Böser Alkohol
Das Fest war seit langer Zeit etwas, das so etwas wie Vorfreude in Miles hervorrief. Natürlich ließ sich ein Hauch von Nervosität nicht verhindern, immerhin war er nach wie vor äußerst unsicher, ob diese ganze Friedensache zwischen Vampiren und Werwölfen auf Dauer funktionieren und das Fest am Ende nicht doch eskalieren würde, aber er nahm sich vor einmal auf Elijah und Cara zu vertrauen, in der Hoffnung, dass sie Recht behalten und alles harmonisch verlaufen würde. Die beiden gaben sich jedenfalls größte Mühe. Im Garten hatte man ein großes Lagerfeuer entzündet, dessen Flammen die anbrechende Dämmerung erhellten. Rund um das Feuer hatte man Baumstämme drapiert, die als Sitzgelegenheiten dienten und obwohl Nat nur gejammert hatte, wie schwer diese gewesen waren, musste man sagen, dass sich die Anstrengung, sie aus dem Wald zu ziehen, gelohnt hatte. Cassandra hatte sich eigens für das Fest stundenlang in der Küche verschanzt und ein kleines Festmahl für die Werwölfe gezaubert, dessen köstlicher Duft überall in der Luft lag, während man die Vampire mit Blut ausgestattet hatte. Im Angesicht der Festlichkeit hatten sich die Werwölfe bereiterklärt, sich Blut abnehmen zu lassen, weil man die Vampire nicht dazu verdammen wollten, zuzusehen, wie sich nur die Werwölfe den Magen vollschlugen.
Als Miles zu den Feiernden dazustieß, hatten sich bereits viele um das Feuer versammelt, was darauf zurückzuführen war, dass er schlichtweg zu spät erschien. Obwohl er nach dem Training eigentlich genug Zeit gehabt hatte um sich fertig zu machen. Aber irgendwie war er jedes Mal auf dem Absatz umgekehrt und hatte sich ein anderes Oberteil oder Hose herausgesucht, hatte seine Haare zuerst zurückgekämmt und sie dann wild verwuschelt. Jedes Mal hatte ihn irgendetwas gestört. Es war nicht so, dass er unsicher bezüglich seines Aussehens war, doch irgendwie musste es heute perfekt sein. Er musste gut aussehen. Für Cara. Die Vampirin hatte sich in seinem Kopf eingenistet und jeder seiner Gedanken begann und endete neuerdings mit ihr. Er wollte, dass sie ihn mit demselben Blick ansah, den er ihr neuerdings zuwarf. Also hatte er sein Zimmer erst verlassen, als er sich sicher sein konnte, dass ihm dies gelingen würde.
Allerdings lief er beim Lagerfeuer nicht Cara in die Arme, sondern traf zunächst auf Tobias, der verträumt beobachtete, wie die Funken in den Himmel flogen. Er war allein, ohne Elijah oder Sam und Miles fühlte sich verpflichtet, ihn deshalb zu begrüßen und ihm Gesellschaft zu leisten. Wenn die Zeit eines bewirkt hatte, dann dass er einen Beschützerinstinkt gegenüber dem Omega entwickelt hatte. Tobias hatte oft genug bewiesen, dass seine Ideen Haare sträubend, vollkommen wahnsinnig und viel zu gewagt waren und man konnte bei ihm nie wissen, wann er mal wieder in Gefahr schwebte. Der Omega hatte seine Schritte anscheinend schon vernommen, denn er drehte sich mit einem kleinen Lächeln zu dem Beta um und schloss ihn für einen kurzen Moment in eine Umarmung. Tobias Kuschelbedürfnis war zwar nichts Neues, Miles aber immer noch unangenehm. Die Einzige, von der sich kuscheln lassen wollte, war Cara. Deshalb tätschelte er bloß unbeholfen den Rücken des Omegas und atmete erleichtert auf, als dieser ihn wieder losließ.
„Gut siehst du aus Miles", murmelte Tobias dann anerkennend, was Miles ein Schmunzeln entlockte.
„Danke. Das Lagerfeuer kann sich allerdings auch sehen lassen. Hut ab, Kleiner. Cara, Elijah und du habt euch übertroffen."
„Es freut mich, dass es dir gefällt", antwortete der Omega strahlend, „Jetzt muss es nur noch den erhofften Effekt bringen. Wobei ich das Gefühl habe, dass wir schon auf einem guten Weg sind. Einige von denen ich dachte, sie würden den Vampiren niemals etwas abgewinnen können, scheinen ihre Ansichten sehr geändert zu haben."
Miles Stirn legte sich in Falten, während seine Augen über die Versammelten wanderten. Er hatte keinen blassen Schimmer, wen Tobias meinte. Natürlich waren die meisten Werwölfe an diesem Abend ausgelassen und friedlich, weil sie Feste allgemein genossen und ihren Alpha nicht verärgern wollten, aber bei keinem von ihnen hatte Miles solch einen Sinneswechsel beobachten können, wie Tobias ihn beschrieb. Das wissende Lächeln des Omegas zwang ihn gerade dazu nachzufragen, doch noch bevor er den Mund öffnen konnte, schlang Nat wie aus dem Nichts einen Arm um seinen Hals und zog den Beta an sich. Es war offenkundig, dass Nat sich anscheinend schon an dem herumstehenden Alkohol bedient hatte, sein Geruch ging bereits ins Süßliche über und Miles hätte wohl die Nase gerümpft, hätte er Nat nicht so tief in sein Herz geschlossen.
„Miiiles", lallte der Gamma und reichte dem Beta dabei eine Weinflasche, die er selbst schon zur Hälfte geleert hatte, „Du musst den probieren, ist einfach köstlich."
Das ließ sich der Beta nicht zweimal sagen. Er feierte gerne und heftig und Alkohol gehörte für ihn schlichtweg dazu, auch wenn er es hin und wieder etwas übertrieb. Heute würde er sich allerdings am Riemen reißen, schließlich waren Vampire anwesend.
Zwei Stunden und drei Flaschen später sah das anders aus. Zwar drehte sich die Welt noch nicht, aber Miles war um einiges ausgelassener und hemmungsloser. Womöglich hatte er sich auf ein Wetttrinken mit zwei Vampiren eingelassen, mit Nat ein Tänzchen um das Feuer vollführt und mit Cassandra eines ihrer Hexenlieder zum Besten gegeben. Wirklich erinnern konnte er sich an all das allerdings nicht mehr. Seine Erinnerungen waren verschwommen, mit wem er eben noch gesprochen hatte, war lange vergessen. Es blieb jenes Gefühl zurück, das ein schöner Abend mit sich brachte, und dass einen philosophierend ins Feuer blicken ließ, dabei den Versuch unternehmend die Frage zu beantworten, was es war, was ihm fehlte. Er war sich sicher, er hätte es benennen können, hätte er nicht von Cassandras selbst gebrannten Kräuterlikör gekostet. Diesen würde er nie wieder anrühren. Die anderen, allen voran Nat, hatten sich zum größten Teil bereits auf den Weg zu ihren Nachtquartieren gemacht, nur wenige trotzten der Müdigkeit und leisteten den Flammen noch Gesellschaft. Auch wenn er es versucht hätte, Miles hätte sich nicht von seinem Baumstamm lösen können auf dem er saß, dafür war dieser viel zu gemütlich. Er blieb jedoch nicht lange allein. Plötzlich kamen schmale Finger in sein Gesichtsfeld und schoben sanft einige verschwitzte Haarsträhnen von seiner Stirn. In dem Moment löste sich seine Frage von selbst, als er in Caras Gesicht blickte, das ihm wie so oft ein unbeschreiblich schönes Lächeln schenkte, das sein Herz zum Stolpern brachte.
„Du hast gefehlt", murmelte er rau, seiner Stimme nicht wirklich trauend, aber diese zeigte sich für seinen Zustand erstaunlich fest.
„Tut mir leid, ich wollte das Ganze mit Elijah aus dem Hintergrund beobachten, um bei Schwierigkeiten einzugreifen, doch unsere Sorgen waren anscheinend unbegründet. Aber jetzt bin ich hier", antwortete sie lächelnd.
„Bei mir."
„Ja, bei dir", bestätigte sie amüsiert und verstummte dann überrascht, als Miles sie kurzerhand in seine Arme schloss und auf seinen Schoß setzte, um seine Nase kurz darauf in ihren Haaren zu versenken. Sie roch so furchtbar gut. Vielleicht war es der Alkohol, der ihn so kuschelbedürftig machte. Er hätte das gerne geglaubt. Es wäre die einfachste Erklärung gewesen.
„Miles", flüsterte sie, so dass nur er es hörte und er fürchtete sich schon davor, wie sie ihn zurückweisen und sich aus seinem Griff befreien würde, doch sie presste sich nur feste in seine Arme, „Ich will nicht länger warten. Ich will endlich..."
Sie beendete ihren Satz nicht, sondern leckte sich zögerlich über die Lippen, was ihn Stirn runzelnd zurückließ. Er konnte sich keinen Reim auf ihr Verhalten machen, sein Denken war ohnehin verlangsamt. Er wusste nur, dass er sie nicht loslassen wollte. Dass er mehr von ihrem Geruch wollte, dass er sich zur Not die ganze Nacht mit seiner Nase in ihren Locken verkriechen würde und dass er nichts von der Wärme missen wollte, die sie in ihm auslöste. Da presste sie plötzlich und unvorhersehbar ihre Lippen auf seine und raubte ihm damit sämtlichen Atem. Doch das rückte in den Hintergrund, als sie ihn vorsichtig küsste, seine Lippen erkundete und ihm damit näherkam als je zuvor. Wenn Blut so gut für sie schmeckte, wie sie in diesem Augenblick für ihn, dann würde er den Vampiren nie wieder Vorbehalte wegen ihrer Ernährung machen. Ab der ersten Sekunde machte sie ihn süchtig, er wollte mehr von ihr, mehr von diesen weichen Lippen, die sich so perfekt an seine schmiegten. Sie machte ihn verrückt mit ihrer Vorsicht, die sie jedoch schnell ablegte, als er sie näher zu sich heranzog und den Kuss mit einem kehligen Knurren erwiderte. Wenn sie glaubte, dass er sie mit dieser Neckerei davonkommen lassen würde, dann irrte sie sich gewaltig. Sein Knurren verklang erst, als ihre Zungen miteinander kämpften und ihre Hände sich fest in sein Oberteil krallten und es beinahe zerrissen.
Zum ersten Mal verfluchte er sich dafür ein Werwolf zu sein, war er doch derjenige, der sich lösen musste, um irgendwann nach Luft zu schnappen, während sie ihn hungrig musterte und seine Beine dabei fast ihren Dienst versagten. In dem Moment, indem ihre Blicke wieder aufeinandertrafen, bestand kein Zweifel, dass diese Nacht noch lange kein Ende finden würde. Ohne Worte zu verlieren machten sie sich auf, weg von den neugierigen Augen, von den letzten Feiergästen, hinauf auf sein Zimmer, wo er sich wieder auf sie stürzte und endlich das auskosten konnte, was er sich in den letzten Tagen so sehr herbeigesehnt hatte. Unter vielen wilden Küssen segelte ein Kleidungsstück nach dem anderen zu Boden und mit ihnen streifte er die kleinen, nervigen Gewissensbisse von sich ab, die ihn ermahnen wollten, dass es nicht richtig war, was er im Begriff war zu tun. Dass es zu schnell war. Zu früh. Zu betrunken. Es kümmerte ihn nicht.
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Tja, da rennt wohl jemand direkt in sein... Glück oder Unglück?
Dabei lief die Party so schön und friedlich, aber bei der Spannung zwischen den beiden musste es ja irgendwann so kommen. Oder? Alles nur ein Traum? :P
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