21. Ein Streit
Ich war noch ganz benebelt vom Gedanken, Mutter zu werden. Ich spürte zudem, dass es Tay ähnlich ging. Im Untergeschoss hörte ich, wie meine Grossmutter mit den Schlüsseln klapperte. Draussen bellte der Hund der Nachbarin. Ein Rasenmäher stotterte. Alles war so wie immer und doch... und doch war etwas anders. Tay schaute mich an. »Alles in Ordnung?» «Ja, ich habe nur überlegt. Aber wir sollten die Tests besser verschwinden lassen. Ich habe gerade meine Grandma in der Tür gehört.» Er nickte und sammelte die Tests ein. Er hielt inne, überlegte und steckte sie in die Gesässtasche. Ich grinste ihn an. »Was willst du mit zwei Fieberthermometern in der Hosentasche?» «Sie in dein Zimmer bringen. Dort findet sie deine Grossmutter doch nicht so schnell oder?» Ich nickte. Das stimmte. Grandma war der Meinung, da ich in der Oberstufe war, konnte ich ebenso gut mein Zimmer selbst aufräumen und putzen. Es war so sehr selten, dass meine Grandma in meinem Zimmer war.
Er grinste mich an und huschte aus dem Bad und in mein Zimmer. Ich hörte die Stufen knarren und nahm rasch eine Bürste zur Hand, wobei ich so tat, als ob ich dabei wäre, mein Haare zu bürsten. Grandma kam ins Bad. »Deine Eltern haben gerade angerufen, sie lassen dich ganz lieb grüssen und meinen, dass sie dieses Wochenende zu Besuch kommen werden.»
Ich erstarrte. Am Wochenende sollten meine Eltern kommen? Das würde Ärger geben. Ich nickte hölzern und sagte leise: »Danke. Das ist lieb. Ich freue mich schon auf sie. Ich gehe jetzt in mein Zimmer ja? Tay wartet.» Sie lächelte. »Ich ruf euch dann, wenn es Abendessen gibt ja?» «Danke, das wäre gut.» Sie strich mir über den Kopf und ging wieder die Treppe runter. Ich legte die Bürste wieder in meinen Spiegelschrank und ging langsam in mein Zimmer.
Als ich die Tür öffnete, sah ich, dass Tay sich auf mein Bett gelegt hatte, die Hände im Nacken verschränkt, wobei er mich schalkhaft angrinste. Als er sah, wie ich guckte, runzelte er die Stirn, nahm die Hände vom Nacken, schwang die Beine vom Bett und breitete die Arme aus. Ich stürzte mich in seine Arme. »Was ist denn los?», fragte er leise. »Meine Eltern kommen am Wochenende.», sagte ich leise. Er musterte mich von der Seite und fragte: »Was ist daran so schlimm?» Ich hob den Kopf und murmelte:» Es gibt ein kleines Problem an ihrem Besuch. Wenn mir währenddessen häufiger Schlecht wird, wissen sie genau was los ist. Ausserdem bin ich schon im zweiten Monat... Mum ist nicht dumm, sie wird wissen, was los ist. Das gibt einen riesen Krach.» Er drückte mich kurz und fragte: »Soll ich dieses Wochenende bei dir schlafen?» Ich nickte. Er grinste und meinte: »Na, dann müssen wir nur noch deine Grandma fragen, ob sie einverstanden ist.»
Am Samstag wachte ich auf. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Ich wandte den Kopf und sah Tay neben mir liegen. Er schlief noch selig. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust, den Arm hatte er beschützend oder wärmend um mich gelegt. Auf der anderen Seite war die Wand. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich an die Wand gelegen wäre. Offenbar hatte er mich hinübergeschoben. Ich erhob mich langsam und spürte den altbekannten Schwindel aufkommen. Das war schon seit zwei drei Tagen so. Nichts Beunruhigendes. Tay wachte auf und blinzelte verwirrt. »Guten Morgen», krächzte er. Ich beugte mich vor und küsste ihn auf die Stirn. »Morgen», flüsterte ich dabei. Ich hörte meine Grossmutter im Nachbarzimmer husten. Ich lächelte und entschuldigte mich leise bei Tay, da ich ganz dringend auf die Toilette musste. Mir war nämlich schon wieder schlecht. Ich wusste jedoch, dass in einer halben Stunde meine Eltern hier ankommen würden. Also musste ich mich beeilen.
