𝕋ü𝕣 𝟚𝟙 - 𝐶𝑜𝑚𝑚𝑜𝑛 𝑃𝑒𝑜𝑝𝑙𝑒
𝕋ü𝕣 𝟚𝟙
𝐶𝑜𝑚𝑚𝑜𝑛 𝑃𝑒𝑜𝑝𝑙𝑒
𝑉𝑜𝑛 irishkween
˚ ༘✶ ⋆。
„Hi, ähm... sorry, äh... könnten wir vielleicht ein Foto zusammen machen?"
Die Stimme war leise, weiblich, die Frage zaghaft, und Louis konnte die Aufregung in den Worten erkennen, noch ehe er sich zu der Person umgedreht hatte, die ihn mit großen Augen ehrfürchtig ansah.
„Hi", sagte er und lächelte das junge Mädchen an, das wirkte, als würde sie gleich hyperventilieren. „Ja, klar. Kein Problem."
Mit zitternden Fingern friemelte das Mädchen ihr Handy aus ihrer kleinen Umhängetasche, die sie zusätzlich zu einem Rucksack trug. Sie brauchte drei Anläufe, bis sie es schaffte, das Display zu entsperren, und als sie das Handy schließlich von sich streckte und sie beide in das verwackelte Bild lächelten, konnte Louis nicht anders, als ihr das Gerät aus der Hand zu nehmen.
„Vielleicht mach besser ich das Foto, ja?", fragte er amüsiert und zwinkerte ihr zu, ehe er ihr einen Arm um die Schultern legte. Sie schnappte bei der Geste hörbar nach Luft. „Wie heißt du, Love?"
„Emily", piepste sie heraus.
„Alles klar. Hi, Emily." Louis grinste in die Handykamera und drückte mehrmals auf den Auslöser, ehe er ihr das Telefon zurückgab. Sie umklammerte es mit zitternden Fingern. „Sind die okay geworden?"
Sie bejahte, ohne die Fotos auch nur angesehen zu haben. Louis musste schmunzeln.
„In Ordnung", sagte er und schulterte seine Tragetasche wieder richtig. „Tschau, Emily. Schöne Feiertage."
Sie quiekte ein „Danke. Dir... dir auch" heraus.
Louis lächelte ihr ein letztes Mal zu, dann drehte er sich um und peilte wieder sein ursprüngliches Ziel an: Das Gepäckband, das hoffentlich bald die Koffer seines Fliegers aus Amsterdam ausspucken würde. Er war mit einer kleinen Maschine gekommen und war Economy-Class geflogen, anders als er es für gewöhnlich von LA aus tat. Um ihn herum herrschte trotz der späten Uhrzeit ein reges Treiben, aber etwas anderes hatte er so kurz vor Weihnachten sowieso nicht erwartet.
Die Anzeigetafel deutete ihm den Weg zu einem der Gepäckbänder und mit hochgezogenen Schultern suchte er sich einen Platz zwischen einer Geschäftsfrau und einer Familie, deren Töchter noch zu jung schienen, um möglicherweise Fans von ihm zu sein. Vorsichtig sah er sich um, aber bisher schien ihn außer Emily zuvor niemand erkannt zu haben. Vermutlich rechneten die Leute inmitten ihres ganzen weihnachtlichen Anreise-Stresses nicht damit, in Heathrow einem Promi über den Weg zu laufen und blendeten ihn daher natürlicherweise aus. Louis war das nur Recht. Er wusste, dass er diesen Luxus nicht mehr lange genießen können würde – spätestens, wenn er aus dem Flughafengebäude trat, wäre seine Anonymität vorbei.
Die ersten Koffer purzelten auf das Gepäckband und fuhren an ihm vorbei. Die Geschäftsfrau zu seiner Linken griff zuerst nach einem Exemplar, schweinchenrosa und mit einem regenbogenfarbenen Gepäckgurt. Louis lächelte leise. Nur etwa eine Minute später hob er sein eigenes Gepäckstück vom Band, etwas subtiler in schwarz gehalten.
Er kannte Heathrow mittlerweile wie seine eigene Westentasche (natürlich, er flog immerhin oft genug), weshalb er mit sicheren Schritten auf den Ausgang zu ging, wo die Taxen warten würde. Gewusel und Hektik waberten um ihn herum, Menschen hasteten vor seinen Füßen vorüber, Kinder schrien und jammerten, links von ihm lag sich ein älteres Ehepaar in den Armen und weinte vor Freude, er einen Blumenstrauß in der Hand, sie einen Koffergriff. Unverständliche Durchsagen hallten aus den Lautsprechern. Jemand rief seinen Namen.
Gepeinigt schloss Louis für eine kurze Sekunde die Augen, dann starrte er weiterhin stur geradeaus, ohne sich auch nur einmal umzusehen.
„Louis! Louis, verbringen Sie Weihnachten bei Ihrer Familie? Warum sind Sie allein unterwegs? Möchten Sie die Feiertage nicht zusammen mit Ihrer Freundin verbringen? Louis! Ein Statement, bitte?"
Er knirschte mit den Zähnen, ging nicht auf die Rufe ein, die mehrstimmiger wurden, je näher er dem Ausgang kam.
„Haben Sie Niall Horan in den letzten Wochen noch einmal gesehen oder stimmt es, dass Sie nicht mehr befreundet sind?" – „Werden wir dieses Jahr noch eine Christmas-Single von Ihnen bekommen?" – „Wo kommen Sie gerade her? Wieso fliegen Sie erst so kurz vor Weihnachten zurück nach London?"
Die Türen glitten automatisch auf und Louis trat hinaus in die Kälte. Eine Windböe fuhr in seine geöffnete Jacke, während er nach einem freien Taxi Ausschau hielt. Irgendwo links von ihm blitzte eine Kamera auf.
Louis zwang sich dazu, nicht in die Richtung zu schauen, öffnete stattdessen die Tür von einem der Taxen. „East London", sagte er zu dem Fahrer, „Hackney. Fahren Sie mich?"
„Steigen Sie ein, Mr.", sagte er Fahrer mit starkem Akzent. Liverpool vermutlich. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Louis es als seinen größten Erfolg angesehen hatte, britische Akzente beinahe fehlerfrei auseinander zu halten.
Ein amüsiertes Schnauben entwich ihm, während er sich auf die Rückbank fallen ließ und der Fahrer seinen Koffer ins Taxi verfrachtete. Die Autotür knallte zu, die Rufe seines Namens verhallten. Louis entwich ein tiefer Seufzer. The Sun hatte es zur Zeit auf ihn abgesehen. Kleinere Klatschpressen machten auch immer wieder gern mit, wenn sich die Möglichkeit ergab.
Er verstand wirklich nicht, was so unheimlich spannend daran sein konnte, ihn aus einem Flughafengebäude kommen zu sehen, aber die Motive von Paparazzi und diesen blöden Käseblättern zu verstehen, hatte er schon vor Jahren aufgegeben. Es war wohl besser für die mentale Gesundheit, sich nicht zu sehr damit zu befassen.
„Welche Adresse, Mr.?" Der Fahrer sank hinter sein Steuer und tippte auf seinem Navi herum.
Louis nannte ihm Straße und Hausnummer, dann lehnte er sich seufzend zurück. Eine Autofahrt zu dieser Jahres- und Tageszeit durch London würde seine Weile dauern. Das Auto setzte sich in Bewegung und Louis zog sein Handy aus der Jackentasche.
Den Flugmodus hatte er zwar schon ausgeschaltet, kurz nachdem die Räder auf britischem Boden aufgesetzt hatten, aber seine Nachrichten hatte er noch nicht gecheckt, weshalb er dies nun nachholte.
Niall hatte ihm geschrieben – ein Foto geschickt, um genau zu sein – und Louis musste lächeln, als er es öffnete. Es war ein Selfie mitsamt seiner ausgedehnten Verwandtschaft, viele unbekannte Gesichter. Vermutlich hatte Niall das Bild an alle seine Kontakte weitergeleitet. Louis machte sich eine mentale Notiz, die Tage selbst ein Foto zurückzuschicken, und schloss den Chat wieder.
