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Evitar el fracaso es evitar el progreso.
~ Scheitern zu vermeiden, heißt Fortschritt zu vermeiden.
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Die Wanduhr wurde mir schneller gebracht als ich dachte und tickt nun über der Tür. Ich bin entschlossen sowohl die Uhr als auch Cadens Angebot zu ignorieren, doch das Ticken ist in diesem viel zu stillem Raum überaus deutlich zu hören und zieht somit immer wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Erneut bin ich mit meinen Gedanken alleine und versuche sie zu sortieren. Mein Hungerstreik hat dafür gesorgt, dass ich die Aufmerksamkeit bekommen habe, die ich wollte. Nun sollte ich meinen nächsten Schritt planen.
Ich kann die Situation, in der ich mich befinde, nicht mehr ändern, also wird es Zeit, endlich an meinen Plan nachzudenken. Mein Onkel braucht Information, die ich so schnell wie möglich besorgen sollte. Auch wenn ich noch nicht weiß, wonach ich wirklich suchen soll. Hauptsache etwas. Besser ich fange jetzt schon damit an. Dieses Abendessen kann dafür sorgen, dass ich diese Informationen bekomme und gibt mir die Möglichkeit, das Umfeld von Álvero besser kennenzulernen.
Je mehr Zeit vergeht, desto entschlossener werde ich diese Situation für mich zu nutzen.
Kurz vor acht Uhr gehe ich duschen und anschließend zum Kleiderschrank. Martina hat mir mittlerweile mehr Kleidung gebracht. Ich durchwühle sie und entdecke ein kurzes Sommerkleid. Auf keinen Fall möchte ich, dass Caden denkt, dass ich mich für ihn schick gemacht habe, deswegen werfe ich das Kleid zurück in den Schrank und hole mir eine Hose und eine blaue Sommerbluse heraus. Ich binde mir einen Dutt und setzte mich auf den Stuhl vor dem Fenster. Inzwischen geht die Sonne bereits unter, während meine Nervosität steigt.
»Schluss mit dem Blödsinn. Vergiss nicht, weswegen du hier bist, Sena«, flüstere ich mir zu. Fünf Minuten vor acht Uhr öffnet der Typ, der ständig Wache vor meiner Tür hält, die Tür.
»Ich bin hier, um Sie zum Abendessen zu bringen«, sagt er grimmig.
Ich erhebe mich, um ihm zu folgen. Das Haus ist nicht besonders groß, deswegen wundert es mich, dass wir einen Stock weiter höher gehen. Er begleitet mich durch einen kurzen Gang und bleibt vor einer gläsernen Terrassentür stehen. Die Tür öffnet sich und gemeinsam treten wir hinaus.
Ich hasse mich selber dafür, dass mein Blick sofort den von Cadens sucht. Die Terrasse ist größer als mein Zimmer und der Tisch steht am Ende. Caden steht mit dem Rücken zu uns breitschultrig daneben und sieht zu den Wäldern hinaus. Ich lasse meinen Blick auf ihm verweilen, vor allem weil ich weiß, dass er mich nicht sieht. Er ist nicht in seinem Designeranzug, so wie im Club, aber seine Soldatenhose und die Boots hat er abgelegt, um etwas Schickeres anzuziehen. Unter seinem schwarzen T-Shirt sehe ich seine definierten Muskeln und komme nicht umher mir zu wünschen, ich hätte seinen Körper im Club näher kennengelernt.
Die Terrassentür fällt hinter mir ins Schloss und wir stehen alleine hier. Endlich dreht er sich um und mustert mich. Seine Augen gleiten an meinem Körper hinab und hinterlassen eine brennende Spur. Cadens Lippen verzerren sich zu einem leichten Lächeln, als er mein Outfit unter die Lupe nimmt, doch er sagt nichts.
»Setzt dich«, fordert er.
Ich hole tief Luft, gehe auf den Tisch zu und wir setzten uns gegenüber zueinander hin.
»Ich dachte, dass ich in Gefahr bin. Ist es nicht leichtsinnig, hier auf der Terrasse zu essen?«
Die Terrasse ist von einer Glaswand umgeben. Es ist bereits dunkel draußen, was bedeutet, dass wir nicht in den Wald hinausschauen können, wir jedoch im Licht gut erkennbar sind.
»Man hat mir schon vieles vorgeworfen, aber noch nie das ich leichtsinnig wäre«, erwidert Caden ruhig. »Das hier ist Panzerglas und ich habe im Umkreis von mehr als einem Kilometer meine Männer stationiert. Keiner dringt in dieses Gebiet ein, ohne, dass ich Bescheid weiß.«
Und hinaus, möchte er sagen, doch ich ignoriere seine unterschwellige Botschaft. Besser ich rege mich nicht jetzt schon auf.
»Wie überaus wachsam von dir.«
Auch er ignoriert mein Sticheln und deutet auf den Tisch.
»Heute müssen wir uns selber bedienen. Martina hat seit Stunden nichts anderes gemacht, als zu kochen.«
Ich schaue auf den bedeckten Tisch und bin etwas erstaunt.
»Denkst du nichts, sie hat etwas übertrieben?«
»Ich denke, sie wollte einfach nur sicher gehen, dass du etwas im Magen hast.«
»Na dann sollte ich sie nicht enttäuschen«, sage ich und häufe mir Essen auf meinen Teller. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes am Verhungern. Sobald ich den ersten Biss nehme, schließe ich die Augen. Diese Frau weiß, wie man kocht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mein Magen an meinem Rücken klebt und ich einfach alles zu diesem Zeitpunkt zu mir nehmen würde.
Ich öffne die Augen und begegne Cadens intensiven Blick. Er starrt mich an und lässt seinen Blick nicht von mir schweifen.
»Hör auf mich so anzuschauen«, schnauzte ich.
»Wieso sollte ich?«
»Weil ich es so möchte.«
»Ich schaue dorthin, wohin ich verdammt noch mal möchte.«
Ich presse die Lippen zusammen und versuche mir in Erinnerung zu rufen, weshalb ich zu diesem Abendessen gekommen bin. Ihn jetzt mit Essen zu bewerfen, macht wenig Sinn.
Irgendwann widmet auch er sich dem Essen, sodass eine angenehme Stille entsteht, bis er sie schließlich wieder bricht.
»Du hast nicht das Kleid angezogen, das in deinem Schrank lag.«
Ich blicke von meinem Teller auf und sehe ihn an. Dachte er wirklich, ich richte mich für ihn her?
»Wieso sollte ich?«, wiederhole ich seinen Wortlaut von vorhin.
»Weil das ein schickes Abendessen ist. Es hängen hier sogar Lichterketten.«
Ich lege den Kopf schief und frage mich, ob er das ernst meint oder nur mit mir spielt.
»Kannst du dich bitte nicht mit mir streiten?«
»Sieh mal einer an. Da ist jemand nervös wegen des ersten Dates«, sagt er belustigt.
Ich bin kurz davor all meine guten Vorsetzte über Bord zu werfen.
»Bist du vergesslich oder einfach nur selbstbezogen? Hast du vergessen, dass ich nicht freiwillig hier bin?«
Meine Frage scheint ihn zu erheitern, denn plötzlich legt er den Kopf in den Nacken und fängt an zu lachen. Es ist das erste Mal, dass ich ihn so sehe. Die harten Züge in seinem Gesicht verschwinden und er ist vollkommen entspannt. Wäre ich nicht so verwirrt, würde er mich mit seinem Lachen anstecken.
Ich runzele die Stirn und schaue auf meinen Teller. Caden irritiert mich.
»Ich mag deine Schlagfähigkeit. Viele Leute in meiner Umgebung trauen sich das nicht.«
»Ich frage mich, woran das liegen könnte«, flüstere ich.
»Es liegt wahrscheinlich daran, dass sie wissen, dass ich ihnen bei dem kleinsten Funken an Respektlosigkeit die Zunge herausschneiden würde.«
Ich hebe meinen Blick, doch er isst seelenruhig weiter. Meine Augen bleiben unfreiwillig an seinen Händen kleben. Sie sind tätowiert und ich weiß viel zu gut, wozu sie fähig sind, da ich mich an unsere Begegnung im Club erinnere.
»Macht es dir Spaß, dass andere Angst vor dir haben? Puscht das dein Ego?«
Er kaut gelassen weiter und nimmt einen Schluck von seinem Glas.
»Wer Angst hat, begeht nicht den Fehler, einen zu hintergehen. So läuft das in meiner Welt.«
»Und darauf bist du stolz?«
Er zuckt mit den Schultern.
»Es ist, wie es ist.«
Ich blinzele ihn an und schüttle den Kopf. Obwohl Caden keine Ähnlichkeit mit meinem Onkel hat, redet er gerade so wie er und das ist eine Tatsache, dir mir nicht gefällt.
»Ich werde das nie verstehen.«
»Ein gut gemeinter Rat. Versuch es gar nicht.«
»Hat dir Álvero dir Menschlichkeit in den jungen Jahren herausgeprügelt?«
Ich bin bei meinem Onkel und seinen Psychosohn aufgewachsen und habe trotzdem meine Menschlichkeit nicht verloren. Das denke ich jedenfalls.
»Álvero hat mich zu dem geformt, was es benötigt, um zu überleben. Ich stehe für immer in seiner Schuld, auch wenn es nicht viel gebraucht hat, um mir Grausamkeit beizubringen.«
»Und das gefällt dir?«
»Das ist meine Welt, Sena. Und jetzt auch deine. Wer schwach ist, liegt schnell unter der Erde. Das gilt vor allem für ein Land wie Kolumbien.«
Es gibt so vieles, das ich ihm sagen möchte, doch ich weiß nicht was. Nachdenklich blicke ich in den dunklen Regenwald.
»Das hier ist nicht meine Welt.«
Diese Wörter habe ich auch zu meinem Onkel vor langer Zeit gesagt. Als Antwort hat er mir eine Ohrfeige verpasst. Caden jedoch sieht mich nur nachdenklich an.
»Und wie sieht deine Welt aus, Sena?«
Showtime, Sena. Er darf auf keinen Fall wissen, dass wir aus denselben Kreisen kommen.
Die Kunst des Lügens besteht darin, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Deswegen beschreibe ich ihm mein Studienleben in Boston, welches mir mein Onkel als Deckung bewerkstelligt hat.
»Ein einfaches Studienleben. Betriebswirtschaft im zweiten Semester studieren. Ab und zu in meiner Freizeit malen oder mit meiner Freundin auf einen Kaffee gehen. Zu wichtigen Tagen meinen Adoptiveltern Postkarten schreiben und anrufen.«
»Klingt langweilig. Und vor allem einsam.«
Sein Kommentar ärgert mich.
»Nur weil ich ein durchschnittliches Leben führe, heißt das nicht, dass ich einsam bin.«
Es heißt genau das!
Manchmal habe ich das Gefühl, von keiner Person verstanden zu werden.
»Ich glaube, du weißt, dass das nicht stimmt, Sena. Du bist selber nicht mit deinem Leben zufrieden. Das war das Erste, an was ich gedacht habe, als ich dich beobachtet habe.«
Ich zucke zusammen, denn er hat absolut Recht.
»Du hast mich ausspioniert«, sage ich anklagend.
Er nickt. »Natürlich. Es ist mein Job über Dinge Bescheid zu wissen.«
»Nun mich zu beobachten, heißt nicht zu wissen, was ich denke oder möchte«, sage ich vorwurfsvoll.
Er lacht auf. »Wenn du meinst, Cielo. Lügt dich nur selber an.«
Ich presse unter dem Tische die Hände zu Fäusten. Es ärgert mich, dass er Recht hat.
»Kommen wir zum eigentlichen Grund, weshalb ich hergekommen bin. Du schuldest mir Antworten.«
»Nur zu«, fordert er mich mit einer Handbewegung auf und isst gemütlich weiter.
»Álvero ist also ein Mafiaanführer?«
»Er bevorzugt das Wort Kartellanführer.«
»Und das macht ein Unterschied?«, frage ich verwirrt.
»Nicht wirklich.«
Ich nicke und fahre fort. »Wieso hat er sich nicht selber bei mir gemeldet und hat stattdessen dich zum Schnüffeln geschickt.«
»Er war... etwas überrascht, als er von dir erfahren hat. Schließlich dachte er, dass sein einziges Kind vor Jahren schon gestorben ist. Álvero wollte Informationen über dich. Aber vor allem wollte er dich nicht einfach so aus deinem Leben entreißen. Dieser Vorsatz hat nicht so gut funktioniert.«
»Und das soll ich dir glauben?«
Er beugt sich zu mir nach vorne. »Ich sage dir die Wahrheit. Es ist deine Entscheidung ob du mir glaubst oder nicht. Er wollte dich dein einsames, langweiliges Leben weiterleben lassen, bis Felipe Flores zur Bedrohung wurde.«
Sobald ich den Namen meines Onkels höre, erschauere ich. Caden entgeht das nicht.
»Mein Onkel?«
»Ja.«
»Was will er von mir?«, frage ich ihn und bin gespannt, was er sagen wird.
»Felipe ist der Bruder deiner Mutter. Álvero und Felipe konnten sich schon damals nicht verstehen und sind im schlechten auseinandergegangen. Aber dir diese Geschichte zu erzählen, ist nicht meine Aufgabe. Das muss Álvero schon selber tun.«
Meine Nackenhaare stellen sich auf, trotzdem frage ich weiter.
»Und Felipe stellt für mich eine Gefahr dar?«
»Absolut«, sagt Caden bestimmt.
Ich spiele mit der Tischdecke herum, weil ich unter Cadens Blick immer nervöser werde.
»Und Álvero ist keine Bedrohung für mich?«
»Niemals«, kommt es wie aus der Pistole geschossen von ihm. »Er mag zwar ein knallharter Kartellanführer sein, aber du hast ihn nach schon kurzer Zeit um den Finger gewickelt.«
Ich höre die tiefe Zuneigung zu Álvero aus seiner Stimme. Er scheint ihn wirklich sehr zu respektieren.
»Álvero...«, setzte ich an, doch Caden unterbricht mich.
»Er ist dein Vater.«
»Ich kenne ihn aber nicht.«
Langsam legt er den Kopf schief und sieht mich eine gefühlte Ewigkeit an.
»Du wolltest doch deinen Vater finden, oder Sena?«, fragt er argwöhnisch und zieht seine Augenbrauen zusammen.
»J-ja, wollte ich, aber es ist so viel passiert«, antworte ich ihm und wische mir meine Handfläche an der Hose ab.
»Und wieso hast du mich dann in all den Tagen nicht einmal gebeten mit ihm zu telefonieren?«, möchte er mit einer täuschend ruhigen Stimme wissen.
Ich schlucke meine Nervosität runter. Weil er der Mörder meiner Mutter ist und ich auf Rache aus bin. Diese Kombination trägt nicht gerade dazu bei, mit ihm sprechen zu wollen. Geschweige denn ihn kennenlernen zu wollen. Doch an Cadens Gesicht erkenne ich, dass das ein Fehler war. Er wird misstrauisch.
»Ich war zu nervös.«
Caden glaubt mir nicht, denn seine Lippen pressen sich zusammen und seine Nasenflügel blähen sich, während er mir weiterhin in die Augen schaut. Es fühlt sich an, als würde er meine Gedanken lesen. Für einen Moment bin ich mir sicher, dass er mein Herzrasen hören kann.
»Wenn es etwas gibt, das ich absolut nicht dulden werde, dann ist das Lügen, Sena. Ich rate es dir, es sein zu lassen.«
Sobald die Wörter seinen Mund verlassen, fängt mein Herz an noch schneller in meiner Brust zu schlagen. Ich spüre wie mein Puls schnell und stark pocht und Angst steigt in mir auf. Es ist unmöglich, dass er mich bereits jetzt schon durchschaut hat, wo ich Álvero noch nicht einmal zu Gesicht bekommen habe. Mein ganzer Körper verspannt sich, während Caden unerlässlich mich niederanstarrt.
Liebe Lesemäuse!
Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen!
xoxo 💋
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