47 - Brachmond
Warnung:
Meine Lieben.
Aus Respekt den sensiblen Geschöpfen dieser Welt gegenüber, möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass in diesem Kapitel sehr gewalttätige und brutale Handlungen explizit beschrieben werden, die so manchen emotional aufwühlen können. Ihr seid hiermit gewarnt.
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Bei Paris, Westfränkisches Reich
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Aveline folgte Ragnar und den Männern. Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals, während sie den Königspalast hinter sich liessen und durch die leeren Gassen von Paris marschierten. Der Druck fiel langsam von ihren Schultern, aber dennoch flatterte die Nervosität unruhig in ihrem Magen.
Sie hatte während des Speisens mit dem König und seiner Gattin kaum einen Bissen herunterbekommen, so schrecklich aufgeregt war sie gewesen. Ragnar hingegen hatte sich das Festmahl in aller Lockerheit gegönnt. Voller Furcht, dieses Vorhaben könne schiefgehen und somit Ruriks Schicksal besiegeln, hatte sich Aveline verkrampft. Die Verhandlung wäre auch fast gescheitert, wäre da nicht die Königin gewesen, die zu ihrer eigenen Überraschung zur Hilfe kam und ihren Gatten dazu gebracht hatte, die Diskussionen mit einem Abkommen zu beenden.
Aveline blickte über ihre Schulter. Loki ging hinter ihr, in seinen eigenen Gedanken versunken. Der Bursche hatte die Anwesenheit der Hofdamen doch sehr genossen und er kicherte leise vor sich hin. Ragnar hatte ihn dabei haben wollen, damit er ein gutes Auge auf sie behalten würde. Er war ihr Aufpasser aber hatte während der ganzen Verhandlung nur mit den Zofen und der Königin herumgeschäkert. Aveline verstand nicht, wie dieser Lockenkopf so fröhlich durch die Welt gehen konnte, wo doch sein bester Freund im Käfig eingesperrt die Nacht hatte verbringen müssen.
Avelines Nervosität stieg, als sie das Zeltlager der Normannen erreichten. Sie hatte ihren Teil der Abmachung eingehalten, aber sie war sich überhaupt nicht sicher, ob Ragnar sein Versprechen einlösen würde. Sie starrte auf seinen Rücken.
Ragnar hatte ganz zufrieden ausgesehen, als die Knappen die riesige Kiste ihm vor die Füsse gestellt hatten. Der König von Westfranken hatte dem Jarl von Nordjütland Danegeld im Tausch für Freiheit und Frieden gezahlt. Eine mächtige Summe von siebentausend Silbermünzen. Aveline hoffte, dass ihn diesen Triumph milde stimmen würde.
Die grosse, schwere Truhe wurde von zwei Kriegern getragen. Das Geld sollte direkt in Ragnars Zelt gebracht werden, denn dort war es am sichersten.
Die Gruppe erreichte den Vorplatz und blieb stehen.
„Holt Rurik da raus!", winkte Ragnar Thorsten zu, der den Schlüssel zum Käfig besass.
Thorsten marschierte sofort los. Der Gefangenenkäfig befand sich unweit von Ragnars Zelt. Nachdem Rurik am Tag davor laut brüllend und zeternd von Ragnars Männer auf die Knie gezwungen worden war, hatte man ihn erstmal windelweich geschlagen und dann in den Käfig geworfen.
Aveline hatte nichts gesehen, denn sie war im Zelt angebunden gewesen. Sie hatte die Rauferei nur durch die Zeltplanen gehört. Sie wusste nicht, in welchem Zustand sich Rurik befand. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als Rurik von Thorsten und einem anderen Mann an beiden Armen herangeschleppt wurde.
Sie atmete erleichtert auf, als sie sah, dass er noch auf seinen Füssen stehen konnte und nur kleine Schrammen im Gesicht aufwies. Er schien trotz allem wohlauf zu sein. Die Hände hatte man ihm zusammengebunden. Er wehrte sich gegen die kräftigen Männer, die ihn nur mit grösster Mühe stillhalten konnten.
