07.
• FINNEAS - I Lost A Friend •
Yashar hatte immer noch ein schlechtes Gewissen wegen der Sache mit Melina. Seltsamerweise schien er der Einzige zu sein, der sich deswegen schlecht fühlte. Melina schien seine Absage nicht halb so schlimm aufgenommen zu haben, wie er gedacht hatte. Nein, das stimmte nicht. Was ihn eher verwunderte, war die Art und Weise wie sie mit seiner Absage und der Tatsache, dass er ihre Nachrichten danach alle ignoriert hatte, umging.
Am Montag kam sie während der Mittagspause zu ihm, klammerte sich an seinen Arm, als er gerade zu seinen Freunden wollte und schaute schmollend zu ihm auf. »Ich hab' dich vermisst am Samstag. Die Party hat nicht halb so viel Spaß gemacht ohne dich.«
Darauf wusste Yashar nun wirklich nichts zu antworten. Danke? Schön zu hören? Die Wahrheit war, es interessierte ihn nicht. Er konnte Melina aber nicht noch einmal vor den Kopf stoßen. Also sagte er schließlich schulterzuckend: »Sorry.« Damit meinte er aber nicht die Tatsache, dass er am Samstagabend zu Hause geblieben war, sondern die Art und Weise wie er Melina die letzten Tage behandelt hatte. Das sagte er ihr aber nicht. Sie schien ihm sowieso nicht wirklich zuzuhören.
»Beim nächsten Mal musst du kommen!« Sie schmollte wieder. Ihre Brüste drückten sich an seinen Oberarm, als sie sich zu ihm drehte, um ihn anzusehen. »Das nächste Mal verzeihe ich dir nicht so schnell. Egal wie hübsch du auch bist.« Sie lächelte, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand.
Yashar schaute ihr hinterher, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Schließlich glitt sein Blick zu dem Tisch, an dem seine Freunde saßen. Natürlich hatten sie alles mitbekommen. Einige der Jungs lachten, andere von ihnen machten so offensichtlich obszöne Begewungen mit ihren Mündern und Händen, dass Yashar für einen Augenblick die Augen schließen und sich sammeln musste. Er wog ab, sich einfach an einen anderen Tisch zu setzen, weil er es nicht ertrug, jetzt die Sticheleien der Jungs durchzustehen, als jemand hinter ihm auftauchte.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Irritiert drehte er sich um. Elias.
»Hey, man. Die Sonne scheint. Lass uns heute mal rausgehen. Ich brauch ein wenig Vitamin D.« Er stieß Yashar seinen Ellenbogen in die Seite und ging dann an ihm vorbei nach draußen. Als sie an ihrem üblichen Tisch vorbei gingen, zeigte Elias den anderen Jungs, die immer noch lachten, den Mittelfinger. »Adios, Loser.«
Die Jungs lachten nur noch lauter und pfiffen Elias hinterher, während Yashar ihm mit verdutztem Blick folgte.
»Danke«, flüsterte Yashar, als sie draußen an einem freien Tisch in der prallen Sonne saßen. Yashars Blick glitt kurz zu einem freien Platz im Schatten, riss ihn aber hastig wieder los. Elias schien nicht übertrieben zu haben, als er behauptete, Vitamin D tanken zu wollen. Es war nicht wirklich warm, fast schon ein wenig kühl, eine feine Brise wehte an ihnen vorbei, aber Yashar musste zugeben, dass die Sonne genau das war, was er in diesem Moment gebraucht hatte.
Elias sah seinen besten Freund an und zuckte mit den Schultern, aber ein schwaches Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. »Dafür sind Freunde da.« Er sah aus, als wollte er noch mehr sagen, doch er zögerte kurz. »Ist alles okay?«
Yashar sah alamiert auf. »Wieso fragst du?«
»Als ich dich mit Melina gesehen habe, sahst du aus, als würdest du dich am liebsten übergeben. Direkt auf sie.« Er ließ es wie einen Witz klingen, aber Yashar konnte die Sorge in seinen Augen erkennen. »Sie hat sich ziemlich an dich rangeschmissen. Ich meine nur... Nur weil wir Jungs sind, heißt das nicht, dass wir uns nicht sexuell belästigt fühlen können. Verstehst du was ich meine?«
Yashar legte den Kopf schief und musterte Elias einige Sekunden lang. So etwas Einfühlsames hatte er seinen Freund vermutlich noch nie sagen hören. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er nickte. »Ja, ich weiß was du meinst. Danke. Wirklich. Ich regel das schon irgendwie mit ihr.«
»Klar, klar.« Elias tat, als würde er das Gesagte mit einer Handbewegung wegwischen. »Nur, wenn nicht, dann ist das kein Weltuntergang, verstanden? Du kannst jederzeit um Hilfe bitten.« Elias' Ernsthaftigkeit wich wieder seiner üblichen selbstironischen Art, als er sich auf die Brust klopfte. »Ich werde es mit jedem Gegner aufnehmen.«
Yashar musste so sehr lachen wie schon seit Tagen nicht mehr. Und dann sagte er noch einmal Danke. Aber dieses Mal bedeutete dieses Danke so viel mehr, als er je in Worte hätte ausdrücken können.
_
Als Yashar am Nachmittag nach Hause kam, warf er seine Tasche wie üblich unten neben die Treppe und ging in die Küche. Er schnappte sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, setzte sie an und drehte sich gerade um, als er plötzlich eine Gestalt im Garten halbnackt auf einem der Liegestühle in der Sonne liegen sah. Er erschreckte sich so sehr, dass er sich verschluckte und jetzt anfing wie wild zu husten, um das Wasser aus seiner Luftröhre zu bekommen.
Diese Person da draußen war mit hundertprozentiger Sicherheit nicht Asena. Auch Miguel konnte es nicht sein, da dieser doch jetzt eigentlich in der Uni sein musste.
»Hey, alles okay?«
Gerade, als Yashar gedacht hatte, dass er sich beruhigt hatte, ertönte die Stimme vom Garten aus. Yashar sah noch, wie die Gestalt aufgestanden war und die Augen mit den Händen von der Sonne abschirmte, um Yashar direkt ansehen zu können. Immer noch halbnackt. Yashar fing wieder an, wie wild zu husten.
Eine Hand legte sich auf seinen Rücken. Er zuckte kurz zusammen, ließ aber zu, dass die Hand ihm auf den Rücken klopfte.
Irgendwann hatte Yashar sich beruhigt. Er bewegte sich ein paar Schritte von der Gestalt weg und hielt sich an der Arbeitsfläche fest. Mit dem Rücken zu ihm. Nur um sicherzugehen.
»Alles okay, man?«, fragte Alexej hinter ihm. Er hörte sich ehrlich besorgt an. Yashar nickte nur. Er konnte sich nicht dazu durchringen, sich umzudrehen. Alexej trug nichts bis auf ein paar Shorts, die bis knapp über seine Knie gingen. Er hatte Alexej schon ein paar Mal hier so herumlaufen sehen, nur war in den meisten Fällen 1) ein sicherer Abstand zwischen ihnen und 2) Miguel anwesend.
»Wa...warum bist du hier?«, hörte Yashar sich atemlos fragen, während er die Stirn gegen die Arbeitsfläche gedrückt hatte, um sich ein paar Sekunden Zeit zu verschaffen, die Situation besser einschätzen und sich beruhigen zu können.
»Asena hat mich heute Morgen angerufen, weil sie ein Problem mit der Spülmaschine hatte«, erklärte Alexej. Natürlich, Alexej war so etwas wie Asenas persönlicher Handwerker. Sobald irgendwas am Haus oder an ihrem Auto kaputt war, rief sie Alexej an. Immerhin war er über all die Jahre wie ein zweiter Sohn für sie geworden. Während Miguels Stärken eher im mathematischen Bereich lagen, waren Alexejs im technischen.
»Okay«, sagte Yashar langsam und zwang sich dann dazu, sich umzudrehen. Wenn er noch länger so dastand, Alexej den Rücken zugewandt, würde dieser noch etwas merken. »Das erklärt aber noch nicht, wieso du halbnackt in unserem Garten liegst.« Yashar sah Alexej zum ersten Mal an diesem Tag richtig an. Es fiel ihm schwer, ihm in die Augen zu sehen, wenn so viel nackte Haut vor ihm war.
Plötzlich blitzte etwas in Alexejs Augen auf. Er schmunzelte, als sein Blick an seinem eignen nackten Oberkörper hinunterglitt. Es dauerte nur eine Sekunde, aber es war eine Sekunde, die auch Yashar sich genehmigte, um Alexejs Körper zu betrachten, bevor er hastig den Blick wieder auf die blauen Augen lenkte, die mit Belustigung aufblitzten. »Hat dir der Anblick gefallen?«
Yashar schluckte. Hatte er sich so angehört? Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht strömte und er hoffte inständig, dass Alexej einfach glaubte, dass die Röte in Yashars Gesicht von der Hitze draußen stammte. »Was?«, rief er ein wenig zu laut. Selbst in seinen eigenen Ohren hörte sich seine Stimme schrill an. »Nein. Ich war nur neugierig. Das ist alles.«
Mit einem Mal fing Alexej an zu lachen. Ein kehliges Lachen. Er legte eine Hand auf Yashars Kopf und fuhr ihm durch sein sowieso schon zerzaustes Haar. »Beruhig dich. Das war Spaß. Ich zieh dich nur ein bisschen auf.«
Bevor Yashar reagieren konnte, drehte Alexej sich weg und griff nach etwas auf der Stuhllehne. Eine Sekunde später zog er sich dieses Etwas über und stand nun in Shorts und T-Shirt vor ihm. »Ich geh dann mal. Man sieht sich.«
Yashar war viel zu beschämt, um ihn zum Abendessen einzuladen oder irgendetwas anderes zu sagen außer: »Klar, man sieht sich.«
Alexej schnappte sich seine Autoschlüssel und verschwand ohne ein weiteres Wort nach draußen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro