23 - Ostermond
Île Saint-Denis, Westfränkisches Reich
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Die Wikingerschiffe trieben aneinandergereiht im Wasser und versperrten den ganzen Fluss. Kein fränkisches Schiff hatte es seit der Ankunft der feindlichen Flotte gewagt, diese Stelle im Flusslauf vor Paris zu passieren. Es war schlicht unmöglich vorbeizukommen.
Die Schiffe der Normannen wiegten sanft hin und her und wirkten wie ein bedrohlicher Wall. Die roten Segel waren über den Laderaum der Boote gespannt worden, so dass sie ein Zelt bildeten und die Besatzung für die Nacht im Schiffsinneren vor Wind und Wetter schützten.
Die drei Schatten huschten von den Büschen am Seineufer näher zu den Langschiffen heran. Weit und breit waren keine Wachen in Sicht, nur ihre Fackeln, die man von Weitem auf der Insel Saint-Denis wie kleine schimmernde Punkte zittern sah.
Die schwarze Bande hatte sich ein besonderes Ziel gesetzt: Das grösste der Wikingerschiffe - auf dieses wollten sie gelangen. Das Prunkschiff lag zwischen dem Ufer, an welchem sie kauerten, und der Insel auf dem Fluss. Um dorthin zu gelangen, mussten die Mitglieder der schwarzen Bande über die Wikingerschiffe klettern und von Bug zu Bug springen.
Zu Hamos positiver Überraschung hatten die Normannen kleine Stege gebaut, die den Übergang von Schiff zu Schiff vereinfachten. Diese waren an den Bordrändern der Schiffe befestigt worden, so dass sich die Bäuche der Boote nicht aneinander rieben. Die Bretter hielten die Schiffe stabil nebeneinander. Hamo grinste zufrieden, denn damit würde das Überqueren des Flusses zu einem Kinderspiel für die drei werden. Im Balancieren auf Balken über gefährliche Gewässer waren sie genauso geschickt, wie im Stehlen von Wertsachen.
Der Anführer wandte sich seinen zwei Freunden zu und blickte in ihre Gesichter. Nouels Miene war schon den ganzen Tag überaus besorgt, zumindest seit dem Moment, an dem Hamo beschlossen hatte, seine Freunde in seinen geritzten Plan einzuweihen und ihnen offenbart hatte, dass sie eine ganze Wikingerarmee bestehlen sollten. Nouel hatte sich ausdrücklich dagegen gewehrt und ihn mit validen Argumenten bombardiert, warum es keine gute Idee darstelle, eine Horde bewaffneter Normannen zu beklauen. Die Diskussionen hatte Hamo allerdings schnell mit der Begründung abgeklemmt, dass er schlussendlich der Anführer der Bande sei und diese Entscheidung selber fälle.
Lapin hatte im Gegensatz zu Nouel freudig in die Hände geklatscht, denn dem kleinen Burschen fehlte es alles andere als an Mut. Der Anblick der furchterregenden Krieger hatte in ihm ein Feuer entfacht. Er wollte den schlimmen Kerlen gehörig eins auswischen.
Der schwarze Rüde Garou sass geduldig neben den Kindern und hechelte glücklich vor sich hin. Hamo gab ihm das Kommando, sitzen zu bleiben und Wache zu halten. Der Hund war so schlau und verstand den Befehl seines Herrchens.
Mit leisen Sohlen bestiegen die drei Burschen das erste Schiff, das dem Ufer am nächsten war. Hamo schlich ihnen voraus, um sicherzustellen, dass da keiner auf dem Boot schlummerte und sie überfallen könnte. Er wollte seine zwei jüngeren Freunde vor jeglicher Gefahr schützen. Wenn, dann würde er als Erster von dieser Welt gehen.
Das Ereignis, das sich gerade auf der Insel inmitten des Flusses abspielte, schien für die Wikinger von solch grosser Bedeutung zu sein, dass sie ihre Schiffe unbewacht liessen. Sehr zum Vorteil der Diebesbande, denn somit würden sie unbehindert ihren Plan ausführen können.
Geduckt huschten sie über die Bretter. Das Holz knarzte unter dem Gewicht der Buben. Obwohl es bereits dunkelte und die Sichtverhältnisse immer undeutlicher wurden, wollten sie sicherstellen, nicht gesehen zu werden. Sie wollten sich gar nicht erst ausmalen, was mit ihnen geschehen würde, wenn man sie auf frischer Tat ertappte.
