Manipulierendes Biest
Nach dem Gespräch mit Cara versuchte der Beta noch mehr sie zu meiden, als er es bereits zuvor getan hatte. Er hatte keine Lust darauf, erneut mit ihr seine Probleme zu diskutieren. In ihr Privatleben mischte er sich schließlich auch nicht ein. Natürlich war er sich bewusst, dass sein Ausweichmanöver nicht auf lange Zeit funktionieren würde, bald würde sie wieder sein Blut benötigen und es würde ein Leichtes für sie werden, ihn anhand seines Geruches ausfindig zu machen. In dieser Hinsicht standen die Vampire den Werwölfen in nichts nach. So gesehen war es ein Wunder, dass er ihr bisher so gut entkommen war. Auch an den Morgen, die er an Benjamins Grab verbrachte, hatte er seine Ruhe. Sehr zu seiner Überraschung, wäre es doch ein Leichtes für sie gewesen, ihn in diesen Momenten allein anzutreffen und die Gelegenheit zu nutzen, um ihren Durst zu stillen.
Eine ganze Woche hielt sie sich von ihm fern. Seine Verletzung war in dieser Zeit endlich geheilt und Cassandra hatte ihm erlaubt, langsam wieder mit dem Training zu beginnen, auch wenn sie ausdrücklich betont hatte, dass er bloß nichts überstürzen sollte. Dass hieß auch, dass er keinen Schoßhund mehr brauchte, der ihn rund um die Uhr betreute und Sam von dieser Aufgabe zurücktreten konnte. Dieser hatte versucht sich mit Händen und Füßen dagegen zu wehren, hatte argumentiert, dass Miles unbedingt jemanden brauchte, der ihn in seinen Schranken hielt und der auf ihn aufpasste, wohl weil Sam sein schlechtes Gewissen noch nicht abgelegt hatte. Es hatte Miles einen ganzen Tag und unzählige Beteuerungen gekostet, Sam klar zu machen, dass er allein zurechtkommen würde und er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Als der weiße Wolf dann endlich sein Zimmer verlassen hatte, hatte der Beta erleichtert aufgeatmet und sich rücklings auf sein Bett fallen lassen. Die Ruhe genießend, hatte er tatsächlich ein kurzes Nickerchen gemacht, bis es an seine Tür geklopft hatte. Mit einem Knurren hatte er dem Ruhestörer Eintritt gewährt, in dem festen Glauben, gleich erneut Sam zu erblicken, doch an Stelle des Jünglings betrat Cara sein Zimmer. Bevor er auch nur ansetzen konnte, etwas zu sagen, hob sie bereits ihren Zeigefinger und gebot ihm so zu schweigen.
„Es tut mir leid, aber ich kann das hier nicht mehr länger aufschieben", gab sie zerknirscht zu, „Es ist eine Ewigkeit her, dass ich länger als eine Woche nichts mehr zu mir genommen habe und ich laufe so langsam Gefahr den Verstand zu verlieren, weil mein Magen vor Durst langsam schmerzt."
Miles hätte vielleicht protestieren können, doch es hätte keinen Sinn gemacht. Er würde sich nicht drücken können, nicht zuletzt, weil er unter Elijahs Befehl stand. Seufzend zog er sein Oberteil etwas herunter und legte seinen Kopf zur Seite, um ihr mehr Platz zu verschaffen, während sie sich zu ihm setzte und mit ihren Fingerspitzen vorsichtig über seinen Hals fuhr.
„Von dem letzten Biss ist nichts mehr zu sehen, die Entzündung ist zurückgegangen", stellte sie erfreut fest.
„Zum Glück. Er sah ein paar Tage so aus, als hätte mir jemand einen riesengroßen Knutschfleck verpasst", brummte er, woraufhin Cara leise lachte.
„Findest du das etwas lustig?", fragte er sie empört, doch sie schüttelte bloß mit dem Kopf.
„Natürlich nicht."
Miles wusste es zwar besser, ließ es aber auf sich beruhen. Sie befand sich gerade in einer Situation, in der er nicht die Überhand hatte, und in der er sie nicht unbedingt reizen wollte, um nicht zu riskieren, dass sie ihn schmerzhafter als nötig biss. Wobei es ihm ziemlich schwerfiel sich zu beherrschen und einige Kommentare, die ihm bereits auf der Zunge lagen, herunterzuschlucken. Er zuckte zusammen, als sie mit ihrer Zunge über seine empfindliche Haut fuhr, um sie zu betäuben. Daran würde er sich so schnell nicht gewöhnen.
