca nahm ihn ihr nach einigen Sekunden aber schon wieder ab, sonst wären wir nicht vorangekommen. Der Koffer war ziemlich schwer, immerhin hatte ich einiges mitzuschleppen. Ich mein ja nur, es stand schließlich eine Hochzeit an.
Mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht wegen der Fürsorglichkeit von Luca folgte ich ihnen hinaus in die Nacht.
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