
𝕋ü𝕣 𝟚𝟚 - 𝐴𝑙𝑙 𝐼 𝑊𝑎𝑛𝑡 𝐹𝑜𝑟 𝐶ℎ𝑟𝑖𝑠𝑡𝑚𝑎𝑠 𝐼𝑠 (𝑓𝑜𝑟) 𝑌𝑜𝑢 (𝑡𝑜 𝑛𝑜𝑡 𝑑𝑖𝑒) 𝑇𝑒𝑖𝑙 1
𝕋ü𝕣 𝟚𝟚
𝐴𝑙𝑙 𝐼 𝑊𝑎𝑛𝑡 𝐹𝑜𝑟 𝐶ℎ𝑟𝑖𝑠𝑡𝑚𝑎𝑠 𝐼𝑠 (𝑓𝑜𝑟) 𝑌𝑜𝑢 (𝑡𝑜 𝑛𝑜𝑡 𝑑𝑖𝑒) 𝑇𝑒𝑖𝑙 1
𝑉𝑜𝑛 AndiLovesZiall
˚ ༘✶ ⋆。
Inhalt: Harry und Louis sind Streifenpolizisten, die schon seit Ewigkeiten heimlich aufeinander crushen. Als ihre Kollegen es geschickt einfädeln, dass sie an Heiligabend zusammen Streife fahren müssen, scheint sich endlich die Gelegenheit zu ergeben, über gewisse Dinge zu sprechen – aber dann kommt ein unschöner Einsatz dazwischen ...
(Achtung: Setting-typische Gewalt & Drama)
TEIL 1
Als ich die Dienststelle betrat, noch in meine Zivilklamotten gekleidet, wurde ich anstelle des üblichen Geschnatters von unterdrücktem Gemurmel begrüßt. Prompt schoss mein Misstrauen in höhere Sphären.
Sehr verdächtig.
Heute war Heiligabend. Und ich hatte Geburtstag. Eine explosive Mischung, wenn man bedachte, dass sämtliche meiner Kollegen gerne feierten und erfahrungsgemäß auch nicht davor zurückschreckten, mitten im Polizeipräsidium eine Sekt- oder Glühweinparty steigen zu lassen. Dieses Jahr hatte ich sie bereits im Oktober, nachdem der Dienstplan für Dezember abgeschlossen worden war, vorgewarnt, dass ich während meines Dienstes am Heiligen Abend kein Sterbenswörtchen von meinem Geburtstag hören wollte.
Ich war zwar kein absoluter Geburtstagsmuffel oder so, ersparte es mir aber trotzdem lieber, mich in der Arbeit mit irgendwelchen Überraschungen konfrontieren zu lassen, gutgemeint oder nicht. Inzwischen wussten meine Kollegen das und hatten sich die letzten Jahre über auch brav an meine Bitte gehalten, aber heute schien wieder etwas im Busch zu sein.
Langsam umrundete ich den Tresen, nickte der Kollegin dahinter freundlich zu und visierte dann mein Team an, das ganz hinten im Raum verschwörerisch die Köpfe zusammensteckte. Und als sie ihr Gespräch auch noch abrupt beendeten, als sie mich gesichtet hatten, stand für mich eindeutig, dass sie irgendetwas ausheckten.
„Hey." Ohne meinen forschenden Blick von ihnen zu nehmen, warf ich meine Brotzeittüte in hohem Bogen auf meinen Schreibtisch. „Was ist hier los?"
„Tommo!" Niall, mein Streifenpartner und persönlicher Blondgnom, hüpfte erstaunlich grazil vom Aktenschrank und walzte auf mich zu. In der Hand hielt er ein kleines Päckchen mit Weihnachtsmuster und Schleifchen und allem, was eben dazugehörte. „Dein Weihnachtsgeschenk."
Argwöhnisch musterte ich erst das Geschenk, dann wieder Niall, der so breit grinste, dass ihm eigentlich schon fast die Zähne aus dem Mund fallen müssten. Ich traute es ihm zu, dass er eine Handgranate verpackt hatte und sich unheimlich darauf freute, dass mir alles um die Ohren flog. Aber selbst das wäre eine willkommene Alternative zu einer unerwünschten Geburtstagsparty.