Der Frauenwirt in Paris war schon schlimm genug gewesen, denn er hatte ihnen alle drei den Hintern dafür versohlt, dass sie ihm ein Stück von seiner Walpurgisnacht-Sau abgezwackt hatten. Mit schmerzender Pobacke waren sie zurück zu ihrem Unterschlupf in Cergy gerannt, als sie zufälligerweise wieder auf die Schiffsflotte der Wikinger gestossen waren. Das war für Hamo mehr als gelegen gekommen und so hatte er kurzerhand beschlossen, am selben Abend noch die Wikinger zu bestehlen.
Sie liefen über die Schiffe und wollten gerade das zweitletzte Boot überqueren, als Nouel abrupt innehielt. Irgendwas schien den Jungen aufzuhalten.
„Nouel, waf ift denn?", fragte Lapin, der hinter ihm stand und nicht über den Balken konnte, denn sein Freund versperrte ihm den Weg.
Hamo, der sich bereits auf dem nächsten Schiff befand, drehte sich um. Er erkannte, dass Nouel seine Augen in die Ferne gerichtet hatte und folgte seinem Blick. Augenblicklich verstand er, weshalb Nouel zu Eis erstarrt war - auch er musste leer schlucken.
„Schau nicht hin. Wir müssen uns wirklich beeilen, sonst machen sie dasselbe mit uns", sagte er und packte Nouels Hand, um ihn zum Bewegen zu animieren.
Dieser richtete seinen Blick wieder auf Hamo. In Nouels Augen blitzte die blanke Angst auf. Sein Mund war vor Schock geöffnet und er schaffte es nicht, seinen Kiefer zu bewegen, denn zu gross war sein Entsetzen über das, was sich unweit von ihnen in der Ferne abspielte. Menschenunwürdige Barbarei!
„Uns kann niemand stoppen", versuchte Hamo dem ängstlichen Freund Mut zuzusprechen. „Auch nicht eine Horde mordender Wikinger. Jetzt komm, lass es uns denen zurückzahlen. Auf unsere ganz eigene Art."
Lapin näherte sich von Hinten und nahm Nouels Hand in seine.
„Gemeinfam können wir daf!", lispelte er und blickte seinem Freund ermutigend in die Augen.
Dass der kleine Bub keine Angst zeigte, selbst wenn sich vor ihnen solch grausame Szenen abspielten, gab Nouel Zuversicht. Der Knoten in seinem Hals löste sich auf und er schloss seinen aufgerissenen Mund. Er wusste, dass er sich auf seine Freunde und auf Hamos Diebesinstinkt verlassen konnte. Wenn ein Mitglied der Bande schwach wurde, war dafür ein anderes stark. Der kleine Lapin hatte ihm das soeben bewiesen. Nouel drückte dankend seine Hand.
„In Ordnung", murmelte er.
Die Bande brachte die letzten zwei Boote hinter sich und kletterte über die Reling des Prunkschiffes. Leise schlüpften sie unter das rote Rahsegel, welches den ganzen Schiffsrumpf wie ein Zelt bedeckte. Das fahle Abendlicht, das durch den dicken Stoff drang, tauchte den Innenraum in eine dunkelrote Farbe. Die Buben mussten mehrmals blinzeln, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die Schreie von draussen drangen nur noch gedämpft an ihre Ohren.
„Durchsucht jede Ecke und schaut unter den Bänken nach", flüsterte Hamo seinen zwei Kumpels zu.
Diese machten sich augenblicklich daran, den Schiffsrumpf zu erforschen. Nouel schluckte trocken beim Anblick der Waffen, die an den Bänken und der Reling lehnten. An den scharfen Klingen klebte vertrocknetes Blut, was darauf hindeutete, dass die Wikinger ihre Grossäxte und Langschwerter nicht geputzt hatten. Fränkisches Blut klebte daran. Nouels Magen verkrampfte sich.
Derweilen kroch Hamo zum Bug des Schiffes und Lapin kniete auf allen vieren und suchte unter den Ruderbänken nach Wertsachen.
„Da ift nichtf", sagte Lapin.
„Hamo, ich habe ein sehr ungutes Gefühl", flüsterte Nouel.
Ein bitterer Geschmack machte sich auf seiner Zunge breit und er schluckte abermals leer. Die Angst schmeckte fürchterlich.
„Ssschht", meinte Hamo nur und öffnete eine Kiste, die am Bug in einer Ecke stand.