Tay kam gleich mit. Wir versuchten, uns möglichst nicht im Weg zu stehen, aber da es eilte, konnte Tay nicht nach oder vor mir ins Bad. Ich hörte, wie meine Grossmutter den Tisch in der Küche deckte. Ich horchte ausserdem auf, denn ich hörte, wie ein Auto die Einfahrt einbog. Tay lächelte mich im Spiegel an und trat einen Schritt zurück, wobei er mich musterte. Ich hatte meine braunen Augen betont, indem ich hellbraunen Lidschatten und einen Goldfarbenen Eyliner benutzt hatte, sowie die Wimpern getuscht. Mein braunes Kleid schmiegte sich genau an den richtigen Stellen an mich, um das Babybäuchlein zu verbergen. Ich ging hinunter um meine Eltern zu begrüssen. Meine Grossmutter öffnete die Tür und lächelte. Meine Mutter stieg aus und musterte mich, während mein Vater bemüht war, das Auto zu parkieren, ohne Grandmas Begonien in Mitleidenschaft zu ziehen. Dad war nach wie vor ein fürchterlicher Parkierer. Ich freute mich wirklich, meine Eltern zu sehen. »Amy!», rief Mum überschwänglich und schloss mich in ihre Arme. Dabei streifte sie meinen Bauch und ich musste es mir stark verkneifen, nicht zu knurren. »Hallo Vögelchen.», rief mein Dad liebevoll. Ich lächelte ihn über die Schulter von Mum an.
Das Essen verlief ohne grosse Zwischenfälle. Tay hatte sich aus dem Haus geschlichen, um meinen Eltern keinen Schock zu verpassen und wollte warten, bis wir fertig mit dem Essen waren. Kaum hatte ich die letzte Gabel heruntergeschluckt, klingelte es an der Tür. Grandma schaute mich an. »Ist wahrscheinlich für dich. Geh doch kurz nachsehen.»
Ich nickte und stand auf. An der Tür begrüsste ich Tay. Er folgte mir in die Küche und blieb gespielt verunsichert in der Tür stehen. Meine Mutter schaute ihn irritiert an und Dad verschluckte sich an seinem Kaffee. »Wer ist denn das?», fragte er in genau dem selben strengen Ton, der besagte, dass er mich beschützen würde, wenn es sein müsste, sobald er den Hals wieder frei hatte. Ich meinte nur: »Das ist Tay, mein Freund.» Dad musterte ihn misstrauisch. Sein Blick fiel auf das Tattoo, dessen unteren Rand man gerade so unter dem T-Shirtärmel hervorblitzen sah. Ich merkte sofort, dass meine Mutter weniger misstrauisch war als Dad. Sie lächelte ihn freundlich an und meinte: »Ich hoffe, du gibst auf meine Tochter gut acht Tay Hummingbird.» Er schaute sie nun sehr irritiert an. Er hatte seinen Namen noch nicht einmal genannt.
»Ich kenne deine Mutter sehr gut weisst du, wir waren zusammen in der Schule. Und du ähnelst ihr sehr.» Tay wurde rot und schaute mich unsicher an. Ich grinste nur. Das war typisch Mum. Sie hatte eine einzigartige Art, jemanden zu verunsichern. Mein Dad musterte Tay immer noch. Grandma griff nun ein und wies meinen Dad zurecht.» Jetzt beruhig dich mal. Ich kenne Tay seit er klein ist. Er würde deiner Tochter nie weh tun. Wenn es so etwas wie einen Freund gibt, der sie beschützen kann, dann er.» Mum hob den Kopf und fragte Grandma auf Cherokee: »Gehört er etwa dazu? Dass du dir so sicher sein kannst? Ich meine, wir können nicht sicher sein, wann es bei ihr soweit ist. Ein Mensch wäre immer in Gefahr.»
