Kapitel 60
Bei Fremden
Ge. 03- Kapitel 60
»Ich will bloß mit dir reden«, wiederholte sich Nils und ich verdrehte die Augen. Darauf hatte ich keine Lust. »Ich aber nicht. Kapierst du nicht, dass ich kein bock auf dich habe? Wie kann man so niedrig gesunken sein wie du? Dass du es auch noch wagst, hierher zu kommen. Asozial.«
»Damla, du kannst doch nicht immer noch sauer sein?«
»Check das Mal! Ich bin nicht sauer! Es ist mir verdammt noch einmal egal, ob du überhaupt lebst. Jetzt verpiss dich.«
Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, als sei ich gerade die böse hier. »Nur so. Bengü hat einen neuen Freund.«
»Heul doch.«
»Sie ist mir egal.«
»So hat's nicht ausgesehen, als du mir ihr im Bett warst.«
»Damla, versteh mich doch«, sagte er dreist und regte mich auf. Nils kam einen Schritt näher. »Du wolltest nicht mit mir schlafen. Du wolltest mich nicht einmal küssen.«
»Na und? Hab ich doch gut gemacht. So, wie du bist. Als ob du mich geliebt hast.«
»Hab ich!«, rief er. »Und ich tue es immer noch.«
»Weißt du was? Auf dieses Gespräch habe ich keine Lust. Nicht einmal ansatzweise. Ich will deine Fresse nicht mehr sehen, deine Stimme nicht hören!«
Er zuckte zurück. »Nicht dein ernst. Wir haben so viel durchgemacht?«
»Yo, hast mich betrogen, super. Mach das doch noch einmal.«
»Damla-«
»-Du hast fünf Minuten dich zu verpissen, sonst heul ich rum und schreie nach meinem Bruder. Dann könnte ich dir nicht mehr versichern, ob du das überlebst.«
»Ich krieg dich zurück«, behauptete er und ging dann endlich. Boah, wie der mich aufregt. Soll der im Sandkasten spielen gehen.
»Wer war da?«, fragte plötzlich Erdem, der runter kam. »Hab dich schreien hören.«
»Ist nichts«, behauptete ich. Ehrlich, er würde sich nur unnötig Gedanken darum machen. Das wollte ich einfach nicht.
»Wie? Niemand war da?«
»Äh. Erdem, woher weißt du, dass es Alara nicht so gut geht?«
»Wechsel nicht das Thema. Du bist extrem schlecht in so etwas.«
Ich seufzte. »N-nils war da.«
»WAS? Was hat dieser Pisser hier gemacht!? Wieso hast du mich nicht gerufen!?«
»Ich hab gesagt, dass er gehen soll. Der hat nicht viel Stress gemacht, sonst hätt' ich dich gerufen. Hab ihm sogar damit gedroht.«
Er kam auf mich zu und umarmte mich. Ich spürte, wie gut es tat. Das hatte ich einfach gebraucht.
»Danke, dass du bei mir bist«, nuschelte ich und Edem drückte mich noch fester.
»Ich bin immer bei dir.«
Wir lösten uns von der Umarmung und er küsste mich auf meinen Kopf. Danach wollte ich etwas frische Luft schnappen. Die frische Luft durchströmte mich. Ich spürte schon, dass es mir besser ging. In mir stiegen Fragen über Fragen. Ich unterdrückte sie alle und spazierte etwas. In Kürze lief ich wieder nach Hause. Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl. Langsam richtete ich meine Augen zum Postfach. Ich ging ins Haus und holte den Schlüssel dafür. Mir fiel ein, dass ich Bewerbungen abgeschickt hatte. Ob mir schon geantwortet wurde? Ich sah nach. Richtig, ich hatte eine Absage bekommen und das interessierte mich nicht einmal. Arbeiten? Das würde mich nur noch mehr verwirren. Ich war zu doof dafür.
Ich schmiss den Brief weg und rannte in mein Zimmer. Langsam legte ich mich hin und schloss die Augen. Im Moment wollte ich einfach nur abschalten.
Am nächsten Tag in der Schule war seit langem wieder alles in Ordnung. Ich ging mit Alara in den Unterricht. Wieder einmal passten wir beide total auf und versuchten verpasstes nachzuholen. Falls etwas schlimmes passierte, konnte ich nicht sicherstellen, dass ich aufpassen und lernen würde. Ich wollte aber einen guten Abschluss. Das war es immer gewesen, was mich aufgemuntert hatte, schon von klein auf. Ich wollte weg von zu Hause und dann wieder nicht, schon als ich klein war.
In der Pause gingen wir dumm in den Gängen umher. Ich wollte nicht in die Pausenhalle. Was wenn diese Bengü wieder da war? Auf die hatte ich keine Lust... hatte Nils Recht? Hatte sie ehrlich einen neuen Freund? Hatte sie endlich Hakan gelassen? Wäre ja möglich. Schließlich war sie von ihm erniedrigt worden. Wegen mir.
Mein Herz schlug wieder ein Ticken schneller.