„Na, na. Das Biest zappelt immer noch", begrüsste Ragnar seinen ersten Hauptmann.
Rurik blickte aber nicht zu seinem Jarl, sondern hatte nur Augen für Aveline. Augenblicklich vergass er, sich gegen die zwei Männer zu wehren, die ihn fest in ihren Armen hielten. In seinem Gesicht hing die Sorge, dass ihr etwas Schreckliches widerfahren war. Aveline erwiderte seinen kummervollen Blick mit einem sanften Lächeln. Sie wollte ihm zeigen, dass er nichts zu befürchten hatte. Auch sie war mehr oder weniger wohlauf.
„Aveline", presste Rurik hervor.
Ragnar grinste breit.
„Jetzt guck nicht so betrübt, Rurik. Ich habe der kleinen Perle nichts getan. Nur ihre Schönheit betrachtet."
Bei den Worten senkte Aveline beschämt den Kopf. Sie wollte nicht an letzte Nacht zurückdenken, als Ragnar sich neben sie ins Bett gelegt hatte. Zu sehr brannte sich die Scham in ihre Wangen alleine schon bei den Gedanken an das, was er getan hatte. Es stimmte, dass er sie nicht wirklich angefasst hatte. Aber es war nicht weniger entwürdigend gewesen.
Ragnar war ins Bett gekrochen und mit ihr unter dieselbe Decke geschlüpft. Sie war so weit von ihm weggerückt, wie es angebunden ging. Aber er war nur näher zu ihr herangerutscht. Ausser das weisse Hemd an seinem Körper hatte er nichts getragen. Aveline hatte sich zusammengerollt und ihm den Rücken zugedreht. Lange Zeit war nichts passiert, bis Ragnar dann beschloss, ihr zuzuflüstern, welch abscheulichen Dinge er mit ihr anstellen würde, sobald Rurik draussen im Käfig aufhörte zu brüllen. Dabei hatte er ihr zärtlich durch die Haare gestrichen und war mit seinen Fingerspitzen ihren Kurven entlang gefahren. Er hatte sogar an der Schlaufe ihres Kleides gezupft, es aber noch nicht geöffnet. Er wollte warten, bis Rurik verstummte.
Aveline hatte still geweint, in der Hoffnung, dass Ruriks wütende Rufe nie aufhören würden. Das taten sie auch nicht. Rurik musste gewusst haben, dass Ragnar ihn hören würde und hatte die ganze Nacht hindurch Radau gemacht. Sehr zum Unmut des Jarls.
Rurik spannte seine Muskeln an. Er hatte Avelines schmerzvollen Gesichtsausdruck gesehen, denn er wollte sich sogleich auf Ragnar stürzen.
„Was hast du mit ihr getan, du Bastard?!", schrie er und bäumte sich auf.
Thorsten und der andere Wikinger zerrten ihn einige Schritte zurück, was ihn nur noch wilder toben liess.
„Lasst mich los, ich mache dieses Schwein fertig!", brüllte Rurik seine zwei Kollegen an.
„Ich habe ihr nichts getan. Nichts, Rurik. Du solltest dem Wort deines Jarls glauben", sagte Ragnar und sein finsterer Gesichtsausdruck verriet, dass er keine Sympathien mehr für seinen ersten Hauptmann übrig hatte.
Aveline fühlte sich sichtlich unwohl. Sie wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden. Sie wandte sich dem Jarl zu.
„Ragnar. Dein Versprechen, für das, was ich für euch verhandelt habe?", sagte sie erwartungsvoll und gab sich Mühe, ihre Unsicherheit zu verstecken.
„Welches Versprechen?", murrte Ragnar und blickte sie nur schief an.
