Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

2 - Lenzmond

Vestervig, Nordjütland

~

Salka kniete schluchzend vor dem Hörgr-Stein im grossen Tempel von Vestervig. Ihre Klagerufe waren bis zum Vorplatz zu hören. Sie weinte bitterlich, während sie die Götter anflehte. Ihre hüftlangen, blonden Haare hingen ihr ungekämmt ins Gesicht. Hier und da hatten sich sogar erste Knoten in ihren Goldsträhnen gebildet. Eine Weile musste es her gewesen sein, seit sie sich das letzte Mal aufgefrischt hatte.

„Erbarmt euch meiner! Ich ertrage es nicht mehr. Odin, ich flehe dich an, bei meinem eigenen Leben, zeige Gnade und Gerechtigkeit!"

Mit zittrigen Händen legte sie ihre Opfergaben - ein Bündel frischer Kräuter und Schweinefett - in die Schale vor sich und versank in ein Gebet. Nur wenig Licht drang von aussen in die Halle. Einige Fackeln, die an den Wänden befestigt worden waren, flackerten unruhig und warfen tanzende Schatten auf den Boden.

„Bitte, erhöre mich", beendete Salka ihren inneren Monolog, doch ihre Stimme versagte und sie brach in sich zusammen.

Wimmernd lag sie vor dem Altarstein und murmelte immer und immer wieder die gleichen Worte vor sich hin:

„Bitte, bringt ihn mir zurück! Bitte, bringt sie mir zurück!"

Die Tempeldiener im Saal blickten irritiert zu ihr herüber. Der mit roten Runen verzierte Hörgr-Stein blickte kalt und stumm zurück, so als sei ihm das Leid der Menschen vor ihm völlig einerlei.

Salka war verzweifelt. So sehr hatte sie auf die Hilfe der Götter gehofft, aber wie es schien, übersahen sie ihr Leid und liessen sie in ihrem Schmerz und in ihrer Trauer allein. Ein weiterer Heulkrampf überkam sie und sie rollte sich auf dem Boden zu einer Kugel zusammen.

„Wie konntet ihr nur!", kreischte sie schrill.

Die Diener schlenderten in ihren weissen, knöchellangen Gewändern aus dem Tempel und liessen die schluchzende Frau alleine zurück. Niemand sonst hatte sich an diesem Tag in die Weihestätte gewagt.

„Salka?", ertönte eine Stimme.

Der stämmige Hjalmar war in den Tempel gekommen, denn seit Tagen ging seine Frau jeden Morgen in die kühle Halle, um die Götter um Gnade zu bitten. Mit langsamen Schritten näherte sich der bärtige Jütländer seiner schluchzenden Frau.

„Komm, steh auf."

„Ich kann nicht...", schluchzte sie.

„Bitte, steh auf."

„Ich habe keine Kraft, Hjalmar."

Er streckte ihr seine grosse Hand hin.

„Komm."

Sie griff nicht nach seiner Hand, sondern setzte sich wieder auf die Knie und starrte mit aufgequollenem Gesicht auf den Altarstein vor ihr.

„Wie konnten die Götter nur... mein Rurik!", krächzte sie.

Hjalmar seufzte, denn es schmerzte ihn, seine Frau so leiden zu sehen.

Vor wenigen Tagen waren sie von ihrem Ausflug aus Viborg zurückgekehrt und hatten Salkas Bruder, Rurik, in seinem eigenen Blut auf dem Boden ihres Hauses aufgefunden. Niedergestochen mit dem Dolch, welchen sie ihrer Gehilfin - Aveline - geschenkt hatten. Diese war seither spurlos verschwunden. Niemand wusste, was geschehen war.

Die zwei besten Freunde von Rurik, Loki und Audgisil, hatten im umliegenden Wald und im Nachbardorf nach einem Lebenszeichen der Fränkin gesucht, aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Nach langer Suche bis in die späte Nacht hinein waren die zwei Freunde mit leeren Händen zurückgekehrt. Man ging davon aus, dass jemand sie mit Gewalt mitgenommen haben musste oder aber, dass sie sich im Wald verirrt haben musste und, wenn sie sich noch irgendwo da draussen aufhielt, von Wölfen zerfleischt worden war. Die Hoffnung schwand mit jedem Tag, der verstrich, dass man sie jemals wieder finden würde.

Salka war seither nicht mehr die Frau, die Hjalmar einst kennengelernt hatte. Sie war ein Schatten ihrer selbst, krank vor Sorge. Die Trauer hing wie ein grauer Schleier über ihre sonst so glückselige Aura. Die Lebenslust in ihren Augen war dunklen Augenringen und eingefallenen Wangen gewichen. Sie weinte viel und laut. Frühmorgens, wenn die Erinnerungen an das Geschehene sie einholten; Tagsüber, wenn sie Menschen begegnete, denen sie einmal mehr vom ganzen Unglück erzählen musste; Und Nachts, wenn sie schlimme Gedanken plagten.

Ihr gemeinsamer Sohn Sveín hatte Hjalmar zu Freunden gegeben, nur für die Zeit, bis sich Salka vom Verlust erholt hatte. Er sollte nicht Zeuge vom Zerfall seiner eigenen Mutter werden. Das war eine Bürde, die Hjalmar seinem halbjährigen Sohn sicherlich nicht auferlegen wollte.

Sanft schlang Hjalmar seine kräftigen Arme um seine Frau und half ihr, sich aufzuraffen. Sie war schwach und zittrig. Das tägliche Wehklagen zehrte an ihren Kräften.

„Komm, ich bringe dich nach Hause", flüsterte Hjalmar in ihr Ohr.

Sie wimmerte, liess ihn jedoch gewähren. Langsamen Schrittes verliessen sie den Tempel am Ørumsee und schlurften in die Richtung ihres Bauernhofes. Ein frischer Wind blies von der Stadt am Meer zu ihnen herauf.

Seit der Rückkehr vom Besuch seines Bruders hatte Hjalmar keine Zeit gehabt, nach dem Hof und den Tieren zu schauen. Mitfühlende Dorfbewohner und Freunde aus der Stadt waren gekommen, um zu helfen, als die Nachricht sie erreichte. Er war heilfroh, denn damit hatten sie ihm zumindest eine Last abgenommen.

Sie schritten über den Hofplatz, als ihnen eine ältere Dame entgegenkam.

„Ist die Heilerin heute nicht im Haus?", fragte sie.

Salkas Augen füllten sich wieder mit Tränen, Hjalmar drückte sie tröstend an sich.

„Sie ist nicht mehr hier", antwortete Hjalmar mit ruhiger Stimme.

„Oh", sagte die Alte, „wo ist sie denn hin?"

„Das wissen wir nicht."

„Verstehe... Dann muss ich eben zum anderen Heiler", verabschiedete sich die Dame.

Hjalmar spürte die leisen Schluchzer, die dem Körper seiner Frau entkamen. Sie vermisste ihre Freundin schmerzlich und war so sehr um ihr Leben besorgt.

„Wo ist sie bloss?", wimmerte Salka.

Ein weiterer Schluchzer überkam sie und sie hielt sich die Hand an die schmerzende Brust.

Als sie in die Wohnstube traten, begann Hjalmar sogleich das Feuer in der Mitte des Raumes anzumachen. Es war ein kühler Frühlingstag und die dunklen Wolken hingen tief. Es würde später sicher zu regnen beginnen, was die Luft noch weiter abkühlen würde. Seine Frau schlotterte schon so, also wollte er sicherstellen, dass ihr warm genug war. Wenn schon ihr Herz erkaltet war, dann wollte er doch zumindest ihre Glieder wärmen.

Salka setzte sich auf einen der Hocker neben dem anschwellenden Feuer und blickte in die Flammen. Hjalmar legte ihr ein Wolfsfell über die Schultern und schenkte ihr einen Becher der Brühe ein, welche die Freundin Alva für sie zubereitet hatte. Salka murmelte leise vor sich hin, in ihrer eigenen Welt versunken.

Während seine Frau in sich zusammengesunken da sass, tauchte Hjalmar einen sauberen Lappen in den Wassereimer und verschwand in einem der Zimmer. Salka blickte ihm nicht nach, sondern murmelte unentwegt dieselben Worte in sich und die Flammen hinein:

„Bringt ihn mir zurück. Bringt sie mir zurück."

<<<<●>>>>

Seufzend setzte sich Hjalmar auf die Pritsche, auf welcher der regungslose Körper von Rurik lag. Kerzen schimmerten schwach und beleuchteten das dunkle Zimmer nur spärlich. Der junge Wikinger lag seit vier Tagen schwerverletzt und bewusstlos in seiner Liege. Die Stichwunde an seinem Oberkörper war entzündet und leuchtete rot. Es stank im Raum und der Jütländer glühte vor Fieber.

Niemand rechnete mehr mit seinem Überleben. Der Heiler aus der Stadt hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um die Lebensgeister des Verletzten wieder in seinen Körper zu treiben. Er hatte an die Ahnen und die Götter appelliert und ein Opfer in Ruriks Zimmer erbracht. Nichts hatte ihm wieder das Leben eingehaucht. Nur die Gnade der Götter konnte ihm jetzt noch helfen.

Seine blonden schulterlangen Haare klebten klamm an Stirn und Nacken. Er war bleich wie der Schnee im tiefsten Winter, so als ob die Totenblässe sich schon über ihn gelegt hatte - seine Lippen blutleer und seine Wangen eingefallen. Mit einem grossen Bärenfell hatte man ihn zugedeckt.

Loki sass auf dem Boden neben der Liege seines besten Freundes und schnarchte leise. Er sass auf der Erde, die Knie angezogen und den Kopf nach hinten an die Wand gelehnt. Seine Arme ruhten auf seinen Knien. Er war eingenickt, denn die ganze Nacht hatte er neben seinem verletzen Freund verbracht. Er wollte ihm nicht von der Seite weichen, selbst nicht in seinen letzten Stunden.

Die Müdigkeit musste den schmalen Burschen übermannt haben, denn sein Mund war leicht geöffnet und man sah ihm die Strapazen seinem schlafenden Gesicht an. Die Angst vor dem Verlust seines Freundes hinterliess tiefe Furchen auf seiner Stirn.

Behutsam legte Hjalmar den kalten Lappen auf die Stirn des Sterbenden. Er platzierte seine grosse Hand auf Ruriks Brust und fühlte mit Erleichterung den Herzschlag. Noch schlug das Herz unter seinen Rippen, schwach und unregelmässig. Nicht mehr lange und die Walküren würden ihm das Leben aus dem Leib klauben und ihn mit nach Helheim nehmen.

Hjalmar senkte den Kopf und knirschte mit den Zähnen. Das war kein Ende, welches er seinem Schwager je gewünscht hätte. Rurik war ein guter, ehrlicher und nobler Bursche. Er hätte es mehr als verdient, in den heiligen Hallen von Odin empfangen zu werden. Ihn im Strohbett sterben zu sehen war grauenhaft.

„Hör mal", flüsterte Hjalmar seinem verletzten Schwager zu. „Lass die Finger von diesen Walküren. Ich bin mir sicher, sie sind wunderschön und stehen gerade bei dir und wollen dich mitnehmen. Aber lass es! Du hast hier noch Dinge zu erledigen. Du kannst nicht einfach so gehen! Salka braucht dich. Dein kleiner Schnitt da auf der Seite ist doch nur halb so schlimm. Komm schon. Bitte wach einfach auf, ja?"

Rurik lag leblos auf der Liege. Die Augen geschlossen, der Atem flach. Hjalmar musterte sein Gesicht und fragte sich, ob er ihn überhaupt noch hörte, oder ob sein Geist den Körper bereits verlassen hatte.

„Weisst du, ich habe dir nie wirklich gedankt. Dafür, dass du uns diesen Segen an einer Gehilfin zu uns gebracht hast. Mir ist bewusst, dass ich dir Unrecht getan habe, als ich daran gezweifelt habe. Aber sie war eines der besten Dinge, die unserer Familie je geschehen ist. Das war nur dank dir möglich. Ich weiss, wenn du jetzt wach wärst, würdest du mich wie ein Schlitzohr angrinsen, aber gut, dass du das jetzt nicht kannst, dann muss ich dein triumphierendes Gesicht nicht ertragen."

Hjalmar atmete tief ein und liess einen langen, schmerzlichen Seufzer von der Brust.

„Wir vermissen sie sehr, weisst du. Aveline. Wir können sie nicht finden. Ich weiss, du würdest nie damit aufhören, sie zu suchen. Aufgeben ist nicht wirklich dein Ding. ‚Bis wir sie gefunden haben', würdest du mir sagen - ich weiss. Aber wir können nicht mehr, Rurik. Es tut mir Leid, dass wir dir hier nicht gerecht werden. Salka ist am Ende ihrer Kräfte und ich kann sie nicht alleine lassen."

Hjalmar hätte ihn so gerne Fragen wollen, was geschehen war. Wie es dazu gekommen war, dass der Dolch von Aveline neben seinem verblutenden Körper lag und warum und vor allem wohin sie verschwunden war? Vielleicht wusste er ja, wo sie steckte. Vielleicht hatte er etwas oder jemanden noch gesehen. Hjalmar befürchtete, dass diese Fragen für immer unbeantwortet bleiben würden.

Er schniefte leise. Kein Geräusch kam vom Sterbebett, also stand er wieder auf und wollte den Raum verlassen.

Loki wachte durch die Bewegung auf und wischte sich den Speichel vom Kinn. Er streckte sich und strich sich müde durch die blonden Locken.

„Du solltest dich ausruhen", sagte Hjalmar.

„Ich weiss", murmelte Loki.

Als er von Ruriks Zustand erfuhr, war Loki augenblicklich vor der Tür gestanden und hatte verlangt, dass man ihn zu ihm lasse. Er wollte es nicht akzeptieren, dass sein Freund - der beste Krieger in Vestervig und Nordjütland - einfach von einer banalen Stichverletzung sterben könnte.

Nein, das passte ihm nicht in den Kram und so sass er stundenlang neben dem Bett von Rurik und redete ihm eindringlich ein, dass er endlich aufwachen solle und wehe er sei ein Schwächling und würde sich jetzt schon auf die Reise ins Jenseits begeben - ohne an einer Schlacht teilgenommen zu haben. Das ging einfach nicht! Rurik musste mit ihm nach Walhalla kommen. Da gab es keine anderen Optionen. Und wenn es bedeutete, dass er seinen Freund wieder lebendig kloppen müsste, Loki war mittlerweile für alles bereit.

Hjalmar hatte ihn aber davon überzeugt, dass das wilde Rütteln an Ruriks Schultern nichts zur Sache beitragen würde und dass er sich doch einfach in Ruhe neben seinen Freund setzen solle, denn Ruhe war das, was er brauchte. Alles andere könnte ihn nur schneller ins Totenreich befördern.

Loki hatte widerwillig mit dem Schütteln und dem um das Bett Tänzeln aufgehört und sich auf den Boden gesetzt. Seit Tagen sass er nun da und hoffte darauf, dass sein Freund endlich die Lider öffnen würde. Eine Geduldsprobe, die den quirligen Loki fast in den Wahnsinn trieb.

<<<<●>>>>

Salka war von ihrem Hocker an der Feuerstelle aufgestanden und näherte sich vorsichtig dem Krankenzimmer ihres Bruders.

„Ich muss zu ihm", wimmerte sie.

Hjalmar liess sie nickend durch und beobachtete, wie sie sich neben ihren Bruder ins Bett legte und ihm die nassen Strähnen von der Stirn strich. Sie flüsterte ihm liebkosende Worte zu und weinte. Ihre Augen waren gerötet, so viel und so oft hatte sie die Tränen fliessen lassen. Dieser Verlust war unerträglich. Zuzuschauen, wie ihr kleiner Bruder vor ihren eigenen Augen verstarb, war ein Schmerz nicht von dieser Welt.

Salka hatte das bereits einmal in ihrem Leben durchmachen müssen. Mit ihrer eigenen Mutter, die fiebrig und scheusslich verendete, weil sie vom Pferd gefallen war und sich am Schienbein einen offenen Bruch geholt hatte. Die Wunde hatte Tage nach dem Unfall zu eitern begonnen und sie in ein tödliches Fieber geschickt, von welchem sie nie wieder erwachte. Die Kinder - Rurik und Salka - hatten ihrer Mutter bis zu ihrem letzten Atemzug am Bettrand beigestanden.

Leise sang sie das Schlaflied, welches sie ihm in den Tagen nach dem Tod der Mutter immer gesungen hatte, um den damals zehnjährigen Rurik zu beruhigen. Das melancholische Lied wirkte auch auf sie beruhigend.

Ihre Stirn berührte seine Schulter und eine Hand ruhte auf seinem Herzen. Sie schloss die Augen, während sie das beruhigenden Pochen seines schwachen Herzschlags fühlte.

„Bitte, kleiner Bruder. Du kannst noch nicht gehen. Ich flehe dich an! Verlasse uns nicht, wir brauchen dich...", flüsterte sie.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro