drei
Nach einiger Zeit, die ich mir mit dünnen Mädchen in Zeitschriften totgeschlagen habe, kommt mein Dad mit Luca wieder und setzten sich neben mich.
Ein unangenehmes Schweigen breitet sich aus, weil ich nicht mit zum Kiosk wollte und ich merke wie ihnen diese eine Frage auf der Zunge liegt.
"Möchtest du auch etwas?"
Dann müsste ich verneinen und Dad würde mich anschreien doch endlich zu essen, deine Mutter hätte das niemals gewollt und ich würde zurückschreien und ihm sagen das sie tot ist und ich kann verdammt noch mal machen was ich will.
Luca würde weggehen, weil wir ihm peinlich sind.
Aber heute geschieht nichts dergleichen.
Statdessen spielt Luca auf seinem Handy und trinkt schlürfend seine in Zucker getränkte Cola, während Dad mir nur hin und wieder Blicke von der Seite zu wirft und nevös mit seinem Bein auf und ab wippt.
Also beschließe ich mir nichts anmerken zu lassen und versinke wieder in meiner Zeitschrift, die mich keinesweg ablenkt.
Meine Gedanken schweifen nur um mein Gewicht, wie viel ich wohl zugenommen habe, ob der Speck an meiner Hüfte wohl schon aus dem T-Shirt rollt das ich trage und was sie mit mir anstellen werden. Ob ich trotzdem weiter abnehmen kann? Oder unbeobachtet kotzen?
Mein Schädel platzt gleich, das spüre ich. Genauso wie meine Haut, mein Gewebe aufplatzen wird wenn sie mich hier reinstecken.
Ich frage mich warum der Junge von vorhin, jetzt eine halbe Stunde später immer noch in dem Sprechzimmer ist und was er wohl hat.
Vielleicht eine ansteckende Krankheit oder er ist Depressiv. Man kann nie wissen, das habe ich gelernt als ich aufhörte ein ganzer Mensch zu sein.
In diesem Moment wird die Tür aufgerissen und der rotharige Junge stürmt mit wutverzerrten Gesicht aus dem Raum. Seine Eltern, die ihm kein bisschen ähnlich sehen wollen ihn mit Tränen in den Augen folgen, doch er ist schon um die Ecke. Der Arzt steckt nun ebenfalls seinen Kopf durch die Tür und ruft meinen Namen auf, ohne sich noch weiter um meine Vorgänger zu kümmern. Ich weis jetzt schon das er ein Arsch ist und ich ihn nicht mag.
"Alexis Morton Bitte." ruft er nocheinmal und am liebsten würde ich disem Jonas hinterherrennen und für immer verschwinden.
Noch ein bisschen und du wirst unsichtbar sein.
Bleib stark.
Mein Kopf schmerzt und mein Magen knurrt. Ich will einfach nur weg hier, will wissen wie viel ich wiege und will endlich diese Stimme loswerden.
Stattdessen packt unser Vater sanft meinen Arm, so als könnte ich bei der allerkleinsten Bewegung in tausend Eimzelteile zerbrechen. Und am liebsten würde ich das auch.
Gemeinsam, so als wären wir eine richtige Familie betreten wir das Zimmer. Mein kleiner Bruder hält sich im Hintergrund, als würde ihn das alles nichts angehen und ich tue es ihm gleich, indem ich mich daneben stelle. Dad hingegen setzt sich auf einen der schwarzen Stühle, die eigentlich gar nicht so unbequem aussehen.
Der Arzt räuspert sich, nachdem er uns allen die Hand gegeben hat und uns mit seinem klinischen Lächeln versucht einzulullen.
"Mein Name ist Dr. Martin. Ich bin einer der zuständigen Ärzte der Jugendabteilung."
"Hallo Dr. Martin, Sie wissen sicher um was es geht nehme ich an." sagt mein Vater an ihn gewandt und sieht ganz ernst drein. So wie immer, ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wann er das letzte mal gelacht hat.
Christopher Morton ist Anwalt, einer der nie Zeit für seine Kinder hat, sonder einzig und alleine für seine Arbeit. Lieber hilft er anderen Menschen anstatt seiner Familie und seit Mom tot ist, wurde alles nur noch schlimmer.
Ich glaube für Luca ist das nie eine große Sache gewesen. Er hat immer mich gehabt und in der Schule lässt er seine ganze Wut einfach an den anderen aus. Wie oft musste Dad ihn schon abholen weil er mal wieder durch Mobbing oder Schlägereien aufgefallen ist, wie oft stand er schon kurz vor dem rausschmiss.
Ich hingegen fing an zu hungern, weil ich mich fett fühlte und weil ich vielleicht auch Aufmerksamleit brauchte.
So gesehn war das ganze also auch seine Schuld. Wäre er da gewesen, wäre es vielleicht nie soweit gekommen und wir drei hätten ein halbwegs normales Leben. Doch so ist es nunmal nicht.
"Natürlich", er sieht lächelnd zu mir
herüber, doch ich drehe einfach den Kopf weg und starre die leere Wand an. Wie trostlos dieser Raum doch ist.
"Ihre Tochter leidet unter der Kranheit Anorexia Nervosa, bekannt als Magersucht. Wie Sie sicher wissen ist Alexis stark Untergwewichtig, bei einer Größe von 174cm und ihrem Gewicht von 40kg."
Dad nickt.
"Hier wird sie lernen wieder richtig zu essen, ihren Körper richtig wahrzunehmen und andere kennenlernen denen es genauso geht. Gruppentherapien, Einzelsitzungen und wöchentliche Wiegungen sind hier Pflicht."
Sie reden als wäre ich gar nicht da. Ich schiele zu meinem Bruder hinüber und sehe das er schon wiedrt dieses Spiel an seinem Handy zockt.
Manchmal wünsche ich mir wie er zu sein. So unbeschwert, desinteressiert und unkompliziert.
Eine Weile reden die beiden Erwachsenen noch über Dinge die wir Kinder nicht verstehen können. Dann fragt Dr. Martin mich ein paar Dinge die ich mit Lügen beantworte.
Bevor wir gehen, lässt er eine Schwester rufen, die uns auf mein neues Zimmer bringen soll und verabschiedet sich dann.
Als sie kommt, mit ihren braunen Locken und der dunklen Haut erinnert sie mich so sehr an Schokolade, dass mir urplötzlich schlecht wird.
Was ist nur aus mir geworden.
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