„Im Tausch für meine Übersetzungen mit dem König lässt du Rurik sein."
„Ah. Das", sagte Ragnar, wobei er die letzte Silbe so merkwürdig lange betonte, „ja das habe ich mir anders überlegt."
Das Entsetzen, das Aveline verspürte, übertrug sich auf ihre Stimmbänder.
„Nein! Du hast es mir versprochen!", stiess sie aus.
„Naja, du musst wissen, dass ein Jarl an einem Tag etwas versprechen kann, aber am nächsten Tag plötzlich anderer Meinung ist."
„Das kannst du nicht machen!"
„Oh doch. Kann ich. Schau ganz genau zu", grinste er und nickte dann Thorsten zu, der offenbar wusste, was er wollte.
Rurik begann sich mit mehr Vehemenz zu wehren, denn er spürte, dass ihm nichts Schönes blühte, aber die zwei Kerle schoben ihn in die Mitte des Vorplatzes. Augenblicklich schlangen sich zwei Arme um Aveline und hielten sie fest. Es war Loki, der sich an sie klammerte.
„Loki, was soll das?", kreischte sie.
„Du sollst nicht wegrennen", sagte er nur.
Sie wrang und wehrte sich, jedoch liess Loki nicht locker. Er krallte seine Finger in ihr Fleisch, so dass jegliches Entkommen verunmöglicht wurde.
„Du musst zuschauen", flüsterte er in ihr Ohr.
Eine unangenehme Gänsehaut jagte ihr über den Körper.
„Zuschauen wobei?", stammelte sie.
„Wie Rurik wegen dir bestraft wird", hauchte Loki und sie hörte den Hass und die Abscheu in seiner Stimme.
Aveline schnürte es die Kehle zu. Das war so nicht vereinbart! Sie hatte sich an die Abmachung gehalten, aber Ragnar schien andere Pläne zu haben.
Ein Pfahl wurde in den Boden geschlagen, Rurik auf die Knie gezwungen und an den Händen am Holzpflock festgebunden. Ragnar umkreiste seinen ersten Hauptmann, das Gesicht zu der üblichen grinsenden Fratze verzogen, die so vielen Menschen nicht gefiel. Es war offensichtlich, dass Ragnar mit Rurik noch nicht fertig war. Die Prügelei und der Käfig waren dem Jarl nicht Strafe genug.
„Ich hatte doch gesagt, dass ich keine Respektlosigkeit dulde. Du hast dich gegen mich gestellt, mein werter Hauptmann. Du hast mich, deine Männer und dein Volk verraten! Und wofür? Für eine billige Hure!"
Dabei zeigte Ragnar auf Aveline, die in Lokis Armen verzweifelt zappelte. Rurik senkte seinen Kopf, sodass ihm die blonden Strähnen ins Gesicht fielen. Seine Hände formte er zu Fäusten. Das Seil an seinen Handgelenken knirschte. Seine Knöchel traten weiss hervor. Allein seine Zornesader pulsierte auf der Stirn, sein Gesichtsausdruck blieb Aveline allerdings verborgen. Sie sah nicht, was in seinen Augen vor sich ging.
„Da ich aber ein grosszügiger Jarl bin, gebe ich dir hier und jetzt nochmal die Möglichkeit, deine Situation zum Besseren zu wenden", rief Ragnar nun lauter, denn sie hatten Zuschauer bekommen, die sich im Kreis um sie scharten.
„Vor deinen Männern, vor deinem Jarl und vor deinen Göttern!"
Rurik sagte nichts, denn er wusste, es gab nichts mehr, was er dem Jarl hätte sagen wollen. Ragnar Sigurdson war nicht mehr sein Jarl. Die Männer, die um ihn herum standen waren nicht mehr seine Brüder. Da der Hauptmann keinen Laut von sich gab, fuhr Ragnar mit der Ansprache fort:
„Wenn du mir hier und jetzt nochmals die Treue schwörst, Rurik Jarson, dann löse ich deine Fesseln selbst. Ich werde Gnade walten lassen, dich zurück nach Vestervig nehmen und diese Unannehmlichkeit mit dir gemeinsam im Met ertrinken."
