13.
• Dayon ft. Cody Francis - We Are Meant To Be •
Am nächsten Morgen zuckte Yashar aus dem Schlaf. Er lag einfach nur da, mit weit aufgerissenen Augen, heftig atmend, und starrte die Decke an.
Seine Brust hebte und senkte sich im Sekundentakt. Seine Stirn war mit Schweiß bedeckt. Er hatte schon wieder einen dieser Träume gehabt. Nicht die Art von Traum, die er so oft in letzter Zeit von Alexej hatte. Nein, er hatte schon wieder von seinem Vater geträumt. Hatte geträumt, wie er Alexej und ihn beim Rummachen auf der Party erwischt hatte, was alleine schon deswegen lächerlich war, weil es nie zu einem Kuss zwischen den beiden gekommen war - oder kommen würde. Aber es hatte sich dennoch so real angefühlt, so echt wie all die Male zuvor auch.
Seufzend schloss Yashar die Augen wieder und versuchte langsam bis drei zu zählen. Er musste sich beruhigen, musste die Erinnerungen an seinen Vater verdrängen und verdammt noch mal aufhören, von ihm zu träumen. Er war jetzt hier. In Sicherheit. Wieso konnte sein Kopf das nicht einfach akzeptieren? Stattdessen strafte er ihn weiter mit solchen Träumen. Mit Erinnerungen an das Monster, mit dem er jahrelang unter einem Dach hatte leben müssen.
Sobald sein Atem sich wieder beruhigt hatte, öffnete er die Augen. Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht. Er hob den Arm, um seine Augen damit abzuschirmen.
Sein Blick fiel auf die lange Narbe, die oberhalb seines Handgelenks begann und bis fast zu seinem Oberarm reichte. Sie war inzwischen wieder verheilt, aber man konnte immer noch einen hellen Streifen erkennen. Yashar schluckte. Er hasste diese Narbe. Hasste sie, weil sie ihn immer wieder daran erinnerte wie schwach er eigentlich war.
Yashar versuchte die Erinnerung abzuschütteln. Er zitterte. Zitterte vor Wut. Er war so schrecklich wütend. Auf seinen Vater, aber vor allem auf sich selbst. Dafür, dass er sich nicht zu wehren gewusst hatte. Dafür, dass er trotz allem, was er durchlebt hatte, seinen Vater nie richtig hassen konnte, sondern immer noch das Verlangen gehabt hatte, seine Anerkennung und Liebe für sich zu gewinnen. Er hatte nicht einsehen wollen, dass mit dem Tod seiner Mutter auch der Teil seines Vaters gestorben war, der fähig war, Liebe zu empfinden.
Langsam setzte sich Yashar auf und griff nach dem Glas Wasser, das neben ihm auf dem Nachtschrank stand. Seine Knöchel tragen weiß hervor. Er musste sich beruhigen.
Sein Kopf dröhnte, also schluckte er eine Ibuprofen herunter und zwang sich, nicht das, was gestern Abend zwischen Alexej und ihm passiert war, im Kopf zu wiederholen und auf gar keinen Fall, etwas hinein zu interpretieren.
Er wusste sowieso nicht, wo die Realität aufhörte und seine Träume und Alkohol-Gedanken anfingen. Es war nicht so, als kömnte er sich nicht daran erinnern, es war nur so, dass seine Erinnerungen viel zu unsicher und verschwommen waren. Er wusste, was passiert war. Konnte sich daran erinnern, wie sie auf der Terasse im Vorgarten gestanden und geredet hatten und daran, wie er später neben Alexej im Auto gesessen hatte. Aber die konkreten Details, die Dialoge, die Gestiken waren nicht klar in seiner Erinnerung - was, wenn der Alkohol Yashar einen Streich gespielt hatte und jener Satz nie gefallen oder jene Berührung nie passiert war?
Frustriert raufte er sich die Haare. Er griff nach einem Kissen und brüllte hinein. Eine Sekunde später klopfte Asena gegen seine Tür, kam aber nicht herein.
»Yashar? Alles in Ordnung?«, rief sie durch die geschlossene Tür.
»Ja«, rief er zurück. Seine Stimme brach ab, noch müde vom Schlaf, und er musste sich räuspern. »Alles super. Sorry.«
»Gut. Ich mache Frühstück, ja? Kommst du gleich runter?« Ihre Stimme wurde leiser, als sie sich langsam von seiner Tür entfernte. »Miguel und Alexej sind auch da.«
Das Blut gefror augenblicklich in Yashars Körper, als Alexejs Name fiel. Er war hier? Nicht, dass es ihn wundern sollte. Das tat es nicht. Oder doch? Aber wie sollte er sich verhalten? Was sollte er sagen? Sollte er überhaupt etwas sagen? Und brauchte er sich überhaupt so viele Gedanken zu machen? Vielleicht sollte er einfach mal entspannen. Das sollte nicht so schwer sein. Genau. Er würde jetzt nach unten gehen und ganz entspannt sein.
~
Yashar war nicht entspannt. Nicht einmal annährend. Er saß angespannter als je zuvor am Esstisch und benahm sich einfach nur lächerlich. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass Alexej mit ihnen aß. Trotzdem schaffte er es nicht, von seinem Teller aufzuschauen, während alle anderen am Tisch munter miteinander redeten.
