16 - Ostermond
Auf der Seine, Westfränkisches Reich
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Rurik stand schweigend am Vordersteven und blickte über das spiegelglatte Wasser. Er musterte die vorbeiziehende Landschaft, während die Männer hinter ihm mit kräftigen Zügen die Ruder ins Wasser stiessen. Sie glitten geräuschlos an einer Trauerweide am Flussufer vorbei, die ihre langen, traurigen Arme ins Wasser tunkte. Häuser mit Steinmauern tauchten an den Flusswindungen auf, die Lichter dunkel, denn die Bewohner schliefen noch tief und fest. Ein Dunstnebel hing über der Wasseroberfläche.
Der Himmel war in ein Dunkelgrau getaucht. Am Horizont breitete sich jedoch langsam aber stetig ein heller, weisser Streifen immer weiter aus. Sachte ging er in ein sanftes blau über. Bald würde die Sonne aufgehen und die hellen Strahlen die Gesichter der Männer wärmen. Erste Vögel waren schon erwacht und begannen mit ihren morgendlichen Balzrufen.
„Rurik?", hörte er hinter sich.
Er drehte den Kopf, um über die Schulter zu spähen und erblickte den jungenhaften Rollo, der in seiner Rüstung etwas steif vor ihm stand. Seine Haare waren vom Schlaf noch zerzaust.
„Was willst du?", fragte Rurik strenger, als er es gewollt hatte.
„I-ich wollte mit dir über eine Angelegenheit sprechen", stotterte der Junge.
Rurik seufzte. Sein Atem verdunstete in der frühen Luft zu einem grauen Nebel vor seinem Gesicht.
„Was ist es dieses Mal? Soll ich dir nochmal zeigen, wie man einen Schwerthieb mit dem Schild pariert, ohne dass man dabei in die Knie gezwungen wird?"
„Nein. Es sind keine Lektionen über Kampftechniken, um die ich dich bitten wollte. I-ich... Man hat mir gesagt, du seist sehr bewandert in... naja... in... Frauenangelegenheiten."
Rollo räusperte sich, um den Kloss in seinem Hals loszuwerden, während Rurik sich ihm zuwandte. Das war jetzt nicht unbedingt der beste Zeitpunkt, um über Weiber zu sprechen - mitten auf einem Fluss in einem fremden Land, in welches sie erst kürzlich eingefallen waren. Insbesondere kurz vor ihrer nächsten Landung und möglicherweise kurz vor ihrer ersten Schlacht. Rurik fragte sich, was durch den Kopf dieses unerfahrenen Burschen gegangen sein musste, dass er dachte, dies sei der richtige Moment für sowas.
„Wer hat dir diesen Schwachsinn wieder erzählt?", fragte Rurik genervt.
„Loki."
Rurik verdrehte die Augen. Natürlich hatte ihm sein bester Freund das wieder einmal eingebrockt. Es war ja nicht so, dass Rurik schon genug zu tun hatte, den ganzen Tag mit diesem kleinen Fohlen an den Fersen auf Plünderung gehen zu müssen, jetzt wollte der Schlegel auch noch seinen Rat. Und das in einer Angelegenheit, in der er erst einmal reinwachsen musste. Ihm wäre es lieber gewesen, der Junge hätte ihn über Ragnars Schlachttaktiken ausgefragt.
„Der erzählt gerne dummes Zeug. Schenk' dem keinen Glauben, Rollo", winkte Rurik ab.
„Bitte, mein Hauptmann. Es ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich will meine Frau nicht nochmal enttäuschen, wenn ich zurückkehre", stammelte Rollo.
Rurik hörte die Verzweiflung in seiner Stimme und seufzte laut.
„Enttäuscht? Du hast es wirklich geschafft, Torvi zu enttäuschen?", fragte er.