Rurik regte sich nicht. Sein Kopf war noch immer gesenkt, nur sein Brustkorb hob und senkte sich mit seinen wütenden Atemzügen.
„Na, was sagst du?", fragte Ragnar und breitete seine Hände freundschaftlich aus.
Aveline blickte ängstlich von Ragnar zu Rurik. Sie spürte, dass Ragnar ein Spiel spielte. Warum sonst hätte er ihn an einen Pfahl gebunden, wenn er ihm ein Friedensangebot machte? Aber dann realisierte Aveline, weshalb Ragnar dies getan haben musste. Er musste schon wissen, welche Antwort von Rurik auf dieses Angebot kommen würde.
Rurik hob seinen Kopf und blickte dem Jarl mit feurigen Augen ins Gesicht.
„Nie wieder werde ich dir meine Treue schwören! Meine Axt ist nicht deine, meine Hand folgt deinem Wort nicht mehr, mein Herz und mein Wille haben sich von den Fesseln deiner Tyrannei befreit! Eher empfange ich hier und jetzt freiwillig den Tod, als mich jemals wieder zu deinen Männern zu zählen!"
Als er die Worte über die Lippen gebrüllt hatte, spuckte er auf den Boden. Rurik Jarson würde sich nicht beugen. Nicht vor Ragnar.
Der Jarl war stehen geblieben und verschränkte die Arme vor sich. Er nickte nur als Reaktion auf Ruriks hasserfüllten Worte. Es schockierte ihn nicht.
„Wenn das so ist, dann ist es höchste Zeit, dass ich dir deine Loyalität wie ein Hund einprügle. Holt meine Peitsche!"
„Nein!", schrie Aveline entsetzt.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als Thorsten mit der ledernen Rute ankam und sie feierlich Ragnar überreichte.
„Zieht ihn aus!", befahl der Jarl.
Zwei Männer gingen auf Rurik zu und schlitzten ihm die schwarze Tunika auf und rissen ihm die Rüstung vom Leib, so dass er nur noch mit entblösstem Oberkörper auf dem Richtplatz kniete. Seine beigene Haut schimmerte in der Sonne, bereit dazu, das lederne Ende der Peitsche zu empfangen.
Aveline wehrte sich fester gegen Loki, der sie in der Zange hielt, aber sie schaffte es nicht, sich von ihm loszuwringen.
„Loki, lass mich los! Wie kannst du das zulassen?!", rief sie entsetzt, aber Loki sagte nichts.
Er klammerte seine Hände stoisch um ihren Rumpf, da half alles Zappeln und Strampeln nicht. Aveline gab schluchzend auf. Ihre Augen suchten verzweifelt diejenigen von Rurik. Aber er blickte nicht zu ihr hoch. Er senkte seinen Kopf und starrte auf den Schmutz vor ihm, dazu bereit, die Schläge einzustecken.
Derweilen schlenderte Ragnar gemächlich um Rurik herum und betrachtete seinen entblössten Oberkörper. Als sein Blick auf die merkwürdige Kette um seinen Hals fiel, kam er näher und beugte sich vor. Er nahm den Rosenkranz zwischen die Finger und betrachtete das hölzerne Kreuz auf seiner Handfläche. Mit einem Ruck riss er dem Normannen den Rosenkranz vom Hals. Die Holzperlen kullerten auf den Boden.
„Sogar die Götter hast du betrogen?!", fragte er entgeistert.
Ragnar schüttelte abschätzig den Kopf. Es brauchte viel, damit ein Normanne von seinem eigenen Glauben abkam. Rurik fletschte nur mit den Zähnen und blieb stumm.