Lapin stand auf und wollte gerade zum Anführer huschen, da verhedderte sich sein Fuss in einem Seil und er fiel bäuchlings der Länge nach hin. Ein lauter Knall hallte durch den Innenraum und liess das grosse Schiff auf dem Wasser schwanken.
Lapin blickte erschrocken hoch, Nouel und Hamo hielten den Atem an. Für unzählbare Atemzüge blieben sie mucksmäuschenstill und trauten sich kaum, ihre Glieder zu bewegen. Wäre da nicht das Geschrei in der Ferne gewesen, hätte man die drei kleinen Herzen laut pochen gehört.
„Fuldigung", murmelte Lapin.
„Scht!", zischte Hamo gleich nochmal und hielt seinen Zeigefinger an die Lippen.
Er horchte. Es schien, als ob er ein Geräusch vernommen hatte. Nouels Brustkorb schien fast vor Herzrasen zu explodieren. Als der Anführer dann seinen Kopf schüttelte und seine Aufmerksamkeit wieder der Kiste vor sich schenkte, atmete Nouel erleichtert aus. Lapins Tollpatschigkeit könnte ihnen buchstäblich den Kopf kosten und Nouel war sich nicht sicher, ob der kleine Bursche sich dessen wirklich bewusst war.
...
Sie fuhren in ihrem Vorhaben fort und durchsuchten jede dunkle Ecke. Plötzlich winkte Hamo seine beiden Freunde energisch zu sich.
„Kommt her. Ich habe was gefunden!", flüsterte er.
Sie schlichen näher zu ihm heran und warfen ihren Blick in die Kiste. Sie war mit Bronzemünzen, Broschen und silbernen Ketten gefüllt. Hamos Augen glänzten triumphierend.
„Wir haben den Schatz der Wikinger gefunden!", murmelte er und Nouel meinte, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen seines Freundes erkannt zu haben.
„Schnell, packt so viel ihr mit euren Händen greifen könnt und legt alles in die Säcke."
Sie würden die Jutesäcke bis zum Saum füllen. Dieses eine Mal wollten sie ihre eigenen Regeln brechen, denn schliesslich bestahlen sie hier keine Menschen, sondern Barbaren. Hamo war mehr als bereit, eine Ausnahme zu machen und den Wikingern so viel von ihren Raubschätzen zu stehlen, wie sie nur tragen konnten. Das hatten diese Kerle schliesslich mehr als verdient.
„Gleiches mit Gleichem behandeln", murmelte der Anführer vor sich hin und strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht.
Mit bebenden Händen griffen die Buben in die Kiste und hoben das Silber und die Schmuckstücke vorsichtig in ihre Säcke. Es war jedoch unvermeidlich, dass einige Münzen klimperten und auf den Schiffsboden fielen. Sie schoben alles so hastig, wie es nur möglich war in ihre Beutel. Je länger die Zeit verstrich, desto unvorsichtiger wurden sie und desto lauter wurde der Lärm, den sie verursachten.
Hamo hatte seinen Sack als Erster gefüllt, so dass er gerade noch einen Knoten binden konnte. Er liess den schweren Jutesack auf dem Boden liegen und blickte sich weiter auf dem dunklen Schiffsrumpf um. Neben der Kiste, die sie gerade ausräumten, fand er ein paar Lederbeutel, die den Normannen gehören mussten. Er öffnete sie neugierig und lugte hinein.
In einer der ledernen Tasche fiel ihm ein glänzendes Schmuckstück ins Auge. Es war eine Halskette, die an ihrem Ende einen bronzenen Hammer vorwies. Ein prächtiges Schmuckstück war das. Hamo drehte den kleinen Hammer in seinen Fingern und fragte sich, was dieser wohl zu bedeuten hatte. Ob das das Schmuckstück eines Handwerkers war, der stolz auf seinen Hammer war? Ihm gefiel die Kette und er warf sie sich um den Hals.
„Schaut mal! Sehe ich jetzt wie ein Wikinger aus?!", grinste er und stand breitbeinig vor seine Freunde.
Lapin kicherte, Nouel warf ihm jedoch einen entrüsteten Blick zu. Sie hatten doch keine Zeit für Albereien.
„Das ist kein Spass, Hamo! Diese Menschen sind Mörder. Hör auf dich so zu benehmen, als seien sie bewundernswert", knurrte er.
Hamo seufzte laut.
„Jetzt übertreib doch nicht. Ich veräpple sie doch nur. Stell dir vor, was diese Kerle für Augen machen werden, wenn sie merken, dass sie bestohlen wurden! Die werden sich so aufregen!"
„Ja, so sehr, dass sie wahrscheinlich ins nächste Dorf marschieren und alle Leute abschlachten", entgegnete Nouel schnippisch.
Hamo verdrehte genervt die Augen.
„Du übertreibst schon wieder. Hättest halt unter der Brücke sitzenbleiben sollen! Wir hätten das hier auch ohne dich geschafft", antwortete er mit erhobener Stimme und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
Der Anführer schien keine Lust mehr auf Nouels Zweifel und ständige Kritik zu haben. Er war schliesslich der Chef der Bande und hatte das Sagen. Das Gemotze seines Freundes ging ihm mächtig auf die Nerven.
Seine Worte schienen den aufgebrachten Nouel allerdings nur noch wütender zu machen.
„Ich übertreibe nicht! Hast du eigentlich die leiseste Ahnung, was diese Männer anrichten können? Nein, hast du nicht! Du hast nicht mit eigenen Augen das Ausmass gesehen, was diese Biester hinterlassen können. Du musstest nicht über aufgeschlitzte Körper stolpern, um aus deiner niedergebrannten Heimatstadt zu fliehen. Du hast nicht das Blut in der Luft gerochen oder die Augen der Toten gesehen! Du hast gut lachen, denn dein Zuhause wurde nicht von Wikingern überrannt. Deine Familie wurde nicht geschlachtet. Sie sind nur an der Seuche krepiert, weiter nichts!", dröhnte Nouel, der sich in Rage geredet hatte.
Hamo ignorierte den üblen Seitenhieb seines Freundes und hob seine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Luft.
„Schrei hier nicht rum, oder willst du, dass sie uns gleich mit auf die Insel schleppen?!"
„Ich will hier nur noch weg! Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir hier weg müssen. Sofort!", rief Nouel zurück.
„Hört auf fu ftreiten!", brüllte Lapin plötzlich.
Nouel und Hamo starrten ihn entsetzt an. Selbst Lapin erschrak über die Lautstärke seiner Stimme und schlug sich die Hände vor den Mund. Das war definitiv viel zu laut gewesen!
„Oh fuldigung!", nuschelte er durch seine Finger.
Sie bewegten sich nicht und horchten nur den leisen Schreien in der Ferne. Soweit hatte sich die Geräuschkulisse nicht verändert. Die verzweifelten Rufe der Sterbenden, das Gurgeln des Wassers und das Knirschen des Holzes. Aber da war ein weiteres Geräusch aufgetaucht. Ein Geräusch, das vorher nicht da gewesen war.
Schritte!
Hamo riss vor Entsetzen die Augen weit auf, so dass das Weiss deutlich hervortrat. Selbst in dieser Finsternis war zu erkennen, dass der Anführer plötzlich Furcht verspürte. Nouels Magen drehte sich um und liess ihn mehrmals leer schlucken. Ihm war vor Angst übel geworden. Lapin krallte seine Finger tiefer in sein Gesicht.
Panik. Sie alle verspürten blanke Panik.
Lapin wollte sogleich davon flüchten, da packte ihn Hamo am Arm.
„Wage es nicht, uns zu verraten. Du bleibst mit uns hier!", zischte er.
Lapin wimmerte leise, aber gehorchte seinem Anführer.
„Die Schätze!", orderte Hamo und bückte sich, um die Jutesäcke den beiden zu reichen.
„Hamo, mit diesen Säcken werden wir nicht laufen können", sagte Nouel.
Seine Stimme war belegt und zittrig. Sie reflektierte die Furcht, die sich auch in seinen Augen widerspiegelte.
„Es wird gehen müssen", meinte Hamo nur und hob die Hand wieder an die Lippen.
Die Schritte wurden lauter. Man konnte beinahe mitverfolgen, wie sich die Person näherte. Die dumpfen Schläge auf dem Holz wurden immer deutlicher. Der Wikinger musste jetzt schon fast auf dem Nebenboot sein.
Die Buben duckten sich und krochen tiefer in den Schiffsrumpf, weg von dem Geräusch, das jetzt so nahe war. Sie krochen in die finstere Ecke. Dort, wo man sie hoffentlich nicht entdecken würde. Hamo versuchte durch den roten Stoff des Rahsegels zu spähen. Es waren keine Umrisse zu erkennen, dafür war es draussen viel zu dunkel geworden. Die Nacht war hereingebrochen und schlang alles in ihre Finsternis. Die Umrisse der Schiffe wirkten konturlos im Dunkelgrau der Dämmerung.
