11. Kapitel | Heart Upon My Sleeve
Schweigend aß ich mein Mittagessen, betrachtete die anderen in der Runde. Nur widerwillig hatte ich mich neben Alex gesetzt, da sich hier ebenfalls Tyler und Robin befanden. Vermutlich war es sogar Robins Schuld, dass Jay nun als Dieb dastand. So unrealistisch war meine Theorie nämlich gar nicht.
Alex unterhielt sich mit ihnen, als wäre nichts gewesen, doch ich brachte dies nicht mit meinem Gewissen zustande.
Leise seufzte ich auf, stocherte etwas lustlos in den Spaghettinudeln herum, als sich jemand zu mir setzte und die Hand um mich legte.
Etwas verwundert hob ich meinen Kopf, erblickte Nathan.
Ich presste meine Zähne zusammen, versuchte nicht allzu genervt auszusehen.
„Lass mich bitte in Ruhe essen", meinte ich mit einem kühlen Unterton zu ihm.
Doch er schien das absichtlich nicht zu hören, kam mir etwas näher.
„Ich warte im Zimmer auf dich, Lew", flüsterte er mir leise zu, dann stand er wieder auf, nahm sein Tablett mit dem benutzten Geschirr, welches er an unserem Tisch abgestellt hatte und brachte es weg.
Zufrieden atmete ich auf; Ich hatte zumindest jetzt noch Ruhe vor ihm.
Es fühlte sich so falsch an, ich wollte nichts mit ihm zu tun haben.
Gleichzeitig wollte ich aber auf irgendwie Jay helfen, der sich augenscheinlich unsterblich in Nathan verliebt hatte.
Großartig.
Nachdenklich blicke ich zu Jay, welcher etwas weiter weg saß und alleine – wie immer – sein Essen zu sich nahm.
Ich wollte mich gerne zu ihn setzen, würde aber damit riskieren, dass Tyler und Robin auf ihn aufmerksam wurden und Jay somit noch Ärger am Hals hatte.
Nein, das wollte ich wirklich nicht.
Ich seufzte auf, aß langsam eine der Nudeln.
Das Essen schmeckte mir nicht sonderlich, es war viel zu fettig zubereitet. Wohl waren Tyler, Robin und Alex wohl eher vom Gegenteil überzeugt, so gierig verschlagen sie die Nudeln mit Soße.
Ich schob meinen Teller Alex zu und stand mit einem leisen „Kannst du fertig essen..." auf.
Sie nickte nur, war weiterhin mit ihren Nudeln beschäftigt und schien mein Gehen nicht einmal so richtig zu bemerken.
Gedankenversunken ging ich den Gang entlang, dachte nach. Irgendwie musste ich eine Lösung für Jays Problem – oder eher seine viel zu zahlreichen Probleme – finden. Ob ich mit dem Direktor sprechen sollte? Schließlich war ich ja – wenn auch eher indirekt – Zeuge gewesen, dass es höchstens fünf Euro waren, keine fünfhundert.
Ich war so in meine Überlegungen vertieft, dass ich, ohne vorher nachzudenken, die Tür zu meinem Zimmer öffnete und eintrat.
Erst als es viel zu spät war und die Tür schon längst ins Schloss gefallen war, fiel mir ein, dass Nathan ja auf mich wartete.
Ich räusperte mich leise, sah zu ihm.
Er hatte bis jetzt am Schreibtischstuhl gesessen, stand jetzt mit einem Ruck auf und kam zu mir herüber.
Instinktiv versuchte ich etwas Abstand zwischen uns zu gewinnen, ging an der Wand entlang Richtung Betten.
Nathan grinste etwas, dann machte er ein paar schnelle Schritte auf mich zu, drückte mich sanft auf mein Bett.
„Ich weiß, was du willst, Babyboy", flüsterte er mir leise ins Ohr, begann daran zu knabbern.
Ich zuckte zurück, knurrte leise.
„Fass mich nicht an, ja? Ich bin nicht so wie du und ich will NICHTS mit dir zu tun haben, okay?!", meinte ich wütend zu ihm, versuchte mich aus seinem Griff zu winden.
Doch er hielt mich fest, grinste mich an.
„Gib zu, du willst es doch auch. So wie du mich im Unterricht angestarrt hast, hm, Babyboy?"
Ich verzog angeekelt mein Gesicht, versuchte wegzurutschen.
„Hör auf mich so zu nennen! Außerdem habe ich dich nicht angestarrt, ich will nichts von dir, kapiert?! Lass mich einfach in Ruhe. Sonst schrei ich so lange, bis jemand kommt", zischte ich bebend vor Wut.
Nathan beugte sich grinsend zu mir hinunter, kam meinem Gesicht nah. Zu nahe.
Doch ich konnte mich nicht wehren, er hielt meine Arme fest.
Er war viel stärker als ich...
„Dann werde ich diese Schreie mit Vergnügen verstummen lassen...", hauchte er, um mich dann sanft zu küssen.
Angewidert verzog ich mein Gesicht. Es fühlte sich so falsch, so eklig an.
Und doch konnte ich mich dagegen nicht wehren.
Etwas hilflos zappelte ich, versuchte meinen Kopf so zu drehen, dass er nicht mehr an meine Lippen rankam, doch es gelang mir nicht.
In diesem Moment knallte etwas zu Boden, Nathan erhob sich mit einem Ruck und haute sich - zu meiner Erfreunis - seinen Kopf dabei an. Leise fluchend hielt er sich die wohl ziemlich schmerzende Stelle, presste seine Hand dagegen.
Froh über meine wiedergewonnene Freiheit richtete ich mich auf und sah mich um, was der Grund für diesen Knall sein konnte.
Und diesen Grund erblickte ich schnell.
Es war Jay, welcher einfach nur dastand.
Beziehungsweise sein Ordner, der ihm vermutlich aus den Händen gefallen war, denn dieser lag am Boden.
Jay war komplett blass, zitterte.
Dann drehte er sich um, lief ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus dem Raum.
Ich biss mir auf meine Lippen. Oh, verdammt...
Es fühlte sich so unglaublich falsch an...
Ich sprang auf, spürte, wie sich muskulöse Arme um meine Hüfte legten und mich woanders hinzogen.
Mein Körper spannte sich an, dann fasste ich all meinen Mut zusammen, drehte mich etwas um und gab Nathan eine Ohrfeige.
Dieser ließ mich daraufhin – wohl etwas verwundert – los. Ich rannte sofort in den Flur, sah mich um.
Ich musste Jay das unbedingt erklären, ihm sagen, dass das nicht meine Schuld war.
Verdammt.
Ich spürte Hass in mir aufkommen, Hass auf Nathan, Hass auf mich.
Ich hätte mich wehren können, oder zumindest nicht ins Zimmer gehen können!
Doch was hatte ich stattdessen getan?
Das Herz eines Jungen, wessen Einzelteile ich gerade sorgsam aufsammelte, um es wieder zusammenzukleben, fallen gelassen, sodass vermutlich alles kaputt war.
Ein gebrochenes Herz, das nie wieder heilen kann, nie wieder repariert werden kann.
Where are you? Where are you?
Oh, now that I need you most and
My heart upon my sleeve, broken down, ohoh
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