„Dann wollen wir Odin, Thor und Tyr eine sensationelle Vorstellung bieten!", meinte Ragnar dann und platzierte sich hinter Ruriks Rücken.
„Nein!", schrie Aveline.
Der Jarl holte zum ersten Peitschenhieb aus. Als der Lederriemen auf den Schultern von Rurik niederschmetterte, ertönte ein ohrenbetäubender Knall. Rurik streckte den Rücken durch und warf den Kopf in den Nacken. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei und knurrte nur laut, während ein roter Striemen sich quer über seine Schulterblätter zog.
Aveline schrie verzweifelt um Gnade, aber Ragnar hörte nicht hin, sondern beförderte die Peitsche ein weiteres Mal auf den Rücken des Normannen. Dieser versuchte, seine Muskeln anzuspannen, jedes Mal, wenn das Leder über seine Haut peitschte, aber es schien die Schmerzen nicht zu mindern.
Immer wieder knallte Ragnar die Geissel schwungvoll auf den Rücken, bis endlich an einer Stelle die Haut blutend aufplatzte und Ragnar selbst mit dem Zurückschleudern des Lederriemens einige Spritzer ins Gesicht abbekam. Er lachte auf und wischte sich das Blut mit dem Handrücken ab.
„Na endlich", sagte er nur und holte schon wieder zum Schwung aus.
Nach zehn weiteren Hieben war Ruriks Rücken offen und das Blut, das ihm den Körper herunter rann, bildete eine Lache auf der Erde.
Aveline war auf die Knie gesunken. Loki hatte sie nicht mehr halten müssen, denn sie hatte aufgegeben. Sie musste diese schreckliche Szene mitansehen und es zerbarst ihr das Herz. Rurik schrie mit jedem Hieb lauter und die donnernden Peitschenschläge wurde selbst für die gestandenen Normannen, die zuschauten, unerträglicher. Das Blut flog in alle Richtungen, dem Schwung der Rute folgend.
Ragnar richtete ein Blutbad auf dem Rücken des Normannen an und schien seine pure Freude daran zu haben. Als Rurik nur noch schwach am Pfahl hing, am Rande eines Kollapses, hielt Ragnar mit der Geisselung inne. Er warf die Schlagwaffe triumphierend zu Boden und rieb sich seine blutigen Hände an den Hosen ab.
„Zurück in den Käfig mit dem Verräter", knurrte er. „Morgen kriegt er den Blutadler!"
Aveline hörte nicht mehr hin. Sie blickte bloss mit tränenerfüllten Augen zu dem halb bewusstlosen Rurik, der seinen Kopf hob und nach ihr suchte. Als sich ihre Augen trafen, weinte sie nur noch mehr.
Er lächelte.
Er lächelte ihr aufmunternd zu, wie wenn die Qual, die er spüren musste, nichts war. Nichts, das er nicht aushalten konnte. Seine Haare waren von dem kalten Schweiss durchnässt. Sein Gesicht war blass und seine Augen matt. Aveline schluchzte bei dem Anblick und wäre an liebsten zu ihm hingekrochen.
„Ich liebe dich, Rurik", hauchte sie wortlos.
Obwohl kein Ton von ihren Lippen gekommen war, hatte er ihre Nachricht verstanden. Er schloss die Augen. Sein Gesicht wirkte plötzlich entspannt und ruhig, als hätte sie ihm mit ihren Worten alles Leid genommen.
Loki packte sie von hinten und schleppte sie zurück zu Ragnars Zelt. Als Rurik das sah, blitzte die Wut nochmal auf.
„Fasst sie nicht an!", keuchte er, aber seine Stimme war heiser.
Loki schaute nicht zurück, sondern fokussierte sich auf seine Aufgabe, Aveline zurück ins Bett von Ragnar zu verfrachten. Derweilen wurde Rurik vom Pfahl genommen und wieder in den Käfig geworfen.
...