Da flackerte plötzlich eine Lichtquelle auf, die durch den Leinenstoff deutlich zu erkennen war. Der Wikinger trug eine Fackel bei sich. Die Schritte bahnten sich ihren Weg entschlossen über den kleinen Steg, der auf das Prunkschiff führte.
Jetzt befand er sich auf demselben Schiff. Die drei Buben hielten den Atem an.
Ein metallisches Scheppern war zu hören und sie sahen, wie die Lichtquelle durch den Stoff vor ihnen langsam anschwoll. Der Mann musste dort ein grösseres Feuer angemacht haben. Hamo erinnerte sich, am Vordersteven eine Feuerschale gesehen zu haben.
Noch waren die Buben unter der Zeltplane unentdeckt geblieben. Lapin krümmte sich zu einer Kugel zusammen und klammerte sich eng seinen Jutesack, so als biete der Schutz gegen die Gefahr, die da draussen lauerte. Hamo ballte seine Hände zu Fäusten, die Anspannung liess seine Muskeln zittern. Er suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Sein Blick fiel auf die Waffen, die unweit an der Reling lehnten.
Der Wikinger setzte sich am Vordersteven hin, das war an seinem Seufzen und dem Rascheln seiner Kleidung deutlich zu hören. Hamo wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das Schiff nur so von Wikingern wimmelte. Wenn dieser eine Kerl zurückgekehrt war, würden seine Kameraden es ihm bald gleich tun.
Noch waren sie unter dem roten Rahsegel vor dem Blick dieses Mannes geschützt, aber die Buben mussten schleunigst verschwinden. Vor einem ganz grossen Problem standen sie allerdings: Der Kerl versperrte ihnen den einzigen Ausweg. Sie waren vom Vordersteven aus ins Boot geklettert und nur dort war der Ausgang aus dem Zelt. Schwimmen konnten sie mit den Säcken nicht, zudem lagen die Wikingerschiffe viel zu eng aneinander, als dass man hätte zwischen ihnen hindurchschwimmen können.
Ob sie es wollten oder nicht, sie mussten irgendwie an ihm vorbei. Wenn dieser Kerl nicht bald verschwand, würden sie ihn überrumpeln müssen, das war Hamo schnell klar geworden.
Sie blieben im hinteren Teil des Bootes verschanzt, während Hamo alle Auswege im Kopf durchspielte. Nouel konnte seinem Freund ansehen, dass er alle Möglichkeiten abwägte. Dem Bandenanführer war die Angst nicht anzusehen. Hamos Kopf schien einwandfrei zu funktionieren, seine Gesichtszüge entspannen sich, je länger er Zeit hatte mit einem Fluchtplan aufzukommen.
Nouel sah, wie Hamo seine Hand ausstreckte und stumm in die Richtung der Waffen zeigte. Er deutete ihm auf die Äxte. Nouel nickte langsam. Er verstand, zu welchem Schluss sein Anführer gekommen war: Sie würden sich wehren müssen, denn es gab keinen anderen Ausweg. Nouels Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken zu einem schmerzhaften Knoten.
Vorsichtig setzte Hamo einen Schritt vor den anderen und näherte sich den Waffen, die an der Reling lehnten. Da knirschte eine Diele unter seinen Füssen und er zog erschreckt den Atem ein. Der Wikinger am Vordersteven bewegte sich.
Er musste das Geräusch auch gehört haben!
Die Buben wagten es nicht, zu atmen. Sie harrten in den Positionen aus und warteten mit rasendem Puls auf eine Bewegung des Normannen. Dieser schien dasselbe zu tun. Eine Ewigkeit verging, in der überhaupt nichts passierte und beide Seiten zu zögern schienen.
Dann wurde plötzlich das Rahsegel am vorderen Ende des Schiffes aufgeschlagen und der grosse Normanne trat in die Dunkelheit. Die Fackel lag hinter ihm in der Feuerschale, so dass sein Körper einen langen Schatten in den Schiffsbug warf. Ein Lichtstrahl traf Nouels Gesicht und er wusste sofort, dass der Wikinger ihn gesehen hatte.
Hamo hechtete nach vorne und griff zum Beil.
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