Grandma lachte: »Frag ihn doch. Ich darf dir diese Frage nicht beantworten.» Tay wandte Mum den Kopf zu. Er schloss kurz die Augen und schlug sie wieder auf. Seine Augen waren die eines Wolfes. Dann hob er kurz die Oberlippe und die Reisszähne kamen für einen kurzen Moment zum Vorschein. Meine Mutter schaute ihn an und nickte kaum merklich. Tay schloss die Lippen und die Augen noch einmal. Als er sie wieder aufschlug, war nichts mehr davon zu merken.
Leider hatte Dad diese Kurzverwandlung mitbekommen. Er starrte Tay entsetzt an und wollte mich zu sich ziehen. Ich hob den Kopf, zog meine Lippen zurück und knurrte warnend. Tay packte mich rasch, aber sanft am Arm. »Amy! Nicht!» Ich schüttelte den Kopf und erschrak. Mein Dad starrte mich an, als ob er mich noch nie so klargesehen hätte. »Was ist hier los?», fragte er leise, wobei er Tay nicht aus den Augen liess.
Ich schaute fragend Tay an und bat ihn mit den Augen es meinem Vater zu zeigen. Tay nickte und trat einen Schritt zurück. Meine Grandma verstand und zog meine Mum zu sich zum Abtropfbrett. Ich senkte den Kopf, schloss die Augen und atmete tief ein. Ich spürte, wie mir die Schauer über den Rücken liefen. Mein Körper fiel vornüber. Dad schrie und wollte zu mir laufen. »Nein! Gehen Sie nicht näher. Bleiben Sie wo Sie sind!», warnte Tay. Ich lächelte grimmig und spürte, wie sich mein Körper veränderte. Ich hob den Kopf wieder und spürte, wie Tay eine Hand auf meine Schulter legte. Dad starrte mich immer noch an. Meine Mutter schnappte nach Luft und liess mich nicht aus den Augen.
Ich verschwand kurz im Zimmer und zog mich, als ich mich zurückverwandelte, wieder an. Als ich zurück in die Küche kam, herrschte verunsichertes Schweigen. Meine Eltern sahen mir nicht in die Augen. Als meine Mutter dann doch den Blick hob, blieb ihr Blick an meinem Bauch kleben. Ich erstarrte und senkte den Blick. Da ich mich so beeilt hatte, hatte ich nicht aufgepasst, was ich anzog und hatte ein Kleid angezogen, das genau den Bauch betonte, klar, es war noch nicht wirklich was zu sehen, doch wer genau hinsah, sah eine winzige Wölbung. Ich schaute zu Tay. Er schaute mich an, wobei ich förmlich hören konnte, wie er dachte: »scheisse, das gibt Ärger.»
Meine Mutter holte tief Luft und fragte: »Willst du uns etwas erzählen Amelya?» Mein Vater schaute nun auch auf. Als er sah, was meine Mutter meinte, verfärbte sich sein Gesicht rot.
Meine Grossmutter strich mir über den Arm. Ich schaute sie an. Sie lächelte mich mit funkelenden Augen an. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie hatte es schon gerochen. Grandma ergriff das Wort, bevor ich auch nur einen Ton von mir geben konnte. »Lass sie das entscheiden, ob sie es dir sagt und was sie tut.» «Sie ist nicht volljährig Mutter!», rief meine Mutter wütend.