»Damla? Hörst du mir zu?«, holte mich Alara wieder in die Gegenwart.
»Was? Äh, sorry. War in Gedanken versunken.«
»Ja ja, an welchen süßen Jungen hast du gedacht? Hä?«
Sie grinste mich frech an und ich schlug ihr leicht gegen die Schulter und musste mir schwer mein Grinsen unterdrücken. »Du bist so fies.«
»Ach?«
»Klar!«
»Komm, ich hab doch nicht den Namen-«, sie zwinkerte mir zu. »-des süßen Jungen gesagt.«
Sie fing an zu lachen und rannte süß weg.
»Alara!«, rief ich und rannte ihr nach. Plötzlich stoppten wir beide, als Cindy und ihre ganze Truppe plötzlich vor uns stand.
»Wen sehen wir denn da?«, fragte Cindy und kicherte wie eine Erbse. Was hatte die dumme denn? Ehrlich, wir hatten sogar ihren "genialen Plan" durchkreuzt und die konnte immer noch dreist vor uns stehen. Hat die denn gar keinen Stolz?
»Halt einfach deine Klappe«, zischte ich.
»Mit dir hab ich gar nicht geredet, Demir.«
»Demir? Wow, vor einem Tag warst du ja noch ganz anders? Oder warst du nicht die, die mich angebettelt hat, ihre Freundin zu werden?«
Ein paar Typen, die neben ihr standen, lachten. Umso mehr regte das Cindy auf und umso mehr wurde ich glücklich.
»Ich sage es nur noch einmal. Ich habe nicht mit dir geredet«, zischte Cindy und sah dann zu Alara. »Was machst du denn hier, Schlampe?«
»Schlampe?«, lachte Alara. »Ich glaube du hast eine andere Definition von "Schlampe" als normale Menschen.«
Cindy wurde von den Anderen ausgelacht. Sie biss ihre Zähne fest zusammen, lachte dann aber plötzlich auch. »Wie lustig du doch bist. Ich schätze deinen Humor. Das ändert aber nichts daran, dass du immer noch eine jämmerliche kleine mickrige Person bist, die um einen Typen bettelt, der sie gar nicht will.«
Ihr Grinsen ging bis zu ihren Ohren. In ihren Augen konnte man ein Feuer sehen.
»Und wer soll das sein?«, fragte Alara und hob eine Braue.
»Vielleicht Erdem Akkaya?«, meinte Cindy und mir wurde diese Unterhaltung auf Anhieb zu viel. Diese Schlampe sollte mal ihre Klappe halten.
Plötzlich betrat Erdem den Gang. Er sah sichtlich verwirrt aus. »Hat jemand meinen Namen gesagt?«
Ich sah sofort zu Alara, die beschämt runter sah. Ihre Sorge konnte ich schon in ihren Augen sehen. Was, wenn Cindy irgendeine Scheiße erzählte? Ja klar, Erdem würde es ihr nicht glauben, aber in so einem Moment denkt man ja nur an die Schlimmen Möglichkeiten.
»Ach, Erdem, Schatz!«, rief Cindy und ging mit ihrem wackeligen Hintern zu Erdem, der sofort ein Stück wegging. Cindy sah das, ließ es ihr aber nicht schnell anmerken und ging auf Alara zu. »Ich hab nur mit dieser Schlampe geredet.«
»Welche Schlampe?«, lachte Erdem und verdrehte die Augen. »Sorry, welche deine Freundinnen meintest du gerade?«
Cindy sah Erdem geschockt an.
»Oder hast du etwas anderes gemeint?«, fragte er dann und sah Cindy drohend an. Cindy ballte ihre Hände zu Fäusten. Ich konnte schon vorausahnen, dass etwas Schlimmes passieren würde.
Cindy rastete total aus. »Alara, du bist so ein hinterhältiges Miststück-«, sie wendete sich zu Erdem. »Du checkst das echt nicht, oder? Diese Fotze verarscht dich bis zum geht nicht mehr. Sieh sie dir an? Wer würde denn auf so eine stehen? Sie versucht dich reinzulegen, um den Finger zu wickeln und du? Du fällst rein.«
»Das glaubst du doch wohl selber nicht«, entgegnete Erdem und es kamen noch einige Leute hinzu und sahen uns zu. Wie nervig.
»Wieso sollte ich nicht?«, erwiderte Cindy und warf ich Haar nach hinten.
»Du spinnst«, meinte Erdem und lachte. »Wie kann man so dumm sein?«
»HALLO? Hörst du mir zu? Die will dich verführen!«
»HÖR DU MIR MAL ZU!«, rief Erdem plötzlich laut, sodass sogar ich zusammenzuckte. »Sag noch ein Wort und du bereust es.«
Cindy wich einen Schritt zurück zu ihren Schlampen-Freundinnen.
»Außerdem, wenn hier versucht, jemand jemanden zu verführen. Dann bin ich das wohl«, meinte Erdem in einer normalen Lautstärke, ging auf Alara zu und küsste sie plötzlich.
Mein Mund klappte auf.
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