Gescheiterte Rache
Miles erwachte mit einem dröhnenden Schädel und einer brennenden Kehle. Es erinnerte ihn an die wenigen Male, die er es mit dem Alkohol übertrieben und es ihm einen Kater beschert hatte, nur war es noch nie so schlimm gewesen wie jetzt. Stöhnend versuchte er die Augen zu öffnen, doch das Licht blendete ihn zu sehr, weshalb er diesen Versuch schnellst möglich wieder unterließ. Im ersten Moment konnte er sich nicht erklären, wie zum Teufel er in diese Situation gekommen war, doch als er sich durch die Haare raufte, in der Hoffnung dadurch die Kopfschmerzen lindern zu können, fuhren seine Hände auch über seinen Hals, als er sie wieder sinken lassen wollte. Sein Hals war ungeahnt schmerzempfindlich und pochte. An der rechten Seite konnte er zwei kleine Erhebungen ertasten und da kam die Erinnerung an Caras Biss in Sekundenschnelle zurück.
Mit einem lauten Fluch setzte er sich ruckartig auf, bereit Cara zu finden und ihr eine Lektion dafür zu erteilen, dass sie ihn bis zur Bewusstlosigkeit ausgesaugt hatte. Nur hatte er die Rechnung ohne seinen Kopf gemacht, der zu explodieren schien. Für einen Moment drohte er ein weiteres Mal ohnmächtig auf sein Bett zu sinken, er schwankte und musste sich stark zusammenreißen um seine Übelkeit in Zaum zu halten. Zum Glück gelang es ihm, sich gerade noch so zu fangen. Auch sein zweiter Versuch, die Augen zu öffnen, war von Erfolg gekrönt, auch wenn er auf den Anblick eines besorgten Sams, der vor ihm auf dem Boden kniete, gerne verzichtet hätte.
„Langsam!", wies Sam ihn zurecht und Miles überlegte für einen Augenblick, ob er sich vor Cara nicht auch noch den Kleinen vornehmen sollte, aber er ließ den Gedanken wieder fallen. Für zwei fehlten ihm die Kraft.
„Lass mich", zischte er den anderen Beta an und nahm Schwung, um aufzustehen. Erneut kam er in Schwanken, nur hielt ihn das nicht davon ab, Sam zur Seite zu drücken und auf die Tür zuzusteuern.
„Miles bitte", Sams Stimme glich mittlerweile einer Mischung aus Verzweiflung und Hysterie, „Die anderen haben gesagt, du sollst liegen bleiben, bis sich wieder neues Blut gebildet hat. Das dauert Stunden. Wenn du jetzt umherläufst, gefährdest du nur deine Gesundheit. Das ist doch Irrsinn!"
Miles schnaubte. „Wenn hier etwas irrsinnig ist, dann die Tatsache, dass diese Blutsauger frei herumlaufen. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass sie lebensgefährlich sind. Wenn du mich entschuldigen würdest, ich habe etwas zu erledigen."
Mit diesen Worten kehrte er Sam den Rücken zu und ignorierte dessen Proteste. Zum seinem eigenen Wohl versuchte der Kleinere nicht, Miles irgendwie festzuhalten, in dem Fall hätte der Beta nicht dafür garantieren können, Sam nicht anzugreifen. Mit Mühe und Not schaffte er es die Treppe aus dem ersten Stock hinunter ins Erdgeschoss bis ins Wohnzimmer, wo Tobias, Elijah, Cassandra und Cara gerade am Esstisch saßen. Kaum war sein Blick auf Cara gefallen, stürzte er sich auch schon auf sie, leider lief das Ganze anders als geplant. Anstatt sie zu Boden zu werfen, wurde seine Kopfschmerzen plötzlich unerträglich, es flackerte vor seinen Augen und er sackte in sich zusammen. Direkt in Caras Arme, die ihn auffing.
„Miles!", riefen Elijah und Tobias beinahe zeitgleich aus und waren im nächsten Moment bei ihm, um ihn mit mitleidvoll zu mustern. Cassandra wies indes Cara an, ihn auf den Boden zu legen und seine Füße nach oben zu heben, wohl um seinen Kreislauf wieder zu stabilisieren. Und Miles selbst wäre am liebsten gleich im Boden versunken vor Scham. Er versuchte dennoch, Cara irgendwie zu greifen, sie zu kratzen oder ihr anderweitig eins auszuwischen, doch seine Angriffe waren anscheinend von kläglicher Natur, denn sie zuckte nicht einmal zusammen.
Am Rande konnte er hören, wie Elijah nach Sam rief und diesen dafür zusammenstauchte, dass er nicht besser aufgepasst hatte, während Cassandra seine Beine in die Höhe hob und Cara seinen Kopf in ihre Hände nahm. Selten war ihm eine Situation so peinlich gewesen, er hasste es Schwäche zu zeigen und betete, dass keiner seiner Krieger nun das Rudelhaus betreten würde. Sie würden sich noch Wochen lang darüber lustig machen und er konnte sich schon gut vorstellen, wie Nat aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommen würde. Hatte er schon betont, wie sehr er Cara hasste? Schließlich war sie an all dem Schuld und er schwor sich, ihr all dies doppelt und dreifach heimzuzahlen.
