09.
• nilu - Are You With Me •
Als Yashar die Augen öffnete, war er nicht alleine im Bett. Sein Kopf wusste es, noch bevor seine Augen es sahen.
Er lag auf der Seite, den Blick direkt in zwei blaue Augen gerichtet, und schluckte. Träumte er? War es wieder einer dieser vielen Träume, die er in letzter Zeit von Alexej hatte?
Yashar kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu konzentrieren. Er wollte aufwachen. Aber seine unterbewussten Hilferufe brachten nichts. Er lag immer noch im Bett. Und neben ihm Alexej.
Frustriert stöhnte er auf. Er wollte nicht wieder so einen Traum haben. Nicht, dass er was dagegen gehabt hätte - es war einfach nur so, dass er sich im Nachhinein schlechter fühlte als vorher. Er konnte Alexej nicht mehr unter die Augen treten, ohne daran zu denken, dass er ihn in seinen Träumen bereits nackt gesehen hatte.
Aber was er auch tat, es brachte nichts. Er blieb an Ort und Stelle, und irgendwann beschloss er aufzugeben. Traum oder Nicht-Traum war ihm jetzt egal. Statt die Zeit damit zu vergeuden, darüber nachzudenken, was das hier war, wollte er sie lieber genießen. Er wollte sich an den muskulösen, großen Jungen schmiegen, der ihn mit einem verführerischen Lächeln musterte. Ein Lächeln, das Yashars Herz zum Klopfen brachte.
Scheiß auf das schlechte Gewissen, dachte er. Seine Träume hatten genauso viel Daseinsberechtigung wie die vieler anderen Teenager auch. Alexej musste hier von ja schließlich nie etwas erfahren.
Yashar konnte nur froh sein, dass er lag und nicht stand, denn er wüsste nicht, ob seine Beine ihn in diesem Moment noch getragen hätten.
Alexejs Blick war intensiv und obwohl er Yashar ein wenig unangenehm war, genoss er ihn doch auf eine seltsame Art und Weise.
Er spürte jeden Millimeter Gänsehaut an seinem eigenen Körper, aber noch viel mehr spürte er die Hitze, die von dem zweiten Körper in seinem Bett kam. Etwas, das er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Nicht mehr seit dem Tag, an dem seine Ex-Freundin Nora mit ihm Schluss gemacht hatte. Ihm war bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgefallen, wie sehr ihm diese Nähe zu einem anderen Menschen gefehlt hatte.
»Hey«, flüsterte Alexej und lächelte. Es war nicht dieses typische Alexej-Lächeln, das er benutzte, wenn er mal wieder mit jemandem flirtete, sondern ein anderes Lächeln. Eins, das Yashar noch nie zuvor an ihm gesehen hatte.
Alexejs Daumen berührte sanft Yashars Mundwinkel, fuhr den Schwung seiner Lippen nach und brachte Yashars Herz nur noch mehr zum Explodieren.
»Hi.« Yashar konnte nicht anders als zurück zu lächeln. Nicht nur mit dem Mund, sondern mit jeder einzelnen Faser seines Körpers. Er war sich sicher, dass Alexej es sehen musste. Das Leuchten seines Körpers, das Strahlen jeder Pore.
Alexejs Hand wanderte weiter, fuhr die Kanten von Yashars Kiefer nach und dann seinen Hals entlang. Yashar hielt den Atem an. Das musste er tun, denn sonst - das befürchtete er - würde er anfangen in Schnappatmung zu verfallen.
Ein seltsames Kribbeln breitete sich in Yashars Bauch aus. Er kam sich lächerlich vor, wie ein verliebter Teenager - der er ja auch war -, aber er konnte nichts dagegen tun. Er konnte dieses Gefühl, dieses unbeschreiblich schöne Gefühl einfach nur genießen.
Alexejs Finger waren inzwischen an seiner Brust. Yashar schloss die Augen. Er wollte mehr spüren und weniger sehen. Alexejs Berührungen machten ihn verrückt, sie brachten ihn an seine Grenzen, aber er wollte nicht, dass es je aufhörte. Er hatte nicht gewusst, dass bereits so einfache, unschuldige Dinge solche Gefühle in ihm auslösen konnten.