„Haben wir nicht ausgemacht, dass wir uns nichts schenken?"
Niall zog einen Flunsch. „Mir egal. Heute ist Heiligabend."
Prüfend sah ich in die Runde, das Päckchen abwägend in der Hand. „Habt ihr auch alle eins?"
Kollektives Brummen und Nicken folgte, Zayn mal ausgenommen. Der starrte den Boden an und tat so, als wäre er nicht da. Ich bezweifelte, dass er ebenfalls ein Päckchen von Niall bekommen hatte. Immerhin war es ein offenes Geheimnis, dass die beiden es nach Dienstschluss garantiert wieder irgendwo treiben würden, und das dürfte Weihnachtsgeschenk genug sein. Ich fragte mich, wann die zwei endlich einsahen, dass da zwischen ihnen definitiv auch eine gesunde Portion Gefühle im Spiel war.
Nun gut.
Wahrscheinlich genau dann, wenn ich es wiederum einsah, dass ich einen ganz fürchterlichen Crush auf Harry am Laufen hatte. Harry war Zayns Streifenpartner und der wohl attraktivste, freundlichste und empathischste Mensch, den ich jemals kennengelernt hatte. Wann immer ich ihm auf dem Revier über den Weg lief oder Niall und ich uns mit ihm und Zayn für die Pause verabredeten, hatte ich das Gefühl, jeden Moment kotzen zu müssen.
Vor allem dann, wenn er auf der Bank irgendeines Imbisses direkt neben mir saß, so eng an mich gequetscht, dass ich sogar durch meine Uniform hindurch seine Körperwärme spürte. Dass mir sein charakteristischer Duft nach dezentem Deo und herbem Shampoo in die Nase stieg. Dass ich das Grübchen in seiner Wange aus nächster Nähe sehen konnte und mich zusammenreißen musste, um nicht vorwitzig mit dem Zeigefinger hineinzupieksen. Von seinen schokoladenbraunen Korkenzieherlocken ganz zu schweigen, die sich so sehr anbieten würden, aus Versehen daran zu ziehen, um zu sehen, wie lang sie waren. Seine geschwungenen Lippen. Seine smaragdgrünen Augen. Seine breiten, kräftigen Schultern, die einerseits gar nicht mit seinem sonst recht schlaksigen Körperbau zusammenpassten, seiner Attraktivität andererseits aber den aller-allerletzten Schliff verpassten. Seine ...
„Hallo, zusammen!"
Ich zuckte zusammen, als prompt Harrys Stimme durch den Raum wehte.
Wenn man vom Teufel sprach. Oder dachte.
Verdammte Scheiße. Ich musste mich zusammenreißen. Wenn ich nicht aufpasste, würde bald nicht mehr nur Niall über meinen peinlichen Crush Bescheid wissen, sondern das gesamte Team unserer Schicht.
Keine erstrebenswerte Aussicht.
„Tommo." Niall stieß mich an, wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. „Schau doch hin, solange du ihn noch ohne Uniform bewundern kannst." Nachdenklich hielt er inne. „Oder hast du vielleicht einen Uniform-Kink? Dann vergiss, was ich gesagt habe, und heb dir deine Sehkraft für später auf."
Meine Wangen brannten. „Niall, tu mir den Gefallen und halt die Fresse. Irgendwann kriegt noch die falsche Person deine Stichelei mit, und dann kann ich mich hier nicht mehr blicken lassen. Und du sollst nicht von dir selbst auf andere schließen, was deinen Uniform-Kink betrifft."
Niall gluckste unbarmherzig vor sich hin und schlang mir kumpelhaft den Arm um die Schultern. Meinen Seitenhieb mit dem Uniform-Kink ignorierte er geflissentlich. „Ach, nein. Außerdem musst du dir bei Zayn nichts denken. Der weiß doch schon längst, dass du Harold am liebsten heute noch einen Antrag machen würdest."
Wütend schlug ich nach ihm, aber natürlich war der kleine Trottel viel zu schnell und verpisste sich, bevor ich ihn treffen konnte. Rachsüchtig sah ich ihm nach. Irgendwann, wenn keiner hinsah, würde ich ihn an seinem Blondschopf packen und im Klo ertränken, und mir danach Tipps von der Spurensicherung einholen, wie ich das Verbrechen am besten vertuschte.