Es dauerte nicht lange, bis sich Ragnar ebenfalls in sein Zelt begab, um sich seiner Gefangenen zu widmen. Aveline hatte sich in seinem Bett zusammengerollt und weinte unaufhörlich ins Kissen. Sie wimmerte, als der Jarl sich seufzend auf den Stuhl setzte.
„Was für eine tolle Darbietung! Findest du nicht auch? Hat die Männer wirklich beeindruckt."
„Fahr zur Hölle", fauchte Aveline.
Ragnar hob interessiert die Augenbrauen.
„Wohin?", fragte er.
„Zur Hölle, du Bastard!"
„Wo soll das sein?"
„Der Ort, an welchen solche Monster wie du hinkommen, wenn sie sterben! Für immer und ewig wird deine Seele im Feuer brennen!", brüllte Aveline ausser sich.
Ragnar lachte auf und rieb sich dabei den Oberarm, der durch die Peitschenhiebe doch sehr strapaziert worden war. Er liess die Schultern kreisen.
„Klingt verführerisch. Danke", sagte er nur.
Er erhob sich wieder und schritt zu seiner Waschschale, die neben seinem Bett auf einer kleinem Möbelstück stand. An seinen Fingern klebte noch immer das Blut des Verräters und davon wollte er sich befreien. Mit kräftigem Schrubben versuchte er, sich den Handrücken zu säubern, da bemerkte er, dass ihn die Fränkin böse anfunkelte.
„Was ist denn, mein Perlchen?", fragte er und lächelte verschmitzt.
Aveline versuchte, möglichst aufrecht zu knien, was mit den angebundenen Händen doch schwierig war, aber sie wollte möglichst gross erscheinen. Sie wollte diesem Monster mit all der Kühnheit begegnen, die sie noch aufbringen konnte, denn ihre Furcht hatte er nicht verdient. Er hatte es nicht verdient, sich an ihrer Angst und Trauer zu ergötzen. Das würde sie ihm nicht geben. Niemals!
„Was wirst du mit ihm tun?", zischte sie ihre Frage.
Ragnar trocknete sich die Arme ab und hob überrascht eine Augenbraue.
„Mit dem Hund?"
Es musste dem Jarl eigentlich klar sein, wen Aveline meinte, aber sie wollte ihm nicht mit einem Nicken antworten. Rurik war kein Hund. Da sie ihm keine Antwort gab, grinste Ragnar nur und schritt auf sie zu.
„Du kennst den Blutadler also noch nicht, was?"
Langsam setzte er sich auf die Bettkante und löste ihre Fesseln, wobei sie ihn nur misstrauisch anblinzelte. Dann nahm er ihre Hand und bat sie, aufzustehen. Als sie nicht wollte und sich gegen seinen Griff auflehnte, riss er sie hoch und drehte sie unsanft um, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand.
„Ich zeige es dir", flüsterte er ihr ins Ohr.
Ragnar verdrehte ihren Arm auf den Rücken und hielt ihn fest in einer Hand, damit sie sich nicht bewegen konnte, ohne sich selbst Schmerzen zuzufügen. Er stand dicht hinter ihr und strich ihr mit der anderen Hand die Haare zur Seite, so dass ihr zarter Hals freigelegt wurde. Sie spürte seinen ekelhaften Atem auf ihrem Nacken. Ein unheimlicher Schauer jagte ihr durch Mark und Bein.
Dann presste er seine verzogene Lippe auf ihre Halsbeuge und küsste sie. Erschrocken zuckte sie zusammen, jaulte dann aber auf, denn der verdrehte Arme drückte schmerzhaft auf ihr Kugelgelenk in der Schulter.
„Dafür hast du aber noch zu viel an", raunte Ragnar und löste seine Hand von ihrem Arm.
Ehe sie sich versah, riss er plötzlich beidhändig ihr grünes Kleid von hinten entzwei. Sie schrie erschrocken auf und hielt den Stoff an ihrer Vorderseite fest. Ragnar zerriss die Hinterseite und zwang sie dann, den zerfetzten Stoff loszulassen. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie gehorchte.
Als sie nur noch im Untergewand vor dem Jarl stand, begann sie vor Angst zu zittern. Sie wollte nicht von ihm ausgezogen werden. Sie wollte nicht, dass er mit seinen ekelhaften Händen über ihren Körper strich. Ihr Atem stockte, als sie spürte, wie ihr langsam das Untergewand hochgezogen wurde. Er streifte es ihr über den Kopf und warf es auf den Boden. Sie wimmerte verzweifelt. Nun stand sie vollkommen nackt in seinem Zelt und spürte seinen Atem auf ihren Schulterblättern.
Vergebens versuchte sie mit ihren Armen, ihre Brust zu verdecken, ihre Blösse vor seinen giftigen Augen zu schützen, aber es gelang ihr nicht. Er ging um sie herum und betrachtete sie mit einem spitzbübischen Grinsen auf dem Gesicht.
„Du bist wirklich schön. Besser als ich es mir vorgestellt habe", sagte er.
Aveline erschauderte, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie schwieg und schloss zitternd die Lider. Sie konnte und wollte dem Mann nicht in die Augen blicken. Solle er sich doch an ihrem Anblick erfreuen. Sie würde ihn dabei aber keines Blickes würdigen. Den Gefallen wollte sie ihm nicht tun.
Er stand eine unerträglich lange Zeit vor ihr und musterte jede ihrer Formen, strich mit seinen Fingern über ihre Haut, zwickte ihr ab und an in die zarten Stellen und grunzte vergnügt. Dann trat er wieder hinter sie und strich ihr mit seinen Handflächen über den baren Rücken. Seine Hände waren rau und furchig.
„Der Blutadler also", begann er.
Seine tiefe Stimme liess Avelines Magen verkrampfen. Seit dem ersten Tag, an dem sie ihn gesehen hatte, verabscheute sie diesen Mann. Dass er ihr zärtlich mit der Hand über den Rücken strich, brachte sie beinahe zum Kotzen. Ihr wurde speiübel, so sehr ekelte dieser Mann sie an.
„Der Blutadler ist eine Form der Hinrichtung, wie man sie nur in den nördlichsten Teilen unseres Reiches kennt. In Nordjütland besonders bei der Bestrafung von Verrätern beliebt."
Der Stolz in der Stimme des Jarls war unüberhörbar. Er genoss es offensichtlich, Avelines Wissenslücke füllen zu können. Mit seinen Händen fuhr er unentwegt über ihre elfenbeinfarbene Haut. Dann strich er beidseitig mit der Handfläche ihren Flanken entlang bis zu den Achseln und hob sanft ihre Arme an, so dass sie diese in die Luft strecken musste. Eine Gänsehaut bildete sich und breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus.
„Die Hände des Verräters werden als erstes an zwei Seile gebunden, die hoch gespannt werden, sodass die Arme weit auseinander gestreckt sind. Der Hinzurichtende soll seinen Tod schliesslich mit offenen Armen empfangen."
Für eine Weile liess er sie in der Position verharren, dann senkte sie selbst die Arme und schlang sie sich um den Bauch.
Ragnar lachte ab seinem eigenen Galgenhumor und rieb sich am Bart. Dann berührte er wieder ihre Haut mit seinen Fingerkuppen und fuhr ihrem Rückgrat entlang von ihrem Genick bis zum Kreuz. Währenddessen fuhr er mit der Beschreibung fort:
„Dann komme ich mit einem scharfen Messer. Wir wollen das ja nicht mit einem stumpfen machen, das wäre grauenvoll. Dem Verräter werde ich sodann den Rücken aufschneiden. Mit meinem Dolch werde ich dem Rückgrat entlang fahren, bis ich das Gelb der Knochen sehe. Das wird bei Rurik einfach werden, da ich ja schon einiges an Vorarbeit geleistet habe, wie du selbst bezeugen konntest."