Bevor er nach unten gekommen war, hatte er viel zu viel Zeit vor dem Spiegel verbracht und überlegt, was er anziehen sollte. Am Ende hatte er sich zur Besinnung gerufen und einfach ein paar schwarze Shorts und ein weißes T-Shirt übergezogen.
Seine braunen Haare standen in alle Richtungen ab, aber er hatte sich dazu gezwungen, dem Drang, seine Haare zu stylen, nicht nachzugeben. Was hätten die anderen gedacht, wenn er an einem Sonntagmorgen mit gegelten Haaren am Frühstückstisch aufgetaucht wäre? Asena hätte ihm vermutlich nur ein Grinsen und vielleicht sogar ein Zwinkern geschenkt, Miguel dagegen hatte er Schlimmeres zugetraut. Vom Durch-die-Haare-fahren bis hin zu irgendwelchen unangebrachten Sprüchen. Daher hatte er es gleich bleiben lassen.
Als er die Küche betreten hatte, saß Alexej unter der Küchenspüle und schraubte am Rohr herum. Vermutlich hatte Asena wieder irgendwelche Probleme gehabt. Yashars Blick war auf den Streifen nackte Haut gefallen, als Alexejs T-Shirt nach oben gerutscht war, aber er hatte sich gezwungen, den Blick schnell wieder zu lösen, bevor er noch erwischt wurde.
Jetzt, wo sie alle gemeinsam am Tisch saßen, redete Miguel mit Alexej über gestern Abend. Yashar hatte nicht gewusst, dass sein Cousin auch auf der Party gestern gewesen war. Der Gedanke daran, dass Miguel da gewesen sein könnte, während Alexej und Yashar sich geküsst hätten - nicht, dass Yashar das wirklich geglaubt hätte -, bereitete ihm Bauchschmerzen, die schlimmer waren als die Kopfschmerzen, die er bereits hatte.
Miguel fragte Alexej wie das Mädchen hieß, mit dem er gestern Abend rumgemacht hatte, aber Alexej zuckte bloß mit den Schultern. Miguel schlug Alexej gegen den Oberarm. »Man die war vielleicht heiß! Wenn sie nicht so sehr an dir geklebt hätte, hätte ich-«
»Miguel«, mahnte Asena. »Mir ist egal, womit du deine Zeit verschwendest, aber behalt es doch bitte für dich. Ich esse gerade.«
Miguel verzog das Gesicht, als hätte er vergessen, dass seine Mutter mit am Tisch saß. Er warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. »Sorry Mum.«
Plötzlich drehte Asena sich zu Yashar. Sie lächelte, als sie ihn fragte: »Du bist auch auf der Party gewesen, oder? Wie war es? Hattest du Spaß?«
Yashar war so überrascht von dieser Frage und der plötzlichen Aufmerksamkeit, dass sein Bein auf einmal heftig nach oben zuckte und den gesamten Tisch zum Wackeln brachte. Die Teller und Tassen klirrten laut und im nächsten Moment kippte seine Tasse um und der Inhalt ergoss sich auf seinem Schoß.
Fluchend rutschte er mit dem Stuhl zurück. Der heiße Tee brannte auf seinen nackten Beinen, aber er konnte den Schmerz nicht richtig spüren, da er viel mehr damit beschäftigt war, Scham zu empfinden. Er spürte, wie rot sein Gesicht wurde und wagte es nicht, den Blick zu heben. Er hörte Miguel lachen und Asena scharf die Luft einziehen, aber von Alexej kam nichts.
Asena sprang auf, riss ein Küchentuch vom Thresen und wischte schnell die dunkle Flüssigkeit von Yashars Beinen, die schon rot geworden waren. Dann stand sie auf, holte einen nassen Lappen und fing an, die Flüssigkeit vom Boden aufzuwischen.
Yashar beobachtete sie wie hypnotisiert, als sich im nächsten Augenblick eine Hand auf seine Schulter legte. Vor seinen Augen tauchte ein nasses Tuch auf. Er wusste, dass er es einfach dankend annehmen sollte, aber stattdessen hob er den Blick, was lächerlich war, da es nur Alexej sein konnte. Asena kniete immer noch auf dem Boden und wischte alles auf, während Miguel ihm gegenüber saß und auf seinem Handy herumspielte.
Aber als Yashar das Tuch nehmen wollte, zog Alexej seine Hand zurück. Keine Sekunde später kniete er sich vor Yashar auf den Boden. Yashar blieb die Luft weg. Er starrte Alexej fassungslos an. Alexej, der nun Yashars Beine berührte und sie mit dem nasskalten Tuch abtupfte.
Yashar konnte nicht denken. Er konnte sich auf nichts konzentrieren. Er spürte nur jede brennende Stelle, die Alexej mit seinen Fingern berührt hatte. Dieses Brennen war jedoch ein anderes als zuvor. Es war aufregend. Yashar war froh, dass er in diesem Moment saß, denn er wüsste nicht, ob ihn seine Beine jetzt noch tragen würden.
A/N:
Irgendwie ist das Kapitel komisch geworden. Die Szene war gar nicht geplant, sondern kam einfach mit dem Schreiben plötzlich... Naja 🙈
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro