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"𝓤𝓷𝓭 woher kommt dieser plötzliche Umschwung?", fragte ihre Schwester und ließ sich auf Catherines Bett nieder. Das Hologramm zeigte einen Film, doch keine der anwesenden Frauen schenkte diesem ihre Aufmerksamkeit. Viel mehr waren sie an ihren Gesprächen interessiert. "Du weißt, dass ich darüber nicht sprechen kann." Die Königin hatte ihren Konflikt mit Maxim überhaupt nicht erwähnen wollen, doch ihre Schwester hatte sofort bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte. Während sie selbst sich meist damit konfrontiert sah, immer die richtigen Worte zu finden, lag es Eleanna mehr diesen Worten ein offenes Ohr zu schenken.
"Ihr habt also einige politischen Differenzen?"
Meist waren es eben jene Themen über die Catherine keine Worte verlor. Was sie im Rat oder mit den entsprechenden Zuständigen besprach, blieb meist hinter verschlossenen Türen. Bei einem Dritten angelangt, stimmte der Inhalt des Besagten schon meist nicht mehr. Doch dieses Mal war es kein politischer Konflikt, sondern Maxims Umgang den sie so nicht akzeptieren konnte.
"Sollte es eine gewisse Wichtigkeit erlangen, wirst du davon erfahren.
Momentan ist das nicht nötig."
Sie legte endlich den Stift aus der Hand, mit dem sie unruhig Linien auf ein Blatt Papier gemalt hatte und zerriss dieses daraufhin. Eigentlich sollte sie eine Rede konstruieren, doch alles was sie niederschrieb schien keinen Klang zu haben.
"Möchten sie, dass ich den Raum verlasse?"
Catherine hatte es überhaupt nicht mehr bemerkt, dass Neda leise und unaufmerksam die Kleidung sortierte. Die Anwesenheit der Zofe war zur Gewohnheit geworden, selbst unter der Tatsache, dass sie zu kaum einem Angestellten wirklich Kontakt pflegte. Während Eleanna über die Jahre Bekanntschaften und Freundschaften aufgebaut hatte, zeigte Catherine kaum ein Interesse an den Bediensteten. "Das ist nicht nötig."
Eleanna schenkte Neda ein sanftes Lächeln und legte daraufhin etwas den Kopf schief. "Haben Sie vielleicht einige Aufmunternde Neuigkeiten für uns?"
Die Zofe schien kurz zu überlegen, dann nickte sie. Wie es meist der Fall war, hatte sie ein freundliches Lächeln auf den Lippen, die von roter Farbe geziert wurde. "Ich wurde gestern Abend zum Essen ausgeführt - wir haben unseren ersten Hochzeitstag gefeiert."
Catherine hatte nicht gewusst, dass die junge Frau verheiratet war, doch als ihr Blick zu Hals wanderte, entdeckte sie den goldenen Anhänger der Kette. Eine Tradition der südlichen Länder.
"Wie haben Sie ihn kennengelernt?"
"Meinen Ehemann?" Eleanna nickte und Neda unterbrach für einen kurzen Moment ihre Tätigkeit und legte das Kleidungsstück wieder in den Wäschekorb hinein. "Uns verbindet dieselbe Leidenschaft – Kunst. Während einer Ausstellung hier im Palast habe ich mich stundenlag mit ihm unterhalten. Eigentlich hatte ich überhaupt nicht vor sie zu besuchen, aber eine Kollegin war krank und ich habe notgedrungen ihre Schicht übernommen." Catherine erinnerte sich vage daran, dass ihre Mutter es gestattet hatte Ausstellungen im Palast abzuhalten. Natürlich nur für ausgewählte Künstler und Gäste, doch diese Veranstaltungen waren bereits Jahre her.
"Also war es Liebe auf den ersten Blick?" Eleanna hatte sich das Kissen unter ihren Kopf gelegt und sah hinauf an die Decke.
"Keineswegs. Er hat beinahe ein halbes Jahr gebraucht um mich von sich zu überzeugen. Ich hatte meinen Job hier gerade erst begonnen und war viel zu abgelenkt um überhaupt nur an eine Beziehung zu denken."
"Und doch hat er sie letztendlich für sich gewonnen."
Neda nickte und wandte sich wieder dem Kleiderschrank zu, um das Sortieren der frischen Wäsche fortzusetzen. "Glücklicherweise hat er das."
Eleanna setzte sich wieder auf und warf das blonde, lockige Haar auf die Seite. Daraufhin sah sie Catherine mit ihren eisblauen Augen an. Wie es so oft der Fall war, hatte man das Gefühl, ihrer Mutter gegenüber zu sitzen. Denn das Mädchen war das Ebenbild der ehemaligen Königin, ganz im Gegensatz zu Cath oder ihrem Bruder, die keinerlei Ähnlichkeit mit ihr zeigten.
Anscheinend war ihr Blick wohl einen Moment zu lange an ihrer Schwester haften geblieben, denn diese warf sie im nächsten Moment mit ihrem Kissen ab und brachte Catherine damit wieder zurück in die Gegenwart.
"Hast du einen Geist gesehen?" Eleanna lachte auf und erhob sich im nächsten Moment wieder vom Bett, denn ihr Blick war auf die Armbanduhr gefallen, deren Display immer wieder aufblinkte. "Wir sehen uns auf Jeremys Jahrestag, richtig?"
Catherine schenkte ihr ein bestätigendes Nicken, dann eilte ihre Schwester bereits aus dem Raum.
Die folgenden drei Tage vergingen ohne einen weiteren Wortwechsel mit Maxim, noch einem Treffen mit ihren Geschwistern. Die Personen, die eigentlich ihre Familie darstellen sollten, rückten durch die viele Arbeit zunehmend in den Hintergrund und wurden durch den Rat und einige Angestellte ersetzt, mit denen sich die Königin täglich konfrontiert sah.
"Haben sie schon etwas von ihm gehört?", fragte sie Cole während Neda gerade dabei war den Raum zu verlassen. Auch heute hatte sie sich beinahe eine Stunde mit dem langen, roten Haar beschäftigt bis es endlich eine gepflegte, königliche Form angenommen hatte.
Cole sah sie überrascht an. "Ich wurde über keine Überwachung informiert-"
"Das habe ich auch nicht verlangt."
Der Angestellte schien einige Sekunden zu überlegen, dabei drückte er seine Lippen ein wenig aufeinander. "Früh am Morgen ist er durch die Gänge spaziert – ohne ein wirkliches Ziel. Abgesehen davon wurde mir von keiner Auffälligkeit berichtet."
Der Sicherheitsbeamte war erst seit zwei Jahren im Dienst der Königsfamilie, doch er war einer der Besten in seinem Beruf. Gerade wenn es darum ging, alle Augen und Ohren offen zu halten, war er der richtige Ansprechpartner.
Sie runzelte die Stirn und legte dann die Hand an den Türgriff. "Geben sie Bescheid, wenn er irgendetwas Auffälliges unternimmt."
"Natürlich, eure Hoheit."
Es war wieder einer der Abende, bei dem sich Catherine wünschte, er würde um einiges schneller vorbei gehen. Nach einer knappen Eröffnungsrede lag es nun an den Gästen diesen Abend in einen Gelungenen zu verwandeln. Immer wieder sah sie hinüber zu Maxim, obwohl sie dies überhaupt nicht wollte. Er schien den Abend um einiges mehr zu genießen, als die Königin es tat. Etwas abseits hatte er sich mit einigen Männern um einen Tisch gereiht und es war durchgehend nur Gelächter zu vernehmen.
"Du tust es schon wieder." Beinahe hätte sie sich an ihrem Sekt verschluckt, so unerwartet ertönte die Stimme ihrer Schwester. "Verzieh nicht so das Gesicht – ich habe es genau gesehen?"
"Von was sprichst du?", fragte Catherine sobald sie das Glas neben sich abgestellt hatte und sich etwas unbeholfen über die Mundwinkel fuhr. In der Hoffnung, ihren Lippenstift nicht ruiniert zu haben. "Du starrst ihn bereits den ganzen Abend über an." Eleanna sah zu Maxim hinüber. "Verübeln kann ich es dir nicht, schließlich ist er eindeutig der bestaussehende Mann in diesem Raum -"
"Ich verstehe schon." Catherine unterbrach ihre Schwester und warf dann einen misstrauischen Blick auf deren Getränk. "Dir ist bewusst, dass du eigentlich nichts trinken darfst?"