„Huhu! Alles klar bei euch?" Ein grinsender Harry tauchte vor mir auf, noch damit beschäftigt, sich seinen langen Wintermantel von den Schultern zu schütteln. Hastig musste ich wegsehen, als darunter sein kräftiger Oberkörper zum Vorschein kam, lediglich bedeckt von einem engen, schwarzen Rollkragenpulli, der nur wenig Freiraum für Interpretationen ließ. „Ich wusste ja, dass ihr zwei gerne streitet, aber prügelt ihr euch jetzt etwa schon?"
Wie immer, wenn ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte und sich der Blick seiner engelhaften Augen in meine bohrten, brach mir schlagartig der Schweiß aus allen Poren.
„Nein, keine Sorge." Ich rang mir ein Lächeln ab, das vermutlich viel zu breit war und mich wie Grinsekatze aussehen ließ. „Wir bemühen uns nur um weihnachtlichen Frieden."
„Na dann." Mit einem letzten Grinsen wandte Harry sich ab, um sich mit Liam und Olivia zu unterhalten, und ich musste jeden Funken meines Konzentrationsvermögens darauf verwenden, nicht ungeniert seine Rückseite anzustarren.
Die Art und Weise, wie sich seine Muskeln unter dem dünnen, engen Shirt bewegten. Seine Locken, die noch ungebändigt in alle Richtungen abstanden. Sein Hintern, der s-...
Okay, stopp.
Mit rauschenden Ohren und dem üblichen Kribbeln in meiner Magengegend drehte ich mich weg. „Ich zieh mich um. Bin gleich wieder da."
Ehe jemand etwas erwidern konnte, verschwand ich schon in den Umkleiden, inständig hoffend, dass mir dort nicht ausgerechnet Harry Gesellschaft leisten würde.
***
Als ich nach einer übertrieben ausgiebigen Umkleidesession ins Kollektivbüro zurückkehrte, war von meinen Kollegen nichts mehr zu sehen – offenbar hatten sie sich schon auf den Weg in die Garage gemacht. Kein Wunder, unsere Streifenschicht lief schon seit fünf Minuten. Garantiert würde Niall mir mal wieder eine erboste Standpauke über mein Zuspätkommen halten, aber selbst das war mir hundertmal lieber, als mich nochmal mit Harry unterhalten zu müssen.
Wo hatte der sich eigentlich umgezogen? In der Umkleide war ich ihm jedenfalls nicht begegnet, ebenso wenig auf der Toilette. Andererseits ... hatte er seine schwarze Uniformhose nicht schon getragen? Das würde auch den furchtbar engen Pulli erklären, über den konnte er das Uniformhemd problemlos drüberziehen, die wetterfeste, bauschige Jacke sowieso.
Damit blieb nur noch die Frage übrig, ob er sich heute wieder für die charakteristische Kappe entschied, oder doch lieber die Wintermütze mit dem Polizei-Schriftzug aufsetzte. Ersteres fand ich zwar schöner zum Ansehen, sinnvoller wäre allerdings Letzteres, immerhin hatte der Wetterbericht für heute Nacht klirrende minus zehn Grad angekündigt. Ungewöhnlich winterlich für einen Heiligabend.
Mit einem letzten Winken zu den drei Kolleginnen, die heute Nacht auf dem Revier Dienst schoben, passierte ich die gläserne Tür ins Treppenhaus hinaus, hastete eilig die Stufen in Richtung Tiefgarage hinunter. Es war ein Segen, dass wir hier in der Polizeiinspektion PI16 über eine Garage verfügten und somit im Sommer ein kühles, im Winter ein nicht komplett angefrorenes Auto hatten. Außer natürlich, wir übernahmen einen Wagen von der vorigen Schicht, und da waren ein paar Pappenheimer dabei, die es toll fanden, das Auto bei gefühlt vierzig Grad in die pralle Sonne zu stellen. War alles schon passiert. Niall, der Blödmann, hatte die Klimaanlage daraufhin so aggressiv aufgedreht, dass wir einen Tag später beide krank gewesen waren.