Seine Mutter hatte ihm geschrieben, fragte, ob er schon gelandet war und wann er käme. Ihr gab er direkt eine Antwort: „Bin in London, ruf in ca. 2 Stunden mal an."
Auch Oli wollte wissen, wann er endlich in Donny war und Louis' Finger huschten über das Display, als er antwortete: „Bin ab morgen da. Lust auf einen Drink?"
„Ist schon längst in Planung", antwortete Oli beinahe sofort, „Die Jungs sind alle dabei. Morgen Abend reinfeiern?"
Louis schickte einen Daumen-nach-oben zurück. Ein Lächeln zupfte an seinem Mundwinkel.
Durch den Rückspiegel warf ihm der Fahrer einen Blick zu, aber Louis tat, als bemerke er es nicht. Das Radio lief, irgendein poppiger Weihnachtssong, den Louis auch schon nach diesem kleinen Ausschnitt nicht ausstehen konnte. Das Lied ging zu Ende, ein Radiomoderator redete kurz über Weihnachtsfilme. Eine Moderatorin mischte sich ein, übernahm das Gespräch, redete von einer Hitsong-Hour. „Und wir legen los mit einer unerwarteten Kollaboration", sagte sie, „Country-Pop trifft auf Indie-Pop. Hier sind Niall Horan und Louis Tomlinson mit ihrer Single Pick Your Poison!"
Louis hob den Kopf, als der vertraute Gitarrensound einsetzte, den er nur wenige Monate zuvor tagelang in einem kleinen Studio hier in London gehört hatte, als der Song gerade mal zur Hälfte fertig gewesen war. Er erinnerte sich an Nialls hochgestreckte Daumen und sein breites Grinsen durch die Scheibe des Soundraumes hindurch, nachdem Louis seinen Part für den Refrain gesungen hatte. Er erinnerte sich an Julians beifälliges Nicken, ihr großartiger Produzent, und sein Versprechen, dass sie aus dem Lied etwas machen würden.
Er erinnerte sich an Nialls Geschrei am anderen Ende des Telefons, als er Pick Your Poison das erste Mal im Radio gehört hatte. Er erinnerte sich an sein eigenes unterdrücktes Gelächter, das Handy bei irgendeiner amerikanischen Late-Night-Show Backstage ans Ohr gedrückt, während Niall am anderen Ende der Welt in einem Fangirl-Anfall immer wieder „Jules hatte Recht, Jules hatte Recht!" gerufen hatte.
Dass irgendwelche dämlichen Paparazzi ernsthaft glaubten, er und Niall wären keine Freunde mehr, war realitätsferner als alles andere. Bloß, weil sie nach ihren Promo-Auftritten nicht mehr öffentlich zusammen zu sehen waren, hieß das noch lange nicht, dass ihre Kollaboration nur ein Mittel zum Zweck gewesen war – obwohl es dennoch einfach perfekt war, wie alles funktioniert hatte.
Niall war der Performer und Louis der Songwriter, sie hatten sich gegenseitig ergänzt und beide sowohl gute PR als auch eine echte Freundschaft daraus gewonnen.
Angefangen bei Nialls Nachricht per Instagram-Direktmessage: „Hey, hab deine Musik gehört. Wollen wir mal was zusammen schreiben?" über die Tage im Studio, rumprobieren und schließlich dem Ergebnis. Nialls Begeisterung über all seine Vorschläge und wie er jedes Mal direkt losgesungen hatte, wenn sie eine neue Songpassage ausgearbeitet hatten. Der Launch des neuen Liedes und wie Pick Your Poison sofort in undenkbare Zahlen geschossen war, weil Nialls Fanbase die passioniertesten Leute überhaupt waren.
Ihre darauffolgenden Interviews zusammen, über das Lied und den Schreibprozess reden, spaßige Freundschaftsspiele aufgedrückt zu bekommen und dieser eine Videoausschnitt, wie Niall hysterisch über einen Kommentar von Louis lachte, während dieser nur selbstgefällig in die Kamera grinste, der über Nacht zur perfekten Meme-Vorlage geworden war.
Dann das Musikvideo, Nialls Flehen, ob er das Auto daraus behalten könnte, und die steigenden Klickzahlen – sowohl für das Video als auch für die „Behind the Scenes"-Clips. Die Fans liebten ihre Freundschaft, bald hatte Louis fast doppelt so viele Follower auf Instagram, viele mit Usernamen wie „HoranLover1309" und „IrishPrincess_Nialler", und sein PR-Team lobte ihn für die Freundschaft, als würde er Niall nicht sowieso wie einen Bruder lieben.
„Sie sind der Sänger, nicht wahr, Mr.?", fragte der Taxifahrer. Wieder lagen seine Augen im Rückspiegel auf Louis, mit dem Kinn nickte er in Richtung Radio.
„Der bin ich", sagte Louis. Vielleicht hätte er es unter anderen Umständen bestritten, aber der Mann hatte immerhin mitbekommen, wie ihm eine Handvoll Paparazzi hinterhergerufen hatten, es wäre unsinnig gewesen, sich als jemand anderes auszugeben.
Zu seinem Glück nickte der Mann nur. „Guter Song."
Louis lächelte, schmallippig aber ehrlich. „Danke."
Es war immer ein wenig seltsam, seine eigenen Lieder im Radio zu hören, aber im Moment störte es ihn nicht so sehr, dass er den Fahrer bitten würde, den Sender zu wechseln.
„Wohnen Sie in London?", fragte er ihn stattdessen.
„Dagenham", erwiderte dieser knapp und sah Louis kurz durch den Spiegel hindurch in die Augen, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
Dagenham war nicht das billigste Pflaster in London, aber auch bei weitem kein wohlhabendes – erst recht nicht für einen Taxifahrer. Louis beschloss, ihm nachher ein großzügiges Trinkgeld dazulassen. „Müssen Sie die Feiertage über auch fahren?", wollte er wissen.
„Am 26. wieder. Weihnachten hab ich frei, weil ich Kinder habe."
Louis nickte und ließ sich zurück gegen seinen Sitz sinken, sah aus dem Fenster.
Es kam keine Gegenfrage und er war dankbar dafür. Er hatte nicht immer so ein Glück mit Taxifahrern, die ihn als Promi erkannten. Besonders in Amerika – New York oder LA ganz besonders – waren viele von ihnen auf eine unangenehme Weise gesprächig, fragten ihn persönliche Dinge, als wäre er dumm genug, sein Privatleben in die Welt herauszuposaunen, oder drängten ihn zu Autogrammen „für ihre Töchter". Er wusste, dass die meisten von ihnen vermutlich kinderlos waren. Das war einer der Gründe, warum er seinen Lebensmittelpunkt in London behielt, obwohl er mittlerweile als Sänger groß genug war, um für die Arbeit häufig in die Staaten fliegen zu müssen.
Die gesamte Fahrt dauerte beinahe anderthalb Stunden und Louis fielen beinahe die Augen zu, als das Taxi endlich vor seinem Wohngebäude hielt.
„Ich helfe Ihnen mit der Tasche, Mr.", sagte sein Fahrer und stieg aus.
Auch Louis quälte sich aus dem Auto und hängte sich seine Tragetasche über die Schulter. „Danke", sagte er zu dem Fahrer, als dieser den Koffer auf den Bordstein stellte. Es nieselte, aber Louis war zu müde, um sich für die letzten paar Meter noch seine Kapuze über den Kopf zu ziehen. Es war sowieso egal, hier in dieser Gegend würde ihn niemand heimlich fotografieren. „Wie viel bekommen Sie?"
Der Fahrer nannte ihm den Preis für die zurückgelegte Strecke und Louis' schlug einen guten Prozentsatz Trinkgeld drauf. Er erntete ein dankendes Nicken, dann räusperte sich der Fahrer. „Ich will Sie nicht weiter behelligen, aber... meine älteste Tochter ist ein Fan und..."
Louis unterdrückte ein müdes Seufzen. Er war nicht sauer, immerhin fragte dieser Typ nett und hatte ihn die gesamte Autofahrt über in Frieden gelassen. Dennoch konnte er nicht ganz verhindern, etwas missmutig zu sein. Er hatte einen langen Tag hinter sich. „Ein Autogramm?", fragte er, schaffte es dabei, sein professionelles Fan-Lächeln zu behalten. „Und ich kann natürlich darauf vertrauen, dass meine Adresse privat bleibt, richtig?"
Sein Fahrer nickte. „Selbstverständlich. Und danke. Vielleicht können wir auch noch ein Foto machen? Nur... damit sie es nicht für einen dummen Scherz hält."
„Geht klar", sagte Louis, obwohl er sich nun wirklich bemühen musste, nicht aufzuseufzen. Besonders fotogen fand er sich nach seiner heutigen Heimreise nicht mehr, aber dieses eine Bild mehr oder weniger, für das er heute posieren würde, machte dann auch keinen Unterschied mehr.
Er signierte ein Blockblatt, das ihm der Fahrer reichte und achtete beim Selfie darauf, dass nur das Taxi und keine Straßenschilder zu sehen waren, die seine Adresse doch unabsichtlich noch verraten würden. Dann verabschiedete er sich von dem Taxifahrer, der sich noch ein paar Male bei ihm bedankte, ehe er schließlich (begleitet von einem Schulterblick) das Gebäude betrat, das er bewohnte.
Eigentlich hatte er überlegt, sich gleich ein ganzes Grundstück zu kaufen – etwa ein Jahr, nachdem er es sich auch tatsächlich hätte leisten können – aber dann war es ihm doch irgendwie albern vorgekommen. Er war ein internationaler Superstar, ja, aber im Herzen war er noch immer der Junge aus Doncaster, aus bürgerlichen Verhältnissen, aus einer Familie, die sich in manchen schlechten Monaten nur das nötigste hatte leisten können.
Also hatte er sich in London bloß das Penthouse gemietet und seiner Mutter dafür ein Ferienhaus auf dem Land gekauft. Das hatte sich um Welten richtiger angefühlt, als wie ein halbes Mitglied der Royal Family zu leben.
Louis nickte dem Pförtner in der Lobby grüßend zu, dann zog er seine Schlüsselkarte heraus, um den Fahrstuhl zu entriegeln. Bereits während er nach oben zu seiner Wohnung fuhr, wählte er die Nummer seiner Mutter.
„Louis?" Ihre Stimme klang müde, aber trotzdem aufgeregt. Vermutlich hatte sie sich bis eben noch um den Haushalt und die Einhaltung der Schlafenszeit ihrer jüngsten Kinder gekümmert.
Louis spürte, wie sich seine Lippen automatisch zu einem Lächeln verzogen. „Hey, Mum."
„Hallo, Love", erwiderte sie und er hörte sie glücklich aufseufzen. „Bist du zuhause?"
Die Fahrstuhltüren öffneten sich und Louis hievte Koffer und Tragetasche in den Flur vor seiner Wohnungstür. „Ja", sagte er, während er aufsperrte. „Gerade eben."
„Oh Liebling, du hättest dir doch noch ein bisschen Zeit lassen können", sagte seine Mum. „Ich wäre auch in zehn Minuten ans Telefon gegangen."
„Ich weiß, ich weiß." Louis lächelte und schaltete die Lichter in seinem Penthouse an, um kurz alle Räume durchzuchecken. „Aber ich wollte einfach deine Stimme hören."
„Du Charmeur." Er hörte seine Mutter leise lachen, „Ich vermisse dich, mein Schatz."
„Ich komm ja morgen", sagte er lächelnd. In der Wohnung schien alles im grünen Bereich zu sein, weshalb er sich in seine geräumige Wohnküche begab und dort den Wasserkocher anschaltete. Es war zu einer Gewohnheit geworden, nach seiner Rückkehr hierher als erstes einen Tee trinken, ganz egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit es war.
Während das Wasser zu kochen anfing, hopste Louis auf seine Arbeitsplatte und ließ die Füße baumeln, das Handy noch immer am Ohr. „Ich weiß noch nicht, wann ich losfahre, aber spätestens am frühen Nachmittag sollte ich bei euch sein."
„Willst du etwa selbst fahren?", fragte seine Mutter und er hörte die Skepsis aus ihrer Stimme heraus.
„Mum", sagte er und verdrehte ein wenig seine Augen, auch wenn sie ihn rührte. „Es wäre nicht das erste Mal, das weißt du. Und außerdem muss ich die Geschenke für die Kleinen irgendwo verstauen. Mein eigenes Auto ist die beste Option."
Sie seufzte. „Ich weiß, Liebling. Ich bin einfach nur besorgt, du kennst mich doch."
Louis musste sich ebenfalls ein Seufzen verkneifen. „Ich kann nunmal schlecht einfach in den nächsten Zug steigen", sagte er leise, „Und einen Tag vor Weihnachten von London nach Donny rauszufahren, will ich den Taxifahrern auch nicht antun."
„Ja", erwiderte seine Mutter und zog einmal die Nase hoch. „Mein wundervoller, berühmter Sohn. Und immer noch so am Boden geblieben. Ich liebe dich, Louis, das weißt du, oder?"
„Mum..." Louis schluckte um den Kloß in seinem Hals herum, räusperte sich. „Das hab ich alles nur dir zu verdanken. Und ich liebe dich natürlich auch."
„Ach, mein großer Junge..." Jetzt schniefte sie wirklich. „Okay, ich muss aufhören, sonst muss ich noch weinen."
Louis lächelte, blinzelte seine eigenen Tränen weg. „Tust du das nicht sowieso schon?"
„Nein", log sie und putzte sich am anderen Ende des Anrufs geräuschvoll die Nase. „Das sind Allergien. Ich reagiere bestimmt auf den Tannenbaum."
Damit brachte sie Louis zum Lachen. „Natürlich. Hey, ähm..." Er machte eine kurze Pause. „Es stört dich doch nicht, wenn ich morgen Abend mit den Jungs reinfeier, oder?" Unsicher biss er sich das kaputte Nagelbett noch etwas kaputter. Er fühlte sich ein wenig schuldig, immerhin hatte er seine Familie nun mehrere Monate lang nicht mehr gesehen. „Es ist nur... Oli hat schon alles geplant und-..."
„Louis, natürlich stört mich das nicht!", fiel seine Mutter ihm ins Wort. „Du bist erwachsen, du darfst dir deinen Besuch so einplanen, wie auch immer du willst. Und es ist doch völlig klar, dass du mit deinen Freunden reinfeiern willst. Die Jungs haben dich schließlich genauso lange nicht mehr gesehen wie wir."
„Ich weiß..." Louis rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. Mittlerweile hatte sein Wasser gekocht und Louis hüpfte von der Arbeitsplatte, um sich eine Tasse Tee aufzugießen. „Ich will nur nicht, dass ihr euch von mir benachteiligt fühlt, besonders die Kleinen."
„Liebling, du bist mehr als zwei Wochen bei uns", erinnerte ihn seine Mum sanft, „Wir werden es verkraften, wenn du mal den ein oder anderen Abend nicht durchgehend anwesend bist. Du hast auch als Superstar ein Recht darauf, deine Zeit nach deinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen einzuteilen."
Louis schnaubte. „Bitte hör auf, mich als Superstar zu betiteln. Du bist nicht The Sun."
Seine Mutter lachte auf. „Aber ich bin doch so stolz auf dich."
Er verdrehte die Augen, lächelte dabei aber.
„Natürlich freuen wir uns, wenn wir viel mit dir unternehmen können", fuhr sie nun fort, „Und ich würde dich auch darum bitten, zumindest morgen noch zum Abendessen da zu sein, weil die Mädchen extra für dich was kochen wollen. Aber das ist auch dein Weihnachtsurlaub, nicht nur unserer, ja?"
„Ja", sagte Louis, ehe er leise anfügte: „Danke, Mum. Ich hab dich echt lieb."
„Und ich dich, mein Schatz."
Sie sprachen noch ein paar Minuten lang miteinander, dann verabschiedeten sie sich jedoch und Louis ging zeitig ins Bett, um für die mehrstündige Autofahrt am nächsten Tag fit zu sein.