„Du warst wieder jeden Morgen bei Benjamin", hauchte sie gegen seinen Hals und er war zu erstaunt darüber, dass sie ihm anscheinend hinterher spioniert hatte, als dass er ihr etwas erwidern konnte, „Du solltest endlich loslassen, Miles. Diese Schuldgefühle werden dich noch zerfressen."
Bevor sein Puls hochkochen konnte, weil sie sich wieder in seine Angelegenheiten einmischte, biss sie zu. Er spürte dieses Mal keinen Schmerz und schob dies mit darauf, dass er mit seinen Gedanken ganz wo anders war. Einzig und allein den sanften Druck ihrer Lippen nahm er war. Mit jedem Tropfen Blut, den sie ihm mehr entzog, schien mehr Ordnung in sein Gedankenchaos einzukehren. Sein Körper entspannte sich, schmiegte sich leicht gegen Cara, während ihm sogar ein zufriedenes Stöhnen entfuhr. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihm aus, als würde sich jemand in seinem Kopf breit machen und in seinen Erinnerungen herumstöbern. Benjamin schimmerte vor seinem inneren Auge auf und irgendwie verband er diesen Anblick plötzlich nicht mehr mit Schuld, sondern nur noch mit Trauer und fühlte sich dabei seltsam erlöst, als ob sein schlechtes Gewissen sich beruhigt hatte. Nur konnte das unmöglich sein. Die Schuld konnte sich nicht innerhalb von wenigen Sekunden verflüchtigen. Er versuchte zu verstehen, was los vor, doch jedes Mal, wenn er kurz vor der Lösung stand, schien sie ihm zu entgleiten. Bis Cara von ihm abließ und die Erkenntnis ihn mit voller Breitseite traf. Er hatte sich nicht geirrt, es war tatsächlich jemand in seinen Gedanken gewesen. Cara hatte dort ganze Arbeit geleistet. Das Lächeln auf ihren Lippen gab ihm die letzte Sicherheit, dass sie wirklich versucht hatte, ihn zu manipulieren.
In einem Atemzug hatte er sie von sich gestoßen und sich anschließend auf sie geworfen, so dass sie nun unter ihm lag. Für eine Sekunde blickte sie ihn mit schockgeweiteten Augen an, als seine Hände sich fest um ihre Schultern schlossen und sie gewaltsam tiefer in die Matratze drückten.
„Was bildest du dir ein?!", zischte er. Das Kribbeln seiner Kopfhaut und seiner Zähne verriet ihm, dass seine Wolfsohren und seine scharfen Zähne sich bereits gebildet hatten und es fehlte nicht mehr viel, bis er sich vor Rage in einen ausgewachsenen Werwolf verwandeln würde. Sein Wolf tat alles, um seinen Fesseln zu entfliehen, sich seinen Instinkten hinzugeben und den Feind anzugreifen und Miles musste alles in seiner Kraft stehende tun, um genau dies zu verhindern. Es kam leider nicht in Frage, die Vampirkönigin hier und jetzt zu töten.
Caras Lächeln war verblasst. An ihren vollen Lippen klebte noch ein wenig seines Blutes und sie musterte ihn aus wachen Augen, wobei der Schreck ihre Pupillen verlassen hatte. Ganz ruhig lag sie unter ihm, sich entweder der Gefahr nicht bewusst, oder sie töricht in Kauf nehmend.
„Hast du gemerkt, wie viel leichter es wäre?", fragte sie ihn leise, „Wie viel glücklicher du wärst, würdest du die Vergangenheit ruhen lassen und erkennen, dass du nicht der Schuldige bist, für den du dich hältst?"
„Du hast mir etwas vorgespielt", warf er ihr vor, „Wann wirst du verstehen, dass es meine Sache ist und dich meine Probleme nichts angehen? Ich kann mir nicht vergeben! Wann geht das in deinen Kopf? Die Schuld klebt an mir, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Ich kann sie nicht ausknipsen, wie du es getan hast."
„Es geht nicht darum, dass du es sofort tust, sondern, dass du es langsam zulässt. Sonst zerstörst du dich selbst Miles."
Erneu knurrte er und ballte seine Faust in das Laken, welches kurz darauf zerriss, als sie sich zu Krallen formten. Sein Wolf heulte nun, so laut, dass es in seinen Ohren wiederhallte. Aus einem Impuls heraus sprang er auf. Er konnte nicht hierbleiben, war er doch somit ein zu großes Risiko für sich selbst und die anderen. Ein unkontrollierter Wolf konnte großen Schaden anrichten. Also stürzte er aus seinem Zimmer, hinaus in den Garten, wo er sich noch im Laufen verwandelte und sein Wolf endgültig die Kontrolle übernahm.
Er ließ ihn einfach laufen, an den Obstbäumen vorbei, den alten Trampelpfad entlang, an dem Dorf vorbei, bis zum See. Dort kam sein Wolf ein wenig zur Ruhe und legte sich ans Ufer, allerdings zitterte er am ganzen Körper und es erschien unmöglich sich zurück zu verwandeln. Cara hatte durch den unbedachten Eingriff in seine Gedankenwelt versucht Erinnerungen zu verdrängen, die sich nun mit ganzer Macht wieder in den Vordergrund schoben. Sein Chaos war nun schlimmer als zuvor. Es ließ ihn jaulen, während seine Erinnerung ihn hautnah miterleben ließ, wie Zacharias Biss Benjamin traf und im nächsten Augenblick von dem Vampir nichts mehr übrig war. Als er auf den See blickte, war es, als wären die Aschereste seines Freundes wieder direkt vor ihm. Miles winselte nun, warf sich unruhig auf dem Boden hin und her und wusste nicht wohin mit sich. Seine Pfoten versuchten die Asche festzuhalten, aber sie griffen ins Leere.
Dass sich ihm Schritte näherten, bemerkte er zunächst nicht, bis sich zwei schmale Arme um seine Mitte schlangen und sich ein anderer Körper an seinen legte, und ihm somit die Möglichkeit sich weiter auf dem Boden zu wälzen. Als er die roten Haare erblickte, verschluckte sich sein Wolf beinahe an seiner eigenen Zunge. War sie sich nicht bewusst, wie gefährlich er in dieser Form war? Wie wütend er, bevor die Erinnerung ihn seiner Kraft beraubt hatten, gewesen war?
Anscheinend kümmerte es sie nicht, denn ihre Hände fuhren sanft durch sein Fell, als wäre er kein Wolf sondern ein zahmes Hündchen. Seltsamerweise beruhigte ihn das, und dass obwohl sie ihn dieses Mal nicht manipulierte.
„Ach Miles", seufzte sie leise, während er weiter winselte und sich trotzdem klammheimlich etwas gegen sie presste, ihre Nähe suchend. Es tat gut, so von ihr gehalten zu werden, auch wenn er es nur schwer zugeben wollte.
„Alles wird gut", flüsterte sie und das genügte, um einen Damm in seinem Inneren brechen zu lassen. Er hätte geweint, hätte er es in dieser Form gekonnt, aber so bewahrte ihn sein Wolf vor dieser Peinlichkeit. Ein Teil von ihm hoffte, dass sie Recht behalten würde. Ein anderer glaubte schon lange nicht mehr daran, dieser Teil wünschte sich noch immer, an Benjamins Stelle gewesen zu sein. Das erste Mal seit dessen Tod ließ er es zu, dass die Trauer ihn in Anwesenheit eines anderen überwältigte. Cara sagte nichts. Sie hielt ihn nur weiter. Und das erste Mal hatte er das Gefühl, dass er nicht mehr allein in seiner Verzweiflung war. Dass es besser wurde. Wenn auch nur ein wenig, aber es war ein Anfang.
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Sind sie nicht süß? <3
Und natürlich haben nicht nur die Werwölfe besondere Fähigkeiten :P Wäre ja sonst unfair gewesen.
Mein langsames Updaten setzt sich leider noch etwas fort, weil meine Turniersaison gerade ihren Höhepunkt erreicht hat , aber keine Sorge, es kommt immer mal wieder was, ich bemühe mich, so schnell wie möglich zu sein :)
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