„Warum musst du es immer übertreiben?", seufzte Cassandra und so wie sie ihn ansah, musste er in der Tat wirklich schlecht aussehen, „Du bist mit Abstand der schlimmste Patient, den ich jemals hatte. Ist es zu viel verlangt, dass du dich mal ausruhst? Manchmal habe ich das Gefühl, du weißt gar nicht, was das ist."
„Ich kann es mir nicht erlauben, faul herumzuliegen", knurrte er und erntete dafür ein Augenrollen der Hexe.
„Wenn du dich vernünftig schonen würdest, wärest du umso schneller wieder gesund."
„Und ich wäre schon längst geheilt, wenn man mir nicht etliches Blut genommen hätte", protestierte er, so stark, wie es ihm derzeit möglich war.
„Da hat er recht", meldete sich nun Tobias zu Wort, der wieder seinen typischen Gesichtsausdruck aufwies, den er immer zeigte, wenn er sich schuldig fühlte und der ihn aussehen ließ, wie einen geschlagenen Hund. Miles hasste diesen Ausdruck, weil der Omega sehr wohl wusste, dass er ihm so nicht lange böse sein konnte.
„Ja, du hast zu viel getrunken, Cara. Das hätte in seinem Zustand ernsthafte Folgen haben können", fügte Elijah hinzu.
„Er hat eben sehr gut geschmeckt", sagte Cara kleinlaut, woraufhin das Knurren dreier Wölfe den Raum füllte, „Ist ja gut. Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen."
„Du sagst es. Als ob ich dich nochmal an meinen Hals lassen würde."
„Ich weiß, du wirst das jetzt nicht gerne hören", begann Tobias, „Aber dir wird keine andere Wahl bleiben. Cara hat dein Blut gut vertragen und du bist somit der Einzige, von dem sie trinken kann."
„Selbstverständlich wird sie sich von nun an am Riemen reißen müssen. Sollte es ein zweites Mal zu so einem Vorfall kommen, wird der Friedenspakt annulliert", fügte Elijah hinzu.
„Toll, wie ihr das ohne mich beschlossen habt", brummte der Beta und wusste, dass er daran ohnehin nichts ändern konnte, schließlich stand er unter Elijahs Befehl. Er bemerkte, wie es ihm langsam besser ging und der Schwindel sowie die Kopfschmerzen allmählich verschwanden. Er nutzte dies sofort, um Caras Hände abzuschütteln und Cassandra seine Beine zu entziehen. Leider war Cassandra im nächsten Moment sofort wieder bei ihm und betrachtete nun kritisch seinen Hals.
„Die Bissstelle hat sich entzündet", stellte sie resigniert fest, „Ich verstehe es einfach nicht, seit dem Krieg haben deine Selbstheilungskräfte extrem nachgelassen. Ich kann mir das nicht erklären."
Dafür wusste es Miles. Aber er würde sich hüten, es irgendjemandem zu erzählen. Er wollte mit niemandem über Benjamins Tod sprechen und wie sehr es ihn belastete. Das ging nur ihn selbst etwas an. Deshalb hob er bloß kurz unsicher die Schultern und ließ es dabei beruhen. Cassandra, Elijah und Tobias schien er damit geblendet zu haben, aber ihm entging nicht, wie Cara stockte, als sei ihr etwas aufgefallen. Vielleicht täuschte er sich auch. Er hoffte es.
Sein kleiner Ausflug ins Wohnzimmer endete damit, dass Sam und Elijah ihn wieder in sein Zimmer hievten, wo er den Rest des Tages in seinem Bett verbrachte. Er hasste dieses sinnlose Herumliegen. Es gab ihm zu viel Freiraum, zu viel Zeit zum Nachdenken. Benjamin schlich sich wieder in seine Gedanken. Wie Zacharias in seine Kehle bis. Wie er sich in Staub auflöste. Immer und immer wieder spielte sich die Szene ab. Bis in den frühen Morgen. Sam schnarchte leise in einem Stuhl neben seinem Bett, während er nicht für eine Minute seine Lieder geschlossen hatte. Als die ersten Vögel den neuen Tag begrüßten, schlich er sich auf leisen, wenn auch noch sehr unsicheren Sohlen wie jeden Tag hinaus. Er seufzte erleichtert, als er Benjamins Grab ohne Probleme erreichte und kniete sich dort mit einem Ächzen hin, um ein paar Halme Unkraut zu zupfen, die sich unter die Grabblumen gemischt hatten. Vorsichtig strich er über den kühlen Grabstein, folgte mit seinen Fingern der Inschrift und lächelte ein wenig, auch wenn ihm innerlich zum Weinen zumute war. Er hatte gerade den letzten Buchstaben erreicht, da schreckte er auf, als er Schritte hinter sich hörte und beim Nachsehen musste er feststellen, dass niemand geringeres als Cara hinter ihm stand und ihn aufmerksam beobachtete.
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Miles auf frischer Tat ertappt xD Ob Cara ihm wohl zufällig begegnet ist oder ob sie etwas im Schilde führt?
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