***
Es war früher Nachmittag, als Louis ankam. Er wurde begrüßt wie ein ewig verschollener Sohn – und wer weiß, vielleicht war er das ja auch irgendwie. Seine jüngsten Geschwister sprangen aufgeregt um ihn herum, die älteren Mädchen wollten ihn gar nicht mehr loslassen und seine Mutter überhäufte ihn mit Wangenküssen.
„Mum, ich hab euch ja auch vermisst", sagte er lachend und wankte unter dem Gewicht von vier jungen Teenagern und zwei Grundschulkindern. „Aber vielleicht sollten wir mal von der Straße runtergehen?"
Irgendwann schafften sie es schließlich ins Haus – die gemietete Doppelhaushälfte, die Louis bekannter war als jedes andere Gebäude auf der Welt – und machten es sich im Wohnzimmer gemütlich.
„Wie lange bist du gefahren?", fragte seine Mum, ließ ihn aber gar nicht antworten, sondern redete schon weiter auf ihn ein: „Hast du Hunger? Es wäre noch was vom Mittagessen übrig. Oder willst du dich erstmal ausruhen? Dein altes Zimmer ist schon hergerichtet, aber sag Bescheid, wenn ich dir noch irgendwas bringen kann..."
„Mum!" Louis unterbrach sie und rollte liebevoll mit den Augen. „Ich bin okay. Wenn ich was brauche, kann ich mich auch selbst darum kümmern. Mach dir nicht so einen Stress, ja?"
Sie seufzte auf, dann wuschelte sie ihm einmal durch die Haare. Neben ihm auf der Couch fingen zwei seiner Schwestern eine Kabbelei an.
„Ich weiß", sagte seine Mutter, „Ich find es nur so schön, dass du endlich mal wieder da bist."
Louis lächelte sie an, während er seine jüngste Schwester an sich drückte, die zum Kuscheln auf seinen Schoß geklettert war. „Ich auch."
„Hat Mum dir schon erzählt, wen sie zum Kaffee eingeladen hat?" Mit Schwung ließ sich Lottie, die älteste seiner kleinen Geschwister in den Sessel ihm gegenüber fallen. Es erschreckte Louis immer wieder, wie erwachsen sie mittlerweile aussah. Hatte er sie nicht gestern erst als Kleinkind im Arm gehalten, als sie beide noch die einzigen Kinder der Familie Tomlinson gewesen waren?
„Ähm, nein?" Fragend sah Louis zu seiner Mutter auf. „Wen denn?"
„Nur die Nachbarn", sagte diese nun und sah Lottie streng an. „Lass es doch nicht so wie eine Drohung klingen!"
„Hab ich doch gar nicht!", protestierte ihre älteste Tochter prompt, „Ich wollte es nur mal erwähnt haben, damit Lou nachher nicht komplett überfordert ist. Sie hat die Styles' eingeladen."
„Oh?" Louis' Augenbrauen hoben sich bei dem Familiennamen. „Alle?"
Lottie grinste ihn an, als wisse sie etwas, das sie definitiv nicht wissen sollte. „Allerdings alle", sagte sie. Louis warf sie mit einem Kissen ab. Lottie warf es zurück und fegte dabei beinahe ein Wasserglas vom Couchtisch.
„Kinder!" Ein strenger Blick ihrer Mutter traf sie. „Benehmt euch! Ja, Louis, die ganze Familie. Harry und Gemma sind schon vor ein paar Tagen beide angekommen, also hab ich sie natürlich auch mit eingeladen."
Louis hob in einer abwehrenden Geste eine Hand (den zweiten Arm hatte Doris wie ein Kuscheltier umklammert). „Ich hab nichts gegen die Styles'", sagte er, „Ist doch nett."
„Sie kommen in einer Stunde", flüsterte Lottie ihm viel zu laut zu. Noch immer grinste sie. „Nur, falls du dich vorher nochmal... frisch machen willst oder so."
Louis zeigte ihr, von ihrer Mutter versteckt, den Mittelfinger.
Er würde sich ganz bestimmt nicht für ein ehemaliges Nachbarkind frisch machen, mit dem er sich seit mehreren Jahren nicht mehr unterhalten hatte. Louis erinnerte sich nicht einmal daran, wann er Harry das letzte Mal gesehen hatte – vermutlich zur Weihnachtszeit letztes Jahr, als sie beide mal wieder gleichzeitig die Feiertage im Elternhaus verbracht und sich über den Zaun hinweg einmal zugenickt hatten.
Aber wirklich miteinander geredet hatten sie nicht mehr, seit Louis mit seiner X-Factor-Tour durchgestartet war. Seit seine Karriere als Musiker steil bergauf gegangen war. Seit er keine Zeit mehr hatte, seine Familie unter dem Jahr zu besuchen.
Er fragte sich, was Harry mittlerweile wohl machte. Ob er studierte oder eine Ausbildung machte. Wo er hingezogen war, ob er vielleicht ähnlich weit von seiner Familie entfernt wohnte wie Louis. Sie waren ungefähr im gleichen Alter, Harry war nur eine Klassenstufe unter ihm gewesen, irgendetwas musste er in seinem Leben erreicht haben, oder?
Louis erinnerte sich daran, wie er Harry damals jeden Tag aus dem Haus treten sehen hatte, jedes Mal einen randvollen Rucksack über den Schultern. An besonders regnerischen Tagen hatte er immer einen geblümten Regenschirm dabei gehabt, war den Pfützen auf dem Gehweg ausgewichen. Bei Schnee hatte ihn ein Elternteil mit dem Auto gefahren, das immer vor dem Haus geparkt stand.
Es war ebenfalls eine Doppelhaushälfte, das die Styles' bewohnten, schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. Harrys Zimmerfenster hatte hinaus zur Straße gezeigt, genau wie Louis' auch.
Manchmal hatte Louis deshalb einfach im Dunkeln auf seinem Bett gesessen und nach drüben gesehen – nicht auf eine creepy Weise, nur neugierig. Harry hatte abends oft noch an seinem Schreibtisch gelernt, der unter dem Fenster stand (oder gestanden hatte, wer wusste schon, was mittlerweile damit passiert war), die Lampe auf dem Tisch wie ein Bühnenscheinwerfer auf ihn gerichtet. Louis hatte in diesen Momenten immer gewusst, dass er eigentlich ebenfalls lernen sollte, aber doch hatte er oft minutenlang bloß in dieses andere Fenster gesehen und sich gefragt, wie es wäre, Harry um ein Date zu bitten.
Bis zu seiner X-Factor-Audition hatte er gekniffen, und dann war er ein Star geworden und nicht mehr nach Hause gekommen.
Und doch roch sein Zimmer noch genau wie damals – vielleicht ein bisschen mehr nach Waschmittel und ein bisschen weniger nach männlichem Teenager, aber der Grundgeruch war der Selbe. Mit einem leisen Seufzen stellte Louis seinen Koffer vor dem Schrank ab und genoss die wenigen Sekunden, die seine Nase noch nicht geruchsblind war. Er würde sich schnell wieder an diesen vertrauten Duft von zuhause gewöhnen.
Eigentlich hatte er seiner Mum beim Decken vom Kaffeetisch helfen wollen, doch sie hatte ihn nach oben gescheucht, um sich für die nächsten zwei Wochen einzurichten. Ein paar lange Minuten stand Louis dann allerdings nur in seinem alten Kinderzimmer und fühlte sich beinahe etwas verloren. Er wusste nicht mehr richtig, wie man das tat: sich einrichten. Seit er auf Touren ging, lebte er aus dem Koffer. Der einzige Kleiderschrank, den er wirklich benutzte, war der in seinem Penthouse in London.
So kam es, dass er vor lauter Überforderung gerade mal die Hälfte seines Kofferinhalt verräumt hatte, als es unten an der Haustür klingelte. Bis zu diesem Moment war es vor seiner spaltbreit geöffneten Tür überraschend ruhig gewesen, doch plötzlich kam wieder Leben in das Haus. Er hörte, wie die großen Zwillinge die Treppe aus dem zweiten Stockwerk heruntergetrampelt kamen, natürlich wieder in eine Kabbelei verstrickt, hörte seine Mutter nach den restlichen Kindern rufen, hörte noch mehr Fußtritte und wie Ernest in all dem Krach seinen Namen quäkte und verlangte, dass Louis ihn die Stufen heruntertrug.
Mit einem leisen Seufzen ließ Louis seinen Koffer links liegen und richtete sich aus seiner knienden Position auf dem Fußboden auf. Ein letztes Mal sah er in den Spiegel, der an seiner Schranktür hing, zupfte ein paar Haarsträhnen zurecht und streckte seinen Rücken zurecht. Dann trat er hinaus in den Flur, schnappte sich seinen kleinen Bruder, der überrascht aufkreischte, und so sehr herumzappelte, dass Louis sich das Ordnen seiner Frisur auch hätte sparen können.
Das größte Stimmengewirr kam aus dem Wohnzimmer, aber am Fuße der Treppe, direkt im Flur vor der Haustür, standen drei Leute: Gemma Styles und ihr Vater Robin, zusammen mit Fizzy, die den beiden Gästen die Jacken abnahm.
Louis stellte Ernest auf dem Teppich ab, um seinen ehemaligen Nachbarn die Hand zu geben.
„Hey, ihr zwei", sagte er und strahlte sie mit dem gleichen breiten Lächeln an, mit dem er auch in Interviews immer punkten konnte.
„Louis!" Robin sah man an, dass er sich über seine Anwesenheit aufrichtig freute. „Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wie geht's dir?"
„Gut, und selbst?", smalltalkte er zurück. All die Late-Night-Shows hatten ihn das bis ins Detail perfektionieren lassen.
Ein paar Floskeln lang ging ihr Gespräch hin und her (er hatte diese Smalltalk-Sache wirklich perfektioniert!), dann deutete Louis den beiden Styles' den Weg ins Wohnzimmer, ehe er den Raum als letzter betrat. Er begrüßte auch Anne, ließ sich von ihr drücken und einmal von allen Seiten betrachten, ehe sie ihn schließlich wieder losließ.
Und dann stand ihm auf einmal Harry gegenüber, deutlich erwachsener als seine siebzehnjährige Version, mit der Louis das letzte Mal geredet hatte – so viele Jahre zuvor, dass ihn die tiefe Stimme völlig überraschte, mit der Harry ihn begrüßte.
„Louis Tomlinson", sagte er.
Und auf einmal bekam Louis Angst, dass Harry ihn auf seine Berühmtheit ansprechen würde, auf seinen Erfolg, seine Musik. Dass er ihn nur noch für etwas kannte, mit dem ihn der Rest der Welt ebenfalls verband.
Doch dann hob Harry eine Augenbraue und sagte: „Erinnerst du dich daran, wie du mir damals diesen riesigen Schneeball ins Gesicht geworfen hast?"
Louis musste lächeln, er konnte gar nicht anders. „Tut mir leid", sagte er und sah, wie Harry nun auch seine Mundwinkel hochzog. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich damit nur versucht hab, deine Aufmerksamkeit zu bekommen. Hat es funktioniert?"
Harry lachte auf, blieb ihm allerdings eine Antwort schuldig, denn nun rief Louis' Mum sie alle an den Esstisch. Louis half seiner Mutter dabei, die Gäste und seine Schwestern mit Kuchen, Kaffee und Tee, und die jüngsten mit heißer Schokolade zu versorgen, ehe er sich schließlich selbst zwischen seinen Geschwistern und gegenüber von Harry auf einen Stuhl fallen ließ. Über den Tisch hinweg lächelten sie sich an und in Louis' Magengegend stieg ein warmes Kribbeln auf.
Robin und Anne fragten ihn, wo er seine letzten Wochen verbracht hatte, und als er ihr sagte, dass er in Amsterdam gewesen war, wollte sie unbedingt mehr wissen und quetschte ihn über all die Orte aus, die er in der Stadt besucht hatte (er hielt ein paar gewisse Erfahrungen aus seinen Erzählungen raus, aber das wissende Schmunzeln, das Harry ihm zuwarf, machte deutlich, dass man sich wohl trotzdem denken konnte, dass er in dieser Zeit auch die ein oder andere Droge eingenommen hatte). Dann wollte Robin wissen, wie er nach Doncaster gekommen war, und Louis erklärte ihm, dass er mit dem Auto von seiner Wohnung in London aus gefahren war.
„Harry wohnt jetzt auch in London", warf Gemma ein, die der Konversation wohl mit einem Ohr zugehört haben musste.
„Ach?", machte Louis überrascht und sah seinen Gegenüber an. „Tust du?"
„Seit ein paar Monaten, ja." Harry wirkte irgendwie verlegen. „Es ist aber alles noch ein bisschen überfordernd."
Louis lächelte ihn an. „Das ist London. Ich hab mich ehrlich gesagt immer noch nicht wirklich da eingelebt."
Weil er so oft auf Tour war, dass er dafür kaum eine wirkliche Chance bekam, aber das sagte er nicht und es fragte auch niemand nach – Louis war dankbar dafür. Generell fragte ihn niemand nach seiner Musik, seiner Berühmtheit, seinem Promi-Leben, und er genoss es, mal nicht deswegen im Mittelpunkt zu stehen. Das hier waren die Menschen, mit denen er aufgewachsen war. Das hier waren einfache Leute. Seine einfachen Leute. Und hier fühlte er sich so absolut willkommen wie nirgendwo anders.
Etwa eine halbe Stunde nach dem Kuchen wurden die Kinder hibbelig und Jay schickte sie in den Garten hinaus, um sich auszutoben. Harrys Eltern unterhielten sich mittlerweile mit Fizzy über ihren anstehenden Schulabschluss und Gemma redete mit Lottie über Berufswünsche.
„Hey", sagte Louis mit gesenkter Stimme über den Tisch hinweg zu Harry. „Ich würde kurz rauchen gehen. Willst du mitkommen?"
„Klar", erwiderte dieser und lächelte.
Louis musste ebenfalls lächeln. „Mum", sagte er dann und räusperte sich. „Wir sind kurz..." Er machte eine vage Geste und sie nickte verstehend.
„Nicht vor den Kleinen, Louis", mahnte sie dann jedoch noch.
Er verdrehte die Augen, grinste sie dann aber versöhnlich an. „Weiß ich doch."
„Sorry", sagte er dann zu Harry, der schon vorangegangen war, um seine Winterstiefel anzuziehen. „Wir müssen leider vorne auf die Straße. Ich bin ein schlechtes Vorbild für meine Geschwister und meine Mum mag es nicht, wenn ich vor ihnen rauche." Er schlüpfte selbst in ein paar Turnschuhe, stieg einfach auf die Schnürsenkel, um sich das Binden der Schleifen zu sparen. Er griff sich seine Jacke und Schlüssel, dann hielt er Harry die Haustür auf.
„Danke", sagte dieser und lächelte schon wieder so breit, dass seine Grübchen zum Vorschein kamen.
Louis räusperte sich und wandte den Blick ab, um die Tür hinter sich zuzuziehen.
Als er sich wieder umwandte, sah Harry ihn immer noch lächelnd an. „Komm mit", sagte er und griff unerwartet nach Louis' Hand. „Ich hab eine Idee."
„Was?" Überfordert sich Louis sich einfach nur mitziehen, aus dem Tor heraus und zum Nachbartor, dem der anderen Seite der Doppelhaushälften. Erst, als Harry schon den Vorgarten betrat, hielt Louis ihn auf.
„Warte mal, wie können nicht einfach bei Mrs. Dipps einbrechen!", sagte er.
Harry lachte. „Wir brechen nicht ein", sagte er, ein Funkeln in seinen Augen, das ein aufgeregtes Kribbeln in Louis' Magen auslöste. „Ich hab in den letzten Jahren öfter mal ihre Katzen versorgt, wenn sie wegen ihrem Knie ins Krankenhaus musste. Sie hat mir erlaubt, ihre Terrasse zu benutzen, wann immer ich will."
Selbst nach dieser Erklärung ließ sich Louis nur zögerlich auf das Nachbargrundstück ziehen. Er wohnte zwar schon lange nicht mehr hier, aber Mrs. Dipps hatte ihn auf dem Kieker gehabt, seit er mit 15 mal ausversehen einen Fußball gegen ihren liebsten Blumentopf geschossen hatte, und er war sich nicht sicher, ob sie ihm das jemals verziehen hatte.