Rollo nickte verlegen und zeichnete mit seiner Schuhspitze geniert Kreise auf den Schiffsboden. Rurik warf seine Stirn in Falten. Es brauchte ja schon viel Versagen, um eine Frau gleich zu enttäuschen. Der Skagener blickte etwas nervös um sich, denn er befürchtete, dass jemand ihrem Gespräch, was ihm doch sehr peinlich war, folgen konnte. Aber Loki hatte die beiden bereits gehört und gesehen und so gesellte er sich zu ihnen an den Vordersteven, breit grinsend. Seine Arme stützte er in die Hüfte und ein Bein stellte er lässig auf eine Kiste.
„Na, hat er dir schon gesagt, wie man die Weiber zum Singen bringt?", lachte Loki und klopfte auf die schmalen Schultern des Skageners.
Dieser sackte bei dem Schlag fast in sich zusammen und schüttelte den Kopf. Seine Rüstung klapperte dabei.
„Noch ist er nicht mit seinen Geheimnissen rausgerückt", meinte Rollo und blickte hoffnungsvoll Rurik ins Gesicht.
„Komm schon du Witwentröster! Jetzt rück mal raus mit deinen Geheimnissen", neckte Loki seinen Freund. „Du sollst doch nicht der einzige kleine Wüstling in Vestervig bleiben. Weih uns ein! Öffne uns das Tor zur geheimnisvollen Frauenwelt!"
Rurik stiess einen kurzen Lacher aus. Ein Wüstling war er seit einer Weile schon nicht mehr, aber das wusste sein bester Freund nicht. Er wollte mit einer Antwort kontern, da hörten sie ein Poltern hinter sich.
„Das will ich mir auch nicht entgehen lassen! Lasst mich hinein in den Kreis der Weiberer!", grölte Kjetill, der sie gehört hatte und sich über die Bänke zwischen den Ruderern hindurchzwängte.
Rollo stiess einen verzweifelten Seufzer aus. Wenn das so weiterging, dann erfuhr bald das gesamte Schiff mit Besatzung von seinem Versagen im Ehebett. Kjetill blieb neben Loki stehen und platzierte seine Hand auf Rollos kleinem Hinterkopf. Dieser schlug seinen Arm genervt weg.
„Lass das, Kjetill. Mir ist es ein ernstes Anliegen, wirklich", murrte Rollo.
Der dünne Riese lachte kehlig.
„Ja, mir auch! Also, Rurik, schiess los", sagte er und blickte dem Hauptmann herausfordernd in die Augen.
Rurik verschränkte die Arme vor sich. Er wollte nicht vor so viel Publikum mit seinen Kenntnissen rausrücken und insbesondere nicht vor diesem Monster: Kjetill. Was verstand der schon von Frauenbedürfnissen - gar nichts.
„Vergesst es. Ihr müsst das schon selbst herausfinden", knurrte er und wollte sich schon wieder umdrehen.
„Das habe ich versucht, Rurik, und ich bin kläglich daran gescheitert", murmelte Rollo. „Ich bitte dich, gib mir doch einfach einen Rat. Nur einen! Den besten, den du hast!"
Rurik verdrehte die Augen abermals. Er hatte wirklich keine Lust darauf, seine Geheimnisse zu verraten. Kjetill grinste in Rollos Richtung und wandte sich dem verzweifelten Burschen zu.
„Also wenn der gute Frauenflüsterer Rurik nicht damit rausrückt, dann kannst du dir freilich einen Rat bei mir holen. Kostet auch nichts! Also, hör mal her", sagte er und donnerte seine grosse Hand auf Rollos Schulter, so dass die Rüstung wieder klapperte. „Bei mir funktioniert Folgendes immer gut: Wenn du sie unter dir liegen hast, spuck dir einmal auf den Schwanz, dann rutscht's besser."
Kjetill grinste breit, während Rollo den schlanken Hünen entsetzt anblickte, seine Augen weit aufgerissen.
„W-was? Mich selbst anspucken?!", stiess er hervor.
„Sich vollrotzen?!", fragte Loki dazwischen.
Rurik schüttelte wütend den Kopf.
„So ein Schwachsinn!", knurrte er.
„Was? Überhaupt nicht! Hab's selber herausgefunden!", meinte Kjetill.
„Ja, natürlich! Wenn du denkst, du könntest eine Frau mit deinem Schwanz erstechen und der Rest erübrigt sich dann von selbst. Genau gar nichts hast du herausgefunden", entgegnete Rurik genervt.