Ich trat einen Schritt vor. »Wir haben es auch erst vor kurzem erfahren. Wie hätte ich es mit dir bereden können, wenn ich es noch nicht mal selbst begriffen habe? Ausserdem...» Ich schluckte nervös. «Ausserdem ist es unsere Entscheidung und nicht deine.» Sie schnappte empört nach Luft. »Du bist nicht volljährig! Du kannst das nicht selber entscheiden!» Ich schaute sie an. »Eigentlich doch. Ich werde in zwei Monaten 18. Wenn ich das Baby bekomme, bin ich von Rechts wegen erwachsen. Ich kann das selber bestimmen.» Meine Grossmutter lächelte. »Da hat sie Recht. Und denk dran, auch du hattest damals die Wahl Liebes.» Meine Mutter wirkte nun noch verstimmter. »Wenn das so ist...», sie liess den Satz unvollendet und stand auf. Mein Vater schaute von mir zu ihr und wirkte sehr überrumpelt, dass sie gehen wollte.» Da ich bei meiner eigenen Tochter gar nichts mehr zu melden habe, werde ich nun gehen. Ich hoffe, du findest deinen Weg, Amy...»
Mit diesen Worten rauschte sie aus der Küche und schlug die Haustür zu. Ich hörte den Kies unter ihren Schuhen knirschen und wie die Autotür zuschlug. Mein Vater erhob sich: »Nun, Amy. Ich bin zwar auch nicht gerade glücklich über deine Entscheidung, aber du hast Recht. Es ist die deine. Vergiss nie: ich liebe dich, aber wenn deine Mutter gehen will...» Ich nickte nur. Es war mir klar gewesen, dass es so herauskommen würde.
Mum rastete immer total aus, wenn sie überfordert oder überrumpelt war. In solchen Situationen nahm sie meist Reissaus und kam erst nach einer Bedenkzeit wieder. Mein Dad war in solchen Situationen derjenige, der versuchte, meine Mutter zu beruhigen und den Kollateralschaden ihrer Launen so gering wie möglich zu halten.
Grandma verzog nur missbilligend den Mund und musterte meinen Vater. Sie murmelte: »Er hat sich eine zu starke Frau ausgesucht.» Tay nahm mich in die Arme. »Es tut mir leid, Amy.» Ich hob den Kopf. Was tat ihm leid? Als ob er meine Gedanken gehört hätte, antwortete er mir, indem er murmelte: »Das alles hier. Ich habe dir die Möglichkeit genommen, ein normaler Teenager zu sein. Nun ja, so normal, wie ein Werwolf nur sein kann.» Ich brauchte einige Sekunden, bis ich begriff, von was er sprach. Er redete doch tatsächlich davon, dass er mich geschwängert hatte! »Das muss dir nicht leidtun, Tay. Die Verantwortung lag damals genauso bei dir wie bei mir. Ich hätte auch aufpassen können.»
Er grinste gequält auf mich herunter. Ich schlang meine Arme um ihn. »Du bist einfach unmöglich.» Als er den Kopf senkte, um mir in die Augen zu schauen, hielt ich ihn in seinem Nacken fest, damit er nicht wegkonnte. Dann sagte ich das, was ich dachte: »Es ist mir gleich, wenn meine Eltern auf mich sauer sind. Das sind sie nämlich immer mal wieder. Aber du bist mir wichtiger, als das Mum zufrieden mit meinen Entscheidungen ist... was ich sagen möchte ist...» Doch genau in diesem Moment schlug draussen ein Wolf Alarm.
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Hallo zusammen :-)
Wie findet ihr Amys Mutter?
Ich weiss, sie sendet total gegensätzliche Signale, aber vor der Korrektur war's weit schlimmer *beschämt erröt*
Ich bedanke mich auch recht herzlich bei den Lesern, die sich die Zeit nehmen diese Geschichte zu lesen und das, obwohl mein jüngeres Ich damals soviel unlogisches fabriziert hat.
Fühlt euch gedrückt
Moon
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