„Du übernimmst die volle Verantwortung hierfür, richtig?", hakte er skeptisch nach.
Harry grinste ihn an. „Natürlich", sagte er.
Er führte Louis einmal um das Haus herum. Mrs. Dipps' Garten stand in starkem Kontrast zu dem der Tomlinson's: Wo bei letzterem vor allem Grünfläche zum Spielen war, befanden sich beim anderen vorwiegend Beete und gestutzte Büsche (zu dieser Jahreszeit natürlich kahl).
Zwischen den beiden Gärten gab es eine Efeu-Hecke – die einzige Pflanze, der die Kälte nichts auszumachen schien. Louis konnte seine kleinen Geschwister nebenan kreischen und lachen hören, aber die Hecke bot einen idealen Sichtschutz.
Sie stellten sich nebeneinander auf die Terrasse und Harry beförderte einen Aschenbecher zu Tage, den er auf der kniehohen Mauer platzierte. Louis, der gerade in seiner Jackentasche nach seinem Feuerzeug kramte, hob fragend eine Augenbraue.
Harry lächelte wieder bloß und zuckte mit den Schultern. „Ihre Tochter raucht auch. Ich hab das Teil nur zufällig gefunden."
Louis schüttelte ungläubig den Kopf, musste aber lachen. Er hielt Harry die geöffneten Zigaretten hin und sie steckten sich beide eine an.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du irgendwann Raucher wirst", sagte er, „Du warst doch immer so ein Musterkind."
Harry schnaubte auf. „Im Gegensatz zu dir, meinst du?"
Louis grinste nur und hob eine Schulter an. „Du konntest dir denken, was ich in Amsterdam noch alles gemacht hab, außer Musik zu produzieren."
„Auch wieder wahr." Harry erwiderte das Grinsen.
Im Nachbargarten quietschte Doris auf, dann krachte irgendetwas hölzern, ehe es ein paar Sekunden lang leise wurde. Dann ging der Krach von neuem los.
„Es hat übrigens funktioniert", sagte Harry auf einmal leise und fragend sah Louis ihn an.
„Was hat funktioniert?"
„Meine Aufmerksamkeit zu bekommen." Harry sah ihm direkt in die Augen. „Obwohl das eigentlich nie nötig gewesen ist. Ich fand dich schon immer interessant. Ich hab mich nur nie getraut, dich von mir aus anzusprechen."
„Tja", sagte Louis und lächelte, ganz leicht nur. „Dito." Ein paar Herzschläge sagte keiner etwas, dann ergriff Louis wieder das Wort: „Ich würde dir gerne vorschlagen, dir dabei zu helfen, mit London vertrauter zu werden... aber ich bin mir nicht sicher, wie lange du dich mit mir irgendwo rumtreiben kannst, ohne auf einer blöden Titelseite zu landen."
Es war das erste Mal an diesem Nachmittag, dass jemand von ihnen seinen Bekanntheitsgrad ansprach, aber Harry nahm es gelassen, als wäre es nicht die Aufregung wert. Als wäre Louis nur ein ganz normaler Typ.
„Wir finden bestimmt eine Lösung dafür", sagte er und – war er näher gekommen?
Louis war sich ziemlich sicher, dass sie vor einer Minute noch etwas weiter voneinander entfernt gestanden hatten. Sein Verdacht bestätigte sich, als Harrys Blick auf seine Lippen rutschte, und er schluckte. Die Zigarette zwischen seinen Fingern verglühte und Asche fiel zu Boden, aber sie war völlig nebensächlich geworden.
„Kann ich dich küssen?", fragte Harry leise und trat noch einen Schritt näher. Ihre dicken Jacken berührten sich bereits.
„Ja", erwiderte Louis atemlos. „Ja, kannst du."
Harry überbrückte den Abstand zwischen ihren Gesichtern und küsste ihn. Seine Lippen waren warm und bewegten sich sanft auf Louis', dem die Augen zugefallen waren. Eine Hand fuhr in seine Haare, seine eigene freie Hand griff in Harrys Mantelkragen und zog ihn noch näher an sich.
So standen sie eine ganze Weile nur da, auf einer fremden Terrasse, die Zigarettenstummel kalt zwischen ihren Fingern und das Geschrei von Louis' Geschwistern im Ohr.
„Komm heute Abend mit ins Jimmy's", war das Erste, was Louis sagte, als sie sich wieder lösten. Sein Atem ging schwer und sein Herz schlug wild in seiner Brust. Harry ließ seinen Blick zwischen seinen Augen hin und her rutschen. „Ich treff mich mit ein paar Freunden, wir wollen in meinen Geburtstag reinfeiern. Ich würde mich freuen, wenn du mit dabei wärst."
Harry biss sich auf die Unterlippe. „Ich...", fing er an, offensichtlich verlegen. „Ich... hab kein Geschenk für dich."
Louis blinzelte ein paar Male, dann musste er lachen. Seine Hand ließ Harrys Mantelkragen los und legte sich stattdessen flach auf seine Brust. „Sei nicht albern!", sagte er, „Ich kann mir buchstäblich alles kaufen, was ich will. Das Einzige, was ich zu meinem Geburtstag wirklich möchte, ist ein cooler Abend mit meinen Leuten."
Noch immer sah Harry nicht besonders überzeugt aus. „Aber-..."
„Hör zu, wenn du unbedingt willst, kannst du uns eine Runde Shots ausgeben, aber ich brauch wirklich keine Geschenke. Das hab ich den Jungs auch schon gesagt und die halten sich so ziemlich dran."
„Wer ist alles mit dabei?", fragte Harry zögerlich.
Louis lächelte. Das klang doch schon mal nicht schlecht. „Oli, Stan, ein paar andere Leute aus meiner alten Klasse, ein paar aus dem ehemaligen Fußballteam... und ich würde auch Lottie mitnehmen, weiß aber nicht, wie lange sie bleiben will." Louis wusste, dass er Harry nicht zum Mitkommen zwingen konnte, wenn er wirklich nicht wollte, aber er konnte wenigstens versuchen, ihn zu überzeugen. „Ich weiß, dass wir Jungs damals alle ein bisschen bescheuert waren, aber ich bin nicht der Einzige von uns, der erwachsen geworden ist. Meine Freunde sind echt in Ordnung, vor allem wenn sie wissen, dass du meinetwegen da bist."
Verdammt, er wollte Harry wirklich mit dabei haben, wenn er sogar so weit ging, die Idioten in Schutz zu nehmen, die sich seine ältesten Freunde nannten...
Und irgendwie schien es tatsächlich zu funktionieren, denn schließlich lächelte sein Gegenüber, ungewohnt schüchtern und verlegen. „Okay", sagte er und nickte. „Ich bin dabei."
„Ja?", hakte Louis ungläubig nach.
Harry lachte auf. „Ja", wiederholte er, während Louis' Lippen sich ebenfalls zu einem Lächeln verzogen. „Holst du mich ab?"
Louis sah zu ihm auf „In Ordnung", sagte er und strich mit der Hand über Harry Brust. „Ich steh um 8 an deiner Tür."
***
„Louis!" Der laute, freudige Ruf begrüßte ihn, als er am Abend zusammen mit Lottie und Harry das Jimmy's betrat. Oli kam grinsend auf ihn zu, seine roten Haare wie ein Leuchtfeuer in der Bar. Er schloss Louis in eine feste Umarmung und schlug ihm ein paar Male auf den Rücken.
„Wie geht's dir, Mann? Gut siehst du aus! Und die kleine Lottie hast du auch mitgebracht. Darf die denn überhaupt schon trinken?"
Lottie zeigte ihm den Mittelfinger. „Ich bin 19, Mister Wright. Und tu mal bitte nicht so, als hättet ihr euch damals von eurem Alter davon abhalten lassen, zu trinken."
Oli lachte nur auf und zuckte mit den Schultern. „Punkt an dich, Miss Tomlinson. Aber für Louis' Schulfreunde wirst du leider trotzdem immer die kleine Lottie bleiben."