Ein Glas Sekt oder Wein, störte Catherine nur wenig. Zwar waren alkoholische Getränke in Theata erst mit Erreichen der Volljährigkeit erlaubt, doch sie konnte sich nur zu gut an ihre eigene Jugend erinnern. "Es ist nicht viel, Cath."
Auch wenn sie ihrer Schwester nicht wirklich glaubte, tat sie es mit einem weiteren prüfenden Blick ab. "Hast du Jeremy heute Abend schon gesehen?"
"Nein, natürlich nicht."
Ihr Bruder war nicht sonderlich oft dort anzutreffen, wo er eigentlich sein sollte. So mied er diese Art von Veranstaltungen, selbst wenn sie für ihn abgehalten wurde. Manchmal fragte sich Catherine, ob Eleanna nicht doch die ältere von den Beiden war. Trotz ihres Altersunterschiedes von zwei Jahren, benahm diese sich um einiges reifer und anständiger als er. "Ich hatte ihn gebeten uns heute Gesellschaft zu leisten. Die Wedmires sind bereits seit Jahren angetan von ihm und lassen bestimmt einiges an Geld bei uns liegen, wenn er ein wenig mit ihnen spricht." Diese Feier war nur ein weiterer Machtkampf zwischen all den Familien die sich mit ihrem Geld ein Stück Kontrolle über das Land erkauften. Und auch heute war Geld das Motto, unter dem der Abend eigentlich stand.
"Das wäre dringend nötig, schließlich haben sich meine Gespräche nur kläglich gerechnet."
Catherine seufzte. "Wer spielt dieses Mal nicht mit?"
Mit einem unauffälligen Kopfnicken, zeigte Eleanna hinüber zu einer Frau. Sie trug dunkelgrün, ebenso wie Catherine es gerne tat. Das enge Kleid schmiegte sich elegant um ihren perfekten Körper. Ein weißer Schal war um den langen Hals gewickelt und die langen, lockigen Haare waren zum Teil zu einer Frisur gesteckt.
Sie musste es unterdrücken, mit den Augen zu rollen. Denn sie war nicht sonderlich verwundert von Eleannas Beschwerde. Die Familie der Catals lebte im südlichsten Teil des Landes und hatte so viel Geld, dass man damit vermutlich einen gesamten Staat ernähren konnte. Und doch war es jedes Mal erneut eine Qual, sie zu einer Wohltat zu überreden - auf die ein Applaus und etwas Werbung für die Firma folgen musste.
"Susann.", mit einem möglichst überzeugenden Lächeln, begrüßte Catherine die Dame vor ihr. "Schön dich hier anzutreffen, wie geht es dir?"
Eigentlich hatte diesen Job immer ihre Mutter übernommen, denn sie war die einzige Person gewesen, vor der die Familie zumindest ein wenig Respekt gehabt hatte. "Wunderbar, vor allem an einem solch wunderbaren Abend.", antwortete sie und zog die rot geschminkten Lippen zu einem Lächeln.
"Liam, komm doch für einen Moment zu uns."
Sie tippte ihren Mann, der nur wenige Schritte von ihr entfernt stand, kurz an die Schulter, sodass dieser sich herumdrehte. Binnen Sekunden präsentierte er dasselbe, fälschliche Lächeln wie
seine Frau.
"Hallo, Catherine." Er zog sich den dunkelblauen Anzug zurecht, legte dann seinen Arm um die Taille seiner Frau. "Ich hatte erst gar nicht damit gerechnet, sie hier anzutreffen."
William seufzte Lächelnd.
"Es war eine recht kurzfristige Entscheidung, eigentlich stand für heute noch ein Interview an.
Doch das Equipment des Senders steht am falschen Flughafen und somit habe ich es einen Tag nach hinten verschoben."
"Ein Interview?"
"Über unsere neusten Baupläne in der Hauptstadt."
Catherine erinnerte sich nur vage daran, es hatte in der Zeitung gestanden. William besaß einige Immobilien, wovon er sich den Großteil seines Reichtums selbst aufgebaut hatte. Nun war er fest im Immobiliengeschäft integriert und versuchte seine Reichweite immer mehr auszubreiten. Etwas, dass ihm zunehmend gelang. Immer Öfters hörte Catherine von seinen neuen Projekten und erfolgreichen Kaufabschlüssen.
"Wir sollten uns unbedingt einmal darüber unterhalten, wenn der Rat dem Wohnungsbau zustimmt."
Fast Augenblicklich, zuckten die Mundwinkel des Mannes nach unten. Er fasste sich gerade so, dass seine Frau dies nicht bemerkte.
"Ich spreche natürlich nicht von ihren Gebäuden, doch sie haben die nötigen Kontakte und können uns bestimmt in einigen Situationen weiterhelfen."
"Das wäre selbstverständlich kein Problem, schließlich kann der Palast immer auf unsere Unterstützung zählen."
"Kann er das denn wirklich?"
Sie war genau an dem Punkt angelangt, an dem sie ihn stehen haben wollte. Denn er würde nicht "Nein" sagen. Bei ihrer Schwester konnte er sich dies erlauben, vermutlich würde sie niemals Catherines Titel tragen. Und wäre Susann Catal ihr bei ihrem letzten Treffen nicht so negativ aufgefallen, hätte sie es auch einfach dabei beruhen lassen. Für die Spenden war die Kunst des Redens nötig, doch Zwingen konnte sie niemanden.
"Ein Wohlfahrtsprojekt – wirklich?" Susann seufzte und schüttelte daraufhin den Kopf. "Wir helfen gerne, aber der Anlass scheint uns..." Sie stoppte ihr Reden und einige Sekunden herrschte wieder Stille zwischen ihnen. "- keine Priorität zu sein.", half William aus.
"Aber das stellt absolut kein Problem dar."
Wie aus dem Nichts erschien plötzlich Maxim neben ihr und legte ohne zu zögern seinen Arm um Catherine, ebenso wie Sir Catal es bei seiner Frau tat. Trotz dessen, dass sie ihn nur wenige Tage zuvor aus ihren Gemächern verbannt hatte, strahle Maxim eine ungemeine Ruhe aus und zuckte nicht einmal mit der Wimper, als Catherines Blick kurz prüfend den seinen traf.
."William Catal, richtig? Ich habe erst vor kurzem einen Bericht über sie gesehen." Für einige Momente schien sich das Lächeln des Mannes zu einem wahrhaftig freudigen zu wandeln. "Das ehrt mich sehr, eure königliche Hoheit."
Solch eine formale Anrede kannte Catherine von ihm nicht. Zwar blieb er immer freundlich und hatte noch nie gegen eine der Regeln verstoßen, doch sie ließen nach all den Jahren der Bekanntschaft die Höflichkeiten fallen und sprachen so miteinander, dass es zu einem Entschluss führen würde - nicht zu stundenlangen und erfolglosen Diskussionen, wie es damals der Fall gewesen war.
"Ich habe nach meinem Abschluss ein Architekturstudium begonnen – doch dieses leider nicht fertiggestellt.
Dennoch bleibt mir eine veränderte Sicht auf jedes Gebäude, das ich sehe oder gar betrete.
Und ihre Projekte haben mich wirklich sehr angesprochen."
"Sie kennen meine neusten Bauwerke?"
"Der Tower in der Stadtmitte Theatas, selbstverständlich.
Man kann ihn wohl kaum übersehen-"
Kurz warf Maxim einen Blick über die Schulter, dann beendete er seine Rede knapp angebunden.
-wenn sie uns nun entschuldigen würden."
"Natürlich, lassen sie sich von uns nicht aufhalten."
"So wirst du die Beiden niemals überreden." Maxim lehnte sich locker an die Theke nachdem er sein dem Barkeeper sein gewünschtes Getränk genannt hatte. "Du hast nicht länger als zwei Minuten mit ihnen geredet, woher möchtest du das wissen?"
Er zuckte mit den Schultern. "William ist unglaublich oberflächlich. Wenn du ihm etwas bietest, das ihm einen Erfolg bringt, dann liegt er dir zu Füßen."
"Und das alles hast du in den zwei Minuten erfahren?"
"Ich habe mich bereits im Voraus ein wenig informiert – um meine Hilfe anbieten zu können." Er hob sein Glas zu einem kurzen Prost an, als der Barkeeper es auf den Tresen stellte.
"Deine Hilfe wird hier nicht benötigt, Maxim."
Es interessierte Catherine nicht, dass die Catals mehr auf ihn eingegangen waren als auf sie selbst – denn der Zorn überwiegte noch immer und so sah sie in Maxim lediglich den Mann, den sie im Moment nicht einmal mehr ansehen wollte. Was sie erwartete, war eine Entschuldigung, zumindest ein wenig Reue, doch gerade schien all dies aussichtslos.
"Wir sollten hier nicht diese Art von Gesprächen führen, das wirft kein gutes Bild auf uns."
Maxims Blick glitt schon das zweite Mal an diesem Abend über seine Schulter und lenkte damit die Aufmerksamkeit kurz von Catherine ab. "Weißt du, wir-",
doch als er wieder zurück zu ihr sah, war sie bereits einige Schritte entfernt und kurz davor den Saal zu verlassen.
Sie hatte es schon immer genossen, von den Veranstaltungen zu verschwinden, wenn sie es eigentlich nicht tun sollte. Es löste ein Gefühl der Normalität aus. Denn nach einer Zeit hatte sie festgestellt, dass sie im Saal nicht gesucht, nicht vermisst wurde und der Fokus endlich auf anderen Dingen als ihr lag.
Sie hatte sich ein Tuch umgelegt, denn draußen waren die Temperaturen um einiges eisiger als im beheizten Ballsaal. Das knöchellange, dunkelblaue Kleid verschwamm zunehmend mit der Dunkelheit.
"Wie fühlt es sich an, plötzlich die Macht über ein Königreich zu besitzen?"
Die Frage kam unerwartet, gerade in den Moment als Maxim ebenfalls ins Freie trat und mit seinen Worten das Gespräch zuvor aus ihren Gedanken verbannte.
Und sie brauchte eine Weile, um eine Antwort geben zu können, oder genauer gesagt, zu entscheiden ihm überhaupt zu antworten. Doch letztendlich ließ sie ihren Streit zumindest für einige Sekunden fallen und seufzte nur leise, während Maxim einige Schritte hinter ihr zum Stehen kam.
Sie fand gewissermaßen Gefallen an der Macht, selbst wenn sie sich das nur selten eingestand. Jahrelang hatte sie sich nur auf diese eine Sache konzentriert und nun war endlich der Zeitpunkt gekommen um all ihr Wissen zu zeigen.
Doch da machte sich bereits das erste Problem bemerkbar.
Trotz all ihres Lernens, all ihres Aufwandes und all ihren Recherchen wusste sie doch oft nicht, was zu tun war. Das waren die Momente, in denen sie sich ihr eher ruhiges Leben im Schatten ihrer Mutter zurückwünschte.
"Es ist unerwartet, doch keineswegs auf eine schlechte Art und Weise.
Viel mehr, als würdest du keinen Winter kennen und ihn dir jeden Tag vorstellen, ihn beschreiben, ihn zeichnen und von ihm erzählen. Ihn so lange studieren, bis du denkst, du kennst jedes Detail von ihm.
Und wenn du die Schneelocken das erste Mal berührst, durchfährt dich die Kälte und dir wird klar, dass du eigentlich überhaupt nichts weißt, dass all deine Recherchen dich gebildet und geformt haben. Doch hierfür keinerlei Nutzen haben."
Vermutlich konnte sie ihm damit nicht weiterhelfen, trotz dessen, dass er sich in derselben Situation befand wie sie damals.
"Das klingt nicht sonderlich angenehm."
"Vermutlich war es das auch nicht."
Maxim würde es als falsche Wortwahl wahrnehmen, oder es einfach ignorieren. Doch es steckte so viel Wahrheit in dieser Antwort. Denn sie wusste nun mal nicht, wie sie sich in den ersten Wochen in ihrem neuen Amt geschlagen hatte. Sie konnte es nur vermuten und sich daranhalten, wie sie sich nun fühlte.
Und sie hatte noch nicht das Gefühl, vollkommen angekommen zu sein.
"Manchmal weiß ich selbst nicht, ob ich es als Strafe oder Geschenk ansehen soll, mit einem solch hohen Titel geboren zu sein."
"Wer weiß das schon?" Maxim seufzte, den Blick irgendwo weit in die Ferne gerichtet, obwohl er dort nichts erkennen könnte. Es war so dunkel, so still und so kalt, man konnte keine fünf Meter weit sehen bis das Schwarz übermannte.
"Unser Gespräch vor einigen Tagen – ich habe mich selbst vergessen.
Das hätte nicht passieren sollen."
Für einige Sekunden schwieg er und legte den Kopf schief, daraufhin trat er neben Catherine und legte seine Hände ebenfalls auf den kalten Stahl des Geländers.
"Wovon du gesprochen hast, all dem Bilden und Formen...
letztendlich macht man doch immer wieder Fehler, die so nicht voraussehbar waren."
Obwohl Maxim eine konkrete Entschuldigung ausließ, tilgten seine Worte zumindest ein wenig Catherines Zorn. Denn sie konnte ihm seinen Fehler nachempfinden, wenn auch nicht vollkommen verzeihen.
"Wolltest du denn jemals etwas anderes, als König zu werden, als Kronprinz zu sein?"
Maxim brauchte keine Zeit um sich die Antwort durch den Kopf gehen zu lassen, denn er antwortete sofort. "Nein." Für einen kurzen Moment schwieg er.
"Als kleiner Junge wollte ich einmal Polizist werden, nachdem wir eine Wache besucht hatten. Doch danach habe ich mir nie wieder etwas anderes gewünscht, als irgendwann dem nachzugehen was schon meine Vorfahren taten."
"Und dein Studium?"
"Ich mochte die Architektur schon immer und dachte, es wäre geschickt, etwas vorzeigen zu können. Etwas Handfestes, falls alle Stricke reißen sollten.
Doch das Studium konnte mich nicht länger als zwei Jahre begeistern, somit habe ich es vorzeitig beendet und mich wieder dem gewidmet, was mir wichtiger schien."
Catherine nickte, sie konnte nur zu gut verstehen von was er sprach. "Ich habe es mit Wirtschaft versucht – und das Studium auch erfolgreich beendet. Jedoch war dies mehr ein Vorschlag meiner Mutter. Sie meinte, es würde ein gutes Licht auf mich werfen."
Doch dieser Aspekt hatte Catherine nur wenig interessiert, viel mehr war es die angebotene Auszeit vom Palast und ihren Verpflichtungen gewesen. Zwar hatte sie nicht all die Zeit über verschwinden können, doch immer wieder einige Wochen. Und das hatte ihr vollkommen ausgereicht um den Kopf frei zu bekommen.
"Und hat sie damit Recht behalten?"
"Vermutlich. Aber auch nur, da die Presse keinen Wind von meinen Taten bekommen hat."
"Jetzt hast du mich neugierig gemacht."
Doch Catherine schüttelte den Kopf. Es war nicht der passende Moment sich in Erinnerungen zu verlieren. "Sieh hinauf." Wies sie Maxim an. Tausende Sterne funkelten am dunklen Himmel und ließen diesen Strahlen. Verdeckt von einigen Wolken, diese Nacht so unfassbar dunkel machten, blitzten sie nur immer wieder in der Ferne auf, wie bei einem Spiel mit dem Ziel, nicht gefunden zu werden.
"Du weichst meiner Frage aus, Cathy." Natürlich tat sie das, doch seine Feststellung brachte sie keinesfalls dazu, etwas daran zu ändern.
Stattdessen lehnte er seinen Kopf nun auch in den Nacken und verstummte, als er die Sterne erblickte.
Und so blieb sie, für einige Sekunden, einige Minuten, vollkommen versunken und dabei, die Zeit einfach zu vergessen.
Sie rechnete nicht damit, dass die Stimme real war, als diese sie plötzlich aus ihren Gedanken riss.
"Eure Majestät, sie müssen mit mir kommen. Es ist etwas Geschehen."
Doch im nächsten Moment regte sich Maxim und ihr Kopf rutschte ein Stück nach unten, der Blick schwenkte zurück zu den Grundmauern des Palastes und der Person die dort stand.
Es war Zoé.
Ihr Blick war voller Furcht.
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