Kjetill gefiel der missfällige Tonfall von Rurik überhaupt nicht und er verschränkte die Arme ebenfalls vor sich. Die zwei funkelten sich an.
„Ah ja, ist das so?! Dann sag uns doch, wie du es gemacht hast, als du die kleine Heilerin gevögelt hast. Das hast du doch, nicht wahr? Den Ring, den du mit dir trägst ist eindeutig ihrer. Ich durfte ihn mir ja auch schon etwas genauer anschauen. Leider hat sie mich nicht rangelassen, die kleine Hure", dröhnte Kjetill.
Ruriks Körper spannte sich an. Der blonde Hüne hob sein Kinn arrogant in die Luft und fuhr fort:
„Du warst ihr Erster, hab ich recht? Dann sind die Weiber doch immer so nervös und zittrig unter dir, weil sie sich vor den Schmerzen fürchten. Hat sie geweint, als du sie erdolcht hast? Oder warst du ganz sanft und lieb? Hat sie deinen Namen zärtlich geseufzt? Sag schon, allwissender Rurik! Wie kann man denn einer Jungfer den Schoss wärmen?"
Rurik ballte die Hände zu Fäusten und schwieg. Loki erkannte die Wut im Gesicht seines Freundes. Das war überhaupt kein gutes Zeichen, denn seine Zornesader trat deutlich auf der Stirn hervor und pulsierte im Takt seines wütenden Herzschlages.
„Hat sie lächelnd in deinen Armen gelegen, weil du ihr eine ganz neue Welt eröffnet hast?", fuhr Kjetill in seinen Provokationen fort.
„Kjetill, ich glaube, du solltest —", wollte Loki sagen, aber da war es schon zu spät.
Rurik knallte seine Faust in Kjetills Gesicht, der sogleich rückwärts auf die Ruderbänke fiel.
„Halt deine Fresse!", brüllte Rurik ausser sich.
Die anderen Männer auf dem Schiff blickten wegen des Radaus irritiert in ihre Richtung. Kjetill raffte sich wieder auf und hob die Hände, so als sei er das Unschuldslamm. Er blutete an der Unterlippe und strich sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
„Wunder Punkt, wie es scheint", sagte er. „Aber irgendwas musst du ja falsch gemacht haben. Warum sonst ist sie gegangen?"
„Ich habe gesagt, halt deine Fresse!", bellte Rurik und bäumte sich vor ihm auf.
Ein wölfisches Grinsen formte sich auf Kjetills Gesicht. Er spürte, dass seine Sticheleien Wirkung zeigten.
„Wo ist sie eigentlich hin? Weiss man das? Ich vermute, die tanzt gerade den Liebestanz mit jemand anderes - wenn sie denn noch lebt."
Rurik wollte schon auf Kjetill stürzen, da hielten ihn Loki und Rollo mit aller Kraft zurück, die sie mit ihren schmalen Körpern gegen den starken Hauptmann aufbringen konnten.
„Nicht jetzt, Rurik", keuchte Loki. „Auf dem Schlachtfeld kannst du es ihm zurückzahlen."
„Lasst mich los!", brüllte er.
„Rurik! Vergiss nicht, du bist hier der Hauptmann! Reiss dich zusammen!", rief Loki.
Rollo liess von Rurik ab und wandte sich Kjetill zu.
„Du gehst jetzt besser", meinte er.
Kjetill drehte den drei Männern am Vordersteven zufrieden den Rücken zu und setzte sich in den hinteren Teil des Schiffes. Für heute hatte er genug angerichtet. Rurik funkelte ihn von Weitem wütend an. Loki rüttelte seinen Freund wieder zurück zur Vernunft. Dieser schubste ihn unsanft von sich.
„Lass mich", knurrte Rurik.
„Beruhig dich wieder!", fauchte Loki.
„Ich bin ruhig!"
„Von wegen!"
Rollo wartete, bis die zwei keifenden Jungs sich wieder zusammengerissen hatten und sich die Kleidung von der Rauferei abklopften. Dann räusperte er sich und blickte gespannt auf den Hauptmann, denn seine Frage war noch unbeantwortet geblieben. Er erwartete, dass man seinem Anliegen doch noch nachkommen würde, trotz des kleinen Vorfalls von eben.
„Wenn du mir einfach einen Rat geben könntest, deinen Besten, dann lasse ich dich auch wieder in Ruhe", murmelte Rollo leise.
Rurik wandte seinen Blick vom Monster in der Ferne ab und richtete seine funkelnden Augen auf den Knirps vor sich.
„Dein Ernst?", knurrte er.
„Absolut", antwortete Rollo ohne zu zögern.
„Ihr Skagener seid auch die stursten Menschen, die ich kenne."
„Ja, unser Ruf eilt uns voraus", meinte Rollo mit einem schiefen Lächeln.
„Also gut. Du willst einen Rat?! Dann hör gut zu, Bürschchen. Wenn du deine Frau glücklich machen willst, dann tu verdammt nochmal alles, was in deiner Macht steht, um das möglich zu machen! Zeige ihr jeden Tag, wie wichtig sie dir ist. Hast du verstanden?!"
Rollo blinzelte überrascht und schien sodann zu überlegen. Loki kniff deutlich verwirrt die Augen zusammen.
„Warte mal. Was hat das jetzt mit Beischlaf zu tun?", fragte der Lockenkopf.
„Ja, das habe ich mich auch gerade gefragt", gestand Rollo.
Rurik verwarf die Arme.
„Bei Freya, was wollt ihr noch?! Soll ich euch ausführlich beschreiben, wie man eine Frau beglückt?"
„Ja, das wäre passend. Schritt für Schritt, bitte", nickte Loki grinsend.
„Also du musst nicht gerade in alle Tiefen abtauchen... aber ich habe schon etwas mehr... Ausführungen erwartet", sagte Rollo und errötete ein bisschen.
„Ihr raubt mir noch den Verstand, also wirklich! Ihr könnt es einfach nicht lassen, was?"
Loki schüttelte den Kopf, was Rollo ihm gleich tat.
„Wenn ich euch ein Geheimnis verrate, lasst ihr mich dann wieder in Ruhe?"
„Ja, versprochen!", grinste Rollo.
„Kommt drauf an, wie lange du in Ruhe gelassen werden möchtest", meinte Loki.
„Loki!", warf Rollo ein, bevor Rurik was entgegnen konnte. „Es war mein Anliegen, also: Ja, natürlich lassen wir den Hauptmann in Ruhe, wenn er das wünscht. Und jetzt, bitte, Rurik, verrate mir, was kann ich machen?"
„Also gut. Da gibt es etwas, das ich euch Anfängern verraten kann. Hört gut zu, denn ich sage es euch nur ein einziges Mal..."
Die zwei jungen Männer guckten einander aufgeregt an und horchten den Worten des allwissenden Hauptmannes. Rurik hob den Finger in die Luft, so als wären die Dinge, die gleich aus seinem Munde kamen, in Weisheit getaucht worden.
„Wenn sich ein Mädchen dazu überwunden hat, sich vor euch zu entblössen, dann behandelt ihren Mut mit dem höchsten Respekt und der allergrössten Zurückhaltung, die ihr aufbringen könnt."
Die Jungs blinzelten verwirrt.
„Und... wie macht man das?", fragte Loki. „Wenn die splitterfasernackt vor mir steht, dann will ich sie doch nur noch anspringen."
„Ja, genau", bekräftigte Rollo.
Rurik schloss die Augen und atmete tief ein.
„Hemmt eure Flamme der Lust, die euch zwischen den Beinen lodert. Überfällt sie nicht damit, sondern geht sachte und sanftmütig mit ihr um. Berührt ein Mädchen nie so wie ihr euer Pferd oder euren Kameraden greifen würdet. Ihr müsst euch in eurer Grobheit gehörig zügeln", fuhr er fort.
„Hm...", sagte Loki und verschränkte die Arme.
„Verstehe, verstehe", murmelte Rollo und strich sich übers Kinn.