Sie rollte mit den Augen, lächelte dabei aber.
Olis Blick wanderte weiter zu Harry, dann fragend zu Louis. „Und wen hast du da noch mitgenommen?"
Harry räusperte sich verlegen und Louis drückte unauffällig seinen Arm. „Das ist Harry. Ihr kennt ihn auch, wir waren auf der gleichen Schule."
„Oooh", machte Oli und seine Augen wurden groß. „Du warst in der Unterstufe, oder?"
„Äääh, nur eine Klasse unter euch", erwiderte Harry und spielte nervös mit seinen Mantelknöpfen. „Wir hatten ein paar Mal zusammen Sport."
„Richtig..." Oli hob in einer undefinierbaren Mimik seine Augenbraue und fixierte Louis mit seinem Blick. „Na, dann kommt mal mit. Wir sitzen am Stammtisch."
Er scheuchte Lottie und Harry voran, ehe er Louis ein paar Meter zurück hielt und sich verschwörerisch zu ihm beugte. „Habt ihr rumgemacht?", zischte er ihm ins Ohr, war dabei allerdings so laut, dass Louis froh um die laufende Musik war.
„Halt die Klappe, Wright!", zischte er zurück, spürte aber, wie seine Wangen warm wurden.
Das war ja wohl unglaublich! Da sah man sich etliche Monate lang nicht, und das Erste, was dieser Typ von ihm wissen wollte, war, ob er mit Harry rumgemacht hatte!
„Aber du stehst auf ihn, oder?" Oli ließ auch auf den letzten Metern zu ihrem Stammtisch nicht locker.
Louis verdrehte die Augen. „Kann schon sein", gab er dann aber trotzdem zu. Es hatte ja sowieso keinen Zweck, es zu leugnen. Spätestens nach diesem Abend würden es ihm alle seine Freunde von der Nasenspitze ablesen können.
Sie kamen beim Tisch an und auch hier wurde Louis begrüßt, wie ein heimkehrender Abenteurer (was er ja im Grunde auch war). Seine ehemaligen Fußball-Kameraden johlten seinen Namen, Stühle wurden zurückgeschoben, um ihn zu umarmen, und kräftige Hände schlugen ihm vermehrt auf den Rücken. Stan gab ihm sogar einen übertrieben feuchten Knutscher auf die Wange, der ihn in gespieltem Ekel das Gesicht verziehen ließ.
„Sei nicht schwul, Stanley!", sagte er, während er seinem Kumpel einen Arm um die Schultern legte. „Das ist mein Job."
Seine alten Freunde lachten, aber Louis' Blick suchte nur Harrys. Als er ihn lächeln sah, zwinkerte er ihm zu und genoss das Gefühl, das in ihm aufstieg, als dieser verlegen den Kopf senkte und sich auf die Unterlippe biss.
Er sah gut aus – verdammt gut sogar – in seinem roten Hemd und den schwarzen Skinnyjeans. Louis erwischte sich bei dem Gedanken, ihm alle Klamotten ausziehen und dabei jedes Stückchen Haut küssen zu wollen.
Ruckartig wandte er den Kopf ab, bestellte zur Ablenkung lautstark Alkohol für alle, ehe er sich auf die Bank schob, die sich auf einer der Tischseiten befand. Wie zufällig glitt Harry neben ihn (obwohl Louis stark vermutete, dass Oli ihn dazu gedrängt hatte) und schenkte ihm ein Lächeln, ehe er zu den Spielkarten griff, die irgendwer mitgebracht haben musste. Sie spielten ein paar Runden Arschloch und Busfahrer, blödelten nebenbei rum und machten schließlich die erste Raucherpause.
Louis schlüpfte in seine Winterjacke und half Harry dann in seinen Mantel. Die Geste brachte ihm einen beiläufigen Pfiff von Oli ein und der Rest des Tisches lachte, als Louis ihm als Antwort seinen Mittelfinger entgegenstreckte. Harry jedoch bedankte sich nur leise und zu fünft traten sie aus der Bar hinaus in die nebelige Kälte: Harry, Louis, Stan und zwei der Fußball-Jungs, Ian und Mickey.
Louis reichte erst seine Zigaretten, dann sein Feuerzeug herum, und ein paar Minuten standen sie in der eisigen Nachtluft, die Kippen zwischen den klammen Fingern und banale Gesprächsthemen auf den Lippen. Niemand fragte Louis nach seiner Berühmtheit, niemand kam zu ihm und bat um ein Foto. Er hatte sich lange nicht mehr so normal gefühlt.
Ian war der erste, der seine Kippe auf dem Boden austrat, Stan und Mickey taten es ihm gleich.
„Geht ruhig schon mal wieder rein", sagte Louis, als würde er ihnen damit einen Gefallen tun. Das Grinsen, das ihm alle drei schenkten, bewies ihm allerdings, dass er deutlich weniger subtil war, als er sein wollte. Dennoch taten sie ihm den Gefallen und ließen ihn mit Harry allein, der ihn ebenfalls ansah, als wisse er ganz genau, was Louis eigentlich hatte erreichen wollen.
Aber vielleicht war es Louis sowieso völlig egal, wenn die ganze Welt davon erfuhr, denn die Art, wie Harry nun einen Schritt auf ihn zu machte, ließ ihn glauben, dass das hier nur eine große Sache werden konnte.
„Wenn du mich küssen willst...", fing Harry nun an und ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. „Also nur, wenn du es wirklich willst... dann kannst du das einfach tun. Nur so am Rande."
„Du bist ganz schön von dir selbst überzeugt, weißt du das?", fragte Louis, während er bereits seine Zigarette auf den Boden fallen ließ und sie mit dem Schuh austrat. Nur etwa eine Sekunde später hatten seine Finger schon in Harrys Mantelkragen gegriffen und ihn für einen Kuss an sich gezogen.
Er spürte Harrys Lächeln an seinen Lippen, schmeckte das Nikotin und den Alkohol, spürte das Kribbeln in seinem gesamten Körper. „Du siehst verdammt heiß aus", flüsterte er zwischen zwei Küssen. „Ich wollte es dir vorhin schon sagen, aber-..." Wieder küsste Harry ihn. „...aber nicht vor Lottie. Und den Jungs." Er rückte ein Stück von Harry ab, leckte sich einmal über die Lippen. „Obwohl die sowieso schon alle kapiert haben, was los ist."
Harry grinste ihn schief an. „Ach? Was ist denn los?", fragte er frech.
Louis allerdings erwiderte nur das Grinsen. „Vielleicht hast du es bis zum Heimweg rausgefunden."
Als sie wieder zum Tisch kamen, begegneten ihnen mehrere wissende Blicke und das ein oder andere Feixen. Louis zeigte einen Mittelfinger in die Runde und forderte Oli kurzerhand zu einem Duell am Dart-Board heraus. Natürlich gewann Louis, aber mit dem Spiel hatten sie den Rest der Gruppe dazu animiert, ebenfalls aktiv zu werden. Die Jungs aus dem Fußball-Team hatten sich selbstverständlich um den Kicker-Tisch herum versammelt, der Rest sah Lottie dabei zu, wie sie Eddie beim Billard schlug.
„Kannst du Billard spielen?", fragte Louis, als er neben Harry in die Runde trat.
„So lange es nicht professionell ist", erwiderte dieser, grinste dann. „Wieso? Brauchst du eine Entschuldigung, um mir auf den Hintern zu schauen, wenn ich mich vorbeuge?"
Louis erwiderte das Grinsen mit einem engelsgleichen Lächeln. „Hm... brauch ich dafür denn eine Entschuldigung?", fragte er, ehe er zum Spieltisch nickte. „Lust auf eine schnelle Runde?"
Er hatte seinen Worten absichtlich einen anzüglichen Unterton gegeben und gab sich innerlich einen High Five, als er Harry tatsächlich schlucken sah.
„Billard", fügte er unschuldig an, „Ich meinte eine Runde Billard. Oder was auch immer du dachtest."
Harry sah ihn an, der Blick brennend. „Ich weiß ganz genau, was du gemeint hast."
Louis lächelte. „Gut. Dann sind wir ja auf einer Wellenlänge."
Er beobachtete, wie Lottie die schwarze Kugel fehlerfrei versenkte (er konnte nicht anders, als stolz auf seine kleine Schwester zu sein) und nahm ihr nach einer Runde High-Fives den Queue aus der Hand, um ihn an Harry weiterzureichen. Eddie händigte seinen Stab freiwillig aus – vermutlich hatte er keine Lust mehr, zu verlieren.
Louis überließ Harry den ersten Kugelstoß, der tatsächlich kräftiger war, als er erwartet hatte und die Kugeln in alle erdenklichen Richtungen rollen ließ. Harry beanspruchte die vollen Billardkugeln für sich, dann deutete er eine kleine Verbeugung in Louis' Richtung an.
„Du bist dran."
Louis räusperte sich leise, dann riss er sich zusammen. Er kam von allen Seiten gut an die weiße Kugel ran, deshalb stellte er sich absichtlich mit dem Rücken zu Harry, um sich schließlich zum Billardtisch herunterzubeugen. Er fokussierte sich nur auf seinen Kugelstoß, wusste aber trotzdem, dass Harry ihn ansah. Er versenkte erst eine der halben Kugeln, dann zwei gleichzeitig, ehe er den dritten Stoß jedoch versaute.
Harry warf ihm einen Blick aus dunklen Augen zu, als er nun selbst wieder zu seinem Queue griff. Louis grinste nur und genoss die Aussicht, während Harry erfolgreich zwei Kugeln versenkte. In der nächsten Runde schaffte Louis eine Kugel, Harry dafür keine.
Als sie das nächste Mal aneinander vorbei gingen, hielt Harry ihn am Arm fest und lehnte sich zu seinem Ohr. „Du machst das mit Absicht", flüsterte er, „Glaub bloß nicht, ich kapier das nicht, nur weil es den gewünschten Effekt hat."
Louis lachte nur auf und wandte sich aus Harrys Griff. Natürlich positionierte er sich absichtlich so unauffällig-lasziv auf dem Billardtisch wie möglich, alles andere wäre verschwendetes Potenzial! Dass Harry genau wusste, warum er es tat, machte das ganze nur spaßiger.
Schlussendlich verlor Louis beim Kampf um die schwarze Kugel, aber er nahm es mit sportlicher Gelassenheit. Er hatte nicht gespielt, um beim Billard zu gewinnen – der wahre Preis war sowieso etwas ganz anderes gewesen und die Art, wie Harry ihn ansah, ließ ihn sich dem verdammt nah fühlen.
Es war nicht mehr lange bis Mitternacht, und während sie sich alle wieder am Tisch versammelten, gab Harry tatsächlich wie versprochen eine Runde Shots aus. Niemand von ihnen hatte an diesem Abend besonders viel Alkohol getrunken (immerhin war quasi Weihnachten und keiner wollte am nächsten Morgen verkatert sein), dennoch wurden die Shots mit lautem Johlen begrüßt. Oli sah sich natürlich gezwungen, einen Toast auf Louis auszusprechen, ehe es schließlich auf einmal Mitternacht war und sie alle begannen, ihm ein Geburtstagsständchen zu singen.
Louis lachte, sie kippten die Shots runter, irgendeiner von diesen ganzen manischen Idioten ließ eine Konfetti-Kanone über ihm knallen und Lottie drückte ihm einen Lipgloss-klebrigen Kuss auf die Wange.
„Happy Birthday", hauchte Harry ihm von der anderen Seite ins Ohr und drückte unter dem Tisch seine Hand.
Louis lächelte.
***
Harry hielt noch immer seine Hand, als sie schließlich mitten in der Nacht vor der Doppelhaushälfte der Tomlinsons stehen blieben. Ihre Gesichter und Fingerspitzen waren kalt, denn sie waren den gesamten Weg von der Bar aus gelaufen, hatten geredet, hatten sich geküsst.
Stan hatte angeboten, sie mitzunehmen, denn er war komplett nüchtern geblieben und mit dem Auto gefahren. Louis aber hatte dankend abgelehnt und ihn stattdessen nur gebeten, Lottie schonmal mitzunehmen – nicht, weil er seine kleine Schwester loswerden wollte, sondern weil er sichergehen wollte, dass die gut nach Hause kam. Vermutlich schlief sie mittlerweile schon längst, denn sie war schon vor einer guten halben Stunde zuhause angekommen.
Louis wollte Harrys Hand nicht loslassen. Er wollte ihn nicht loslassen.
„Danke, dass du mitgekommen bist", sagte er schließlich leise. Es war so still in den nächtlichen Straßen, dass er sich gar nicht traute, seine Stimme zu heben. „Ich hab mich lange nicht mehr so besonders gefühlt, ohne dass es was damit zu tun hatte, dass ich ein Popstar bin."
Harry sah ihn direkt an. „Aber du bist besonders", sagte er, ebenso leise, „Immer. Du bist ein unglaublicher Musiker und ein toller Songwriter... aber du bist auch ein besonderer Mensch, Louis. Das dachte ich schon damals, als du noch einfach nur mein Nachbar warst."
Louis konnte Harry nur anstarren. „Geh nicht nach Hause", flüsterte er dann, „Komm mit zu mir hoch. Bitte."
Harry lächelte, als hätte er nur auf diese Frage gewartet. „Okay."
***
Gepolter von Kinderfüßen auf Treppenstufen weckten Harry. Er lag in einem fremden Bett, die fremde Bettwäsche weich auf seinem nackten Körper. Die Erinnerungen an die letzte Nacht ließen ihn lächeln. Die Person, neben der er eingeschlafen war, lag nicht mehr neben ihm, aber er hörte das kratzende Geräusch eines Stiftes auf Papier, und als er die Augen öffnete, sah er Louis am Fußende des Bettes sitzen, die Arme auf die Schreibtischplatte gestützt. Er hatte sich Boxershorts übergezogen, war aber abgesehen davon noch immer nackt.
„Morg'n", sagte Harry, seine Stimme dunkel und kratzig vom Schlaf.
Louis zuckte zusammen und drehte sich um, lächelte aber, als er Harry ansah. „Morgen. Gut geschlafen?"
„Hmm", machte dieser und richtete sich ein Stück auf. Louis' Blick huschte zu dem nackten Teil von Harrys Körper, dann wieder zurück zu seinen Augen. Harry unterdrückte ein Grinsen, fragte dann nur: „Was machst du da?"
Louis rieb sich verlegen über die Wange. „Neue Song-Idee", murmelte er, „Ich musste das aufschreiben, bevor ich es wieder vergessen kann. Ähm..."
Er wandte sich wieder ab, räusperte sich. Da war noch mehr, das merkte Harry.
Schließlich drehte sich Louis erneut um, richtig diesmal. Seine Augen fanden Harrys. „Hör zu...", begann er zögerlich, „Mein Leben in London ist nicht einfach; diese ganze Popstar-Sache und so, du weißt schon..." Er atmete einmal tief durch. „Und ich weiß nicht, wie viel dir die letzte Nacht bedeutet hat, aber... mir hat sie definitiv was bedeutet und... ich schätze, ich will nur sagen, dass wenn du dich in London einsam fühlst... ich könnte definitiv auch jemanden gebrauchen, der mich von Zeit zu Zeit daran erinnert, wo ich herkomme und dass ich einer von den einfachen Leuten bin."
Harry lächelte ihn an. „Klingt nach einer Win-Win-Situation. Ich werde auf jeden Fall drauf zurückkommen. Aber für den Anfang kann ich dich auch darum bitten, morgen Nachmittag zum Weihnachts-Tee vorbeizuschauen, oder?"
Louis biss sich auf die Unterlippe, als er lächelte. „Ich bin die nächsten zwei Wochen hier. Du kannst mich einladen, wann immer du willst."
└◌───❀*̥˚───◌───❀*̥˚┘
☆ 8595 Wörter
Naw, danke Liebe irishkween für deinen süßen OneShot. Es war so schön, wie beide gleich ehrlich miteinander umgegangen sind und somit wussten, dass sie sich mögen. Eine wundervolle Win-Win-Situation *.*
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