Nun gut.
Irritiert friemelte ich an meinem rutschenden Holster herum, während ich die Tiefgarage betrat – und wäre dann um ein Haar von einem Streifenwagen über den Haufen gefahren worden, der im allerletzten Moment ruckartig vor mir hielt.
Kopfschüttelnd streckte ich die Hand nach dem Türgriff aus. Das war wohl Nialls Rache für mein Zuspätkommen gewesen. „Niall, du musst nicht jedes Mal s-..."
Ich stockte.
Es war nicht Niall, der hinterm Steuer saß.
Nein, es war kein Geringerer als Harry fucking Styles höchstpersönlich.
Oh. Mein. Gott.
„Hi!" Grinsend beugte Harry sich über die Mittelkonsole. „Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?"
Mir blieb fast das Herz stehen.
„W-was?" Meine Stimme klang so sehr nach einem Schweinchenquieken, dass sich mir sämtliche Nackenhaare aufstellten. „Warum? Wo ist Niall?"
Harry räusperte sich. „Der wollte unbedingt eine Weihnachtsfahrt mit Zayn. Also haben wir ein wenig durchgetauscht. Ich hoffe, das ist für dich in Ordnung?"
Ich starrte ihn an. Ob das für mich in Ordnung war? Hier ging es doch eher darum, ob es für ihn in Ordnung war, die nächsten acht Stunden von mir angesabbert zu werden! Acht Stunden. Grundgütiger, wie sollte ich das nur aushalten? Ich bekam für gewöhnlich ja nicht einmal acht Minuten hin, ohne peinliches Zeug zu plappern oder mich anderweitig zu blamieren, diese acht Stunden würden für mich die Hölle auf Erden werden. Harry würde danach nie wieder mit mir in einen Streifenwagen steigen.
Eines stand fest: Wenn ich Niall das nächste Mal in die Finger bekam, würde ich ihm sowas von den Hals umdrehen. Auch auf die Gefahr hin, im Anschluss daran von Zayn verprügelt zu werden.
„Klar." Mit einem gezwungenen Lächeln und noch gezwungenerer Lässigkeit ließ ich mich in den Beifahrersitz fallen. „Ein kleiner Tapetenwechsel für zwischendurch. Das ist euer Wagen, oder?"
„Richtig." Harrys Grinsen intensivierte sich. „Niall und Zayn haben euren. Ich wollte keine abstrusen Verschmutzungen auf meiner Rückbank. Wer weiß, was die zwei während der Schicht treiben."
Stöhnend vergrub ich das Gesicht in den Händen. „Hör bloß auf."
Harry gab ein herzhaftes Lachen von sich, bei dem sich mir der Magen umstülpte. Verstohlen spähte ich zu ihm hinüber, solange er damit abgelenkt war, den Wagen aus der Tiefgarage zu manövrieren. Bisher trug er noch überhaupt keine Kopfbedeckung, sodass seine voluminösen Locken Narrenfreiheit hatten. Anmutig bewegten sich einzelne Strähnen im Luftzug der Heizung, wehten ihm flatternd in die Stirn und an die Wangen. Da er noch immer verschlagen grinste, präsentierte er weiterhin seine hübschen Grübchen, und alles in allem war er schlichtweg verboten attraktiv. Man sollte ihn dafür einsperren.
Verbissen rutschte ich tiefer in den Sitz.
Gut, dass der Kerl keine Gedanken lesen konnte. Denn dann würde er eher mich einsperren, für all die unsittlichen Vorstellungen, die ich über ihn hegte.
***
Die erste Hälfte der Schicht verlief relativ ruhig.
Gegen acht Uhr mussten wir eine Schlägerei vor einer Kirche schlichten, da sich ein paar Leute nicht darauf einigen hatten können, wer die letzte Christmetten-Kerze bekam, woraufhin das Ganze in Handgreiflichkeiten ausgeartet war.
Weihnachten, das Fest der Liebe.
Ja, klar.
Eine Stunde später wurden wir in die Fußgängerzone gerufen, weil dort ein paar alkoholisierte, bekiffte Teenager unter dem riesigen Christbaum Silvestermunition zündeten und einen Großbrand riskierten. Danach halste uns die Zentrale nur noch einen fragwürdigen Nachbarschaftsstreit zwischen zwei Karens auf, die einander beschuldigten, einen Stromausfall verursacht zu haben, und dann machten wir Gott sei Dank Pause.