Rurik erkannte sofort, dass die beiden nicht verstanden, was er meinte. Es war offensichtlich. Sie waren zwei hoffnungslose Fälle, aber dennoch wollte er ihnen etwas ans Herz legen.
„Stellt es euch wie ein rohes Ei vor."
Lokis Augenbrauen jagten in die Höhe.
„Also echt jetzt! Ich dachte, du gibst uns einen guten Rat, wie wir zu besserem Beischlaf kommen und jetzt sprichst du von rohen Eiern? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?!", fragte er sichtlich verwirrt.
„Lass den Mann reden!", donnerte Rollo, der unbedingt wissen wollte, was ihm Rurik da Geheimnisvolles verraten wollte.
„Ihr zerdrückt ein rohes Ei ja nicht mit der baren Faust, oder? Es würde unter eurer Kraft zerbrechen. Genau so müsst ihr es mit der Haut einer Frau tun. Streicht über ihre zerbrechliche Schale. Berührt sie so, als ob ihr einem Vogel über die zarten Flügel streichen würdet. Wandert mit euren Fingern über jede Form ihres Körpers. So als ob ihr mit eurer Hand auf Entdeckungsfahrt seid und jede Woge, jedes Ufer, jede Bucht dieses Ozeans erkunden und bewundern wolltet."
Loki kniff die Augen zusammen. Er schien sich das gerade bildlich vorzustellen. Rollo strich sich noch immer übers flaumige Kinn während Rurik fortfuhr:
„Nähert euch erst dann der Liebeshöhle, wenn ihr sicher seid, dass ihr über jede Wölbung gefahren seid, dass ihr jeden Geruch eingeatmet und jeden Geschmack gekostet habt, den ihr auf eurer Seefahrt in die Schlucht des Glücks habt sammeln können. Und erst dann wagt ihr euch in die warme Mitte vor. Ich verspreche euch, dann werdet ihr mit Freuden empfangen und der Rest erledigt sich fast von selbst."
Loki kratzte sich am Kopf und schien über die Worte von Rurik nachdenken zu müssen. Rollos Augen weiteten sich, so als ob er es verstanden hatte. Seine Wangen glühten rot in der morgendlichen Luft. Das Thema erzeugte bei ihm nicht nur Kopfschmerzen, sondern regte auch seinen Blutfluss an.
„Oh", stiess er aus, „das muss es gewesen sein. Ich bin mit weit gehissten Segeln in die Höhle gestochen. Wenn man das so sagen kann."
Loki kicherte drauf los und auch Ruriks Mundwinkel sprangen in die Höhe. Ein typischer Anfängerfehler hatte der junge Bursche begangen. Einen Fehler, der kein Mann mehr begehen würde, der bereits Erfahrungen im Liebeswirbel hatte sammeln können.
„Das nächste Mal nimmst du lieber zuerst einen Umweg über die Hügel des Entzückens", lachte Rurik.
„Und wann kommt das Spucken?", hakte Loki nach, denn er wollte sichergehen, dass er alles richtig verstanden hatte für den unwahrscheinlichen Fall, dass irgendwann einmal ein Mädchen ihn an sich ranlassen würde.
„Vergiss das! Das brauchst du dann nicht. Das garantiere ich dir", antwortete Rurik.
„Gut, weil ich fände das irgendwie ekelhaft", meinte Loki sichtlich erleichtert.
„Eine Frage habe ich aber noch", warf Rollo ein.
„Was ist denn jetzt noch nicht klar?!", seufzte Rurik.
„Wie merke ich, dass es ihr gefällt? Ich meine, die Abenteuerfahrt über ihren Körper und so."
Rurik schmunzelte, denn das war durchaus eine berechtigte Frage.
„Schau ihr in die Augen und du wirst wissen, ob es ihr gefällt, was du tust. Ein gieriger Schimmer sollte darin liegen. Lass die kleine Lohe mit deinen Berührungen zu einer riesigen Feuerbrunst anwachsen, so dass sie es kaum noch erwarten kann, dich zu empfangen."
„Das klingt alles ganz machbar... Aber —", begann Rollo.
„Aber?", fragte Rurik und verschränkte die Arme vor sich.
„Aber das ist doch die reinste Qual!", stiess Rollo aus. „Sich so lange zurücknehmen zu müssen!"
Rurik schmunzelte abermals.
„Ja, das stimmt. Es erfordert einiges an Selbstkontrolle. Die Frage ist aber, was dich zufriedener macht, Rollo? Dass du dich befriedigt fühlst, oder dass du sie glücklich machen konntest?", fragte Rurik zurück.
Rollo schwieg und Loki war ebenfalls ganz verstummt. Dieses Thema schien für die beiden ein unerforschtes Mysterium zu sein und für eine ganze Weile noch ein solches zu bleiben.
„Wenn sie glücklich ist, dann solltest du das doch augenblicklich auch sein, oder etwa nicht?", fügte Rurik an, als er von den beiden keine Antwort erhielt.
Rollo nickte langsam. Es schien, als verarbeite er noch immer, was ihm da gerade offenbart wurde.
„Ja, du hast recht. Mein Glück sollte von ihrem abhängen. Deine Worte werde ich mir zu Herzen nehmen. Ich danke dir für deinen Rat, Rurik! Ich werde dir berichten, ob es Anklang gefunden hat", meinte Rollo.
„Oh, bitte, nein! Das brauchst du nicht", schüttelte Rurik schnell den Kopf.
Die drei Männer lachten. Loki und Rollo setzten sich wieder auf die Ruderbänke und warteten wie alle anderen, gespannt darauf, dass das Schiff wieder irgendwo an Land gehen würde, damit sie ihr Plünderungsabenteuer fortführen konnten.
...
Rurik hatte sich wieder der Landschaft zugedreht und schwebte in seinen eigenen Gedanken. Die Neugierde seiner zwei Freunde belustigte ihn doch sehr. Gleichzeitig aber erinnerten sie ihn schmerzlich daran, was er selbst verloren hatte.
In seinen Händen drehte er unablässig den Sigurdson-Ring, der ihr gehört hatte. Was würde er dafür geben, noch ein letztes Mal in ihre Augen blicken zu können, sie in seinen Armen halten zu dürfen und ihre Haut mit seinen Lippen kosten zu können. Alles, was ihm davon blieb, waren die Erinnerungen an diese eine Nacht, die er mit ihr verbringen durfte. Dieser unvergessliche Moment, in welchem sie ineinander verschmolzen waren und es das Schönste auf der Welt gewesen war. Bei all den Frauengeschichten hatte er immer gedacht, er wäre abgestumpft, aber sie hatte eine unglaubliche Sehnsucht in ihm geweckt. Noch nie in seinem Leben hatte er jemanden so sehr geliebt, wie sie.
Er seufzte laut und stiess einen weiteren Dunstnebel vor seinem Gesicht aus. Das war jetzt alles Vergangenheit. Es war verloren. Sie war nicht mehr da - wegen ihm.
Immer wieder holten ihn diese schrecklichen Gedanken ein. Die Sorge darüber, was mit ihr geschehen sein könnte und wo sie bloss stecken könnte. Immer dann, wenn er sich nicht mehr mit Tätigkeiten und Aufgaben von der traurigen Realität ablenken konnte, plagten ihn die schlimmen Vorstellungen.
Was würde er jetzt dafür geben, zu wissen, dass sie wohlauf war. Dass sie in Sicherheit war und ein neues, schönes Leben irgendwo an einem besseren Ort auf dieser Welt führte. An einem Ort, wo es ihn nicht gab und wo wahrscheinlich ein anderer Mann an ihrer Seite war. An dem Platz, den eigentlich er hatte einnehmen wollen.
Er band sich die langen Strähnen aus dem Gesicht und rieb sich die Hände warm. Vor ihnen erhob sich am Ufer eine Kleinstadt, die sie ansteuern wollten. Es war Zeit für den nächsten Angriff und für Rurik bedeutete das einmal mehr, alle Kraft dafür aufzuwenden, seine Männer vom Töten und Schlachten abzuhalten.
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