»Ich will dich küssen.« Alexejs Lippen berührten die von Yashar, zwar nur hauchzart, aber es war doch genug, um Yashar nur noch Sternchen sehen zu lassen. Es war wie eine stumme Bitte. Yashar nickte, ohne die Augen zu öffnen. Er wollte den Jungen nicht ansehen, der halbnackt neben ihm im Bett lag, er wollte nur endlich diesen Kuss spüren, von dem er so oft geträumt hatte. Die Spannung zwischen ihnen war viel zu aufgeladen, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen.
Jedes Mal berührten Alexejs Lippen die von Yashar ganz leicht. Die Berührung war kaum da und dennoch fing Yashars Haut an zu kribbeln. Er wollte dieses lächerliche Vorspiel, dieses ständige Hin-und-Her endlich überspringen, aber sobald Yashar sich vorbeugte, um Alexej endlich richtig zu küssen, zog sich dieser mit einem leisen Lachen wieder ein wenig zurück. Es war die reinste Qual. Yashar wollte doch nur einen Kuss. Einen einzigen verdammten Kuss.
Bevor es jedoch soweit kommen konnte, wurde plötzlich, aus dem Nichts, die Tür aufgerissen.
Yashar, der mit dem Rücken zur Tür lag und nicht sehen konnte, wer hereingekommen war, erstarrte. Auch Alexej hielt in seiner Bewegung inne. Und als Yashar sich schließlich umdrehte, um zu sehen, wer da hinter ihm im Türrahmen stand, wünschte er sich, es niemals getan zu haben. Denn die Person, die an der Tür stand, war genau die Person, die Yashar nie wieder in seinem Leben sehen wollte. Niemals wieder.
»Dad, was-« Er war fassungslos. Die Worte blieben ihm im Hals stecken. So viele Fragen tauchten in seinem Kopf auf. Was tust du hier? Woher weißt du, dass ich hier bin? Was willst du von mir?
»Haben dir deine perversen Fantasien nicht gereicht? Jetzt treibst du es tatsächlich mit anderen Männern?«, zischte Herr Cavallo und spuckte seinem Sohn dann ins Gesicht. »Du beschmutzt unseren Namen. Ich werde dir zeigen welchen Schmerz du deiner Mutter damit zufügst!«
Yashar erstarrte. Er wollte wegrennen, so wie er früher immer weggerannt war, aber er konnte sich nicht rühren. Sein Körper stand unter Strom. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper war bis zum Zerreißen angespannt.
Herr Cavallo zückte seinen Gürtel. »Du bist ganz alleine.« Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, steuerte auf Alexej und Yashar zu. Yashar konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Das Gesicht seines Vaters war zu einer entsetzten Grimasse verzerrt.
Sein Vater zischte: »Ich habe einen Sohn und gerade der muss eine schamlose Schwuchtel sein.«
Yashar zuckte zusammen. Obwohl es nicht das erste Mal war, dass er solche Worte aus dem Mund seines Vaters hörte, versetzte es ihm auch dieses Mal wieder einen Stich ins Herz.
Das konnte er doch nicht sagen, oder? Nicht zu seinem Sohn. Nicht zu seinem einzigen Kind, oder? Sollte er Yashar nicht eigentlich lieben, egal was mit ihm war? War das nicht die Aufgabe von Eltern? Ihre Kinder zu lieben? Oder hatte Yashar es tatsächlich nicht verdient, geliebt zu werden?
Er drehte den Kopf zu Alexej, aber sein Vater hatte recht. Alexej war verschwunden. Das Bett war leer. Er hatte niemanden. Yashar war komplett auf sich alleine gestellt. Warum bist du überhaupt überrascht, du Idiot?, fragte ihn die Stimme in seinem Kopf. So ist es doch schon immer gewesen! Am Ende würde er immer alleine sein.
Und gerade als sein Vater die Hand mit dem Gürtel hob, hörte er ein Lachen. Ein Lachen, das er inzwischen so gut kannte.
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