Inzwischen saß ich hinterm Steuer, sodass Harry die Aufgabe übernahm, die anderen nach einer gemeinsamen Weihnachtspause zu fragen, aber irgendwie schienen die nicht so recht Interesse zu haben. Liam und Olivia steckten offenbar ausgerechnet jetzt in einem Einsatz, der noch länger dauern würde, während Zayn und Niall ihre Pause bestimmt für unangemessene Dinge nutzen wollten.
Schmerzlich dachte ich an die Rückbank in meinem Dienstwagen. Ich würde Niall zu einer Grundreinigung zwingen, bevor ich irgendwelche Leute dort einsteigen ließ.
„Na gut." Achselzuckend steckte Harry sein Smartphone weg, nachdem er die letzte Absage kassiert hatte. „Dann eben nur wir zwei." Fragend sah er mich an. „Wo sollen wir Pause machen? Viel hat heute Nacht leider nicht offen, da fällt mir nur der Kiosk oben an der Burg ein. Von dort aus hat man auch einen tollen Blick über die Stadt."
Ich schluckte schwer, musste mich zusammenreißen, um nicht wie der letzte Trottel in mich hineinzuglucksen. Was Harry hier schilderte, schrie für mich nur so nach It's a fucking date. Leider begrenzte sich das auf meine eigene Wahrnehmung, während Harry einfach nur rationale Überlegungen anstellte, wo wir uns heute etwas Warmes zu Trinken gönnen konnten. Zumal er selbst gar keine Brotzeit eingepackt hatte, wenn ich das richtig sah.
„Passt", gab ich eilig zurück, als mir aufging, dass er noch immer auf eine Antwort von mir wartete. „So wählerisch bin ich da nicht, ich würde mir sowieso nur einen Kaffee holen. Oder einen Kinderpunsch."
Harry summte zustimmend. „Kinderpunsch ist eine hervorragende Idee. Wir sollten mal als Teambuilding-Maßnahme zum Weihnachtsmarkt. Dann wären wir nicht im Dienst und könnten uns richtigen Punsch gönnen."
„Du kannst das gerne der Chefin vorschlagen." Ich musste grinsen. „Ich bezweifle aber, dass sie sich darauf einlassen wird. Damit würden wir ja dem Alkoholismus frönen. Sie organisiert lieber Ausflüge in den Klettergarten oder in Escape Rooms. Sport und Zusammenarbeit und so."
„Ja. Jedes Jahr in denselben Klettergarten und in dasselbe Escape Room."
„Dann musst du ihr eben einen anderen Klettergarten vorschlagen. Oder wir verabreden uns privat einfach mal alle auf dem Weihnachtsmarkt. Dann müssen wir unseren Punsch zwar selbst bezahlen, aber ich denke, so viel Geld haben wir alle gerade noch."
„Vermutlich."
Einige Minuten lang hüllten wir uns in angenehmes Schweigen, während wir zahllose geschmückte Bäume und allerlei andere Weihnachtsbeleuchtungen passierten. Inzwischen hatte leichter Schneefall eingesetzt, der die Dächer nach und nach weiß überzuckerte und dem heutigen Heiligabend den allerletzten Schliff gab. Ein solches Glück mit dem Wetter hatten wir hier schon lange nicht mehr gehabt. Weiße Weihnachten. Ein Traum.
„Hey, Louis?"
Ich löste den Blick von ein paar Leuten, die auf dem Gehsteig ausgerutscht waren. „Hm?"
„Wie hättest du den Heiligabend heute verbracht, hättest du keinen Dienst?"
Ich kam nicht umhin, ihn erstaunt anzusehen. Natürlich hatten wir uns die letzten Stunden hinweg gut unterhalten und uns über die verschiedensten Themen ausgetauscht, aber so persönlich war es bisher noch nicht gewesen. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde. Und vielleicht bekam ich in diesem Kontext ja die Info, dass Harry glücklich vergeben war und ich mir ihn getrost aus dem Kopf schlagen konnte.
Eigentlich Blödsinn, ihn über so lange Zeit hinweg nur aus der Ferne zu bewundern, mir aber nie die Mühe zu machen, ihn einfach mal nach einem Date zu fragen. Oder mich bei jemandem nach seinem Beziehungsstatus zu erkundigen. Da machte mir vermutlich meine Angst einen Strich durch die Rechnung– die Angst davor, dass meiner kindlichen Schwärmerei, in der ich mich so gerne suhlte, ein jähes Ende gesetzt wurde.
„Wahrscheinlich bei meinen Eltern", gab ich nachdenklich Auskunft. „Vor ein paar Jahren noch zusammen mit meinem jetzigen Ex, aber jetzt möchte ich nicht wie ein Klischee-Single alleine daheim rumsitzen. Und meine Eltern laden mich ein, daher passt das ganz gut."
Schockiert über mich selbst, schloss ich die Augen.
Oh nein.
Warum in Gottes Namen hatte ich ihm jetzt in einem einzigen Atemzug auf die Nase binden müssen, dass ich auf Männer stand und noch dazu aktuell Single war? War mir eigentlich noch zu helfen? Wenn er das jetzt in den falschen Hals bekam – oder eben in den richtigen? – und sich unangenehm angemacht fühlte, war erstmal Feierabend zwischen uns.
Anstatt mich jedoch schief anzusehen, angeekelt das Gesicht zu verziehen oder mir anderweitig zu zeigen, dass er meine Aussage für unangemessen hielt, nickte Harry nur.
„Klingt doch gut." Es klang ehrlich. „So ähnlich ist es bei mir auch. Meine Schwester Gemma und ich sind beide zu Weihnachten bei meiner Mum und ihrem Lebensgefährten. Gemma fährt über die Feiertage dann wieder zu ihrem Freund, aber der Heiligabend gehört der Kernfamilie." Er schenkte mir ein schiefes Grinsen. „Ich persönlich niste mich bis Neujahr bei meiner Mum ein, soweit ich eben frei habe. Ich glaube, ich war bisher nur ein einziges Mal an Weihnachten nicht im Elternhaus, da war ich bei meiner damaligen Freundin."
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
Eine Freundin. Kein Freund.
War ja klar.
Da schmolzen sie dahin, meine wahnwitzigen Hoffnungen.
Dennoch nickte ich verstehend und lächelte höflich, die Hände im Schutz meiner Jackentaschen zu Fäusten geballt. „Kenne ich nur zu gut."
Eine kurze Pause entstand, und im Gegensatz zu all den vorigen, die wir heute schon gehabt hatten, war diese hier irgendwie unangenehm. Angespannt. Als wäre uns beiden klar, dass sich plötzlich etwas an der Stimmung zwischen uns verändert hatte, und es war ganz allein meine Schuld. Ich war derjenige, der es zwischen uns komisch werden ließ, der uns unseren gemeinsamen Dienst versauen würde, wenn ich nicht aufpasste.
Panisch wollte ich etwas sagen, irgendeinen Themenwechsel einläuten, doch Harry kam mir zuvor.
„Die Sache mit meinem Freund hat damals leider nicht so lange gehalten, dass wir ein gemeinsames Weihnachten einplanen hätten können", knüpfte er an seine Erzählung von vorhin an, seltsam hastig. „Und eine gute Idee wäre es wohl auch nicht gewesen. Oh, schau, der Kiosk hat tatsächlich offen."
Als er wild drauflos zu plappern begann und mir wirres Zeug über Glühwein und vegane Bratwurstsemmeln erzählte, konnte ich nichts anderes tun, als ihn verstört anzustarren. Täuschte ich mich, oder schimmerten seine Wangen gerade in einem verdächtigen Rotstich? Und täuschte ich mich, oder hatte er soeben absichtlich noch den Part mit seinem Ex-Freund hinterhergeschoben, als hätte er es für nötig empfunden, mich darüber zu informieren?
Plötzlich waren meine Handflächen schweißnass.
Oh mein Gott.
Zum Glück drang exakt in diesem Moment ein Knacken aus unserem Funkgerät und setzte meinem emotionalen und physischen Ausnahmezustand ein Ende.