Aveline schwankte vor und zurück. Ihr wurde schwindelig.
„Die Sehnen sind etwas schwieriger zu durchtrennen, da muss ich mit mehr Kraft dagegen drücken", sagte er und presste seine Finger in ihr Fleisch, um ihr den erhöhten Druck zu simulieren.
„Dann", sagte er und tastete ihren Rücken ab, „werde ich seine Rippen brechen. Hier und hier."
Dabei drückte er mit dem Daumen auf die Stellen an ihrem Rückgrat, wo die Rippen sich mit der Wirbelsäule verbanden. Aveline stöhnte verzweifelt auf, denn sie wollte sich nicht vorstellen, welch unmenschliche Schmerzen eine derartige Hinrichtung mit sich zog. Das war barbarisch!
„Rippen sind widerspenstige Knochen. Da werde ich etwas brachialer dran rütteln und sägen müssen. Das wird nicht unbedingt schön, muss ich ehrlicherweise gestehen", drang Ragnars Stimme wieder an ihr Ohr.
Aveline schluchzte laut auf und schüttelte den Kopf. Das durfte nicht wahr sein! Sie wollte nicht, das Rurik hingerichtet werden würde. Aber sie wusste nicht, wie sie ihn noch retten konnte. Es gab nichts, was sie tun konnte.
„Rurik wird wahrscheinlich sein Bewusstsein da noch nicht verloren haben. Viele Männer brechen vorher schon zusammen - vor Schmerzen oder einfach, weil sie zu schwach sind. Aber so wie ich Rurik kenne, wird er es bis zum Schluss aushalten. Hartnäckiges Biest, dieser Kerl", grinste Ragnar.
„Bitte. Tu das nicht", hauchte Aveline, obwohl sie wusste, dass es nichts brachte.
Ragnar schnaubte spöttisch durch die Nase. In aller Ruhe fuhr er fort:
„Wenn ich dann alle Rippen von der Wirbelsäule getrennt habe, werde ich sie nach hinten aufklappen und sie ihm wie zwei Adlerflügel zur Seite legen."
Bei den Worten begann Ragnar zwei Flügel mit seinem Finger auf Avelines Rücken zu zeichnen.
„Wenn er dann noch immer lebt, entnehme ich ihm seine Lungen und lege sie ihm auf die Schultern. Und damit ist der Blutadler vollbracht", sagte er und legte dann seine beiden Hände auf ihre Schultern ab.
Sie zitterte am ganzen Leib.
„Es wird ein herrliches Spektakel, das verspreche ich dir. Und du wirst ihm dabei die ganze Zeit in die Augen blicken dürfen."
Aveline konnte nicht mehr. Die Vorstellung, Rurik so sterben zu sehen, raubte ihr den Verstand. Sie keuchte und schluchzte und stand wie erstarrt da, unfähig, sich zu bewegen, unfähig noch irgendwas zu sagen.
Ragnar schob sie zurück ins Bett und warf das grosse Bärenfell über ihren zitternden Körper. Anbinden musste er sie nicht mehr, denn sie war vor Schock erstarrt.
Dann verliess er das Zelt, denn es gab bis zum nächsten Tag noch einige Dinge zu erledigen, bevor Rurik vor den Augen der Götter, Ragnar und seinen Männern hingerichtet werden konnte.
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Liebe cindymhln
Dieses grausame Kapitel widme ich dir, weil du die ganze Quälerei genauso geniesst, wie ich. Mit dir muss ich mal eine Geschichte plotten. Vielleicht ja die nächste?
Wünsche dir hiermit ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest! XD
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Das grosse Finale und die Epiloge folgen am Samstag, 26.12.20 Start ist um 10.00 Uhr ;-)
Bis dahin, Merry Christmas!
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