„Zentrale an alle Einheiten", meldete sich die Kollegin, die im Revier am Funk saß. „Schlägerei auf dem kleinen Heiligabendmarkt am alten Rathaus. Wer übernimmt?"
Ich konnte mir ein ernüchtertes Seufzen nicht verkneifen. Das alte Rathaus war nur ein paar Minuten von unserem jetzigen Standort entfernt, es wäre also sinnvoll für uns, den Einsatz zu übernehmen. Pause hin oder her.
„Super." Harry verzog ebenfalls das Gesicht. „Da müssen wir wohl ran."
Ich nickte düster und wollte soeben nach dem Funkgerät greifen, doch dann erwachte dieses schon wieder zum Leben, diesmal in Form von Nialls Stimme.
„PI16-2, wir sind in der Nähe und übernehmen. PI16-2, Ende."
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich zu Harry hinüber, doch der zuckte nur mit den Schultern, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen.
„Sieht ganz so aus, als hätte er den Mund gerade nicht voll gehabt. Oder andere Körperöffnungen."
Ich prustete drauflos, und damit war dieses merkwürdige Eis zwischen uns wieder gebrochen. Und noch viel wichtiger: Ich konnte mich auf eine gemütliche Pause in idyllischer Umgebung freuen, noch dazu in Harrys Gesellschaft und einem Becher Kinderpunsch in der Hand.
Ein kleines Highlight des diesjährigen Heiligabends.
***
Behaglich standen wir an einer der Feuertonnen, jeder mit einer Tasse Kinderpunsch und seinem Essen in der Hand. Obwohl ich eigentlich zu Hause ein Sandwich vorbereitet hatte, ließ ich mich von Harry anstecken und holte mir ebenfalls eine Portion Käsespätzle. Typisch. Sobald man unterwegs war und sah, welch tolles Essen es gab, hatte man keinen Bock mehr auf die selbst hergerichtete Brotzeit.
Harry hatte dies mit einem triumphierenden Lächeln quittiert und mir dann fast einen Herzinfarkt verpasst, indem er mir den Arm um die Schultern geschlungen und mich in Richtung der Feuertonne geschoben hatte. Wenn er nur wüsste, was er mir und meinem Blutdruck mit solchen Gesten antat.
Jetzt unterhielten wir uns mit gedämpften Stimmen über dies und jenes, und ich wurde nicht müde, jede Information, die Harry über sich selbst preisgab, gierig in mich aufzusaugen. Oder ihn anzuglotzen, wenn er gerade nicht hinsah. Im Schein des Feuers schimmerten seine grünen Augen seltsam golden, seine Haare kringelten sich wie flüssiges Karamell auf seine Schultern hinab, hingen ihm anmutig in die Stirn. Ein verdammter Prinz Charming.
Irgendwann verfielen wir in angenehmes Schweigen, sahen in die züngelnden Flammen hinab oder ließen den Blick über die wenigen anderen Menschen um uns herum und die nächtliche, beleuchtete Stadt schweifen. Die Atmosphäre hier oben auf der Burg war schlichtweg wundervoll. Mehrere geschmückte Christbäume, eine beeindruckend große Krippe, zahllose Kränze und Deko-Sterne, Lichterketten an jeder sich bietenden Stelle. Und dazu natürlich noch der Schnee, der mittlerweile nicht mehr nur fein und zaghaft herabrieselte, sondern in dicken, wattigen Flocken vom Himmel fiel. Wann immer sich eine davon in Harrys Locken verfing und er sie spitzbübisch grinsend wegschnippte, hatte ich das Gefühl, vor Entzücken sterben zu müssen.
Verdammte Scheiße.
Sein Anblick war so himmlisch. Je länger er so neben mir stand, beide Hände um seine dampfende Tasse geschlossen, und seine kältegeröteten Wangen im Feuerschein leuchteten, desto stärker wurde in mir das Bedürfnis, mich zurück unter seinen Arm zu quetschen und mir etwas von seiner Körperwärme abzuzwacken. Und vielleicht auch noch meine Nase in sein Haar zu drücken und ungeniert daran zu schnuppern. Oder zumindest die Finger hindurchgleiten zu lassen. Oder mir eine Strähne davon um den Zeigefinger zu wickeln.
„Nur noch fünf Minuten, dann müssen wir wieder los", brach Harry die behagliche Stille zwischen uns nach einiger Zeit. Ein bedauernder, nachdenklicher Unterton schwang in seiner Stimme mit. „Aber ... ähm ... bevor wir aufbrechen, wollte ich dich eigentlich noch etwas fragen."
„Klar." Gespannt wandte ich mich ihm zu. „Schieß los."
Harry fing meinen Blick auf, und da bemerkte ich erst das unsichere Lächeln, das seine geschwungenen Lippen umspielte. Die Art und Weise, wie er an seiner Tasse herumfummelte, als kämpfte er mit unsagbarer Nervosität. Verwirrt musterte ich ihn. Was hatte er denn auf einmal?
„Ähm, dass wir die Teams heute anders aufteilen, war nicht Nialls Idee." Harry brach ab, suchte nach Worten, und aus irgendeinem Grund wurden seine Wangen noch roter. „Zumindest nicht direkt."
Meine Verwirrung stieg ins Unermessliche.
„Okay?" Ich lachte unsicher. „Wessen Idee war es denn dann?"
„Meine", platzte es etwas zu energetisch aus ihm heraus, woraufhin er für einen Moment die Augen schloss, offenbar beschämt über diesen Ausbruch. „Fuck. Ähm. Louis, ich trage das schon seit einer halben Ewigkeit mit mir herum, und ich habe keinen Dunst, warum ich ausgerechnet an Weihnachten und an deinem Geburtstag damit daherkommen muss, aber ich wollte dir schon ewig sagen, dass ich s-..."
„PI16-2 an alle Kollegen!"
Nialls Stimme aus dem Funkgerät an meinem Gürtel.
„Ach, komm." Ich warf Harry einen entschuldigenden Blick zu, griff nach dem Ding. „Moment. PI16-1 hört?"
„Louis! Ihr seid in der Nähe des alten Rathauses, richtig?"
Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Seit Jahren saß ich zusammen mit Niall im Streifenwagen, hatte mit ihm schon allerlei unschöne Situationen hinter mich gebracht, wir hatten einander unzählige Male vor hässlichen Verletzungen bewahrt. Der bloße Klang seines Tonfalls reichte mir aus, um zu wissen, dass er in Schwierigkeiten steckte.
„Richtig", bestätigte ich, warf Harry einen besorgten Blick zu. „Was gibt's?"
„Wir brauchen Verstärkung." Im Hintergrund ertönte plötzlich ein Knall, gefolgt von Geschrei und einem Ächzen von Niall. Seine Atemzüge waren merkwürdig zittrig. „Einer der Typen hat auf einmal eine Waffe gezogen und auf uns geschossen."
Harrys Augen wurden groß, dann knallte er auch schon seinen Kinderpunsch hin und griff nach seinen Handschuhen und seiner Mütze.
„Fuck." Ich tat es ihm gleich. „Wir sind sofort da. Verletzte?"
„Ich hab nur einen Streifschuss abgekriegt. Der Notarzt ist schon verständigt."
„Du hast was?" Fluchend riss ich die Beifahrertür auf, während Harry wie selbstverständlich den Platz hinter dem Lenkrad einnahm. „Was ist mit Zayn?"
Niall ließ seltsames Geräusch hören, dicht gefolgt von einem Scharren, offenbar versuchte er, sich in eine bequemere Position zu manövrieren. „Zayn bringt die Zivilisten in Sicherheit. Dieser Arsch hier fuchtelt wild mit seiner Waffe rum und schreit wie ein Irrer! Wir können alle Hilfe brauchen, die wir kriegen!"
„Verstanden." Ich betätigte den roten Knopf an der Mittelkonsole, dann flammte auch schon das Blaulicht auf. „Wir sind unterwegs."
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☆ 4080 Wörter
Wuhaa! /(*o*/) Welch ein fießer, aber spannender Cliffhanger, meine Liebe AndiLovesZiall (≧∇≦)/♡ Morgen geht es dann weiter mit Teil 2. Danke für den absolut cuten und spannenden Einstieg (ღˇᴗˇ)。o
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